Protocol of the Session on January 29, 2009

der sich immer häufiger auch körperlich zeigt. Zeit für entspannte Stunden, Spielen oder Hobbys bleibt kaum noch. Ich frage mich auch, wie Kinder dieses Lernpensum ohne Unterstützung vonseiten der Eltern schaffen können. Also ein System, das nur für eine kleine, begrenzte Gesellschaftsgruppe gemacht ist.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Das ist Ihre Schulpolitik. Sie schließen ganz offensichtlich Kinder aus bestimmten Bildungsangeboten aus, wenn Sie noch nicht einmal garantieren können, dass sie über den ganzen Tag versorgt sind. Sie haben den Kommunen, den Schulen den unausgestatteten Ganztag ohne Konzept, ohne Plan, ohne Lehrplanvorbereitung einfach vor die Tür geworfen. Das liegt in Ihrer Verantwortung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Heute kommen langsam die Schulbücher hinterher. Nur, die Schulen können sie aus ihrem eingeschränkten Etat leider nicht bezahlen. Es ist ein Ding, dass Sie bei der Zwangsveranstaltung durch die Schulzeitverkürzung, durch die Sie den Unterricht für die Kinder in den Nachmittag hineinverlegen, noch nicht einmal sicherstellen, dass die Kinder aus armen Familien am Landesfonds partizipieren können. Das ist die Spitze der Ungerechtigkeit. Damit verschlechtern sich noch einmal die Lernchancen gerade dieser Kinder auf dem Gymnasium. Ich habe gedacht, Sie wollten gerade für die Kinder aus armen Familien mehr Bildungszugang, den Zugang zu höherwertigen Abschlüssen garantieren.

Ich will noch einmal die Schwierigkeiten beim Landesfonds ins Gedächtnis rufen: Dieser Landesfonds – das sage ich ganz deutlich – ist mit zu wenig Geld ausgestattet.

(Ralf Witzel [FDP]: Aber Sie haben doch gar nichts gegeben!)

Es muss viel zu viel für den bürokratischen Überbau aufgewendet werden. Bis zu ein Drittel der Gelder geht in die Verwaltung, bevor es in den Schulen ankommt. Es erreicht nicht den vollen Umfang – weder für die, die insgesamt berechtigt sind, noch für diejenigen, die im faktischen Ganztag sind und dieses Unterstützungsangebot brauchen.

Wenn die Kommunen den Ganztagsausbau nicht so offensiv unterstützen würden, ständen die Schulen gänzlich im Regen. Das ist nicht der Landesregierung zu danken, sondern den Kommunen, die das sehr offensiv angehen, weil sie wissen, was Bildung vor Ort wert ist und dass gute Schulen in den Kommunen gemacht werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist reichlich zynisch, Herr Witzel, wenn Sie hier sagen: Das ist die Aufgabe des Schulträgers.

(Ralf Witzel [FDP]: Ja, natürlich!)

Sie haben das doch verursacht. Sie haben ihnen die Schulzeitverkürzung vor die Tür gekippt. Es war nichts vorbereitet, Schulen und Schulträger müssen damit fertig werden.

(Christian Lindner [FDP]: Aber Sie konnten die Schulzeit doch auch verkürzen!)

Die Schulzeitverkürzung, Herr Lindner – das haben Sie auch ausgeblendet –, war bei uns optional in der Sekundarstufe II vorgesehen und nicht als Zwangsveranstaltung für die Schulen, die nicht darauf vorbereitet sind, in der Sekundarstufe I gedacht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das werden wir Ihnen immer wieder vorhalten; aus der Falle kommen Sie nicht heraus.

Ich darf aus der Vorlage der Stadt Neuss für die Sitzung des Schulausschusses am 4. Februar zitieren, dort heißt es:

Die Stadt Neuss hat seinerzeit die notwendigen Anträge fristgerecht bei der Bezirksregierung eingereicht. Bis heute ist jedoch ein entsprechender Bewilligungsbescheid trotz mehrfacher Nachfragen nicht erfolgt.

Es geht in dieser Vorlage um den Ausbau von Ganztagsgymnasien.

