Ich hoffe auf eine ausführliche, differenzierte und intensive Beratung in den Ausschüssen zu diesem Thema. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Tillmann. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Freimuth das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist ein Einwanderungsland. Ich betone durchaus, dass die politischen und gesellschaftlichen Kräfte in Deutschland unterschiedlich lange gebraucht haben, um zu dieser Erkenntnis zu kommen. Aber mittlerweile haben wir einen großen gesellschaftlichen Konsens.
Menschen unterschiedlicher Herkunft sind ein fester Bestandteil einer zukunftsweisenden und liberalen Gesellschaft in ihrer kulturellen Vielfalt. Jede freiheitliche Gesellschaft beruht aber auch auf fundamentalen Gemeinsamkeiten. Zu diesen bekennt man sich unter anderem auch über die Staatsangehörigkeit. Aus meiner Sicht sind das in und für Deutschland die unabdingbare Akzeptanz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und die deutsche Sprache.
Im Antrag wird das Optionsmodell angegriffen. Ich will nur kurz darauf hinweisen, dass 1999 das Optionsmodell verabschiedet wurde, um überhaupt gesellschaftlichen Konsens herzustellen. Die FDP war in besonderer Weise an der Erarbeitung, am Vermitteln und am Brückenbauen in unserer Gesellschaft beteiligt, und zwar – das will ich ausdrücklich betonen – nicht nur im politischen, sondern auch im gesellschaftlichen Raum. Wir haben dieses Optionsmodell maßgeblich mitgestaltet. Das ist aber nicht der Grund dafür, dass wir uns heute gegen die Abschaffung des Optionsmodells aussprechen.
klugerweise zuerst einmal die Erfahrungen mit dem vorhanden Gesetz abwarten, es auswerten und sehr genau hinschauen, an welchen Stellen gegebenenfalls nachjustiert werden muss. Erfahrungen mit der Anwendung der Optionsregelung liegen aufgrund des relativ kurzen Zeitraums – wie vom Kollegen Kruse schon erwähnt – einfach noch nicht vor. Meine Fraktion und ich sind der Auffassung, dass es sinnvoll ist, die Erfahrungsberichte abzuwarten, bevor man rechtliche Anpassungen prüft.
Da der Ausschuss noch Gelegenheit haben wird, sich mit diesen Fragen sehr detailliert auseinanderzusetzen, will ich nur auf einige Punkte aus dem Antrag der Grünen eingehen.
Entgegen der Auffassung der Grünen – sie sprechen von einem Optionszwang – ist es den in Deutschland aufgewachsenen Menschen aus unserer Sicht durchaus zumutbar, sich bei Volljährigkeit für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Das Staatsangehörigkeitsgesetz hält nach wie vor an dem Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatlichkeit fest, lässt aber viele Ausnahmen zu. Es war seinerzeit auch richtig, diese Ausnahmeregelungen zu schaffen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, warum soll für Migranten ausgerechnet die Staatsangehörigkeit die entscheidende emotionale Bindung an das Herkunftsland sein? Es geht bei der Staatsangehörigkeit doch um ein Bekenntnis zu einer Verfassungsordnung, zu einer Staatsgemeinschaft, zu einer Volksgemeinschaft. Auch im Hinblick auf die Herkunftskultur gibt es eine Vermischung und Vermengung unterschiedlichster kultureller Ströme; es gibt keine Herkunftskultur in Reinkultur. Über verschiedene Generationen prägt sie sich zudem höchst unterschiedlich aus.
Ich sehe also keine Veranlassung, eine generelle Aufhebung des Grundsatzes der Vermeidung der Mehrstaatlichkeit übers Knie zu brechen. Man muss da sehr sorgfältig abwägen.
Ich musste vorhin, als die Kollegin Tillmann gesprochen hat, ein wenig schmunzeln. Wir lassen in vielen Bereichen, die mit weit weniger Rechten und Pflichten verbunden sind, ja auch keine Doppelungen zu. Zum Beispiel kann man nicht gleichzeitig mehreren religiösen Bekenntnissen angehören, und wohl auch alle politischen Parteien haben gewisse Unvereinbarkeitsklauseln in ihren Satzungen, obwohl sich aus einer solchen Zugehörigkeit weitaus weniger Rechte und Pflichten als aus der Staatsbürgerschaft ergeben.
