Protocol of the Session on September 9, 2009

Der Bundesaußenminister hatte in dieser Debatte die Löffel angelegt und lag in der Ackerfurche. Auch das müssen Sie sich anhören, wenn wir eine solche Debatte über politische Kultur führen.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

Frau Kollegin Löhrmann, da Sie sich mutmaßlich gleich noch zu der Debatte äußern werden – ich habe auch gesagt, was wir von Ihnen erwarten –: Die Grünen haben im Kommunalwahlkampf hier in Nordrhein-Westfalen ein Plakat geklebt – was Sie da plakatiert haben, ist viel zu wenigen wirklich ins Bewusstsein gedrungen –, das eine nackte dunkelhäutige Frau, eine Mitbürgerin, zeigt, deren Hintern von zwei weißen Händen begrapscht wird. Ich habe eine Ahnung, was hier los gewesen wäre, wenn CDU oder FDP mit einem solchen Plakat unterwegs gewesen wären, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Minister Armin La- schet: Das ist Rassismus pur!)

Da wäre aber was gebacken gewesen! Was Sie uns dann vorgeworfen hätten!

Also: Ich empfehle etwas mehr Demut angesichts dessen, was Vertreter der eigenen Parteien beigetragen haben.

(Zuruf von der FDP: Pharisäer sind das alle! – Marc Jan Eumann [SPD]: Ich wäre ganz ru- hig!)

Frau Kollegin Löhrmann, Sie haben doch sicherlich noch ein paar Belegexemplare in Ihrem Keller. Vielleicht schicken Sie Frau Künast eines dieser Exemplare. Dann wird sie beim nächsten Mal vielleicht etwas zurückhaltender sein.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Im Übrigen, meine Damen und Herren, haben wir heute einen weiteren durchschaubaren Versuch der SPD erlebt, in der Debatte über die politische Situation von der eigenen Lage abzulenken, vor allem davon, dass sich die SPD in den letzten Wochen hier in Nordrhein-Westfalen zwei krachende, zwei historische Wahlniederlagen eingefangen hat.

(Zuruf von der Regierungsbank: So ist es!)

Darauf sollte man doch einmal hinweisen dürfen. Am 7. Juni hat die SPD bei der Europawahl das schlechteste Wahlergebnis bei allen Europawahlen eingefahren, und am 30. August hat die nordrheinwestfälische SPD ihr schlechtestes Wahlergebnis bei Kommunalwahlen in der über 60-jährigen Geschichte unseres Landes eingefahren.

(Beifall von der FDP)

Ich glaube, meine Damen und Herren, die Sozialdemokraten täten gut daran, sich mit den Gründen für diesen beispiellosen historischen Niedergang endlich einmal auseinanderzusetzen.

(Zurufe von CDU und FDP)

Stattdessen hüpft Frau Kollegin Kraft am Wahlabend jubilierend vor den Kameras und Mikrofonen herum, dass man hätte meinen können, die SPD habe gerade die absolute Mehrheit gewonnen. Das war an Realitätsverweigerung nicht mehr zu übertreffen.

(Zuruf von der SPD: Die FDP hat nur gewon- nen! War das so?)

Frau Kollegin Kraft, nehmen Sie es mir nicht übel: Das hat mich spontan ein bisschen an Mohammed Said al-Sahhaf erinnert. Ich weiß nicht, ob der Name Ihnen noch etwas sagt. Das ist eine bemerkenswerte Figur der Zeitgeschichte, besser bekannt unter dem Namen „Comical Ali“. Das war der letzte Informationsminister von Saddam Hussein.

(Gisela Walsken [SPD]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben? – Weitere Zurufe von der SPD)

Der ist dadurch bekannt geworden, dass er immer abends in den Nachrichtensendungen vor laufenden Fernsehkameras

(Zuruf von der SPD: Möllemann ist auch im- mer da?)

die Sicht der irakischen Regierung dargelegt und erzählt hat: „Die glorreichen irakischen Truppen haben heute den letzten Ungläubigen aus dem Land gejagt“, während im Kamerahintergrund die amerikanischen Panzer vorbeirollten.

(Heiterkeit von der FDP)

Das ist das Musterbeispiel einer Form der Realitätsverweigerung, Frau Kollegin Kraft. Dem sollten Sie nicht nacheifern. Das ist meine herzliche Empfehlung.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der SPD)

In Dortmund haben Sie in der Tat erkennbar mit Methoden gewonnen, die im gesamten Land für helle Empörung sorgen, Frau Kollegin Kraft. Ich muss sagen: Ich habe heute von Ihnen in dieser Debatte ein klärendes Wort zu dieser Situation und zu dem, was in Dortmund abgelaufen ist, erwartet. Denn Sie haben sich doch auch persönlich eingemischt. Herr Sierau war doch Ihr Kandidat. Sie haben die Entwicklung in Dortmund doch zu Ihrer Führungsaufgabe gemacht.

Das, was wir dort erlebt haben, kann schlimmer nicht sein: dass die Verwaltung auf eine Anfrage der FDP-Ratsfraktion wenige Tage vor der Wahl erklärt, man habe kein Haushaltsproblem, und in der Nacht nach der Wahl – die Stimmen sind gerade ausgezählt – eine Haushaltssperre verhängt wird und der Oberbürgermeister am nächsten Morgen verkündet, es fehlten 100 Millionen €. Ein paar Tage später waren es schon über 200 Millionen €.

