Protocol of the Session on February 12, 2009

Bitte schön, Herr Kollege Witzel.

Herr Kollege, wäre es richtig – der rot-grünen Logik folgend –, die Fächer Englisch, Spanisch, Latein in der Schule abzuschaffen und durch ein Fach „Fremdsprachen“ zu ersetzen?

Ja, nach der rot-grünen Logik wäre das richtig,

(Zuruf von der SPD: Nein!)

denn es handelt sich dabei ja um Sprache, die nicht Deutsch ist. Insofern würde das passen. Das wäre nach der rot-grünen Logik eine schöne Sensibilität für Sprachwissenschaft insgesamt.

(Carina Gödecke [SPD]: Quatsch! – Zurufe von den GRÜNEN)

Wir haben, um den Fachkräftemangel zu reduzieren, die Oberstufe neu geregelt. Dort wird jetzt ein zivilisatorisches Rüstzeug für all diejenigen angeboten, die ein Hochschulstudium aufnehmen wollen.

Nicht zuletzt will ich im Bereich Schule/Hochschule auf die ZdI-Initiative hinweisen. Frau Dr. Seidl hat nach Bayern geschaut, was es da alles an kleinen, freundlichen Projekten gibt, aber unsere erfolgreiche ZdI-Initiative würdigt sie mit keinem Satz. Dabei haben wir damit die Möglichkeit geschaffen, dass Unternehmen, Hochschulen und Schulen in Clustern zusammenarbeiten. Wir haben heute Morgen darüber gesprochen, dass aus dem Konjunkturpaket II 4 Millionen € für die Einrichtung von Schülerlaboren bereitgestellt werden.

(Beifall von FDP und Dr. Michael Brinkmeier [CDU])

All das würdigen Sie nicht! Da vergehen gerade einmal – ich schaue auf die Uhr – sechs Stunden, und Sie haben das, was wir heute Morgen diskutiert

haben, schon vergessen oder Sie arbeiten sich nur an Ihren vorgeschriebenen Redezetteln ab.

Mein zweiter Punkt, über den ich sprechen will, ist der Bereich Hochschule. Das war bemerkenswert: Da spricht Frau Dr. Seidl davon, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen gerade im Bereich der MINTFächer solch hohe Abbrecherquoten hätten. Das stimmt. Die Schwundquote unter Rot-Grün – sie geht jetzt etwas zurück – betrug 30 %. Aber warum denn? Weil die Betreuungsquoten nicht gestimmt haben, weil zu wenige Professoren für zu viele Studenten da waren! Das war doch der Grund! Wir waren im Vergleich der Bundesländer doch ganz hinten bei der Betreuungsrelation, wir hatten doch zu wenig Dozenten! Wir haben das dadurch lösen können, dass wir Studienbeiträge eingeführt haben; denn Studienbeiträge sind rechtlich Drittmittel. Lernen Sie das bitte!

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Drittmittel werden auf die Zahl der Studierenden nicht angerechnet. Frau Steffens, es ist so, erkennen Sie die Realität! Staatliche Mittel, die man an die Hochschule gibt, werden nach Kapazitätsrecht auf die Betreuungsrelation angerechnet. Es werden also mehr Studienplätze geschaffen. Nur wenn man rechtliche Drittmittel wie die Studienbeiträge ins Hochschulwesen gibt, kann man die Betreuungsrelation verbessern. Das ist die Realität. Das ist Kapazitätsrecht des Bundes. Wir können es hier im Land nicht verändern. Erkennen Sie das!

Wer also etwas bei der Abbrecherquote tun will, der muss die Betreuungsrelation verbessern. Und das geht realistischerweise aufgrund von bundesgesetzlichen Vorgaben, die für uns indisponibel sind, nur über diesen Weg.

Im Übrigen haben wir eine leistungsorientierte Mittelvergabe eingeführt. Unsere Hochschulen werden auch anhand ihrer Leistung finanziert. Was ist da ein Kriterium? Natürlich die Reduktion der Abbrecherquote, sprich: die Absolventenquote. Das ist neu! Während Sie sich bei Ihren Vorschlägen immer nur auf die Studienanfängerzahlen konzentrieren, haben wir doch durch dieses Instrument gerade erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Hochschulen noch stärker ein Eigeninteresse daran entwickeln, Studierende auch zum Erfolg, zum Abschluss zu bringen. Aber Studienabschlüsse stehen bei den Grünen und der grünen Landtagsfraktion nicht immer so ganz im Vordergrund.