Auch die Einbürgerungstests wurden angesprochen. Wir dürfen dabei nicht außer Acht lassen, dass Migration mehr als nur eine geografische Standortveränderung ist. Migration bedeutet nicht nur, seine Heimat bzw. sein Geburtsland zu verlassen, sondern ebenfalls, sich in eine neue Heimat hineinzufinden. Da gibt es viele Bereiche, in denen
wir unsere Anstrengungen im gesellschaftlichen Konsens gemeinsam verstärken wollen, um besser zu werden und tatsächlich ein Willkommensklima zu schaffen. Denn Migration ist eine Erfahrung, in der sich ein Individuum oder auch eine Familie auf eine Reise durch viele Phasen, soziale Systeme und Herausforderungen begibt und sich damit eine neue Heimat schafft oder schaffen muss. Migration hat immer auch etwas mit einem Neubeginn und einer Neuorientierung zu tun. Sicherlich müssen wir auch das bürgerschaftliche Engagement gerade für die Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund noch erheblich stärker in den Blick nehmen.
Integration ist ein Prozess, der nicht erzwungen, aber durch Anreize und Angebote gefördert werden kann. Auch hier gilt: Leistung muss sich lohnen. Eine Vereinheitlichung und generelle Verkürzung der Wartezeit ist insoweit auch aus integrationspolitischer Sicht nicht sinnvoll.
Meine Damen und Herren, die generelle Verkürzung der Aufenthaltsdauer auf sechs Jahre, wie sie in dem Antrag gefordert wird, widerspricht dem Einbürgerungs- und Integrationsgedanken. Zudem würde damit auch die Regelung des § 10 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes, der besondere Integrationsleistungen anerkennt und honoriert, ins Leere laufen.
Wir alle kennen die Schilderungen, wonach gerade in den Ausländerämtern Information und Beratung oftmals noch verbesserungsfähig sind. Es ist auch erklärtes gemeinsames Ziel aller Fraktionen hier im Haus, in besonderer Weise der regierungstragenden Fraktionen gemeinsam mit den Mitarbeitern der Auslandsämter, noch besser zu werden. Aber die Frage der Inneneinrichtung von Behörden würde den Rahmen komplett sprengen.
In der Diskussion ist es immer wieder notwendig, die Bedeutung der Kenntnis der deutschen Sprache in Schrift und Wort hervorzuheben. Ich bin fest davon überzeugt, dass gerade ausreichende Kenntnisse der jeweiligen Sprache elementar wichtig für die Integration in die Aufnahmegesellschaft sind. Die Abschaffung der Einbürgerungs- oder Sprachtests wäre nach meiner festen Überzeugung kontraproduktiv.
Die deutsche Staatsbürgerschaft darf es nicht zum Nulltarif geben. Das ist etwas anderes, als einfach nur im Supermarkt um die Ecke einzukaufen. Ich bin mir bewusst, dass dieses Beispiel sehr hinkt. Aber die Annahme einer Staatsbürgerschaft ist etwas Herausgehobenes, und deswegen sollten wir unsere Anstrengungen verstärken, damit Menschen mit Migrationshintergrund den Mut zur Einbürgerung haben und sie erfolgreich bestehen.
Ich möchte abschließend betonen, dass wir für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit und für die damit verbundenen aktiven Teilhaberechte in
unserer Gesellschaft, insbesondere in den politischen Entscheidungsprozessen, stärker werben müssen. Den Antrag der Kollegen der Grünen halte ich namens der FDP-Fraktion für nicht zielführend. In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratungen im jeweiligen Ausschuss. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Dr. Wolf das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der Grünen verkennt offensichtlich die Politik des Förderns und Forderns, die diese Landesregierung sich auf die Fahnen geschrieben hat und die die sie tragenden Fraktionen heute noch einmal verdeutlicht haben.
