Bei diesen und anderen Themen sind wir als Politik auf Expertenrat und Hinweise aus der betrieblichen
Praxis angewiesen. Deshalb pflegen wir als Liberale seit Jahren einen konstruktiven Austausch mit den freien Berufen, um die Probleme der dort vertretenen Berufszweige zu erörtern und Lösungskonzepte zu erarbeiten.
Diesen Dialog mit den freien Berufen wollen wir in Zukunft noch intensivieren. Dabei setzen wir auf die Selbstverwaltung als freiberufliches Organisationsprinzip. Denn die Selbstverwaltung entspricht dem liberalen Verständnis von Subsidiarität.
Die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch die Kammern hat grundsätzlich Vorrang vor der staatlichen Aufgabenwahrnehmung. Daher werden wir die Selbstverwaltung der freien Berufe auch künftig im Rahmen unserer politischen Möglichkeiten unterstützen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Herr Kollege Priggen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Herr Kleff, ich habe nicht ganz verstanden, was § 107 Gemeindeordnung mit niedergelassenen Ärzten zu tun hat. Aber sei’s drum.
Für meine Fraktion möchte ich zunächst sagen: Wir können uns nur ganz herzlich für die immense Fleißarbeit bedanken, die in der Beantwortung dieser Anfrage steckt. An diejenigen, die das gemacht haben, einen ganz herzlichen Dank!
Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass an manchen Stellen die Datenlage dünn ist, wenn es um die Spezifika der freien Berufe geht. Das heißt, wir wissen alle nicht genau, wie bestimmte Details im Einzelnen zu sehen sind. Ich gehe davon aus, dass die Anfrage akribisch nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet worden ist. Da haben wir Lücken.
Über die Bedeutung der freien Berufe für die Gesellschaft gibt es gar keine große Auseinandersetzung. Die Antwort auf die Große Anfrage gibt aus meiner Sicht auch keine Anhaltspunkte für große politische Kontroversen. Das heißt, die Antwort auf die Anfrage zeigt uns, dass wir uns mit Bereichen befassen, die sonst nicht so im Mittelpunkt der Debatte stehen. Wir sprechen punktuell darüber, wenn es um den Ärztemangel im ländlichen Raum, die EuGH-Urteile zu DocMorris oder Ähnliches zur Apo
Durch die Antwort ist deutlich geworden, dass hinter dem Begriff freie Berufe ein ganz weites heterogenes Feld steckt. Wir reden über Ärzte, Anwälte, Steuerberater, Ingenieure und Apotheker bis hin zu Reitlehrern, Restauratoren, Synchronsprechern und Künstlern.
Ebenso ist deutlich geworden, dass die freien Berufe maßgeblich zur Entwicklung und Sicherung des Gemeinwesens beitragen. Daneben sind sie auch ein Garant der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge. Zwischen uns allen ist auch unstreitig, dass sie ein wichtiger Anbieter zukunftsfähiger Arbeits- und Ausbildungsplätze sind und einen wesentlichen Bestandteil des Mittelstandes bilden. Ich glaube, das alles ist zwischen uns unstrittig.
Es ist aber nach den Antworten auf die Große Anfrage deutlich, dass dieser Berufsstand vielleicht stärker als jeder andere Wirtschaftszweig ständig in der Wechselwirkung zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und Trends steht. Der Prozess der demografischen Entwicklung und der immer älter werdenden Gesellschaft zeigt aus meiner Sicht: Genau in diesen Bereichen ändern sich Berufsbilder stärker und deutlicher als in anderen. Viele Dienstleistungen, die Freiberufler heute anbieten, werden morgen ganz anders aussehen.
Ich will auf einige Fragen eingehen, die die Antworten und das kleinteilige Abarbeit der Großen Anfrage für uns aufwerfen.
Erstens. Reicht der generelle Hinweis der Landesregierung auf die Existenzgründungsprogramme oder Förderinstrumente des Landes? Oder sind mit Blick auf die besonderen Merkmale und Charakteristika der freien Berufe branchenspezifische Maßnahmen zur Förderung der Existenzgründung freiberuflicher Träger erforderlich?
