Protocol of the Session on October 7, 2009

Wir haben uns etwas anderes vorgestellt. Wir haben für spezifische Fragestellungen, wie Herr Priggen sie gestellt, wie auch andere sie noch stellen können, unter der Überschrift „Gibt es im Zusammenhang mit Themen der Nachhaltigkeit noch Aspekte, die wir zu wenig beleuchtet haben, wo man mit denen zusammen noch etwas auf den Weg bringen kann?“ das Institut für Mittelstandsforschung, das gerade einen neuen wissenschaftlichen Leiter bekommt. Wir haben im Vorfeld dieser Neubesetzung bereits mit denen überlegt, ob wir da einmal eine Fragestellung platzieren. Dafür brauchen wir kein neues Institut; wir haben eines für Mittelstandsfragen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen sehe ich zu diesem Tagesordnungspunkt nicht, sodass wir am Schluss der Beratung sind.

Ich stelle damit fest, dass die Große Anfrage 25 der Fraktion der SPD erledigt ist.

Ich rufe auf:

9 Lernmittelfreiheit – Schwarzer Peter bleibt bei den Kommunen, Schulen und Eltern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/9911

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Frau Abgeordneten Beer das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Danke schön, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Mama, ich brauche noch das Kopiergeld!“ Das ist ein Satz in den Familien in NRW, der sehr häufig gesagt wird. In jedem Schuljahr ist er wieder zu hören – und oft nicht nur einmal. Eltern sind immer wieder gefordert. Unterrichtsmaterialien werden benötigt. Die Lernmittel in den Schulen reichen hinten und vorne nicht. Den Schulen fehlt das Geld, die grundlegenden Lernmittel auf dem Laufenden zu halten. Das zur Verfügung stehende Budget ist eben nicht auskömmlich.

Wer wirklich ernst machen will mit individueller Förderung, Frau Ministerin, der muss den Schulen auch die Möglichkeit geben, die Lernumgebung entsprechend auszustatten, sodass eine Individualisierung des Lernens möglich ist. Dazu gehören Materialien: zum Stationenlernen, zum Werkstattunterricht, zur Wochenplanarbeit. Differenzierte Lernarrangements – das ist das Gebot der Stunde.

Individualisiertes Lernen meint einen Unterricht, in dem jedes Kind als ganz eigenständiger und individueller Lerner betrachtet wird und in dem es ernst genommen wird. Jedes einzelnes Kind soll innerhalb einer Lerngruppe berücksichtigt und individuell unterstützt werden.

Dazu gehört es auch, die unterschiedlichen Lernwege und auch die unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten zu berücksichtigen.

Und dazu muss man möglichst viele inhaltliche Zugänge schaffen: Schulbücher, Nachschlagewerke, Arbeitsvorlagen, Lösungen zur Selbstkontrolle und vieles mehr werden gebraucht. Das ist in der Tat eine Herausforderung angesichts der angespannten Schulbudgets.

Aber leider kommen jetzt noch die unausgegorenen schwarz-gelben Schuleingriffe obendrauf.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Oh!)

Mit der den Schulen und Schulträgern aufgedrückten Zwangsschulzeitverkürzung am Gymnasium in

der Sekundarstufe I und der mühsam nachgeschobenen Überarbeitung der Lernpläne sind schließlich neue Schulbücher fällig geworden. Das bedeutet eine zusätzliche finanzielle Bürde für die Schulträger, die ja auch schon für die notwendige Ganztagsausstattung sorgen müssen – egal, ob es offizielle Ganztagsschulen mit Lehrerzuschlag sind oder de facto Ganztagsschulen, einfach durch die Erweiterung der Stundenzeiten.

Englisch in der Grundschule jetzt ab der ersten Klasse und Kinder, die bei der Einschulung immer jünger werden – auch das fordert zusätzlich differenzierende Materialien. Das müssen in der Tat nicht immer Schulbücher sein. Aber es braucht zusätzliche Materialien.

Seit den jüngsten Auftritten von Herrn Westerwelle wissen wir ja, warum es gerade der FDP so wichtig ist, dass Englisch ab der ersten Klasse systematisch unterricht wird.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall von den GRÜNEN)

Wer sich wie die Landesregierung bei der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage im Juli dieses Jahres mit der lapidaren Bemerkung aus der Affäre ziehen will, dass die Sachkosten, also auch die Kosten der Lernmittelfreiheit, laut Schulgesetz vom Schulträger zu schultern sind, macht sich mal wieder einen schlanken Fuß und entzieht sich der Verantwortung. Aber das ist eine Übung, die die Landesregierung bestens beherrscht.

Die Landesregierung hat es trotz ihrer vollmundigen Ankündigung, Frau Ministerin, am Anfang der Legislaturperiode bis heute nicht geschafft, mit den kommunalen Spitzenverbänden eine Ordnung der Lernmittelfreiheit herbeizuführen. Das ist in der Tat weiter drängend, wenn es um den Ausgleich der Kosten für Kinder in Familien mit ArbeitslosengeldII-Bezug oder Leistungsbezug nach Asylbewerberleistungsgesetz geht. Dass arme Kinder sich ihre Lernmittel, Unterrichtsmaterialien aus den Schulmaterialkammern von Diakonie und Caritas holen müssen, das ist ein sozialpolitischer Skandal.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und dass Fördervereine von Schulen die Schattenhaushalte der Schulen finanzieren und Unterrichtsmaterialien für bedürftige Kinder zur Verfügung stellen müssen, das ist auch nicht hinnehmbar. Hier müssen Eltern untereinander Ausputzer spielen, weil die Schulen nicht ausreichend ausgestattet sind. Eltern zahlen mal wieder drauf.

