Protocol of the Session on June 25, 2009

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Koalition, die sich nichts vorzuwerfen hat und die souverän ein Land regiert und sich auch so verhält, muss auf die wieder einmal völlig neben der Sache liegenden und polemischen Zurufe von Frau Löhrmann an dieser

Stelle nicht mehr eingehen. Es nimmt nur noch peinliche Züge an.

Nun zur Sache selbst, zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Es ist üblich, dass man zum Ende der Beantragung, wenn das Quorum erfüllt und die notwendige Zustimmung von 25 % vorhanden ist, dass man dann auch zu einer einvernehmlichen Beschlussfassung über die Einsetzung kommt. Deshalb sind sich auch, um das Ergebnis vorwegzunehmen, die Koalitionsfraktionen einig, dass wir diesem Brauch des Hauses, weil das Quorum rechtlich erfüllt ist, selbstverständlich Genüge tun und Sie zu einer einstimmigen Beschlussfassung über die Einsetzung kommen, indem wir uns der Stimme enthalten. Damit haben Sie ein einstimmiges Votum für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Mein Kollege Peter Biesenbach hat darauf hingewiesen: Wir geben uns auch keine Mühe, mit verfahrensverzögernden Tricks, was wir könnten, Gründe zu finden, warum jetzt die Arbeit nicht starten soll. Sie wissen ganz genau, wir hätten sehr gut die Möglichkeit gehabt, dass in dieser Plenarwoche dieser Punkt regulär gar nicht behandelt worden wäre, weil Sie nach Verfristung und Ablauf der Antragsfrist, was Ihren Einsetzungsantrag betrifft, erst gehandelt haben. Auch da haben wir Größe gezeigt und sind souverän damit umgegangen,

(Zurufe von der SPD – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Größe gezeigt? Sie haben doch eigene Interessen!)

Wir haben Größe gezeigt und Ihrem Wunsch entsprochen, durch nachträgliche Änderung der Tagesordnung eine Sache, die von der Frist her nicht korrekt eingereicht war, mit auf die Tagesordnung zu nehmen. Das hätten wir nicht machen müssen,

(Svenja Schulze [SPD]: Dafür haben Sie auch etwas gekriegt!)

dann wären Sie heute nicht zu einer Beschlussfassung gekommen. Wir haben Ihrem Wunsch entsprochen, das an genau dieser Stelle in der Tagesordnung heute zu behandeln. Daran sehen Sie, dass wir souverän und fair mit dieser Thematik umgehen, und das, obwohl wir uns in der Tat – mehr als bei anderen Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, die dieser Landtag in den letzten Jahren auf den Weg gebracht hat – die Fragen zur Seriosität der Arbeit stellen, die mein Vorredner hier zu Recht gestellt hat.

Wenn es eine Entstehungsgeschichte eines Vorgangs gibt, die mehrere Jahre weiter zurückreicht, ist es sehr bemerkenswert, dass hier etwas abgeschnitten werden soll. Warum Sie als Grüne massiv ein Interesse daran haben, dass nur ein Teil von Aspekten beleuchtet wird und Sie einen ganzen Teil der Vorgeschichte verheimlichen wollen, der bewusst

(Lachen von der SPD – Widerspruch von den GRÜNEN)

nicht Untersuchungsgegenstand sein soll, obwohl er in einem direkten sachlogischen Zusammenhang mit der Geschichte steht, das ist in der Tat bemerkenswert.

Das ist auch bemerkenswert, wenn ich daran denke, wie wir uns gemeinsam zwischen Koalitionsfraktionen und Oppositionsfraktionen die letzten Jahre verständigt haben, wenn es um die Formulierung eines Untersuchungsauftrages ging, dass wir im Vorfeld über Ihre Beantragung zu Siegburg gesprochen haben, genauso wie wir das bei Enquetekommissionen auch tun, und dass man versucht, sinnvoll alle Interessen zu bündeln.

Die Koalitionsfraktionen hatten Ihnen frühzeitig klar den Wunsch mitgeteilt, dass, wenn Sie eine ehrliche, transparente Aufarbeitung haben wollen, die ganze Geschichte dazugehört und nicht nur der Teil, den Sie gerne wahrhaben wollen.

(Svenja Schulze [SPD]: Das sind doch Ne- belkerzen!)