Zweitens. Wie kann das Instrument der Verbundausbildung, das bei den Angehörigen der freien Berufe bislang anscheinend nur eingeschränkt genutzt wird, für die freien Berufe unter Umständen passgenauer gemacht werden? – Diese Frage muss man prüfen. In anderen Berufszweigen wird das geprüft. Es ist natürlich selbstverständlich – ich habe einige Sparten genannt –, dass man sie nicht unbedingt miteinander verbinden kann. Trotzdem lohnt es sich, das zu prüfen, weil wir uns alle darum bemühen, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.
Drittens. Können die Beratungsleistungen im regionalen Wirtschaftsförderungsprogramm für freie Berufe geöffnet werden? – Mit dieser Frage sollte man sich noch einmal befassen und prüfen, ob man sie positiv beantworten kann.
Viertens. Kann das Instrument der Mikrokredite, das sich zurzeit in einer zweijährigen Pilotphase befin
det, so verstetigt werden, dass freie Berufe dieses Programm auch deutlich jenseits der Gründungsphase nutzen können?
Fünftens. Welche Auswirkungen haben bestimmte technologische Entwicklungen auf das jeweilige Berufsbild? – Als Beispiel verweise ich auf die elektronische Steuererklärung bei Steuerberatern. Ich gehe davon aus, dass sie mehr und mehr zum Einsatz kommt. Wir werden schauen, was bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin herauskommt, und sehen, ob wir die Steuererklärung demnächst elektronisch gleichsam auf einem Bierdeckel abgeben können oder nicht. Das Berufsbild der Steuerberater wird sich ändern, wenn die elektronische Steuererklärung verstärkt eingesetzt wird.
Ich möchte abschließend Folgendes anmerken: Trotz der Fülle an Daten und Informationen ist eine wesentliche Facette in der Antwort auf die Große Anfrage nicht enthalten, und zwar die Frage: Über welche Potenziale verfügen diese freien Berufe, um die Gesellschaft nachhaltig fortzuentwickeln? – Ich verweise zum Beispiel auf Ingenieure, Architekten und Baustatiker bei der Gebäudesanierung, aber auch auf Ärzte, Masseure, Altenpfleger, Ergotherapeuten für eine stärker an Nachhaltigkeit orientierte Gesundheitsvorsorge. Das heißt: Welche Spezifika bringen die freien Berufe ein, um eine nachhaltige Struktur in der Gesellschaft fortzuentwickeln?
Die freien Berufe haben viel Know-how, das wir einbinden müssen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich sind die freien Berufe von einer Vielfalt, die kaum zu überbieten ist. Manche haben festgefügte Berufskammern, andere lösen sich gerade von solchen Einrichtungen und genießen das eigenständige Dasein.
Die Vielfalt ist so groß, dass nicht verwunderlich ist, dass ihr die Statistik nicht nachkommen kann. Mal wird gewerbesteuerlich erfasst; dann gibt es eine unterschiedliche regionale Erfassung nach Wohn- oder Praxissitz. Das alles erschwert eine Betrachtung, die in vielen Fragen bei der Antwort auf die Große Anfrage gewünscht wurde.
Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen – ich bedanke mich bei allen, die daran mitgewirkt haben – einen Wust von Informationen zusammengetragen und versucht, ihn übersichtlich darzustellen.
Ich möchte vortragen, dass ich bisher ein bestimmtes Argument nicht gehört habe. Ich habe den Eindruck, dass diese Gruppe überwiegend hochqualifizierte Unternehmer und Beschäftigte umfasst. Deshalb ist sie eine besonders gute Basis für Innovation und technologischen Fortschritt. Bei den Künstlern bekommen wir zusätzlich ein Stück Kreativität geboten, von der wir alle leben. Zudem handelt es sich fast immer um Familienunternehmen. Sie sind flexibel und engagiert. Für freie Berufe ist nach meiner Beobachtung neu, dass sie verstärkt neue Märkte im In- und Ausland erschließen.
Es geht um die Frage, ob sie eine besondere Förderung haben müssen. – Die Vertreter der freien Berufe haben das bisher weder erwartet, noch diesen Wunsch formuliert.