Wer wirklich mehr Gerechtigkeit im Bildungssystem will, wer für mehr Chancengleichheit sorgen und Familien entlasten will, muss den Kommunen dann auch mehr Mittel für die Ausstattung ihrer Schulen mit Lernmitteln zur Verfügung stellen. Die Landesregierung hat hier immer noch nicht ihre Hausaufgaben gemacht. Deshalb müssen wir im Plenum

und auch im Ausschuss darüber reden und eine Neuregelung der Lernmittelfreiheit auf den Weg bringen, damit Kommunen und Eltern entlastet werden und die Schulen wirklich in die Lage versetzt werden, das Lernen mehr und mehr zu individualisieren.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Hollstein das Wort. Bitte schön, Herr Hollstein.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der eine oder andere Kollege hat hier bei ähnlichen Gelegenheiten den Filmtitel „Und täglich grüßt das Murmeltier“ schon häufiger zitiert. Man könnte auch sagen „Im Westen nichts Neues“ oder „Alle Jahre wieder“. Denn permanent kommt dieses Thema zur Sprache, obwohl in der Sache überhaupt kein Diskussionsbedarf besteht.

Es scheint wirklich ein Markenzeichen Ihrer mehr oder weniger einfallslosen Oppositionspolitik zu sein,

(Beifall von der CDU)

einzelne Sachverhalte hübsch regelmäßig in den Landtag einzubringen. Eigentlich könnte man diese Debatte sehr kurz beenden, indem man auf die Rede des Kollegen Wilp vom 6. Mai 2008 verweist. Er hat nämlich im Grunde alles dazu gesagt. Aber auch ein Jahr zuvor ist in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage alles dazu dargestellt worden. Und nun wieder ein weiterer Antrag, obwohl im Grunde der Sachverhalt dargestellt ist.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Es ist nichts passiert!)

Ich vermute mal, dass das Ihre Strategie ist. Vielleicht wollen Sie das immer wieder hören, vielleicht sind Sie aber auch nur ein bisschen vergesslich; deswegen will ich die eine oder andere Tatsache gern noch einmal in Erinnerung rufen.

Rot-Grün war es, die auf Bundesebene die HartzReformen beschlossen und die entsprechenden Regelsätze festgelegt haben. Ebenso war es RotGrün – nicht im Bund, sondern in NordrheinWestfalen –, die die Elternbeiträge von einem Drittel auf knapp die Hälfte erhöht haben. Wir haben das rückgängig gemacht bzw. nicht weitergeführt, weil wir das für eine falsche Politik halten. Dieses Geld ist nicht den Schulen, nicht den Schülerinnen und Schülern, nicht den Eltern zugute gekommen, sondern ganz einfach an den klebrigen Fingern Ihres damaligen Finanzministers hängengeblieben. Das ist schlechte Politik gewesen. Wir haben das verändert.

Auch darf ich daran erinnern, dass es in Ihrer Regierungszeit auch nicht mehr Mittel für Kommunen gegeben hat. Im Gegenteil: Wir sind diejenigen in dieser Zeit, die mit Abstand das meiste Geld den Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen zur Verfügung stellen.

(Beifall von der CDU)

Auch ALG-II-Empfänger haben Sie nicht von ihrem Eigenanteil für Lernmittel befreit. Warum Sie das nicht getan haben, weiß ich nicht.

Ich will Ihnen ein paar Fakten nennen, wie die Praxis an den Schulen aktuell aussieht. Grundsätzlich leihen Schülerinnen und Schüler ihre Bücher unentgeltlich aus. Die Kosten hierfür übernehmen der Schulträger und die Eltern. Das ist, meine ich, gut und richtig so.

(Zustimmung von der CDU)

Die Durchschnittsbeiträge kennen wir alle. Sie liegen, je nach Bildungsgang, etwas unterschiedlich hoch – die Frau Ministerin wird sie gleich möglicherweise im Detail darstellen –: 36 € in der Grundschule und zwischen 70 € und 78 € im Bereich der Sekundarstufen I und II. Wenn man das einmal herunterrechnet auf den Monat: Ich bin zwar Nichtraucher, aber ich habe mir sagen lassen, dass das ungefähr der Größenordnung einer Packung Zigaretten entspricht. Ich meine, das ist durchaus überschaubar.

(Zustimmung von der CDU)

Darüber hinaus schadet der Besitz eines Buches nun wirklich nicht. Weder der klassische Atlas oder ein Dictionary noch ein Biologiebuch oder auch ein Physikbuch sollen schaden.

(Sigrid Beer [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Ich lasse keine Zwischenfragen zu.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Welche Entlastungen und Hilfestellungen werden ärmeren Familien im Moment gewährt? Ich habe schon darauf hingewiesen: Wir haben den Anteil wieder auf ein Drittel zurückgeführt. Minister Laumann hat, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, im vorletzten Jahr eine Bundesratsinitiative gestartet, nachdem eine Expertengruppe die Hartz-IVRegelungen überprüft hat. Ich denke, das ist der richtige Weg gewesen, der von unserer Seite angestoßen worden ist.

(Zustimmung von der CDU)

Mittlerweile wurde auch auf der Bundesebene bei den Kolleginnen und Kollegen in Berlin mit dem Familienleistungsgesetz und dem Bürgerentlastungsgesetz ein Schulbedarfspaket in Höhe von 100 € ab dem laufenden Schuljahr etabliert. Auch das ist Unterstützung für bedürftige Schüler.

Das hat zugegebenermaßen mit dem Thema unmittelbar nichts zu tun, aber trotzdem ist es wichtig, in diesem Zusammenhang das Programm „Kein Kind ohne Mahlzeit“ zu erwähnen, durch das Eltern pekuniär entlastet werden.