Aufgrund telefonischer Auskünfte der Bezirksregierung und des Schulministeriums ist damit zu rechnen, dass voraussichtlich bis Ende Januar 2009 die notwendigen Genehmigungen vorliegen. Dies trifft für eine Vielzahl der nordrheinwestfälischen Kommunen zu, die ebenfalls wie die Stadt Neuss Anträge gestellt haben. Aufgrund dieser Verzögerung im Zuschussverfahren kann der Fertigstellungstermin zum Schuljahresbeginn 2009/2010 nicht gehalten werden.

Das heißt, Sie bekommen noch nicht einmal die Schulen rechtzeitig an den Start, die Sie mit Ihrer verspäteten Initiative unterstützen wollen. Das ist insgesamt handwerklich daneben, nicht vernünftig gemacht, und die Kinder aus armen Familien partizipieren nicht so, wie sie es eigentlich brauchen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Beer. – Jetzt spricht der Abgeordnete Sagel. Bitte schön.

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Herr Witzel, es ist immer wieder erstaunlich, was Sie von sich geben. Wenn Sie von der Anpassung von Regelsätzen reden, dann ist das nur ein Klingeln im Walde.

(Ralf Witzel [FDP]: Bundesratsinitiative!)

Sie wissen ganz genau, dass die Regelsätze nicht entsprechend angepasst werden.

(Christian Lindner [FDP]: Das fordern wir doch!)

Nein. Sie können ja fordern, was Sie wollen. Tun Sie doch einfach etwas Konkretes! Sie haben doch die Möglichkeiten.

(Ralf Witzel [FDP]: Bundesratsinitiative! Das ist doch eine Bundesleistung!)

Sie haben Milliarden für die WestLB, aber nicht das Geld, um die Kinder mit einem warmen Essen zu verpflegen. Viele Kinder kommen schon hungrig in die Schule und gehen dann auch wieder hungrig nach Hause. Dafür könnten Sie doch real etwas tun.

Wenn Sie das Essen nicht kostenlos ausgeben wollen, dann könnten Sie es prima finanzieren: eine Millionärsteuer, eine höhere Erbschaftsteuer – all diese Dinge sind machbar.

(Ralf Witzel [FDP]: Eine Brillen- und Bartsteu- er können wir auch noch erheben!)

Dann könnten Sie allen Kindern ein kostenloses Essen zukommen lassen. Das ist alles kein Thema, alles ist machbar.

Eins ist ganz klar: Die Regelsätze zwischen 2,57 € und 3,43 € reichen nicht aus. Das ist das, was im Rahmen von Hartz IV gezahlt wird; das ist die reale Situation.

Ein Mittagessen, das 1, 2 oder 3 € kostet, ist nicht bezahlbar. Das ist die Realität. Von daher brauchen wir ein kostenloses Essen. Es muss ein gesundes und ausgewogenes Essen sein. Das alles macht Sinn, denn Sie reden ja immer davon, dass Kinder eine vernünftige Bildung haben sollen. Wer mit hungrigem Magen in der Schule sitzt, wird sie nicht bekommen. Das Geld, das Sie bisher zur Verfügung gestellt haben, reicht vorne und hinten nicht.

Abschließen möchte ich mit einer Anregung: Nicht jede Schule braucht eine Mensa. Manche Elternpflegschaften sprechen sich gegen eine Mensa aus. Das macht auch manchmal Sinn, je nachdem, wie die Schule aussieht. Das muss man sich in jedem Einzelfall ansehen. Ich habe mir bereits einige Schulen angesehen, zum Beispiel in Münster. Hierüber kann man sicherlich nachdenken.

Aber eines steht fest: Die Kinder brauchen ein kostenloses Essen und eigentlich auch ein kostenloses Frühstück. Das muss gemacht werden. Leider tun Sie es nicht.

Danke schön, Herr Sagel. – Herr Minister Laumann spricht jetzt für die Landesregierung. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Sozialbericht Nordrhein-Westfalen von 2007 hat deutlich gemacht,

dass die Kinder- und Jugendarmut in den letzten Jahren auch in unserem Land zugenommen hat und dass jedes vierte Kind 2005 in einem einkommensschwachen Haushalt lebte. Das sind rund 815.000 Kinder.

