Der dritte wichtige Punkt ist die Fortbildung der Fachkräfte. Es gibt zum Beispiel inzwischen die Herner Materialien für Erzieherinnen und Erzieher, aber auch Schulungen der Familienpflegekräfte. Wir haben eine berufsbegleitende Zusatzqualifikation
entwickelt, die sich „zertifizierte Kinderschutzfachkraft“ nennt. Da werden Erzieherinnen und Erzieher sensibilisiert, woran man denn erkennen kann, dass etwas falsch läuft, wie denn welcher blaue Fleck vielleicht zu bewerten ist, wie man reagiert, wenn man mehrfach etwas feststellt, was bei Kindern ist. Man muss lernen, wie man an eine solche Familie herangeht. Insofern ist das eine Maßnahme, die inzwischen bundesweit nachgefragt wird. Diese Qualifikation wollen auch andere Bundesländer aufgreifen und ihrerseits umsetzen.
Die wenigen Beispiele zeigen: Die Landesregierung ist aktiv, damit Nordrhein-Westfalen auch in Zukunft bundesweit Vorreiter im Kinderschutz bleibt. Ich stimme den Antragstellern ausdrücklich zu, dass es sinnvoll ist, unsere Maßnahmen zu evaluieren.
Schon im Mai vergangenen Jahres hat sich die Expertenkommission „Kinderschutz“ mit Vertretern des Kinderschutzes, der kommunalen Spitzenverbände, der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen, der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, der Polizei und der Justiz versammelt, um das Ganze fachlich zu begleiten und auch extern zu überprüfen, ob unsere Maßnahmen wirken. Die Studie „Kinder in Not“, die wir bei einem Forschungsverbund verschiedener nordrhein-westfälischer Institute und Universitäten in Auftrag gegeben haben, wird uns ebenfalls neue Erkenntnisse geben. Es ist gut, wenn das nicht nur die Politik macht, sondern wenn uns auch Wissenschaftler von außen sagen, wo es noch Schwachpunkte gibt, wo wir noch tätig werden müssen.
Das alles dient dem bestmöglichen Schutz, den absoluten Schutz gibt es nicht. Das muss man jedem sagen. Der Staat kann letztlich nicht verhindern, dass Gewalt- oder auch Tötungsdelikte an Kindern stattfinden. Wir können es minimieren, aber nie verhindern.
Ob wir den Weg einschlagen, den die Grünen vorschlagen, da habe ich meine Zweifel. Kinderschutz ist Aufgabe der Jugendämter, die das mit sehr viel Engagement machen. Ich glaube nicht, dass wir Vorgaben des Landes, dass wir ein Kompetenzzentrum Kinderschutz brauchen; der Kollege Kern hat es beschrieben. Wir haben bereits ein Bundeskompetenzzentrum. Man kann auch lauter Kompetenzzentren gründen und damit am Ende weniger Kompetenz haben.
Die Bundesministerin hat das Zentrum in Köln angesiedelt, mit dem das Land und die Kommunen eng zusammenarbeiten. Wir werden im nächsten Jahr ausreichend Gelegenheit haben, darüber zu streiten, wie der Kinderschutz in NordrheinWestfalen noch weiter verbessert werden kann. Dann liegen alle Ergebnisse vor.
Es ist auch richtig, was der Kollege Lindner gesagt hat: Die Gesellschaft selbst muss stärker hinschauen. Das ist am Ende der allerbeste Schutz neben all
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Frau Kollegin Asch, es ist gerade wenige Wochen her, da haben wir die Anhörung zu unserem gemeinsamen Antrag „Kinder schützen – Grundlagen für regelmäßige ärztliche Untersuchungen aller Kinder schaffen“ im Jugendausschuss des Landtags ausgewertet. Auch durch diesen Antrag, wenn wir ihm alle zustimmten, werden wir nicht alle Kinder erreichen und schützen können. Es wird immer wieder, ohne dass es vorher Anzeichen gab, zu Gewalt gegen Kinder kommen, im schlimmsten Fall mit tödlichem Ausgang.
Die Sachverständigen haben uns in der Anhörung gebeten, § 8a SGB VIII erst einmal wirken zu lassen und nicht schon wieder für Veränderungen einzutreten. Die Verordnung zum Heilberufegesetz liegt inzwischen vor. Hier wurde geregelt, dass die Nichtteilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen gemeldet wird. Von den Ärzten wurden wir in der Anhörung zum Kinderschutz gebeten, durch politisches Handeln auf eine Überarbeitung der Richtlinien für die Vorsorgeuntersuchungen hinzuwirken; das können Sie auf Seite 18 des Protokolls zur oben erwähnten Anhörung nachlesen.