Deshalb finde ich es bemerkenswert, dass Sie der vorgetragenen Bitte der Koalitionsfraktionen, bezogen auf den Arbeitsauftrag, für völlige Transparenz zu sorgen und auch die Entstehungsgeschichte dieses Vorgangs vor 2005 mit zu beleuchten, nicht entsprochen haben.

Es stellen sich weitere Fragen zur Einsetzung und Konstituierung des PUA, die die Bestimmtheit des Untersuchungsauftrags betreffen. Das ist insofern von Bedeutung, da mangelnde Bestimmtheit dazu führen kann, dass unzulässige Ausforschungsbeweise betreffend auch unterschiedliche Ressorts der Landesregierung verlangt werden.

Sie verstoßen nach unserer Auffassung gegen das Wertungsverbot bei der Ausgestaltung von Untersuchungsaufträgen, einem Grundprinzip der Arbeit von Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, oder geraten zumindest in Kollision damit.

Insofern wäre es vielleicht tatsächlich sinnvoll gewesen, Sie hätten sich für die Formulierung des Untersuchungsauftrags im Detail etwas mehr Zeit genommen, hätten Gründlichkeit und Präzision bei Ihrer Arbeit walten lassen und hätten vor allem eine weitere Fassung des Untersuchungsauftrags zugelassen, die mehr Fragestellungen beinhaltet hätte, wenn es tatsächlich Ihr Interesse sein sollte, ehrlich Erkenntnisgewinne zu produzieren.

Wir haben uns überhaupt nichts vorzuwerfen. Die FDP-Landtagsfraktion ist sehr gespannt, was die Arbeitsergebnisse des PUA angeht. Wir wünschen uns aber ausdrücklich, dass nicht ein Teil von Realität beleuchtet wird, sondern die ganze Wahrheit ans Licht kommt. Daran sollten wir alle ein Interesse haben. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Antrag Drucksache 14/9466 – Neudruck – zu? – SPD und Grüne. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – CDU und FDP enthalten sich. Damit ist der Antrag einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

9 Gleichstellung an den Hochschulen in NRW

Große Anfrage 22 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7516

Antwort der Landesregierung Drucksache 14/8959

Ich eröffne die Beratung und erteile für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sokrates soll einmal gesagt haben, dass Frauen den Männern dann überlegen wären, wenn man sie gleichstellt.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Genauso, wie wir wissen, dass Sokrates und seine Schüler weit vor unserer Zeit das abendländische Verständnis von Wissenschaft mitgeprägt haben, so scheint auch die Einstellung zu Fragen der Gleichstellung in unserer Hochschullandschaft bis heute nachzuwirken. Diesen Eindruck muss man jedenfalls gewinnen, wenn man sich die Zahlen ansieht, die die Landesregierung in Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage zusammengetragen hat.

Ich bedanke mich zunächst sowohl bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums als auch bei den Hochschulen ganz herzlich für die geleistete Zuarbeit für fast 500 Seiten.

Mit Schrecken muss man allerdings feststellen, dass es bislang keine systematische und regelmäßige Erhebung von Daten zur Gleichstellung im Hochschulbereich gegeben hat. Nein, die vorliegenden Zahlen musste sich das Ministerium erst einzeln von den Hochschulen besorgen. Denn offensichtlich interessiert es diese Landesregierung nicht, wie es um die Gleichstellung an ihren Hochschulen bestellt ist. Vielmehr werden sogar teilweise Daten vorgelegt, von denen Sie ganz genau wissen, dass sie nicht wirklich richtig, also falsch oder, wie es in der Vorbemerkung heißt, unplausibel sind.

Desinteresse ist noch das schmeichelhafteste Wort, das einem dazu einfällt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Mit einer Politik, die Verantwortung übernimmt, hat das jedenfalls nichts zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch der zweite Teil Ihrer Antwort auf die Große Anfrage kann nur als politisches Armutszeugnis bewertet werden. Da fällt Ihnen doch auf die Frage, worin die Ursachen für die von niemandem bestrittene Unterrepräsentanz von Frauen liegen könnte, allen Ernstes nur ein – ich zitiere –, „dass Frauen ihre wissenschaftliche Kompetenz oft niedriger einschätzten und selbstkritischer seien als Männer“. – Ich glaube, eine solche Aussage spricht für sich.

