Protocol of the Session on September 18, 2008

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU Frau Kollegin Westerhorstmann das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zeigt ein weiteres Mal eindrucksvoll, dass gut gemeint nicht zwangsläufig auch gut gemacht ist.

Frau Steffens, wenn Sie gerade sagen, dass wir uns diesen ganzen Expertenanhörungen und Vorschlägen widersetzen, dann sicherlich auch, weil bei all den Maßnahmen, die bis dato auf allen Ebenen ergriffen worden sind, noch keine wirklich nennenswerten Erfolge zu sehen sind. Das muss man einfach feststellen. Wir haben auch weite Bereiche, die durch all die Maßnahmen gar nicht ergriffen werden wollen, sich gar nicht daran beteiligen wollen und letztlich ihre eigenen Wege gehen werden.

Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten, kurz das Prostitutionsgesetz, regelt die rechtliche Stellung von Prostituierten und von Prostitution als Dienstleistung. Das Ziel ist, die rechtliche und soziale Situation von Prostituierten zu verbessern. Da sind wir uns sicherlich einig.

Es gilt seit dem 1. Januar 2002 und hatte gleichzeitig zur Folge, dass das Strafgesetzbuch in § 180 a und auch § 181 a dahin gehend geändert wurde, dass das Schaffen eines angemessenen Arbeitsumfeldes nicht mehr strafbar ist, solange nicht eine Ausbreitung von Prostituierten stattfindet. Seine wichtigsten Ziele, die Prostituierten in eine Sozialversicherung und in geregelte Arbeitsverträge zu bekommen, hat es nicht ausreichend erreicht. Beides wird von den Prostituierten bis heute nur im geringen Maße in Anspruch genommen.

Dies liegt auch daran, dass das Gesetz regional unterschiedlich ausgelegt und umgesetzt wird. Das ist in der Tat sicherlich ärgerlich und auch ein Problem. Der Schlüssel zu den rechtlichen Problemen bei der Umsetzung des Prostitutionsgesetzes liegt nicht auf der Länder-, sondern auf der Bundesebene. Dies ist Ihnen auch bekannt.

Das Bundesministerium hat bereits eine Initiative gestartet, um beispielsweise im Gewerberecht weiterzukommen. Als CDU-Landtagsfraktion unterstützen wir diese Initiative, die auch seitens der Landesregierung vorangetrieben wird, ausdrücklich.

Sehen wir uns doch einmal an, wo die Umsetzung des Gesetzes vor Ort funktioniert. Das ist sicherlich das Dortmunder Modell, wo sich alle an einem runden Tisch wiederfinden. Das ist dort möglich, weil alle Ansprechpartner vor Ort vernetzt sind.

Wie sähe es denn bei einem von Ihnen geforderten runden Tisch auf Landesebene aus? Mit wem würden Sie denn aufseiten der Betreiber sprechen wollen? Ein Präsident oder eine Landesvorsitzende des Arbeitgeberverbandes der Freudenhausbesitzer in Nordrhein-Westfalen ist mir nicht bekannt. Mit wem soll man also konkrete Absprachen treffen, die substanziell zu Lösungen vor Ort führen?

Die Landesregierung hat dies in der Ausschussberatung meiner Meinung nach zu Recht als das Haschen nach dem Show-Effekt bezeichnet. Was wir jedoch brauchen, sind Ergebnisse und keine Show. Ergebnisse mit Substanz werden einzig und allein vor Ort erzielt.

Für Nordrhein-Westfalen gilt es, die vorbildliche Infrastruktur der Beratungsstellen zu nutzen, um diese mittelfristig zum Ziel zu führen.

Auch bei uns laufen Projekte, die dieses als Ziel verfolgen. Aus diesem Grunde ist es meines Erachtens folgerichtig, wenn die Landesregierung die Internetseiten der beiden Ausstiegsprojekte fördert, worin der Dortmunder runde Tisch eingeschlossen ist. Ich erwähne KOBER und auch Madonna.