(Gisela Walsken [SPD]: Sie müssen die Rede aktualisieren! – Zurufe von der FDP)

Genau! Das Problem ist weg, Frau Kollegin, Sie haben ja recht. Denn Gerd Langemeyer hat gestern verkündet – ich zitiere –: „Das Loch ist gefüllt.“ – So schnell geht das in Dortmund.

(Gisela Walsken [SPD]: Ja, das passt Ihnen nicht!)

Das ist doch wirklich nicht zu übertreffen. Das ist der erkennbare Versuch, die Wähler systematisch zu belügen und zu betrügen, Frau Kollegin Kraft. Dazu hätten Sie unter der Überschrift „Politische Kultur in Nordrhein-Westfalen“ hier endlich einmal ein klärendes Wort finden müssen.

(Beifall von FDP und CDU)

Ich sage Ihnen: Es kann auf die Vorgänge dort nur eine Antwort geben, es kann da nur eine saubere Lösung geben: Herr Sierau muss zurücktreten. Diese Wahl muss wiederholt werden, meine Damen und Herren, jetzt, da die Bürger in Dortmund wissen, was dort passiert ist.

(Beifall von der FDP – Gisela Walsken [SPD]: Das hätten Sie gerne!)

Die Realitätsverdrehung der SPD, Frau Kollegin Kraft – das haben Sie heute hier mehrfach dargelegt –, geht unvermindert weiter. Sie haben sich nicht enthalten können, direkt nach der Wahl den Hinweis zu geben, die bedauerlich niedrige Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl gehe auf die Kappe des Ministerpräsidenten, denn der habe die Kommunalwahl gezielt von der Bundestagswahl abgekoppelt. So sind Sie zitiert worden. Der trage die Schuld an der niedrigen Wahlbeteiligung durch die Abkopplung der Wahl. Haben Sie nicht zur Kenntnis genommen, was Ihnen der Verfassungsgerichtshof ins Stammbuch geschrieben hat?

(Thomas Eiskirch [SPD]: Er schreibt Ihnen dauernd etwas! – Hannelore Kraft [SPD]: Sie verlieren doch dauernd!)

Das, was Sie gefordert haben, die Zusammenlegung von Kommunalwahl und Bundestagswahl, wäre verfassungswidrig gewesen.

(Beifall von FDP und CDU)

Ihre Forderung war verfassungswidrig. Lesen Sie einmal die Urteilsbegründung nach.

(Martin Börschel [SPD]: Sie sagen die Un- wahrheit!)

Das hat der Präsident des Verfassungsgerichtshofs wortwortwörtlich so gesagt. Er sagte, das wäre verfassungswidrig gewesen. Wir haben uns durch Ihr Drängen und Ihre Drohkulissen nicht beirren lassen. Es war die richtige Entscheidung.

(Hannelore Kraft [SPD]: Sie verwechseln da etwas!)

Es ist abenteuerlich, dass Sie jetzt noch nachkarten und sagen, das hätte man doch anders machen müssen.

Das gilt auch für eine weitere Forderung, die Sie heute wieder aufgetischt haben, nämlich die Forderung nach Einführung einer Sperrklausel. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Bundesweit gibt es kein einziges Land mehr mit einer solchen Sperrklausel. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat die letzte Sperrklausel kassiert. Unser Verfassungsgerichtshof hat schon 1999 gesagt, dass eine solche Sperrklausel unter normalen Umständen unzulässig ist.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Wir haben doch sogar versucht, das, was verfassungsrechtlich möglich ist, auszuloten, nämlich mit der Mindestsitzklausel. Es hat doch bei uns unter Führung des Innenministers nicht an Überlegungen gefehlt, wie wir extreme Splittergruppen aus den Parlamenten möglichst fernhalten können. Selbst diese Mindestsitzklausel ist doch kassiert worden. Wie können Sie allen Ernstes weiter völlig unbeirrt von der Sachlage in der Öffentlichkeit sagen: „Wir wollen eine Sperrklausel“?

(Beifall von FDP und CDU)

Das ist – deshalb habe ich vorhin das Beispiel gebracht – Comical Ali, Frau Kollegin Kraft. Das ist – das will ich Ihnen einmal sagen – keine seriöse Politik.

Es ist Aufgabe der parlamentarischen Opposition, Alternativen zur Regierungspolitik aufzuzeigen. Bei dieser Aufgabe – ich nehme das mehr denn je staunend zur Kenntnis – haben Sie in den letzten vier Jahren komplett versagt. Sie haben hier auch heute neben solchen Verdrehungen keine einzige Alternative für eine andere Landespolitik dargelegt.

Das ist der eigentliche Grund dafür, Frau Kollegin Kraft, dass das Zutrauen in Rot-Grün in NordrheinWestfalen selbst bei Ihren eigenen Anhängern so rapide im Sinkflug begriffen ist. Ich fand es sehr bemerkenswert und möchte im Zuge dieser Generaldebatte noch einmal daran erinnern, dass der WDR kurz vor der Sommerpause in einer repräsentativen Umfrage festgestellt hat, dass 66 % der Grünen-Wähler und 64 % der SPD-Wähler davon überzeugt sind, dass die Regierung aus CDU und FDP am 9. Mai des nächsten Jahres bestätigt wird.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der SPD: Das heißt aber nicht, dass die sich das wün- schen!)