Unstreitig ist, dass geringes Einkommen, mangelnde finanzielle Sicherheit und fehlende Perspektiven die sozialen Teilhabemöglichkeiten der Kinder massiv einschränken und dass es dadurch Probleme in der Schule, im Wohnumfeld und bei der Freizeitgestaltung gibt.

Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung klare Schwerpunkte bei der Förderung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Haushalten gesetzt, beispielsweise durch eine bessere Förderung in der Schule unter anderem durch mehr Ganztagsangebote, den Ausbau der Betreuungsplätze und der Sprachförderung, die Verbesserung der Früherkennung, den Ausbau sozialer Frühwarnsysteme und einen intensiveren Kinderschutz. Alle diese Maßnahmen gab es im Jahre 2005 noch nicht.

Zudem begleitet die Landesregierung die Entwicklung zunehmenden Nachmittagsunterrichts und zunehmender Ganztagsangebote mit dem 1.000Schulen-Programm. Für den Ausbau von Mensen und Aufenthaltsräumen stellt die Landesregierung bis 2010 zusätzlich 100 Millionen € zur Verfügung.

Außerdem hat die Landesregierung im April letzten Jahres einen runden Tisch „Hilfe für Kinder in Not“ beschlossen, an dem alle Ministerien mitarbeiten. Mit diesem runden Tisch will die Landesregierung versuchen, vor allem den Kindern, die in einkommensschwachen Familien aufwachsen, neue Perspektiven zu schaffen. Ein erster Zwischenbericht wird in den nächsten Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt.

Schließlich hat die Landesregierung 2007 den Landesfonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ ins Leben gerufen. Dieser Fonds, der mit Beginn des Jahres vom Schulministerium auf mein Haus übertragen wurde, ist ein Instrument der Landesregierung zur Bekämpfung der Kinderarmut.

Dass dieses Problem nichts von seiner Brisanz und Wichtigkeit eingebüßt hat, zeigt ein aktueller Bericht zur Kinder- und Jugendarmut in NordrheinWestfalen. Dieser Bericht, der von meinem Haus in Fortsetzung der Sozialberichterstattung in Auftrag gegeben wurde, wird in Kürze veröffentlicht. Er macht deutlich: Zwar ist infolge des demografischen Wandels die Zahl der Kinder aus einkommensschwachen Familien in absoluten Zahlen gesunken, aber noch immer liegt die Armutsquote bei rund 24 %. Das heißt, damit tragen die Minderjährigen nach wie vor ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko.

Dies alles zeigt, dass wir bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung nicht nachlassen

dürfen. Aktuell nehmen den Landesfonds rund 70.000 Kinder in Anspruch; im Schuljahr 2007/2008 waren es rund 63.000 Kinder. Auch die Zahl der Schulen, die den Landesfonds nutzen, hat sich erhöht. Während es im Schuljahr 2007/2008 ca. 3.050 waren, sind es aktuell rund 300 Schulen mehr.

Der Fonds ist, wie Sie wissen, zeitlich bis zum 31. Juli befristet, da die ursprüngliche Zielvorstellung war, dass es dann eine bundesrechtliche Lösung geben sollte. Noch in diesem Quartal ist eine Auswertung der Umsetzung des Programms vorgesehen. In diesem Zusammenhang ist über die Weiterführung des Programms zu entscheiden.

Wir müssen Antworten geben, ob Änderungen beim Landesfonds nach den aktuellen bundespolitischen Entwicklungen, zum Beispiel der Regelsatzerhöhung für die 6- bis 13-Jährigen im Rahmen des Konjunkturpaktes II, notwendig sind. Dabei ist Folgendes zu bedenken: Jugendliche ab Vollendung des 14. Lebensjahres sind von der geplanten Regelsatzerhöhung nicht erfasst. Auch nicht erfasst sind die Bezieher von Kindergeldzuschlag und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.