Das hat vielleicht etwas damit zu tun, dass sie zum Beispiel ein Konto haben, was Ihnen, Frau Hammelrath, völlig unverständlich erscheint. Sie haben eine Bankverbindung. Sie können selbstverständlich mit einem Hausbankverfahren etwas anfangen, wenn ihnen die Förderprogramme offenstehen. Was Sie vorgetragen haben, ist ein Witz.
Sie sind auch über ihre Standesorganisationen an die STARTERCENTER angebunden. Wir haben dabei ein einziges Problem: Die Künstler sind so spezifisch in Bezug auf ihren Zugang, dass wir überlegen, gesonderte Zugangsstellen über die Handwerkskammer Aachen, die ein großes Designcenter hat, und über die Handwerkskammer Münster, die das ebenfalls hat, einzurichten, um diese Schwelle abzusenken, damit auch diese Menschen den Weg zum Beratungsangebot finden, das wir vorhalten.
Dann wurde nach spezifischen Förderansätzen gefragt. – Herr Priggen, ich sehe das nicht. Wir können gern noch einmal überlegen, ob irgendein Förderprogramm die freien Berufe ausschließt. Im Moment erleben wir etwas ganz anderes. Durch die Clusterbildung und die Auslobung der Fördermittel in Wettbewerben sitzen sie in den Gremien. Der Verband der freien Berufe hat einen Informationsstand, den er vorher nie hatte. Das heißt, sie machen daraus ihre eigenen Plattformen, um in ihren Gremien zu werben. Falls Sie dabei irgendeine Lücke sehen sollten, fordere ich Sie auf: Nennen Sie sie mir.
Die Vertreter freier Berufe – das sage ich noch einmal – haben ein Konto. Sie sind fast immer hoch qualifiziert. Das heißt, sie haben durchaus die Kompetenz, die Zugänge zu den Wegen zu erreichen, die wir ihnen eröffnen.
Was tun wir zusätzlich? – Wir beziehen sie in ganz viele Überlegungen ein, wenn wir uns neu aufstellen. Ich nenne nur einen Punkt, den Frau MüllerPiepenkötter und ich ins Auge gefasst haben. Wir haben in dieser Wirtschaftskrise eine Beobachtung
machen und eine Erkenntnis gewinnen können, die wir vorher nicht hatten. Zu uns kommen zum Beispiel Steuerberater und fragen: Wie werde ich eigentlich Insolvenzverwalter? Oder bin ich das vielleicht? Kann ich in ein solches Verfahren hinein? Wenn solche neuen Fragestellungen an uns herangetragen werden, greifen wir sie auf. Wir machen dazu in naher Zukunft eine Veranstaltung.
Wir müssen dann aber auch einen Weg beschreiten, der dem einen oder anderen in diesem Haus ungewohnt erscheinen mag. Wir dürfen die Insolvenz nicht als ein Totschlagargument betrachten, sondern sehen, dass sie ein Weg in die Gesundung sein kann. Diesen Weg zu beschreiten und dafür viele Mitstreiter bei Banken, bei Versicherungen und bei unseren Förderinstituten zu finden, ist meiner Ansicht nach ein wichtiger Schritt.
Auf meiner heutigen Agenda steht weiterhin die Frage: Wie wirkt sich der europäische Binnenmarkt aus? – Er stellt eine völlig ungewohnte Konkurrenz für viele Freiberufler dar, die sich damit anfreunden müssen, dass sie, wenn sie sich nicht selbst international aufstellen, zum Beispiel als Beratungsdienstleister für ganz viele Unternehmen, die diesen Weg gehen, nicht mehr infrage kommen. Dabei gibt es schnelle und langsame. Es gibt auch berufsständische Organisationen, die das beschleunigen, und andere, die sagen: Da wird schon niemand kommen. – Das heißt, da sind Veränderungen.