Es ist eine unzulässige Verkürzung der Diskussion, den Rückgang der Einbürgerungszahlen kurzerhand auf die rechtlichen Einbürgerungsvoraussetzungen zu schieben. Wir sind in einem Prozess, in dem Integration eine größere Rolle spielen soll; der Integrationsplan läuft. Sicherlich ist es für eine Evaluierung noch viel zu früh. Genauso wenig kann jetzt schon eine abschließende Beurteilung der Voraussetzungen, die auf der IMK gemeinsam beschlossen wurden, vorgenommen werden. Es hat mich sehr gewundert, dass sich die SPD heute von dem Konsens verabschiedet hat, der ja nach mühsamen und langen Verhandlungen erreicht werden konnte. Wir haben da überparteilich zusammengesessen und einen vernünftigen Weg gefunden. Die Aufkündigung eines Konsenses zeigt natürlich, dass man sich in eine andere Richtung bewegen will.
Das ist bei den Grünen gar nicht verwunderlich. Da ist offensichtlich die Einbürgerung nicht Krönung der Integration, sondern sie verstehen Einbürgerung mehr als Auftakt zu einer Integration. Man muss schon auch fordern, damit dann, wenn man die entsprechende Einbürgerung erhält, ein echtes Bekenntnis vorliegt.
Es ist noch einmal deutlich gemacht geworden, dass die Auswirkungen des Jus Soli noch gar nicht zu erkennen sind. Bislang haben wir keine praktischen Erkenntnisse. Es ist völlig unseriös, ein Verfahren abzulehnen, das noch gar keine validen Erkenntnisse gebracht hat.
Die Aufenthaltsdauer ist angesprochen worden. Dabei ist unterschlagen worden, dass es eine ganze Reihe von Ausnahmen gibt. Die Aufenthaltsdauer beträgt in der Regel acht Jahre; es gibt aber in Einzelfällen Möglichkeiten, das Ganze zu verkürzen. Es bedarf natürlich auch einer gewissen Verfestigung des Aufenthalts, bevor man an Einbürgerung denkt. Ich glaube, auch das ist mehr oder weniger selbstverständlich.
Dass die Integration keine Einbahnstraße ist, ist mehrfach betont worden, allerdings mit unterschiedlichem Zungenschlag. Wir erwarten – das war unter den Innenministern Konsens – natürlich auch eine sprachliche Fähigkeit, jedenfalls für den absoluten Regelfall. Ich kann nicht verstehen, wenn dies vonseiten der Grünen quasi als Zumutung aufgefasst wird. Ich kenne nur Einwanderungsländer, in denen es völlig selbstverständlich ist, zu erwarten, dass die Landessprache jedenfalls in den Grundzügen beherrscht wird. Wenn Sie sich das geforderte Sprachniveau anschauen – ich empfehle, den Test noch einmal zu lesen –, dann stellen Sie fest, dass das weiß Gott keine Herausforderung ist. Wenn man acht Jahre hier ist, dann muss es doch möglich sein, sich der Landessprache jedenfalls zu nähern. Das ist zu erwarten, und ich glaube, das wird auch zu Recht erwartet.
Auch die Kritik an dem Einbürgerungstest ist aus meiner Sicht völlig daneben. Wir haben eine Bestehensquote von 98 %. Das scheint also nicht die Hürde zu sein, an der man unbedingt scheitern muss. Es ist auch zu erwarten, dass man sich wenigstens in den wesentlichen Grundzügen mit dem Heimatland, das man als Staatsbürger bewohnen will, beschäftigt.
Aus meiner Sicht haben es beim Thema Mehrstaatlichkeit im Laufe der Jahre und Jahrzehnte auch Aufweitungen gegeben. Frau Freimuth hat zu Recht gesagt, dass man ein Stück Bekenntnis erwarten muss. Insofern sind diese Regelungen im Lichte der nächsten Jahre zu evaluieren. Ich glaube, das hat sich im Wesentlichen bewährt.
Wenn’s um Geld geht: Ich wüsste nicht, was die Grünen nicht kostenlos haben wollten. Das ist, glaube ich, eine Grundtendenz.
