Protocol of the Session on March 19, 2009

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Düker und Herr Kollege Dr. Rudolph, ich glaube, dass der Minister Ihnen gleich Ihre Fragen beantworten wird. Die Regierung wird liefern.

(Heiterkeit von der SPD)

Ich ahne, was er gleich sagen wird: zeitnah. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Britta Altenkamp [SPD]: Herr Engel, das ist aber überra- schend!)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Wolf.

(Horst Becker [GRÜNE]: Das war aber ein großer politischer Beitrag!)

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist klar: Es soll evaluiert werden, und wir werden evaluieren. Die Evaluierung legen wir Ihnen zusammen mit einer Änderung des Polizeigesetzes vor; das ist immer wieder vorgetragen worden. Herr Kruse hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dies auch festes politisches Vorhaben der Koalitionsfraktionen ist.

Ich möchte an dieser Stelle nur darauf hinweisen, dass wir die Evaluierung zum Thema „§ 15a Polizeigesetz“ vorgenommen haben. Das haben wir Ihnen zeitgleich mit der entsprechenden Änderung des Gesetzes vorgelegt, sodass die gemeinsame

verfahrensökonomische Beratung damals möglich gewesen ist. Das hat nicht verhindert, Frau Düker, dass Sie Ihrem eigenen Gesetz, das Sie selber mal beschlossen hatten, nicht zugestimmt haben und sich die SPD – wenn ich mich recht entsinne – enthalten hat. Die Krokodilstränen an dieser Stelle, gerade was das gemeinsame Verabschieden von Gesetzentwürfen betrifft, lassen mich da relativ kalt.

(Thomas Stotko [SPD]: Da sind Sie ja der Experte!)

Es ist wichtig, dass wir verfahrensökonomisch vorgehen, dass wir diese Dinge gemeinsam beraten.

Was die Vorwürfe betrifft, dass sich das ein Stück weit verzögert hat, so darf ich darauf hinweisen, dass wir bis in den Spätherbst des letzten Jahres hinein grundlegende verfassungsrechtliche Entscheidungen bekommen haben, die in eine große Anzahl von Vorschriften im Polizeigesetz eingearbeitet werden müssen. Das hat sogar Frau Düker erkannt und dies auch festgestellt. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.

Es ist schlichtweg eine Schimäre, hier festzuhalten, es gebe kein verfassungskonformes Verhalten der Sicherheitsbehörden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Gesetze werden im Lichte der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen angewandt. Wir werden die Dinge in der nötigen Schleunigkeit umsetzen und uns von Ihnen auf keinen Fall unter Druck setzen lassen. Ich empfehle daher dem Hohen Haus, diesen Antrag abzulehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/8715 an den Innenausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dem zu? – Wer ist dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist die Überweisung des Antrags einstimmig beschlossen.

Wir kommen zu:

13 Demokratie jetzt – bürgerfreundliche Bürgerentscheide durch Abschaffung des Abstimmungsquorums

Antrag von Rüdiger Sagel (fraktionslos) Drucksache 14/8624

Ich eröffne die Beratung und erteile Herrn Sagel das Wort.

Danke, Herr Präsident! Die Bilanz der Bürgerentscheide in NordrheinWestfalen bleibt zwiespältig. Viele Initiativen scheitern an unnötigen Verfahrenshürden. Der Antrag für ein Bürgerbegehren muss sowohl eine Begründung als auch einen Kostendeckungsvorschlag enthalten und je nach Größe der Kommune bzw. des Kreises von 3 bis 10 % der Stimmberechtigten unterstützt werden.

Kommt es zu einem Bürgerentscheid, ist der Antrag angenommen, wenn die Mehrzahl der Abstimmenden, mindestens aber 20 % der Stimmberechtigten, zustimmen. Wird dieses Quorum nicht erreicht, ist der Bürgerentscheid ungültig.

Bislang erreichten bundesweit 13,5 % aller Bürgerentscheide, die die Mehrheit der Stimmen erhielten, das geforderte Abstimmungsquorum nicht. Dabei handelt es sich um das sogenannte unechte Scheitern.

Das Bundesland mit der höchsten Quote ist – sieht man von Bremerhaven ab, das nur einen Fall aufweist – Nordrhein-Westfalen mit über 50 %, nämlich 69 von 136 Fällen. 2007 erreichte diese Quote sogar den Rekordwert von 81 %; 13 der 16 Bürgerentscheide scheiterten am Quorum und waren ungültig.

Die sehr hohe Quote in NRW erklärt sich dadurch, dass es in Nordrhein-Westfalen besonders viele größere Gemeinden und Städte gibt und die Abstimmungsbeteiligung mit zunehmender Gemeindegröße in der Tendenz sinkt.

Zu beachten ist, dass das Unterschriftenquorum in NRW bei der Reform nach bayerischem Vorbild nach Gemeindegröße gestaffelt 3 bis 10 % beträgt, während das Zustimmungsquorum nicht wie in Bayern gestaffelt wurde, sondern durchgängig bei unrealistischen 20 % liegt.

Hieraus resultiert, dass die Initiatoren eines Bürgerbegehrens, also die Ja-Seite, in höherem Maße von einem Abstimmungsquorum betroffen sind als die Opponenten, die in der Regel von der Gemeinderatsmehrheit und dem Bürgermeister vertreten werden. Während die Ja-Seite einer Fragestellung zwei Erfolgsbedingungen, nämlich Mehrheit der Abstimmenden und Erreichen des Abstimmungsquorums, erfüllen muss, kann sich die Nein-Seite darauf konzentrieren, dass die Ja-Seite das Abstimmungsquorum nicht erreicht. Hierbei handelt es sich nicht um ein bürgerfreundliches Verfahren. Das kann man wohl feststellen.

