Protocol of the Session on November 5, 2009

Aber die traditionelle Familie ist nicht mehr die Regel. Andere Lebensmodelle werden gewählt und auch gelebt. Der eigene Beruf und die finanzielle Unabhängigkeit sind immer wichtiger für Frauen, insbesondere auch für junge Frauen. Von 35 % der 16- bis 29-jährigen Frauen wird eine Vollzeitbeschäftigung als ideal angesehen, in der Altersgruppe der 30- bis 44-jährigen Frauen wollen dies nur 23 %. Das zeigt uns aber sehr genau, dass eine Veränderung der Einstellung bei jungen Frauen stattgefunden hat.

Junge Frauen haben oft die besseren Schulabschlüsse. Da ist es schon erstaunlich, dass sich das bei der Berufsauswahl nicht widerspiegelt, denn 56 % der jungen Frauen wählen unter den Top Ten der „weiblichen Berufe“ ihren Ausbildungsberuf aus, alle im Dienstleistungsbereich und überwiegend schlecht bezahlt. Damit wird der Grundstein für spätere Mini- und Midi-Jobs gelegt.

Doppelt so viele Frauen wie Männer arbeiten in einem Mini-Job-Verhältnis. Dasselbe gilt für MidiJobs-Arbeitsverhältnisse. In den Wirtschaftszweigen Handel, Gastronomie, Pflege, in denen vor allem Frauen arbeiten, ist der Anteil an Mini- und MidiJobs besonders hoch.

Bei typischen „Männerberufen“ im technischen und handwerklichen Bereich ist der Anteil an Mini- und Midi-Jobs sehr gering. Statt dagegen zu steuern, will die schwarz-gelbe Bundesregierung eine Ausweitung der Mini-Jobs. Das ist natürlich genau der falsche Weg. Die Ausweitung der Mini-Jobs geht zulasten der versicherungspflichtigen Arbeitsplätze.

(Beifall von der SPD)

Und die Mini-Jobs sind oft schlecht bezahlt. Die Arbeitsstunden sind viel zu hoch und die Bedingungen überwiegend schlecht. Über ihre Rechte sind viele Mini-Jobberinnen nicht aufgeklärt. Hier wäre ein Mindestlohn die richtige Antwort. Es kann doch nicht sein, dass mit staatlichen Mitteln zum Beispiel für sogenannte Aufstocker sittenwidrige Löhne bei KiK & Co. subventioniert werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Sittenwidrige Löhne werden jetzt auch im Bund verboten!)

Sittenwidrige Löhne sind bereits verboten. Dazu gibt es ein höchstrichterliches Urteil. Es braucht nicht extra in einen Koalitionsvertrag geschrieben zu werden. Von daher wäre es schon sinnvoller, das zu verbieten.

(Ralf Witzel [FDP]: Das gibt es dann doch gar nicht, was Sie da beschreiben!)

Reden Sie ruhig weiter. Jede zweite Mutter, das heißt 50 % aller Mütter, ist drei Jahre in Elternzeit.

(Ralf Witzel [FDP]: Gibt es nun Handlungs- bedarf oder nicht!)

Ich freue mich, dass Sie das mit den sittenwidrigen Löhnen verstanden haben.

(Ralf Witzel [FDP]: Wir konkretisieren den Lohnkorridor für Sittenwidrigkeit!)

Es muss aber jede einzelne dagegen klagen. Das ist das Problem.

(Beifall von der SPD)

Es ist nicht einfach so verboten – das könnten Sie tun in Ihrer Koalition –, sondern jede einzelne Frau, jeder einzelne Mann muss dagegen klagen, um Recht vor Gericht zu bekommen, damit dann letztendlich festgestellt wird, dass es ein sittenwidriger Lohn ist. Das ist das eigentliche Problem.