Wir wissen – ich bin auf Ihre Debattenbeiträge gespannt –, dass wir bei der Verortung des Einheitlichen Ansprechpartners aufpassen müssen, dass die aus dem Ausland, die sich hier in diesen Berufen zum Beispiel selbstständig machen wollen, die richtige Beratung bekommen, um zu wissen, welche Bedingungen hier gelten. Wenn wir einfach, wie einem Teil von Ihnen das vorschwebt, sagen: „Das machen die Kommunen, die werden schon irgendetwas finden.“, bin ich nicht so sicher, ob das mit dem Europarecht vereinbar ist und vor allen Dingen, ob es denen fachlich genügt, was geboten wird.
Ich komme zu der Frage, was wir eigentlich mit „small business act“ machten. – Zuerst einmal – das ist eben schon vorgetragen worden –: Zu allen Mittelstandsförderungsmaßnahmen hat diese große Gruppe Zugang. Der „small business act“ ist gerade erst für die freien Berufe verankert. Das Verfahren ist noch nicht einmal abgeschlossen – und Sie wollen schon von unseren Erfahrungen hören. Da müssen wir uns ein bisschen gedulden. Ich kann aber sagen: Etwas Neues ist damit nicht verbunden. Das ist der Versuch der europäischen Ebene, auch auf diesem Feld etwas Sinnvolles zu tun. Wenn das irgendeinen Akzent bietet, den wir noch nicht haben, werden wir den selbstverständlich aufnehmen.
Um die Attraktivität der freien Berufe insbesondere in den Bereichen Ärzteschaft, Ingenieurwesen und IT zu steigern, tun wir eine Menge. Die ärztliche Versorgung ist nach meiner Kenntnis originäre Auf
gabe der Kassenärztlichen Vereinigungen. Trotzdem fragt Herr Laumann: Was können wir denn an Anreizstrukturen schaffen, wenn es wirklich zu einer Mangelversorgung in sogenannten ländlichen Gebieten kommt?
Wir haben außerdem die nordrhein-westfälische Gemeinschaftsoffensive „Zukunft durch Innovation.NRW“. Sie setzt auf die Begeisterung junger Menschen für Naturwissenschaft und Technik. Wir sind ganz sicher, dass das auch auf die freien Berufe und den Zugang junger Menschen zu diesen Fächern ausstrahlen wird.
Meine Damen und Herren, dann wollen wir doch eines nicht vergessen: Herr Priggen trägt ja immer gerne alles im Zusammenhang mit der Gebäudesanierung vor; da haben wir ein Argument, das die meisten nicht gerne hören. Es gibt doch eine ziemlich ausgeprägte Konkurrenz zwischen verschiedenen Vertretern dieser Spezies, die entweder sagen: „Schützt den Markt für mich“, oder aber sagen: „Der andere ist völlig unqualifiziert.“ – Um auch in diesem Bereich zu vermitteln und zu sagen, was man tun muss, damit es einen fairen Ausgleich und eine faire Beteiligungsmöglichkeit gibt, haben wir mit Architekten und Ingenieuren nicht nur viele Gespräche geführt – das ist nach meiner Wahrnehmung immer ein ziemlich komplizierter Teil –, sondern auch schon eine Menge Verabredungen treffen können.
Eine allerletzte Anmerkung. Sie müssen sich schon entscheiden: Entweder sind freie Berufe etwas Besonderes, dann muss alles besonders sein, oder sie sind Teil des Mittelstandes. Ich verstehe das gar nicht. Wenn ich mir angucke, was dieser Herr Professor wünscht, dann kann ich Ihnen die Begründung dafür sehr leicht vortragen: Er wird sich in dem Feld, das Sie beschreiben, selbstständig machen.
Wir haben uns etwas anderes vorgestellt. Wir haben für spezifische Fragestellungen, wie Herr Priggen sie gestellt, wie auch andere sie noch stellen können, unter der Überschrift „Gibt es im Zusammenhang mit Themen der Nachhaltigkeit noch Aspekte, die wir zu wenig beleuchtet haben, wo man mit denen zusammen noch etwas auf den Weg bringen kann?“ das Institut für Mittelstandsforschung, das gerade einen neuen wissenschaftlichen Leiter bekommt. Wir haben im Vorfeld dieser Neubesetzung bereits mit denen überlegt, ob wir da einmal eine Fragestellung platzieren. Dafür brauchen wir kein neues Institut; wir haben eines für Mittelstandsfragen. – Vielen Dank.