(Beifall von der FDP)

Wir haben uns, was die Sozialverträglichkeit von Studienbeiträgen angeht, nichts vorzuwerfen. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass diejenigen, die aus einkommensschwachen Elternhäusern kommen, in der Regel überhaupt keine Studienbeiträge zahlen; denn die Studienbeiträge der BAföG-Empfänger werden übernommen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Wir haben ein sozialverträgliches Modell.

Das heißt, wer BAföG-Bezieher ist, der zahlt keine Studienbeiträge. Zumindest ist die Summe aus BAföG-Darlehen und Studienbeitragsdarlehen nicht höher als das, was die frühere rot-grüne Bundesregierung als sozialverträglich erachtet hat. Die Summe ist nicht höher als das, was Sie als rot-grüne Bundesregierung seinerzeit vorgesehen haben. Es ist also keine Verschlechterung zu beklagen.

Ein letzter Punkt! Wenn wir über Fachkräfte- und Facharbeitermangel sprechen, muss man auch einmal sagen: Es gehört in einer Volkswirtschaft dazu, dass man durch geeignete Rahmenbedingungen die Fachkräfte an die Stelle führt, wo sie den volkswirtschaftlich höchsten Nutzen erzielen können. Zumindest darf man das nicht durch Subventionen so verzerren, dass qualifizierte Menschen in Bereichen arbeiten, die wegen der staatlichen Subventionen für die Volkswirtschaft insgesamt nicht zukunftsweisend sind.

Da muss ich Ihnen sagen: Die größte Bremse für einen vernünftigen Einsatz von Fachkräften in unserer Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen, zum Beispiel im Handwerk und im Mittelstand, ist der subventionierte Steinkohlebergbau. Im Steinkohlebergbau haben wir hochqualifizierte Kräfte, die unter Tage arbeiten. Das Durchschnittsalter liegt bei Anfang 40. Hochqualifizierte, junge Kräfte, die wir mit vielen 10.000 € im Jahr subventionieren und die an anderer Stelle im Ruhrgebiet im Mittelstand fehlen! Die werden in einer Industrie tätig, die wir mit staatlichen Mitteln, mit dem Geld der Steuerzahler künstlich beatmen müssen, weil diese Industrie nicht im Weltmarkt wettbewerbsfähig ist! Die Kräfte fehlen uns an anderer Stelle, wo wir Weltmarktchancen annehmen könnten! Auch das gehört zu Ihrer Schadensbilanz! – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Pinkwart.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon interessant, dass die Opposition offensichtlich ein großes Vergnügen daran gefunden hat, ihre frühere Regierungsmitverantwortungszeit grundlegend kritisch reflektieren zu dürfen.

(Beifall von der CDU)

Das zeigt auch der Faktencheck. Es ist doch bemerkenswert: Sie beklagen allen Ernstes einen Ingenieurmangel in Nordrhein-Westfalen und haben ihn selbst verursacht!

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist Faktenlage! Ich will Ihnen das mit Zahlen belegen. Wenn Sie davon ausgehen, dass innerhalb der Regelstudienzeit, vielleicht noch mit einem Zuschlag von ein oder zwei Semestern, studiert wird, kommen Sie für ein ingenieurwissenschaftliches Studium auf etwa fünf Jahre. Sie können noch ein halbes Jahr draufschlagen oder abziehen. Im Jahre 2001/2002 hatten wir in Nordrhein-Westfalen 73.000 Ingenieurstudierende. Das sind die, die 2007/2008 ihren Abschluss gemacht haben und nun auf den Arbeitsmarkt kommen. 2001/2002 waren es also 73.000. Wissen Sie von den Grünen oder von der SPD, wie viele Ingenieurstudierende wir Anfang der 90er-Jahre in Nordrhein-Westfalen hatten? Damals gab es nicht 73.000, sondern 110.000 Ingenieurstudierende. Fragen Sie sich doch mal, warum die Zahl während Ihrer Regierungsverantwortung um fast 40.000 heruntergegangen ist. Wäre sie nicht gesunken, hätten wir heute keinen Ingenieurmangel, sondern genügend Bewerberinnen und Bewerber.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie beklagen also Ihre eigenen Versäumnisse.

