Protocol of the Session on November 9, 2005

(Beifall von der CDU)

dass immer mehr Lebensmittel aus der ganzen Welt zu uns nach Nordrhein-Westfalen kommen. Wir möchten durch unsere Politik dazu beitragen, dass die Produkte bei uns im Land erzeugt werden, dass der Landwirtschaft geholfen wird, Produkte in diesem Land Nordrhein-Westfalen zu erzeugen, insbesondere weil wir den großen Verbrauchermarkt von 18 oder 19 Millionen Verbrauchern in Nordrhein-Westfalen direkt vor unserer Tür haben.

Meine Damen und Herren, hier ist viel zu tun. Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss, insbesondere mit den Fraktionen CDU, SPD und FDP. Ich glaube nicht, dass die Grünen noch wichtige Beiträge dazu leisten können. Sie verweigern sich – das zeigen ihre Beiträge –, bei einem so wichtigen Thema einer seriösen Diskussion.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluss der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/577 an den Ausschuss für Umwelt

und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer mit dieser Überweisungsempfehlung einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zu:

12 Keine Aufweichung des Werbeverbots an Schulen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/580

Ich eröffne die Beratung und gebe das Wort an Frau Beer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bislang hat NRW einen weitreichenden Schutz gegen kommerzielle Produktwerbung. Das ist gut so und das muss weiterentwickelt werden. Es ist genauso richtig, dass es eine erhebliche Grauzone zwischen Sponsoring und der kommerziellen Produktwerbung gibt und dass Schulen weiterhin eine klare Linie und Kriterien für den Umgang mit Sponsoring und Werbung brauchen. Werbung kommt oftmals unter dem Deckmantel Sponsoring daher. Professorin Edda Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. weist zu Recht darauf hin, dass die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen von der Werbeindustrie auch über die Schule immer wieder gezielt angegangen wird. Dazu nenne ich einige Beispiele:

Eine Firma, die Cerealien auf den Markt bringt, fordert Kinder und Jugendliche auf, ihr Produkt zu kaufen, um Bonuspunkte auf den Packungen zu erwerben. Diese können gegen attraktive Sportgeräte eingetauscht werden. Das geht nur über die Schule mit einem Schulstempel. Viele Schülerinnen müssen sich darauf verständigen, diese Frühstücksflocken zu kaufen, um die nötigen Punkte zusammenzubringen. Auch eine bekannte Keksfirma ging diesen Weg. Es gab über Verpackungspunkte Klassenfahrten zu verdienen: Gruppenzwang zum Kauf von Keksen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat deshalb eine Studie in Auftrag gegeben, um das Spannungsfeld von Sponsoring und Werbemaßnahmen auszuloten. Diese wurde jüngst auf einer Tagung vorgestellt. Darin wurde klar gesagt, Sponsoring ist quasi das Sahnehäubchen im Schulalltag zur Ergänzung des notwendigen und

des zu sichernden Kernangebots. Schulen partizipieren aber durchaus sehr unterschiedlich daran. Häufig wird in einer Kommune die Ungleichheit von Schulen in der Ausstattung durch Sponsoring sogar verstärkt.

Aus einigen Umfragen wissen wir, dass die Gymnasien am meisten vom Engagement der Unternehmen mitnehmen können und profitieren. Hauptschulen kommen erheblich weniger in den Genuss des Sponsorings, von Förderschulen ganz zu schweigen. Deswegen muss in einer Kommune sehr genau hingeschaut werden, wie das Sponsoring verläuft. Gleichzeitig muss die Schule ein Raum sein, in dem Produktwerbung nichts zu suchen hat.

Es lohnt sich, genau hinzuschauen, wo sich Firmen unter dem Deckmantel Sponsoring mit Produktwerbung in die Schulen schleichen. Ein Beispiel dafür ist ein großer Softdrinkhersteller mit bekannter dunkler Brause, der Schul-Events sponsert und das mit Plakat- und Anzeigenwerbung in den Schulen offensiv begleitet.

