Ihre Verantwortung wäre es gewesen, so etwas zu verhindern. Sie haben aber 98/99 die Hand für diese Veränderungen gehoben.
Wenn wir uns die individuelle Lage der Erzieherinnen und Erzieher im Einzelnen ansehen, dann stellen wir fest, dass sehr geringe Tarifeinkommen individuell noch niedriger sind, weil viele der Erzieherinnen und Erzieher in Teilzeit arbeiten müssen. Jetzt kommt wieder der Zuruf, das sei wegen KiBiz; ich erwarte diesen geradezu. Dabei wissen wir nach der Studie des SPI, die von der Opposition hier schon mehrfach zum Thema gemacht worden ist,
dass die Zahl der in Teilzeit Beschäftigten durch das KiBiz eben nicht gestiegen ist. Sie ist gleich geblieben. Frau Asch, Sie zitieren die Studie doch auch bei jeder Gelegenheit – und jetzt tun Sie so empört und überrascht –, allerdings nur die Punkte, die Ihnen passen; die wesentlichen Aussagen lassen Sie unter den Tisch fallen.
Die Wahrheit ist: Die Zahl der in Teilzeit Beschäftigten ist nicht gestiegen. Insofern gibt es auch nicht mehr prekäre Beschäftigungsverhältnisse aufgrund des KiBiz. Das wäre für Sie auch aus der Tatsache ersichtlich gewesen, dass sich dieser Streik auf das gesamte Bundesgebiet bezieht. Es ist also kein NRW-Spezifikum, sondern es geht um ein Berufsbild insgesamt.
Was den in NRW geltenden Personalstandard nach KiBiz im Bundesvergleich angeht, will ich Sie auf eine jüngste Veröffentlichung der Bertelsmann Stiftung hinweisen, in der uns bezogen auf nahezu alle Gruppenformen dargelegt worden ist, dass wir mit dem Personalstandard in Nordrhein-Westfalen im oberen Viertel der Bundesländer liegen. Also ist auch dort Ihr Alarmgeheul unangebracht.
Ich will eine weitere Bemerkung machen, damit wir wissen, über was wir hier reden. Es ist gesagt worden, das Land möge doch einfach nur die Kindpauschalen erhöhen, dann gebe es sofort eine Möglichkeit, das an die Beschäftigten weiterzugeben. – Das ist ein Irrtum, und zwar aus zwei Gründen:
Zum einen ist es ein Irrtum, weil es hier um die Tarifautonomie geht. Damit ist das Land nicht befasst. Das heißt: Würden wir die Kindpauschalen erhöhen – wir tun das ja; zum 1. August steigen sie wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Dynamisierung um 1,5 % –, wäre damit nicht unbedingt verbunden, dass die Träger dieses Geld auch an die Beschäftigten weitergeben.
Ja, Moment! Das betrifft die Tarifautonomie. Damit hat das Land nichts zu tun. Auch der Haushaltsgesetzgeber hat damit nichts zu tun. Das heißt, der Appell an die Landesregierung und an die Koalition ist falsch adressiert.
Es gibt aber noch einen zweiten Umstand, der wichtig ist: Die Finanzierung der Kindertageseinrichtungen wird eben nicht nur vom Land geleistet wird. Das ist anders als bei den Schulen. Nur zu einem Drittel ist es das Geld des Landes, ansonsten sitzen Kommunen, Träger und Eltern mit im Boot. Wer hier jetzt also ein bisschen leichtfertig sagt, weil es sich gut anhört und weil wir alle Sympathie dafür haben, man müsste jetzt die Tarifentgelte erhöhen, der muss auch sagen, dass Kommunen, Träger und Eltern gleichermaßen wie das Land mehr Geld in die Hand nehmen müssten.
Ich will das hier nur der Seriosität wegen bemerken, damit nicht zu leicht der Appell an Schwarz-Gelb gerichtet wird.
Jetzt zur Perspektive, weil wir uns im Grunde ja alle einig sind, dass hier etwas getan werden muss. Ich will die Aufmerksamkeit dabei auf die Entwicklungen lenken, die es im Bereich der Pflegeberufe gegeben hat. Wir haben in den vergangenen Jahren Fachdiskussionen über eine Aufwertung des Pflegerberufs geführt und auch über eine akademische Qualifikation für die Leitungsstellen im Pflegebereich. Das hat nach den jüngsten Veröffentlichungen der Spitzenverbände im pflegerischen Bereich dazu geführt, dass die Tarifentwicklung bei den Pflegeberufen positiv ist, dass sich durch die Erhöhung der Fachlichkeit das Einkommensniveau im Pflegebereich insgesamt erhöht hat.