Im Übrigen ist im Wintersemester 2006/2007 die Zahl der Ingenieurstudierenden wieder höher als zu Ihrer Regierungsverantwortungszeit. Bei Mathematik und den Naturwissenschaften haben wir im Wintersemester 2006/2007 mit 83.000 Studierenden eine insgesamt viel höhere Zahl als Ende der 90erJahre und Anfang der 90er-Jahre.

Das heißt, Sie haben über all die Zeit gerade diese Fächer vernachlässigt. Jetzt, mit der neuen Regierung, werden diese Fächer wieder ernst genommen. Es wird etwas dafür getan – in der Sache selbst, aber auch durch die politischen Rahmenbedingungen: indem wir Naturwissenschaft und Technik und Ingenieurwesen ernst nehmen und die Fächer anerkennen. Dazu gehört auch eine Kultur für diese Fächer, die Sie haben vermissen lassen.

Sie haben aber auch konkretes Entscheidungshandeln vermissen lassen. Es war Ihre rot-grüne Regierung, die mit dem Hochschulkonzept 2010 die Anzahl der Studienplätze in den sogenannten MINTFächer zurückgeführt hat. Das heißt, Sie haben sogar aktiv daran mitgewirkt, dass wir keine hinreichende Ausstattung hatten.

Wie sehen bei uns die Zahlen aus? Die Studienanfängerzahlen in Nordrhein-Westfalen steigen um 7 %, wie das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik vermeldet hat, und sind damit auf dem höchsten Stand, den wir jemals in einem Wintersemester hatten. Dabei betragen die Steigerungen zum Beispiel im Maschinenbau mehr als 20 % und in der Elektrotechnik mehr als 9 %. All das ist Faktencheck.

Ebenso steigen die Absolventenzahlen. Noch nie, seit die amtliche Statistik Absolventenzahlen ausweist, haben so viele Studierende ihr Studium an

einer Hochschule des Landes erfolgreich abgeschlossen wie im Studienjahr 2007, meine Damen und Herren. Das zeigt doch, dass wir, was die Attraktivität und den Erfolg des Studiums anbetrifft, bereits eine Wende haben einläuten können.

Und wir wollen noch mehr. Dafür gibt es einen klaren Masterplan, den Sie hier zwar noch einfordern, den wir aber längst auf den Weg gebracht und Ihnen auch im Ausschuss wiederholt vorgetragen haben. Dazu gehört zum einen der Hochschulpakt, der einen Schwerpunkt auf die MINT-Fächer und auch auf den Fachhochschulausbau legt. Dazu finde ich die beiden Beiträge von Frau Boos und Frau Seidl schon bemerkenswert. Sie waren es doch, die im Landtag und im Fachausschuss gefragt haben: Warum bauen Sie noch neue Fachhochschulen? Lassen Sie es doch einfach dabei, die vorhandenen ein bisschen zu erweitern. – Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren. Indem wir die weißen Flecken in Nordrhein-Westfalen beseitigen

(Beifall von CDU und FDP)

und die Fachhochschullandschaft auch im ländlichen Raum, wo der Mittelstand auf Ingenieure angewiesen ist, erweitern, schließen wir doch erst die Ingenieurlücke.

Zum Thema „Soziale Gerechtigkeit“ und zu der Frage „Chancen für junge Leute“: Sie waren es doch, die den Zugangsweg für die Fachhochschulzugangsberechtigten in den letzten Jahren verengt haben, als Sie noch Regierungsverantwortung getragen haben, indem Sie die Gesamthochschulen in Universitäten umgewandelt und damit Tausenden von Fachhochschulzugangsberechtigten den Zugang genommen haben. Wir schaffen jetzt endlich Zugang, indem wir die Fachhochschulen ausbauen; Sie wissen das doch. Damit schaffen wir gerade für die jungen Menschen mit nichtakademischem Familienhintergrund endlich die Startbedingungen, die sie brauchen, um ihre Potenziale tatsächlich zum Einsatz zu bringen.