Es ist wichtig, dass sich die Bundesländer in den Fragen von Sponsoring und Produktverbot verständigen. Das wird in den Bundesländern derzeit sehr unterschiedlich gehandhabt. Wir brauchen pädagogische Standards für die Schulen im Umgang mit Sponsoring. Missbrauch muss konsequent über ein Controlling verhindert, Best Practice aber gefördert werden. Es ist ein positiver Aspekt des Sponsorings, dass sich gesellschaftliches Interesse, bürgerschaftliches Engagement und die Beteiligung der Wirtschaft an der Gesamtaufgabe Bildung positiv dokumentieren kann. Ich zitiere gerne noch einmal Prof. Müller zum Abschluss:

Die finanzielle Grundversorgung der Schulen aus öffentlichen Mitteln ist unabdingbar. Nur so kann eine selbstbewusste Schule ihren Bildungsauftrag wahren, wenn sie sich mit der Wirtschaft einlässt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Beer. – Als Nächster hat Herr Jarzombek von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schulsponsoring ist eine sinnvolle Angelegenheit. Es ist nichts Neues, wenn ich Ihnen das heute für die CDUFraktion sage. Deshalb habe ich mich gefreut, als ich den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen gele

sen habe, weil das ganze Thema sehr positiv aufgegriffen wird.

Gewundert habe ich mich allerdings, als ich den Antrag umgedreht und auf der Rückseite ein flammendes Plädoyer gegen Schulsponsoring gefunden habe. Ich habe mich gefragt, wie es eigentlich kommt, dass genau die Gesetze, über die wir sprechen, von Ihrer Fraktion in der letzten Legislaturperiode mit beschlossen wurden.

(Zuruf von der CDU: Sehr schön!)

Wie dem auch sei: Wundern kann man sich.

Kommen wir zu Ihren Forderungen: Sie berufen sich in Ihrem Antrag und in Ihrer Rede im Wesentlichen auf eine Studie der Verbraucherzentralen. Ich habe diese Studie nachgelesen und dabei herausgefunden, der Kern besteht im Wesentlichen darin, dass in drei Bundesländern – Berlin, Sachsen-Anhalt und Bremen –, im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen auch Produktwerbung an den Schulen erlaubt ist. Von daher ist es kein Wunder, dass es dort zu negativen Effekten kommt. Das wirft allerdings die Frage auf, was das mit Nordrhein-Westfalen zu tun hat.

Ihr erster Punkt lautet, dass der Landtag das Verbot von Produktwerbung bekräftigen soll. Warum sollen wir aber etwas bekräftigen, was schon längst Gesetz ist?

Ihr zweiter Punkt beschäftigt sich mit Grauzonen. Wenn Sie über solche Grauzonen schreiben, müssen Sie diese auch definieren. Insofern frage ich mich, wie Sie diese definieren. Das finde ich in Ihrem Antrag nicht. Sie fordern, klare Richtlinien zur Abgrenzung reiner Sponsoring-Maßnahmen gegenüber Werbung an Schulen zu erarbeiten. Warum haben Sie dies nicht im Rahmen Ihres Schulgesetzes im letzten Jahr getan?

Die Frage lautet weiter, wie diese Richtlinien eigentlich aussehen sollen. Kann es überhaupt solche Richtlinien geben? Daraus kann ich nur zwei Schlüsse ziehen: Entweder sind Sie nicht in der Lage, konkrete Vorschläge für solche Richtlinien zu benennen, oder Sie hatten keine Lust dazu. Da ich Ihnen aber weder Faulheit noch Dummheit vorwerfen möchte, müssen wir eine dritte Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass es nämlich keine solchen Richtlinien geben kann, die diese Grauzonen vernünftig definieren. Stattdessen schreiben Sie in § 99 des Schulgesetzes, dass Schulen über Sponsorings entscheiden und diese auch bewerten sollen. Wir als CDU trauen den Schulen etwas zu. Die Frage ist, ob Sie das auch tun. Wenn wir mehr Freiheit und Selbstständigkeit

für die Schulen wollen, dann sollten wir gar nicht erst an weitere Regelungen denken.

Ihr dritter Punkt beschäftigt sich mit der KMK. Sie fordern in Ihrem Antrag, dass nationale Standards für Sponsoring über die KMK erarbeitet werden sollen. Ich glaube, hier haben wir einen deutlichen Unterschied in der Wahrnehmung zwischen unserer und Ihrer Fraktion. Wir von der CDU stehen zum Föderalismus. Wir wollen den Wettbewerb zwischen den Bundesländern und sehen Bildung als eine primäre Landesangelegenheit an. Die KMK sollte deshalb nur aktiv werden, wenn es im Wesentlichen um die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen oder um Schnittstellen zwischen den Bundesländern geht. Warum sollen wir als Nordrhein-Westfalen zum Beispiel Herrn Wowereit verbieten, dass an seinen Schulen geworben werden darf? Es stellt sich die Frage, was die SPD-Fraktion davon hält.