Ich stelle nochmals fest, dass es eine uneinheitliche Rechtsprechung gibt und wir Ergebnisse der Expertenanhörung vorliegen haben. Ich sage aber ganz deutlich: Runde Tische werden an jeder Straßenecke gefordert. Ich denke, wir müssen auch einmal darüber Rechenschaft darüber ablegen, wofür wir unsere Mittel verwenden. Ich möchte in dem Sinne greifbare Erfolge erzielen können. Deshalb lehnen wir als CDU-Fraktion diesen Antrag ab. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Westerhorstmann. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD für Kollegin Meurer das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Westerhorstmann, dass war wieder einmal ein Beispiel dessen, wie verwirrt man sein kann. Zuerst greifen Sie die runden Tische an und sagen, die Projekte, die hier im Lande gelaufen seien, seien Mist oder Käse oder sonst etwas. Dann stellen Sie sich hin und sagen, der Dortmunder runde Tisch sei doch recht erfolgreich. Aber? – Na ja.

Worum geht es in dem Antrag? Lassen Sie uns wieder auf den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zurückkommen. Um es vorwegzuschicken, Frau Westerhorstmann, das hatten Sie im Ausschuss gesagt: Es geht nicht um Milliardengeschäfte, die mit der Prostitution gemacht werden. Die werden woanders gemacht – in der Illegalität, mit Zwangsprostitution und Päderasten, mit Menschenhändlern, mit Drogen. Hier bei diesem Antrag geht es darum, das älteste Gewerbe der Welt auf einen langen Weg in die Legalität zu begleiten.

Schon lange zahlen Prostituierte Steuern und sollten mit dem Prostitutionsgesetz von 2002 auch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse eingehen können – dies immer auch vor dem Hintergrund, im Krankheitsfalle und im Alter abgesi

chert zu sein und nicht durch das soziale Netz zu fallen.

Es geht darum, den Ausstieg zu organisieren. Es geht um einen runden Tisch auf Landesebene – und das kann gar nicht oft genug betont werden –, an dem die zuständigen Landesministerien Beratungsstellen für Prostituierte in autonomer und kirchlicher Trägerschaft, Gesundheitsämter, Prostituierte, Bordellbetreiberinnen, die LAG Recht/Prostitution, Interessenvertretungen der Prostituierten, Polizei, Ausländerbehörden, Arbeitsagentur, Finanzbehörden und kommunale Spitzenverbände zusammensitzen und beraten, wie eine einheitliche Umsetzung des ProstG auf Landesebene erfolgen kann und wie durch eine intensive Debatte ein kooperatives Handlungskonzept erstellt werden kann.

Das Gesetz auf Bundesebene, bestehend aus drei Paragraphen, soll nunmehr nach der Evaluation aus dem Jahre 2007 endlich auf Landesebene auch mit Leben erfüllt werden. Das soll die Hauptaufgabe des runden Tisches sein.

Im Antrag ist aufgelistet, dass Gewerbe-, Bau-, Ordnungswidrigkeiten-, Arbeits-, Gaststätten- und Strafrecht die notwendigen Anpassungen an das geltende Gesetz noch nicht vollzogen haben. Wir hatten zu dem Antrag eine Anhörung im Frauenausschuss. Alle Expertinnen – alle – waren der Auffassung, dass eine Anpassung an Landesrecht erforderlich ist, dass Konflikte in der konkurrierenden Gesetzgebung von Bund und Land behoben werden müssen und dass der runde Tisch eingerichtet werden solle.

Bei einem Blick in den Haushaltsentwurf 2009 kann der Eindruck entstehen, dass des MGFFI mal wieder weiter ist als die Koalition aus CDU und FDP. Auf Seite 47 im Einzelplan 15 heißt es:

Gefördert werden außerdem zwei Projekte, die die Integration von Prostituierten in den Arbeitsmarkt unterstützen. Aufgrund der gewachsenen überregionalen Bedeutung dieser Projekte sollen verstärkt landesweite Aktivitäten durchgeführt werden.

Ist das vielleicht der heimliche Einstieg in den runden Tisch – natürlich erst, nachdem Sie den zur Abstimmung anstehenden Antrag abgelehnt haben?