Zum Stichwort „Duale Studiengänge“ ist bemerkenswert: Wer fördert denn die dualen Studiengänge? Es ist doch diese Landesregierung, die die dualen Studiengänge überhaupt erst in den Mittelpunkt ihres Handelns gerückt hat, indem sie beim Fachhochschulausbau den Schwerpunkt auf die dualen Studiengänge gelegt und damit eine ganz hervorragende Aufnahme in der Wirtschaft unseres Landes, vor allen Dingen beim Mittelstand, gefunden hat, der sich ganz intensiv an dualen Studiengängen beteiligt.

Dazu gehört die ZdI-Initiative. Mich wundert bei den Oppositionspolitikern Folgendes: Wenn wir diese Initiative in den Regionen mit den Kommunen unternehmen, in Schulen und Hochschulen miteinander besprechen – da gibt es auch Kommunalpolitiker, die für Ihre Parteien Verantwortung tragen –,

habe ich bisher stets nur Positives gehört, ob in Bochum oder an anderen Standorten. Das heißt, diese Initiative scheint dort, wo die Menschen sich konkret mit ihr auseinandersetzen, offensichtlich genau die Früchte zu tragen, die wir uns von ihr erhoffen.

Zum Thema „Übergang Schule/Hochschule“, das wir mit der ZdI-Initiative, mit MINT und anderen Initiativen, die von Frau Kollegin Sommer durchgeführt werden, in den Blick nehmen: Hier muss man noch einmal in Erinnerung rufen, dass es diese Landesregierung ist, die erstmalig mit der Bundesagentur darüber redet, wie wir eine aufeinander abgestimmte Berufs- und Studienberatung organisiert bekommen. Als ich ins Amt kam, hatte ich unterstellt, es gäbe eine gemeinsame Strategie zwischen Bundesagentur, Landesregierung und den Schulen und Hochschulen, um eine miteinander verbundene Studien- und Berufsberatung durchzuführen. Ich hatte einfach unterstellt, dass es das schon gäbe. Dann habe ich feststellen müssen: Darüber ist nie gesprochen worden. – Wir als Landesregierung sind auf die Beteiligten zugegangen, um erstmalig in Nordrhein-Westfalen für diese Übergänge Sorge zu tragen. Dazu können wir also nur sagen: Es ist leider noch viel zu tun, das stimmt, aber wir haben überhaupt erst Maßnahmen ergriffen.

Auch das Thema BAföG haben wir wiederholt diskutiert. Diese Landesregierung hat sich gegen langes Zögern des Bundesfinanzministers Steinbrück dafür eingesetzt, zu einer Verbesserung für die jungen Menschen zu kommen. Sie ist Gott sei Dank erreicht worden und spiegelt sich in einer deutlichen Anhebung des Budgetrahmens im Haushalt 2009 wider.

Darüber hinaus wäre ich Ihnen dankbar für Ihre Unterstützung dort, wo Sie Verantwortung tragen – das betrifft sowohl die Grünen in Bremen und Hamburg als auch die SPD in anderen Bundesländern –, endlich den Widerstand gegen ein ergänzendes Stipendiensystem in Deutschland aufzugeben. Es sind nämlich die von Ihnen mitverantworteten Bundesländer, die bislang innerhalb der GWK systematisch behindern, dass wir neben dem BAföG ein leistungsorientiertes und einkommensunabhängiges Stipendienwesen für all jene Studierenden in diesem Land bekommen – und zwar sowohl für BAföG-Studierende als auch für Nicht-BAföG-Studierende –, die begabt sind und entsprechende Leistungen erbracht haben. Hier warten wir immer noch auf Zustimmung aus Ihren politischen Reihen. Leider liegt sie bis heute nicht vor.

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu den Studienbeiträgen sagen – die werden von Ihnen ja immer wieder gern thematisiert, auch in anderen Anträgen, die wir heute beraten –: Ich kann verstehen, dass Sie das ärgert, aber es ist eben so – ich kann Ihnen auch nicht ersparen, das erneut vorzu

tragen –, dass Nordrhein-Westfalen das mit Abstand sozialverträglichste Studienbeitragsmodell in ganz Deutschland hat.

(Beifall von der CDU)

Das wird uns nicht nur von Gutachtern, auch von externen Gutachtern, bestätigt, sondern das belegen auch die Zahlen.