Von 25 % der Väter, die in Elternzeit gehen, beanspruchen 61 % nur ein oder zwei Monate. Nur 8 % der Frauen steigen nach der Familienphase wieder in Vollzeit in den Beruf ein. Zwischen 2005 und 2008 lagen die Anteile der in Teilzeit beschäftigten Wiedereinsteigerinnen zwischen 90,5 % und 92,1 %. Auch ein Jahr nach Wiederaufnahme des Berufes arbeiten 48 % der Frauen in Teilzeit und 33 % weniger als 15 Stunden in der Woche. Nicht alle wollen dies. Demgegenüber arbeiten 78 % der Männer bereits wieder in Vollzeitstellen. Mehr als viermal so viele Frauen wie Männer arbeiten in Teilzeit.

Das geplante Betreuungsgeld der neuen Bundesregierung ist da genau das falsche Signal. Es wird ausgerechnet die Kinder aus den Kitas fernhalten, die frühe Förderung besonders nötig haben. Die Mütter aber wird sie in Mini-Jobs drängen. Dort erwerben sie keine Ansprüche auf Weiterqualifizierung oder gar Altersabsicherung. Altersarmut ist damit vorprogrammiert. Aber auch Frauen in Führungspositionen stoßen immer wieder an die gläserne Decke. Mit einem Beschäftigungsanteil der Frauen von 44 % sind sie mit einem Prozentsatz von 23 % auf der oberen Führungsetage in Nordrhein-Westfalen deutlich unterrepräsentiert.

Frauen haben eher in kleinen Betrieben eine Führungsposition inne als in Großbetrieben. Je nach Wirtschaftszweig variiert der Frauenanteil in Frauenführungspositionen. Es ist schon bemerkenswert, wenn auf der Grundlage der Mikrozensus-Befragung von 2007 der Frauenanteil an Positionen mit

leitender Tätigkeit im Handel 32 % beträgt, aber von 57 % der im Handel beschäftigten Frauen nur 7,4 % eine leitende Tätigkeit inne haben. Männer stellen fast 43 % der Beschäftigten im Handel, sind aber zu 21 % in leitenden Positionen.

Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP sind zum Thema Frauen in Führungspositionen nur allgemeine Floskeln zu lesen. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen soll maßgeblich erhöht werden. Das hört sich erst einmal gut an. Es soll einen Stufenplan, verbindliche Berichtspflichten und transparente Selbstverpflichtungen geben.

Die Berichte haben wir längst, und die Selbstverpflichtung haben wir seit 2001. All das hat nicht zum Erfolg geführt. Verbindliche, verpflichtende Maßnahmen und Zielvorgaben: Fehlanzeige! Aber diese Forderungen hat Frau Merkel ja schon auf der Bundeskonferenz der Frauenunion zurückgewiesen.

Die Frauenunion wird noch dicke Bretter bohren müssen. Ich freue mich aber, dass dadurch vielleicht Bewegung ins Spiel kommt und die gläserne Decke hoffentlich bald zerspringt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kieninger. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Monheim das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne! Die Große Anfrage der SPDFraktion listet in sieben Einzelkapiteln alle wesentlichen Fragestellungen zur Situation von Frauen am Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen auf. Es sind Fragestellungen, mit denen wir uns in den unterschiedlichen Fachausschüssen dieses Hauses immer wieder und seit Jahren beschäftigen und zu denen wir Statistiken, wissenschaftliche Gutachten, Anhörungen und Expertengespräche auswerten und Handlungsempfehlungen formulieren.

Die Verwirklichung von Chancengerechtigkeit für Frauen am Arbeitsmarkt ist eine Zielsetzung, die nach meiner Wahrnehmung von allen Fraktionen geteilt und mit Unterstützung der Landesregierung auch von allen Fraktionen vorangetrieben wird. Über die Wege dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen, das gebe ich gerne zu.

Wir haben uns aber intensiv mit diesen Dingen beschäftigt. Es gibt eine Fülle von Material. Insofern ist es nicht überraschend, dass die Antworten keine wirklich neuen Ergebnisse hervorbringen. Dennoch liegen der Reiz und der Wert der Großen Anfrage sowie der nun vorliegenden Antworten der Landesregierung in der kompakten Bündelung der Daten zu diesem Thema.