Hier böte sich an, die Anregung meiner Kollegin Ingrid Hack aufzugreifen und innerhalb eines gemeinsamen Antrags eine Bundesratsinitiative zur Überarbeitung der Richtlinien für die UUntersuchungen aus dem Jahre 1971 anzustoßen, Krankenkassen zu verpflichten, die von den Kinder- und Jugendärzten überarbeiteten Richtlinien zu übernehmen – sie liegen nämlich schon vor und sind abgelehnt worden – und so Kriterien für ein Erkennen von Kindeswohlgefährdung bei den Vorsorgeuntersuchungen einzubauen. Die Kinderärzte fordern uns auch auf, im Bereich der Primärprävention tätig zu werden.
Gemeinsam schaffen wir das. Schließlich haben wir alle hier im Landtag auch gefordert, eine U7a einzuführen, und dadurch die dreijährigen Kinder in die Untersuchungen einbezogen. Das hat ganz hervorragend funktioniert.
In Ihrem Antrag fordern Sie Mindeststandards für die Besetzung des ASD, die unterstützt werden können, wenn sichergestellt ist, dass dort, wo heute schon mehr getan wird, nicht auf diese Standards zurückgefahren wird.
Wie überall gilt: Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch. Ich meine jetzt nicht, dass Sie, Frau Asch, und Bündnis 90/Die Grünen die Kosten für die zusätzliche Personalausstattung übernehmen sollen. Das wäre zwar mal eine ganz neue Variante, aber die Kommunen dürfen auch nicht wieder diejenigen sein, die ohne adäquate Hilfe des Landes zusätzliche Leistungen erbringen müssen.
Die frühen Hilfen sind in NRW nach den ersten Pilotprojekten der rot-grünen Landesregierung von 2002 beinahe flächendeckend eingeführt. Viele Städte und Kreise haben sich am sogenannten Dormagener Modell orientiert und mit einem Babybegrüßungspaket auf den Weg gemacht.
Auch das Ministerium hat ein Elternbegleitbuch entwickelt. Hier sollen Kommunen die Möglichkeit haben, eigene Seiten beizuheften und auf ihre eigenen Einrichtungen hinzuweisen. Die Seiten des Landes in diesem Buch sind schon in türkischer Sprache zu erhalten. Ich gehe davon aus, Herr Minister, dass wie beim „Dormagener Modell“ geplant ist, die Informationen auch in anderen Fremdsprachen wie zum Beispiel Griechisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch, Italienisch, um nur einige aufzuzählen, anzubieten. Sie sind, wie ich vermute, zurzeit noch in Arbeit.
Die frühen Hilfen mit einem gesetzlichen Anspruch zu versehen, halte ich für verfrüht. Wir sollten die Geduld haben, abzuwarten, wie die Angebote im Land greifen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sozialer Stand und Armut sind Risikofaktoren – Ingrid Hack hat es schon ausgeführt – für Gewalt oder Vernachlässigung von Kindern. Doch es gibt noch eine andere Seite, die vielfach nicht gesehen wird: In der oben erwähnten Anhörung sprach Herr Dr. Fischbach die Wohlstandsverwahrlosung an. Hier mangelt es nicht an Geld und an Möglichkeiten, hier mangelt es an emotionaler Bindung. Wie kommt der ASD an diese Risikofamilien heran? Darauf gibt der Antrag keine Antwort.
Es stellt sich insbesondere dabei die Frage, wie mit dieser Form der Vernachlässigung umzugehen ist.
Zurzeit werden Erzieherinnen zu Kinderschutzfachkräften weitergebildet. Auch hier sollten wir über eine Festlegung von Standards, Richtlinien oder was auch immer nachdenken. Das käme dann auch dem Anspruch von Herrn Lindner nach, früher hinzusehen, hinzuschauen und zu reagieren. Das war schon bei unseren Frühwarnsystemen etabliert.
Es gibt noch viel Diskussionsbedarf. Wir sollten über die im Antrag angesprochenen Punkte sprechen und neue Punkte wie den der Bundesratsinitiative zur Änderung der Richtlinien der UUntersuchungen aufnehmen. Das Thema ist ernst und wichtig. Deshalb müssen wir die Chance für einen gemeinsamen Antrag ergreifen und die Prävention zum Schutz unserer Kinder ausbauen.