Überall, wo es in unserer Großen Anfrage ans Eingemachte geht, nämlich an die Frage der Instrumente und der Optimierung der Gleichstellungspolitik, gibt es zum Thema „Landespolitische Steuerung“ eine glatte Fehlanzeige. Sie nehmen es offensichtlich als selbstverständlich hin, dass nur 23 von 33 Hochschulen die Frage beantwortet haben, wo bei ihnen die Verantwortung für Gleichstellung institutionell verankert sei. Sogar nur 13 von 33 Hochschulen erklären, dass Geschlechtergerechtigkeit ein strategisches Ziel ihrer Personalentwicklung sei. – Das ist frauenpolitisch betrachtet ein Skandal, Herr Minister Pinkwart,

(Beifall von den GRÜNEN)

und wir fragen uns, was Sie dagegen unternehmen wollen.

Wir wollen im Übrigen gar nicht abstreiten, dass sich in den letzten Jahren bei den Zahlen einiges getan hat. Tatsächlich ist der Frauenanteil an den Professuren in den vergangenen sechs Jahren kontinuierlich gestiegen: von ca. 12,9 % auf 16,5 % bei den C3-Professuren, von 8,8 % auf 10,4 % bei den C4-Professuren und bei den neuen BProfessuren jeweils noch stärker. Das ist eine positive Entwicklung und nicht zuletzt wegen der zeitlichen Zusammenhänge auch der rot-grünen Hochschulpolitik geschuldet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vergleicht man aber die Entwicklung in NordrheinWestfalen mit der in anderen Bundesländern, ist das Ergebnis erschreckend. Im Mai 2009 hat das Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung, abgekürzt CEWS, die dritte Fortschreibung des CEWS-Hochschulrankings nach Gleichstellungsaspekten vorgelegt. NRW ist in diesem Ranking, in dem es zugegebenermaßen auch 2003 und 2005 nur im unteren Mittelfeld zu finden war, inzwischen über den vorletzten Platz im Jahr 2007 auf den allerletzten Platz im Jahr 2009 abgerutscht.

Warum sind wir so schlecht bei der Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung? – Wenn man sich die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zur Gleichstellung an Hochschulen ansieht, zeigt sich, wie leidenschaftslos die schwarz

gelbe Landesregierung dieses Thema abhandelt. Hier wird Gleichstellung keineswegs als demokratisches Grundrecht verstanden, sondern höchstens noch als eine Strategie zur Behebung des Fachkräftemangels. Der qualitative Aspekt der Anfrage, nämlich „Wie kann Gleichstellung evaluiert werden?“, wird erst gar nicht berücksichtigt.

Gemäß der Philosophie des Hochschulfreiheitsgesetzes ist seitens der Landesregierung keine proaktive Genderpolitik auszumachen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wie an anderen Stellen der Hochschulpolitik erfolgt auch hier lediglich eine Delegation der Verantwortung an die Hochschulen.

Mit dem neuen Steuerungsinstrument Strukturfonds schließlich ist eine angemessene Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes überhaupt nicht mehr möglich. Denn mit dem auf Wettbewerb angelegten Strukturfonds sind weder Planungssicherheit noch Nachhaltigkeit verbunden. Deshalb müssen gerade viele auf Nachhaltigkeit angelegte Projekte zur Gleichstellung vor dem Hintergrund der vollständigen Streichung der Frauenfördermittel in 2007 in Eigenregie bei den Hochschulen fortgeführt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Wissenschaftsrat hat in seinen Empfehlungen zur Chancengleichheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern festgestellt – ich zitiere –:

Die unzureichende Repräsentanz von Frauen vor allem in den Führungspositionen in Wissenschaft und Forschung gehört nach wie vor zu den gravierendsten Defiziten der wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland.

Deshalb erwarten wir von Ihnen, Herr Minister Pinkwart, eine Strategie, zumindest eine mittelfristige Strategie, die konkrete Instrumente und Projekte zur Gleichstellungsförderung aufzeigt. In diesem Zusammenhang muss auch der Hochschulpakt 2020 als Chance für die Gestaltung von Gleichstellungspolitik an den Hochschulen genutzt werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)