Frau Kieninger hat eben einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie es ist, wenn man sehr intensiv in das Thema einsteigt. Ich möchte dagegen nur zwei Bereiche näher beleuchten.

Das eine ist die Berufswahl von jungen Frauen. Diese halte ich im Hinblick auf eine wachsende Berufstätigkeit für außerordentlich wichtig. Gerade hier ist man aber geneigt, Roman Herzogs Kernsatz aus der „Ruck-Rede“ von 1997 zu zitieren: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.“

Politisches Wollen stößt sich bei diesem Thema hart mit der Realität. Gerade bei der Berufswahl zeigt sich das Zusammenspiel von strukturellen und individuell wirkenden Faktoren. Geschlechtsspezifisches Rollenverhalten ist eng mit persönlich geprägten Erfahrungen und Wünschen verknüpft. Wir erleben immer wieder, wie stark dieses Rollendenken verankert ist.

Frau Kieninger hat darauf hingewiesen, dass sich Mädchen und junge Frauen zu 56 % auf zehn Ausbildungsberufe – vor allem aus dem Dienstleistungsbereich – konzentrieren. Ich will das nicht alles wiederholen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Junge Männer wählen wesentlich häufiger technische Berufe, die ganz andere Perspektiven bieten. Ihre Palette ist auch breiter. Nur 35 % wählen die Top Ten der Berufe.

Diese Situation ist in der Tat nicht befriedigend. Es gibt zahlreiche Initiativen und Programme, um jungen Frauen neue Chancen aufzuzeigen und ihr Interesse für andere Ausbildungen und Berufe zu wecken. Erinnert sei hier an den „Girls’Day“, an das Projekt „Mädchen wählen Technik“ und an das Rahmenkonzept „Berufsorientierung als Bestandteil einer schulischen individuellen Förderung“. Es wurde 2007 mit den Partnern im Ausbildungskonsens verabredet und wird seitdem umgesetzt.

Um ein verändertes Rollenverhalten erreichen zu können, bedarf es immer wieder neuer Anstöße, aber auch eines langen Atems. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund zu sehen, dass eine eigene Erwerbstätigkeit für immer mehr Frauen Teil ihrer Lebensplanung ist. Zur Bedeutung von Vereinbarkeit von Elternverantwortung und Erwerbstätigkeit wird meine Kollegin Maria Westerhorstmann gleich sprechen.

Ich will einen zweiten Punkt ansprechen: Frauen in Führungspositionen. – Die Daten hierzu sind unterschiedlichen Grundlagen, unterschiedlichen Berufsfeldern und Statistiken entnommen. Die Ergebnisse stimmen überein: Frauen sind mit leichten Abstufungen in den unterschiedlichen Bereichen in Führungsetagen erheblich unterrepräsentiert. Je größer das Unternehmen ist, umso weniger Frauen befinden sich in verantwortlichen Positionen. Hier wollen

wir Änderungen, Verbesserungen erreichen. Dazu haben wir verschiedene Modelle diskutiert, die im Ausland durchaus erfolgreich praktiziert werden.

Der in den letzten zwei Plenartagen häufig zitierte Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung von CDU/CSU und FDP gibt auch hier einen neuen Impuls. Liebe Frau Kieninger, das, was im Koalitionsvertrag gerade zu diesem Thema geschrieben worden ist, sehe ich völlig anders als Sie. Ich finde, wir haben noch nie einen so weitreichenden und zugleich konkreten Vorschlag in unseren Modellen diskutiert und vor Augen gehabt. Es ist besonders wichtig, dass wir einen Stufenplan haben. Die erste Stufe sieht verbindliche Berichtspflichten und transparente Selbstverpflichtungen vor. Dieser ersten Stufe folgen weitere.