Auch ich unterstütze das Anliegen, hundert Prozent aller Kinder in Kitas zu bringen. Aber mit Beitragsfreiheit, so denke ich, hätten wir schon den richtigen Weg gefunden. Darüber sollten wir auch noch einmal nachdenken. – Danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin Meurer. – Jetzt hat Frau Kollegin Asch noch für einen kurzen Beitrag das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer behauptet, es gebe keinen Handlungsbedarf zur Optimierung des Kinderschutzes, der handelt fahrlässig.
Das muss ich hier einmal ganz klar sagen. Ich hoffe die Äußerungen des Kollegen Walter Kern waren nicht so zu verstehen. Die Äußerung des Kollegen Lindner war aber sehr deutlich so zu verstehen.
Wenn die FDP wirtschaftspolitisch dereguliert, ist das schon fahrlässig genug. Wenn sie aber dieselbe Haltung, dass der Staat nämlich nicht einzugreifen hat, wenn was schiefgeht, beim Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft vertritt, ist das wirklich grob fahrlässig und nicht zu akzeptieren.
Die Worte waren deutlich. Herr Lindner hat vollkommen nebulös erklärt – es ist sehr schade, dass er den Saal verlassen hat –
umso besser –, man brauche ein allgemeines Klima der Awareness, der Aufmerksamkeit. Natürlich braucht man solche Appelle auch. Natürlich müssen wir die Gesellschaft, die Nachbarschaften, die Schulen auffordern. Dabei aber stehen zu bleiben, ist verantwortungslos und wird unserer Rolle als Staat, der das Wächteramt für Kinder hat, die gefährdet sind, von Vernachlässigung und Tod bedroht sind, nicht gerecht. Das muss ich hier noch einmal ganz deutlich sagen.
Wir haben einen Auftrag. In Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes steht, dass dann, wenn die Eltern ihrem Auftrag zum Schutz und der Erziehung der Kinder nicht nachkommen, das Wächteramt des Staates greifen muss. Um dieses Wächteramt gut und effizient auszustatten, müssen wir uns alle bemühen. Wir können nicht einfach darauf verweisen, dass die Gesellschaft insgesamt und überhaupt dafür verantwortlich ist. Das ist unsere Verantwortung als Staat, unsere Verantwortung als Land.
Herr Präsident! Ich kenne und schätze Ihre Art, die Debatten zu beschleunigen, will Sie hier auch nicht unverhältnismäßig aufhalten. Gleichwohl veranlasst mich natürlich die Einlassung von Frau Kollegin Asch, noch einmal das Wort zu nehmen:
Ich weiß nicht, ob Sie mich missverstehen wollten oder ob es an meinem Unvermögen lag, mich auszudrücken, Frau Asch. Ich habe eine Ahnung, wie Ihre Motive aussehen. Ich will es dennoch unterstreichen: Selbstverständlich steht auch die FDP zum staatlichen Wächteramt. Das steht im Grundgesetz. Wir haben als koalitionstragende Fraktion mit dafür gesorgt, dass wir überhaupt ein Handlungskonzept für einen besseren Kinderschutz bekommen. Das gab es nämlich unter Rot-Grün nicht.
Sie rufen jetzt nach der Feuerwehr, obwohl Sie selbst während Ihrer Verantwortungszeit nichts getan haben. Das wollen wir in Erinnerung rufen.
Der Unterschied zwischen Ihnen und uns, Frau Asch, besteht darin, dass Sie sich ausschließlich auf staatliche Maßnahmen in einem ganz technokratischen Verständnis orientieren wollen. Demgegenüber machen wir im Unterschied dazu den Staat und die Kommunen im Bereich Kinderschutz handlungsfähig, unterlassen es aber nicht, nachhaltig die Verantwortung der Familien, der Eltern und der Gesellschaft einzufordern. Wir wollen nicht, dass sie ihre Verantwortung preisgeben, sondern sie sollen sie annehmen. Der Staat kommt dann mit ins Spiel, um sein Wächteramt auszufüllen. Das unterscheidet uns von Ihnen.
Wir wollen die Verantwortung der öffentlichen Hand, sind aber nicht bereit, die Familien und die Gesellschaft aus ihrer Verantwortung zu entlassen. – Schönen Dank.
Liebe Andrea Asch, ich bin sehr sicher, hier deutlich gemacht zu haben, dass der Kinderschutzbund eine ganz wesentliche Aufgabe ist. Das habe ich schon mit meinen ersten Sätzen ausgesagt. Ich sage sehr deutlich, dass die Verantwortung, die auf den Menschen liegt, die sich beruflich um den Kinderschutzbund kümmern, enorm ist. Ich habe auch den Druck dargestellt, der auf den ASD-Mitarbeitern liegt.