Besonders fraglich erscheint das geforderte Abstimmungsquorum vor dem Hintergrund der Oberbürgermeisterwahl. Die Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister, Landrätinnen und Landräte werden von den Bürgerinnen und Bürgern in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl auf die Dauer von sechs Jahren nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl gewählt. Hierbei

genügt die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das haben Sie mit Ihrer Mehrheit im Landtag beschlossen. Es gibt weder ein Beteiligungs- noch ein Zustimmungsquorum.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Interessen der Bürger an unnötigen Quoren scheitern, während ein Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin bereits durch die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewählt wird.

Deshalb stelle ich den Antrag, dass das Abstimmungsquorum bei Bürgerentscheiden wegfällt, womit ein Bürgerentscheid erfolgreich im Sinne des Begehrens ist, wenn die Mehrheit der Abstimmenden im Sinne der Formulierung positiv entscheidet.

Wenn Sie die Änderungen ernst nehmen, die Sie im Landtag mit Ihrer Mehrheit beschlossen haben, müssten Sie diesem bürgerfreundlichen Verfahren zustimmen. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Mehrheitsfraktionen zu diesem Antrag verhalten werden. Das wird sehr spannend. Ich hoffe, dass wir uns nicht demnächst vor Gericht wiedersehen.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Ja, ja!)

Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Preuß.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer, wie in der letzten Plenardebatte geschehen, im Zusammenhang mit der Festlegung des Kommunalwahltermins davon redet und mehrfach wiederholt, dass das Geld der Bürger für die Kommunalwahl aus dem Fenster geworfen werde,

(Minister Armin Laschet: So ist es!)

wer andererseits durch die Abschaffung des Zustimmungsquorums mehr Bürgerentscheide will, gleichzeitig aber die gewählten Vertreter des Rates als Opponenten bezeichnet und den Rat so in Opposition zu den Bürgerinnen und Bürgern setzt, zeigt, dass es ihm nicht um mehr, sondern um weniger Demokratie und um weniger repräsentative Entscheidungsprozesse geht.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Wir werden der Abschaffung des Zustimmungsquorums bei Bürgerentscheiden keinesfalls zustimmen. Für uns steht die repräsentative parlamentarische Demokratie, die im Grundgesetz und in der Landesverfassung verankert ist, durch Gesetze ausgestaltet wurde und selbstverständlich auch in den Kommunen gilt, nicht im Geringsten zur Disposition.

Die Abschaffung des Quorums bei Bürgerentscheiden führt in der Konsequenz zur Aushöhlung des verfassungsgeschützten repräsentativen Gedankens.

(Beifall von der CDU)

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide fördern die Willensbildung innerhalb der kommunalen Selbstverwaltung. Sie ergänzen das repräsentative demokratische System, ersetzen es aber nicht. Sie schaffen in wichtigen Einzelfragen eine höhere Legitimation und Akzeptanz der Entscheidung durch die Bürgerinnen und Bürger.

Die Abschaffung des Quorums führt im Gegenteil zu einer schwächeren Legitimation und zu einer geringeren Akzeptanz der Entscheidungen, weil sie das Mehrheitsprinzip – bezogen auf die gesamtstädtische Bedeutung der Einzelfrage – außer Kraft setzt. Der Wähler wählt seinen Rat und setzt dabei Vertrauen in die auf die Wahlperiode begrenzte Mehrheit des Rates, in allen ihn betreffenden Fragen die richtige Entscheidung zu treffen.

Wer aus welchen Gründen auch immer nicht wählt, trifft auch eine Entscheidung, die sich natürlich auf die Zusammensetzung des Rates auswirkt. Das mag man bedauern, jedoch wissen wir nicht, warum sich jemand nicht an der Wahl beteiligt. Wir können nur ein demokratisches Verfahren wählen, das eine höchstmögliche demokratische Legitimation gewährleistet. Das ist der Bürgerentscheid jedenfalls dann nicht, wenn es kein Quorum gibt.

Einzelne wichtige Sachfragen sollen der Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger nicht entzogen werden. Wer sich am Bürgerentscheid beteiligt, hat ein Interesse an der Sachfrage, das mitunter unabhängig davon ist, welcher Partei er bei der Wahl sein Vertrauen geschenkt hat.

Wer sich nicht beteiligt, hat entweder kein Interesse an der Sachfrage oder beteiligt sich nicht, weil er damit sein Nein zum Ausdruck bringen will; jedenfalls stimmt er nicht zu. Das stellt aber in keinem Fall seine Wahl infrage. Die bewusste Nichtteilnahme an einer Abstimmung ist somit auch Ausdruck des Vertrauens in die Entscheidungskompetenz des Rates.

Das Entscheidungsquorum ist ein Mindeststandard der demokratischen Legitimation. Diesen Mindeststandard wollen wir nicht abschaffen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Körfges das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt mit dem verehrten Kollegen, der vor mir gesprochen hat, nicht über die Frage eines Einleitungs- und Zustimmungsquorums und die genaue Differenzierung rechten, weil es da sicherlich Unterschiede gibt.

Ich glaube, dass das Zustimmungsquorum, über das wir hier reden, die Anzahl von Bürgerbegehren, die vor Ort gestellt werden, sicherlich nicht verhindert, weil die Zulässigkeit mit den Unterschriften wohl nicht gemeint ist. Das hat der Kollege sicher auch so verstanden.