Ich glaube, dass wir neben vielen anderen Initiativen für Frauen und Familie hier weiter debattieren können. Wir erhalten nicht nur aus vielen Bereichen der Gesellschaft, sondern auch aus der Bundesregierung ganz dezidiert Unterstützung zur Förderung und Gleichstellung von Frauen im Arbeits- und Berufsumfeld. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Monheim. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP die Abgeordnete Frau Pieper-von Heiden das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich sehr herzlich bei der Landesregierung für die umfangreiche Beantwortung der Großen Anfrage 32 bedanken.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das ist auch einmal schön!)

Aus der Antwort geht hervor, dass wir uns in Nordrhein-Westfalen auf einem ganz guten Weg befinden. Natürlich gibt es angesichts der Situation von Frauen am Arbeitsmarkt noch viel zu tun, um eine vollständige Gleichstellung zu erreichen. Aber immerhin bewegen wir uns in die richtige Richtung. Das zeigen die Arbeitsmarktzahlen mehr als deutlich. Bei uns ist deutlich mehr Bewegung drin, als es bei den rot-grünen Vorgängern der Fall war – vielleicht sogar mehr Bewegung, als es Ihnen lieb sein dürfte; ich weiß es nicht. Das wird sich zeigen, wenn ich gleich einige Zahlen nenne.

Auch die Zahlen des aktuellen IAB-Betriebspanels „Beschäftigungstrends in Nordrhein-Westfalen“ verdeutlichen dies.

Um es an den Zahlen festzumachen:

Die Erwerbstätigenquote bei jungen Frauen ohne Berufsabschluss ist zwischen 2005 und 2008 deutlich gestiegen, und zwar von 36,7 % auf 44,7 %. Unser primäres Anliegen ist es aber nicht, Wege in die Erwerbstätigkeit ohne Berufsabschluss zu ebnen. Zuallererst wollen wir die Menschen hin zum Berufsabschluss führen, damit sie diesen Beruf dann erfolgreich ausüben können. Die Erwerbstätigenquote bei jungen Frauen mit Berufsabschluss hat sich zwischen 2005 und 2008 von 73,9 % auf 78,8 % verbessert, die Erwerbstätigenquote von Frauen insgesamt zwischen 2000 und 2008 von rund 58 % auf rund 65 %. Übrigens liegen wir damit sogar deutlich über der Vorgabe der EU, die bis 2010 eine Erwerbsbeteiligung von 60 % vorsieht. Der Anteil der Frauen an den Beschäftigten ist zwischen 2000 und 2008 von 42 % auf 44 % gestiegen.

Das können wir noch engagierter angehen. Hier muss ohne Frage noch mehr passieren. Immerhin ist es aber ein Aufwärtstrend und Gott sei Dank kein Stillstand oder gar ein Abwärtstrend.

Um noch deutlicher zu machen, dass wir uns auf einem guten und richtigen Weg befinden, möchte ich noch einmal die Anstrengungen der Landesregierung ansprechen, Mädchen und Frauen verstärkt an die technischen Berufe heranzuführen. Es ist notwendig, auf diesem Feld zumindest umfangreicher zu informieren sowie zu versuchen, Frauen dahin gehend zu beeinflussen, dass sie in höherem Maße als bislang besser dotierte Berufe wählen; denn dies macht ja in erster Linie – viel mehr als eine ungleiche Bezahlung für gleiche Jobs – die großen Einkunftsunterschiede aus.

Zum Beispiel im Ruhrgebiet ist der Anteil der Frauen an den Beschäftigten im Vergleich zum übrigen Nordrhein-Westfalen deutlich geringer. Eben sprach ich von einem Anstieg von 42 auf 44 %. Im Ruhrgebiet liegt diese Zahl noch bei rund 40 %. Dieser Unterschied wird in den Zahlen des aktuellen IABBetriebspanels „Beschäftigungstrends in NordrheinWestfalen“ noch deutlicher. Das ist unbestreitbar noch ausbaufähig, aber auch verständlich, weil im Ruhrgebiet trotz des Strukturwandels immer noch das produzierende Gewerbe vorherrscht.