(Beifall von der FDP)

Sie sind zwar in keiner Landesregierung mehr vertreten, aber Sie können durch solche Initiativen doch auf Landtagsebene sicherlich einen passenderen Platz dafür finden als den Landtag von Nordrhein-Westfalen. Oder haben Sie etwa Sorgen, bei den Herren Wowereit und Börnsen mit Ihrer Initiative auf Ablehnung zu stoßen?

Deshalb kann ich für meine Fraktion nur zu dem Schluss kommen: Wir freuen uns auf die weitere Diskussion im Fachausschuss. Aber Sie werden an der Stelle Ihre nebulösen Grauzonen auch genau erklären und konkretisieren müssen. Sie werden dort mit ernsthaften Vorschlägen für solche Richtlinien kommen müssen, wenn Sie mit dieser Initiative ernst genommen werden wollen.

Wir werden dann auch darüber sprechen, ob wir ernsthaft Einzelaspekte der Bildungspolitik den Ländern abnehmen wollen und bundesweit vereinheitlichen möchten. Auf diese Diskussion freue ich mich besonders.

Das darf ich Ihnen an dieser Stelle schon sagen: Wir trauen nicht nur den Schulen etwas zu, sondern wir trauen auch den Ländern etwas zu. Deshalb werden wir bei Ihrem Versuch nicht mitmachen, Bildung bundesweit gleichzuschalten. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Jarzombek. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Trampe-Brinkmann. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gruppe der Jugendlichen in Deutschland zwischen sechs und neunzehn Jahren verfügt heute über ein geschätztes Taschengeldvolumen von 20 Milliarden €. Darüber hinaus beeinflusst diese Gruppe das Kaufverhalten der Familien in einer kaum zu beziffernden Größe.

Ich bin zwar weit davon entfernt, unsere Kinder als Konsumjunkies zu betiteln, aber diese große Kaufkraft stellt eine interessante Käuferschicht für die Wirtschaft dar. Hierbei geht es nicht nur um den kurzfristigen Verkaufserfolg, sondern auch um die langfristige Bindung der Kinder und Jugendlichen an bestimmte Marken und Trends, über die heutzutage die Gruppenzugehörigkeit definiert wird. Allein schon der Besitz eines bestimmten Handys klärt heutzutage die Zugehörigkeit unserer Kinder zu einem bestimmten Freundeskreis. Dies lässt sich auch auf Turnschuhe, Jeans oder Musik erweitern. Dass die Schule in den Blickwinkel der Wirtschaft gerät, liegt so auf der Hand.

Nach meiner Kenntnis beläuft sich der Werbeetat der deutschen Wirtschaft auf ca. 11 Milliarden € jährlich. Das Bestreben der Firmen, dieses Geld punktgenau, also auch an den Schulen, einzusetzen, ist immens.

Auch wenn der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft die Werbegelder, die an unsere Schulen fließen, bisher als Krümel bezeichnet, zeigen Beispiele aus den USA – Frau Beer hat sie erwähnt –, in welche Richtung die Reise gehen kann.

Es gibt auch bei uns mittlerweile genügend Beispiele, wie Firmen versuchen, Lehrer, Eltern und Schüler mit Produktwerbung zu ködern. So werden zum Beispiel kostenlose Klassenfahrten offeriert, wenn man nur eine ganz bestimmte Sorte Cornflakes isst.

Neben vielen schlechten Beispielen gibt es aber auch sehr gute Beispiele, wie Sponsoring positiv auf unsere Schulen wirken kann. Darum erscheint es mir nötig, auch vor dem Hintergrund der Tagung bei der Verbraucherzentrale, bei der ich anwesend war, den Diskurs über die Begrifflichkeiten von Spenden, Sponsoring und Werbung noch einmal zu führen.

Das im Februar dieses Jahres verabschiedete Schulgesetz hat die Möglichkeiten für Schulsponsoring eröffnet und Produktwerbung klar verboten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor dem Hintergrund immer knapper werdender kommunaler Haushalte können Schulen durch Sponsoring Finanzlücken schließen und sich so neue Möglich

keiten eröffnen. Es muss aber klar sein, dass der staatliche Bildungsauftrag im Vordergrund jeglichen Bemühens stehen muss.

(Beifall von der SPD – Dr. Axel Horstmann [SPD]: Darauf kommt es an!)

Es muss gelten: Sponsoring ja, aber nicht um jeden Preis.

Die Schulen in unserem Land müssen auch weiterhin der Platz bleiben, an dem kritisch über alle gesellschaftlichen und ökonomischen Interessen und in diesem Zusammenhang auch über Werbung diskutiert werden muss.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)