Seit 1993 haben wir diese Gebühren nicht mehr angepasst. Sie sind lediglich – die Euroumstellung war ja keine Währungsreform, sondern eine Währungsumstellung – in Euro umgerechnet worden. Schauen Sie sich einmal die Einbürgerungskosten in anderen Ländern an. Ich glaube, das ist eine überschaubare Größe. Man hat ja acht Jahre lang Zeit, sich auf die Einbürgerung vorzubereiten. Insofern ist das ein vorgeschobenes Argument.
Was mich nachdrücklich verärgert hat und wogegen ich mich ausdrücklich verwahre, das ist die Äußerung aus der SPD, die Diskreditierung der Beschäftigten im Ausländeramt. Die Kolleginnen und Kollegen dort haben eine schwierige Aufgabe zu leisten. Die jetzt an den Pranger zu stellen, das mache ich nicht mit. Mein Respekt gilt denen, die unter schwierigsten Bedingungen diese Arbeit machen, sich
Mühe geben und natürlich auch Hilfestellung leisten. Aber es muss auch das Engagement der anderen Seite da sein. Wenn die eine Seite die Voraussetzungen nennt und die andere Seite diese Voraussetzungen erfüllt, dann ist die Einbürgerung bislang noch nie gescheitert. Wir müssen diesen Weg gemeinsam gehen. Durch Beschimpfung der Beschäftigten erreichen wir das bestimmt nicht. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kollegen, insbesondere Herr Kruse und Herr Innenminister Wolf, das Szenario, das Sie heute abgeliefert haben, erschüttert mich doch sehr. Sie betreiben nach wie vor eine Politik aus dem vorletzten Jahrhundert, die von einem engen nationalstaatlichen Denken geprägt ist, das Ihr Integrationsminister Laschet, der heute leider nicht hier ist, mühsam versucht umzuwandeln, damit wir eine weltoffene Gesellschaft werden mit einer Willkommenskultur gegenüber Einwanderinnen und Einwandern.
Was Sie hier angezettelt haben, war das genaue Gegenteil, war etwas, was wir eigentlich nicht wollen, nämlich unter uns bleiben. Hier begegnen sich zwei Kulturen, was mich schlicht entsetzt, weil es in unserem ureigenste Interesse ist, als Einwanderungsland Deutschland eine Willkommenskultur und nicht eine Abschottungskultur gegenüber den Einwanderern an den Tag zu legen.
Deswegen hat ja auch nicht der Kollege Solf zu diesem Thema gesprochen, sondern Sie. Ich denke, diese Haltung schadet dem Land insgesamt.
Ich möchte noch zwei weitere Punkte ansprechen. Sie sagen: Das ist alles noch nicht ausgewertet; wir wissen ja noch gar nicht, wie das wirkt. – Sprechen Sie eigentlich mal mit denen, die jetzt in dem Optionszwang stecken, mit den Jugendlichen, die jetzt 18 Jahre alt werden und sich entscheiden müssen, ob sie Deutsche oder Türken sein wollen? Sprechen Sie mal mit solchen Jugendlichen und sagen Sie denen: Du hast dich jetzt zu entscheiden, ob deine Identität zu 100 % deutsch oder zu 100 % türkisch ist. – Was sagen Sie denn, wenn die Ihnen antworten: „Meine Identität ist zu 50 % deutsch und zu 50 % türkisch; ich kann doch trotzdem gute deutsche Staatsbürgerin sein“? Natürlich ist es möglich, mit solchen Identitäten eine Mehrstaatigkeit zu haben. Und das sind Staatsbürger, die wir haben wollen!
Wir Grüne sagen ausdrücklich, dass wir diese Staatsbürger haben und ihnen die Möglichkeit zur Mehrstaatigkeit eröffnen wollen.
Meine zweite Bemerkung betrifft die deutsche Sprache. Frau Freimuth, wir wollen doch gar nicht, dass sie keine Deutschkenntnisse brauchen. Aber schauen Sie einmal nach, woran das Zertifikat für Deutsch B1-Niveau des Referenzrahmens anknüpft! Das knüpft nicht nur an die Sprachkompetenz an, sondern auch daran – das ist der Unterschied –, dass ein bestimmter Bildungsstand vorhanden ist.