Die Expertinnen haben nicht davon gesprochen, dass sich die runden Tische gegen Gewalt auch mit der Thematik Prostitution befassen sollen – das war im Ausschuss von Ihnen so eingebracht worden –; sie haben aber sehr wohl davon gesprochen, dass es schon heute Modelle wie in Dortmund und Hannover gibt, die den bestehenden Handlungsspielraum nutzen. In Dortmund entstand in den vergangenen sechs Jahren seit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes ein runder Tisch aus Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes, Gesundheitsamtes, Kriminalpolizei und Fachberatungsstellen, die im engen Dialog mit Bordellbetreibern und Prostituierten stehen.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Die selbstständige Ausübung der Prostitution wird als Gewerbe behandelt. Prostituierte sind beim Finanzamt gemeldet, besitzen einen Ausweis. Bordelle oder Wohnungen müssen als Betriebe angemeldet werden. Die Stadt informiert in einem Faltblatt über die Bedingungen zur Ausübung der Prostitution, über die Notwendigkeit einer Krankenversicherung, über eine Reisegewerbekarte für Straßenprostituierte, über eine Freizügigkeitsbescheinigung der EU.

Eingangs sprach ich vom ältesten Gewerbe der Welt, das zu jeder Zeit seine Berechtigung hatte und dennoch kein Beruf wie jeder andere ist. Lassen Sie uns gemeinsam den Weg in die Legalität beschreiten, damit die männlichen und weiblichen Prostituierten den Schutz des Staates erhalten, der ihnen gerecht wird, und stimmen Sie genauso wie die SPD dem Antrag und damit der Einrichtung eines runden Tisches auf Landesebene zu!

Frau Steffens, über den runden Tisch, den Sie einrichten, reden wir noch einmal. – Danke.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Meurer. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Pieper-von Heiden.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich halten wir Liberale die Erfolge, die durch die Änderung im Umgang mit der Prostitution in den letzten Jahren eingetreten sind, für sehr erfreulich. Es ist richtig und wichtig, die Prostituierten aus dem gesellschaftlichen Dunkel herauszuholen und ihnen rechtliche Sicherheit zu gewähren. Das Ziel, gegen das wir in diesem Milieu kämpfen sollten, müssen die Zuhälter sein, nicht die Prostituierten.

Der weitere Kampf des Rechtsstaats muss sich in diesem Bereich vor allem auch gegen die Zwangsprostitution richten, die es gibt und die eine besonders furchtbare Form der Menschenrechtsverletzung ist. Wir sollten daher vor einigen Wahrheiten nicht die Augen verschließen, wie man bei der Betrachtung des grünen Antrags bisweilen den Eindruck gewinnt.

Der Glaube, bei Prostituierten handele es sich in der Masse um Frauen, die diesen Job gerne oder auch mal nebenberuflich ausüben, kann man zumindest bezweifeln. Es geht in diesem gesellschaftspolitischen Bereich darum, dass es eine möglichst weit reichende Gleichstellung gibt. Aber wir sollten auch nicht vergessen, dass es sich hierbei um ein problematisches Gewerbe handelt.

Diese Problematik sollten wir uns auch bewusst machen und nicht so tun, als handele es sich um eine völlig problemlose Angelegenheit. So wurde

zum Beispiel in der Anhörung gesagt – dies wurde von den Grünen offenbar unterstützt –, dass eine wichtige Maßnahme des runden Tisches in der Aufhebung von Sperrbezirken liegen solle. Ich halte dies durchaus für problematisch.

Auf der einen Seite ist die Argumentation, dass Stadtrandgebiete für Prostituierte sehr gefährlich sein können, sehr nachvollziehbar. Auf der anderen Seite dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass es auch andere Menschen gibt, die von solchen Maßnahmen, wie Sie sie zumindest teilweise unterstützen, unmittelbar betroffen sind. Ich nenne zum Beispiel viele Eltern, die nachvollziehbar nicht sehr begeistert von der Vorstellung sein dürften, dass es völlig entgrenzte Prostitution innerhalb aller Wohnviertel gibt.

Meine Damen und Herren, solche Fragestellungen als Bestandteil des von Ihnen geforderten runden Tisches sind zumindest diskussionswürdig. Ich meine, dass wir bei solchen Überlegungen dann auch andere Betroffene in unsere politische Meinungsbildung einbeziehen sollten. Sie möchten das Ganze unter Einbeziehung der Prostituiertenverbände, der Kommunalvertreter, verschiedener Behörden und der Polizei vollziehen. Ich glaube aber, dass diese Thematik auch viele andere direkt oder indirekt Betroffene angeht. Dort hilft der von Ihnen geforderte runde Tisch nicht weiter und springt zu kurz.