Ich sehe darin eine Perspektive, ein Vorbild auch für das, was wir im Bereich der Kindertageseinrichtungen in die Wege leiten müssen. Mit dem Kinderbildungsgesetz ist das Fachkräfteprinzip gestärkt worden. Das ist ein Baustein. Ein weiterer Baustein ist, dass wir ab dem Jahr 2015, wenn es nach uns geht – die Koalition insgesamt hat sich auf den Begriff „mittelfristig“ verständigt –, die Leitungsqualifikation der Kindertageseinrichtungen an einen pädagogischen Hochschulabschluss oder an eine vergleichbare Qualifikation binden wollen. Das wird Auswirkungen auf die tarifliche Eingruppierung haben, und zwar nicht nur die der Leitung, sondern die aller Kräfte, die in Kindertageseinrichtungen tätig sind.
Das ist ein Weg, der seriös ist, eine Perspektive beschreibt und auch von den anderen, die ihn mitfinanzieren müssen, mitgegangen werden kann, nämlich von den Eltern, den Kommunen und den Trägern. Diesen Weg wollen wir gehen. Sie sind eingeladen, ihn konstruktiv zu begleiten.
Eine allerletzte, allgemeine Bemerkung: Wenn wir miteinander beklagen, dass in Berufen mit geringem Bruttoeinkommen zu wenig an Nettoeinkommen übrig bleibt, dann sind wir auch alle gefordert, etwas für diese Menschen zu tun, damit sich für sie ihr konkreter Beitrag in dieser Gesellschaft auch lohnt.
Wir als FDP haben vorgeschlagen, den Eingangssteuersatz auf 10 % zu reduzieren. Das wäre ein sinnvollerer Beitrag gewesen als etwa die Abwrackprämie im Konjunkturpaket II. Die Grünen, die sich hier so gerieren, als wollten sie für Bezieher geringer Einkommen Partei ergreifen,
haben in den Jahren ihrer Regierungsverantwortung keine Gelegenheit ausgelassen, die Energiekosten genau für diese Menschen, für diese Familien zu erhöhen.
Insofern: Wer Verantwortung für Menschen mit geringem Einkommen übernehmen will, wer ihre konkreten Lebensbedingungen verbessern will, der muss sich auch bei anderen politischen Entscheidungen fragen, ob er nicht vielleicht doch in Wahrheit nur Klientelpolitik für Besserverdiener macht, die sich die sprichwörtlichen 5 Mark pro Liter Benzin leisten können. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur einige Sätze zu dieser Debatte sagen und einige Klarstellungen geben, weil es bei diesem Streik in der Tat um einen Tarifkonflikt geht.
Liebe Frau Kollegin Asch, Sie haben hier vorgetragen, ich hätte mich zu diesem Konflikt geäußert. Ich habe mich ganz bewusst zu diesem Konflikt nicht geäußert. Seitdem der Streik läuft, habe ich keine Silbe dazu gesagt. Ich habe immer nur gesagt, wenn Sie mit Beitragsfreiheit kommen – die SPD vielleicht lauter als die Grünen –: Wenn Beitragsfreiheit durch das Land gesichert werden soll, wenn 150 Millionen € pro Jahr mal drei gleich 450 Millionen € bezahlt werden sollen, dann würde ich dieses Geld eher für eine bessere Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher als für Beitragsfreiheit einsetzen. Dieses Mantra trage ich hier in jeder Debatte vor. Auch in der eigenen Partei sagen manche auf Parteitagen, es sei jetzt populär, Beitragsfreiheit zu fordern. Ich sage Nein. Könnte ich dieses Geld bekommen, würde ich es für die bessere Bezahlung der Erzieher/-innen einsetzen. Das müssen Sie auseinanderhalten. Wie gesagt: Zu diesem Streik habe ich mich nicht geäußert.
Mich wundert übrigens, dass die Grünen sagen, sie stünden in voller Solidarität zu den Erzieher(inne)n. Das kann nur jemand sagen, der als Grüner vielleicht in Kommunen keine Verantwortung hat; denn es ist ein Tarifstreik der Erzieher/-innen gegen die kommunalen Arbeitgeber. Es gibt ja noch ein paar Städte in Nordrhein-Westfalen, die rot-grün regiert sind. Wenn Sie hier sagen, Sie stünden auf der einen Seite, dann fallen Sie bei dieser Frage allen Kommunen in den Rücken. Die Frage ist, ob es klug ist, sich als Parlamentsfraktion in dieser Weise in einen Tarifkonflikt einzumischen: Das müssen Sie aber mit sich selbst ausmachen.
in Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg streiken, darauf zurückführen, dass wir das KiBiz eingeführt haben. Irgendwo ist doch die Schwelle der intellektuellen Redlichkeit erreicht, Frau Kollegin Asch, die auch Sie haben müssten.