Meine Damen und Herren, mit den gesetzlichen Änderungen ist die Situation der Prostitution, der rechtliche und soziale Umgang, merklich verbessert worden. Wir Liberalen begrüßen dies. Wir glauben jedoch, dass der sogenannte runde Tisch in diesem Falle nicht sehr zielführend ist, da er den notwendigen Schritten vorauseilt, ohne sich auf das gegenwärtig Notwendige zu konzentrieren.

Es hat sich gezeigt, dass die neuen Möglichkeiten, die durch die Änderungen des Prostitutionsgesetzes eingeführt worden sind, von vielen Prostituierten noch nicht in der erhofften Form angenommen worden sind. Anstatt nun bereits einen weiteren Schritt zu gehen und vielfach neue Regelungen umzusetzen, sollte man sich zunächst darauf konzentrieren, die bisherigen Möglichkeiten auszuschöpfen. Hierbei gilt besonders: Wie sieht es bei den Sozialversicherungen aus? – Ich meine, wir sollten erst versuchen, diese neuen Wege stärker zu nutzen und ins Bewusstsein zu bringen.

Das gilt übrigens auch für die Bevölkerung. Eine Jahrhunderte oder Jahrtausende alte Verfemung kann man nicht mit der Brechstange beseitigen. Man kann mutig voranschreiten und muss dies auch tun. Aber dazu muss man auch die Menschen mitnehmen und kann nicht, wie die Grünen es tun, nur von einer Gruppe aus denken.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das machen wir doch gar nicht!)

Wir begrüßen die neuen Möglichkeiten und halten die Umsetzung für wünschenswert. Wir sehen auch, dass wir uns erst auf den Weg gemacht haben und vieles erst noch erreicht werden muss. Wir denken aber, dass man zunächst die bestehenden Möglichkeiten, wie eben gesagt, ausschöpfen sollte und dazu eben auch die anderen Menschen mitnehmen muss. Dies geschieht in der von Ihnen genannten Variante nicht ausreichend. Deswegen lehnt die FDP-Fraktion diesen Antrag ab.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Pieper-von-Heiden. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Laschet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, dass politische Diskussionen dann besonders schwierig sind, wenn bei einem komplexen Sachverhalt auch noch unterschiedliche Moralvorstellungen aufeinandertreffen. Das ist bei diesem Thema in unterschiedlichen Diskussionen der Fall.

Wir haben in der Europäischen Union Modelle völlig unterschiedlicher Art, wie Gesellschaften mit Prostitution umgehen: Schweden und Irland, wo Prostitution weitgehend verboten ist, und Länder wie die Niederlande, wo Prostitution staatlich kontrolliert wird. Diese unterschiedlichen Wege beruhen auf grundsätzlich verschiedenen Werthaltungen. Die einen sehen Prostitution als Verletzung der Menschenwürde an – das prägte auch das deutsche Zivilrecht, bis die Definition von sittenwidrig geändert wurde –; die anderen halten Prostitution für einen Beruf wie fast jeden anderen auch.

Auch zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Gleichstellungspolitik gibt es sehr unterschiedliche Positionen. So ist beispielsweise Alice Schwarzer eine ausgewiesene Gegnerin des Prostitutionsgesetzes, das Rot-Grün beschlossen hat. Sie hält die von den Befürwortern des Gesetzes gerne ins Feld geführte Freiwilligkeit der Prostitution für reine Augenwischerei.

(Beifall von der CDU)

Zur Beurteilung des vorliegenden Antrags hilft als Erstes ein Blick auf das Prostitutionsgesetz und die deutsche Rechtslage. Mit diesem Gesetz war die Intention verbunden, die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Prostituierten zu verbessern und für mehr Transparenz und damit eine bessere Kontrolle der Branche zu sorgen. Die Evaluation des Gesetzes durch die Bundesregierung hat Anfang 2007 deutlich gemacht, dass das Prostitutionsgesetz seine Ziele nur in Teilen erreicht hat.