Sie können doch nicht zu Streiks, die in Berlin und sonst wo stattfinden, sagen, daran sei nur der Laschet mit seinem blöden KiBiz schuld. Bei aller Wertschätzung auch für meinen Einfluss: So weit geht der nicht, dass dann, wenn in Kindertagesstätten im Schwarzwald oder an der Ostseeküste eine Erzieherin sagt, die Kinder seien so laut und in den Einrichtungen gebe es seit Jahren nur die kleinen Stühle, die Landesregierung von NordrheinWestfalen schuld sei.
Nun zu dem von Ihnen, Frau Asch, so gewichtig vorgetragenen Argument, die Lärmbelastung in den Kindertagesstätten sei so groß: Das ist wahr; aber die Kinder sind doch nicht durch das KiBiz lauter geworden. Die Lärmbelastung war da, wo Kinder betreut werden, immer schon groß.
Nein, es ist keine Gruppe größer geworden, Frau Steffens. Auch bei den Grünen sollte man im Zusammenhang mit Zahlen und Fakten ab und an einmal redlich sein.
Wir sind also nicht einig, wenn es darum geht, wir seien schuld daran, dass im Schwarzwald die Kindertagesstätten schlecht seien. Jetzt nehmen wir die Studie von Herrn Stranz.
Frau Asch, das ist die Studie, die Sie immer gerne zitieren. Jetzt zitiere ich sie einmal. Diese Studie hat die Personalkraftstunden pro Einrichtung berechnet. Sie lag im Jahre 2008 vor KiBiz bei 146,7 und liegt nach KiBiz bei 162,9. 162,9 ist mehr als 146,7. KiBiz hat den Personalschlüssel in den Einrichtungen verbessert. Das sagt uns das SPI, das sagt uns Herr Stranz. Und das müssen Sie dann auch zitieren, wenn Sie zitieren.
Dann kommt die Frage der befristeten Verträge. Sie haben darüber gerade etwas abfällig gesagt, dort seien viele Frauen beschäftigt. Viele Frauen haben den Wunsch, Teilzeit zu haben. Es ist ja nicht so, dass sie …
Liebe Frau Asch, unbefristete Verträge – Studie Stranz, SPI, Asch oder wer auch immer –: 5,7 vor KiBiz, nach KiBiz 5,8. Wir haben heute mehr unbefristet Beschäftigte in den Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen als vor unserer Gesetzesände
rung. Auch das gehört zur Redlichkeit, und das könnten Sie den Erzieher(inne)n ruhig einmal erzählen, wenn Sie draußen mit ihnen zusammen demonstrieren.
Nun kommen wir zu der Frage der kleinen altersgemischten Gruppen, Herr Jörg. Ich würde das ja hier nicht immer erwähnen, dass Sie einmal kleine altersgemischte Gruppen hatten, die 11 000 Plätze für unter Dreijährige ermöglicht haben. Das ist doch Ihre miserable Schlussbilanz, gegen die wir im Moment angehen.
(Wolfgang Jörg [SPD]: Das war doch ein Kor- ridor, der in ganz Westdeutschland auf die- sem Niveau war!)
Wir haben im August 86 000 Kinder unter drei Jahren. Da können Sie doch hier nicht diese Gruppenform hochjubeln; sie hat in der Masse der Kindertagesstätten gar keine Rolle gespielt. Sie haben gesagt, es sei alles schlechter geworden, weil der Schlüssel bei der kleinen altersgemischten Gruppe anders war. Die war aber nur für 11 000 privilegierte Kinder, also einen kleinen Bruchteil; der Rest war in ganz anderen Gruppenformen. Das ist doch gar keine Vergleichsgröße.
Frau Asch, vielen Dank, dass Sie Ihre Rede schon vorher ausgelegt haben. Das erleichtert mir die Antwort ein bisschen. Sie haben sich ja ziemlich wörtlich an Ihr Manuskript gehalten. Aber das muss man wahrscheinlich bei diesen Reden.
Wir gehen sie einmal gemeinsam durch. Das ist eine Meisterleistung: fünf Unwahrheiten in fünf Zeilen. Frau Asch hat uns eben vorgetragen: Arbeitsverhältnisse für Erzieher/-innen haben sich deutlich verschlechtert. Die meisten müssen mehr arbeiten; denn der Arbeitsplatz ist unsicherer geworden. – Das ist falsch, die Realität ist eine andere. In jedem Jugendamt in Nordrhein-Westfalen werden Erzieher/-innen eingestellt: bis zum Jahr 2010 7 500 mehr.
Das ist auch logisch, Frau Asch. Wenn es 2007 819 Millionen € waren und wir jetzt bei 1,15 Milliarden € sind, dann geht das nur mit Personal. Es werden neue Erzieher/-innen eingestellt, weil wir durch den U3-Ausbau einen so großen Bedarf haben.