Offensichtlich sind die Menschen in diesem Land aber nicht der Meinung, dass dieser Bildungsgipfel nicht gebraucht wird; denn in der Presse und in der Öffentlichkeit ist die Resonanz auf diesen Bildungsgipfel enorm groß. Es werden auch erhebliche Erwartungen an diesen Bildungsgipfel gestellt, was die Frage einer in der Folge besseren Bildung in allen Ländern Deutschlands angeht.
Ich will nur ein kleines Beispiel nennen, bei dem die Auswirkungen des Wettbewerbs an die Grenzen des Verständnisses von Eltern stoßen, Herr Recker. In Bad Honnef fahren inzwischen knapp 80 Schüler jeden Tag nach Rheinland-Pfalz zur Schule, weil sie dort ein Angebot finden, das sie als besser beurteilen als das, was vor Ort vorgehalten wird. Da dieses Angebot in Nordrhein-Westfalen aber nicht als Schulform anerkannt wird, gibt es auch kein Fahrgeld, um die dortige Schule zu besuchen.
Meine Damen und Herren, das entspricht nicht im Geringsten dem, was Eltern sich wünschen. Die Folgen des Föderalismus dürften im Interesse der Eltern nicht dazu führen, dass Menschen aus Wettbewerbsgründen auf ein Schulsystem verpflichtet werden, das sie eigentlich gar nicht haben wollen.
Bildung – darüber sind wir uns alle im Klaren – ist für ein rohstoffarmes Land wie Nordrhein-Westfalen unabdingbar. Wir brauchen Bildung, weil sie die einzige Ressource ist, die uns tatsächlich zur Verfügung steht.
Das Dramatische ist aber, dass in NordrheinWestfalen zurzeit in ein überholtes Bildungssystem ohne die entsprechenden Innovationen mehr Geld gesteckt wird, obwohl man mit diesem Geld deutlich mehr machen könnte als das, was Sie auf den Weg bringen. Ihr Koalitionsvertrag ist restaurativ angelegt. Er ist neoliberalen Grundsätzen verpflichtet, von denen wir heute längst wissen, dass sie überholt sind.
Herr Witzel, sie ist so modern wie eine Ständegesellschaft aus dem vorletzten Jahrhundert. Genau dies praktizieren Sie ja auch.
Das praktizieren Sie übrigens auch mit Ihrem Bildungssystem in Nordrhein-Westfalen. Auch dafür haben die Eltern kein Verständnis mehr. Schauen Sie sich doch einfach einmal um. Ein längeres gemeinsames Lernen wird von immer mehr Menschen gefordert. Die Antworten von Ihnen haben wir heute Morgen in der Gesamtschuldebatte gehört. Sie haben noch nicht einmal die Möglichkeit und die Fähigkeit, sich bei einer namentlichen Abstimmung dafür auszusprechen, dass Sie die Oberstufen an den Gesamtschulen zukünftig werden garantieren können.
Tatsächlich erreichen wir in Deutschland leider nicht das, was wir eigentlich erreichen müssten. Wir müssten erreichen, dass Bildungsausgaben Investitionsausgaben sind. Wir müssten deutlich mehr Geld ins System stecken. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass Dänemark und Kanada jeweils 7 % ihres Bruttoinlandsproduktes in Bildung investieren, während es in Deutschland nur 5,2 % sind. Dieser Anteil – meine Damen und Herren, hören Sie genau hin – ist in den letzten Jahren, seit 1995, auch noch zurückgegangen.
Finanzierung von Bildung darf zukünftig nicht länger als Konsum verstanden werden, sondern muss als Investition gesehen werden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch einmal darauf hinweisen, dass wir hier in fünf Minuten pro Redner über den Bildungsgipfel diskutieren. In diesem Zusammenhang geht es um Themen, mit denen wir uns in der Enquetekommission zweieinhalb Jahre lang beschäftigt haben. Die Ergebnisse der Enquetekommission werden wir nächsten Monat vorstellen. Fünf Minuten reichen bei Weitem nicht aus, um den Bereich von früher Bildung über Schule und Hochschule bis zur Weiterbildung auch nur einigermaßen qualifiziert anzusprechen. Das heißt, dass hier in fünf Minuten praktisch eine Tour de Raison durch die bildungspolitischen Themen statt
Aus unserer Sicht müssen die Kommunen unbedingt an dem Bildungsgipfel beteiligt werden; denn sie sind ganz wichtige Akteure. Bisher ist das meines Wissens nicht vorgesehen. Wir fordern dringend, dies nachzuholen.
Was die Weiterbildung sowie den Hochschulbau in Nordrhein-Westfalen angeht, können wir auf Folgendes hinweisen: Sie werden weder die Weiterbildung finanziell ausreichend ausstatten noch die gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf den Hochschulbau erfüllen können; denn Sie werden mehr als 40 Millionen € an den Bund zurückzahlen müssen, wenn Sie im Hochschulpakt so weitermachen wie bisher.
Schauen Sie sich auch einmal die Äußerungen an, die Frau Sommer hat verlautbaren lassen, als der Bildungsbericht vorgelegt wurde. Damals hat sie gesagt, sie wolle das nicht anerkennen; sie nehme es an, akzeptiere das dort Veröffentlichte aber nicht. Dazu kann man nur sagen: Therapie ist doch nur dann möglich, wenn man vorher die Diagnose gestellt hat. Die Diagnose ist in Nordrhein-Westfalen bisher aber nicht richtig gestellt worden. Deshalb kann die Therapie auch nicht greifen.
Herr Kollege, Frau Kollegin Hendricks hat ihre Redezeit um mehr als eine halbe Minute überschritten.
(Ralf Witzel [FDP]: Sie hat die Frage aber schon zugelassen! – Renate Hendricks [SPD]: Ich beantworte sie Ihnen gleich im bi- lateralen Gespräch, Herr Kuhmichel!)
Ich glaube nicht, dass es das Ansinnen des Kollegen Kuhmichel ist, das bilateral zu klären. Aber gut!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP Frau Kollegin Pieper-von Heiden das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Hendricks macht einen nicht wirklich unglücklichen Eindruck, diese Frage nicht noch beantworten zu müssen.
Frau Kollegin Beer, in der in der Überschrift Ihres Antrags getroffenen generellen Feststellung, der Bildungsgipfel dürfe kein Kaffeekränzchen werden, stimmen wir sicherlich überein. Wenn es schon einen solchen Gipfel gibt, darf in der Presse dann allerdings nicht zu lesen sein: Und der Kongress tanzt. – Hätten Sie es bei dieser generellen Feststellung belassen, könnte ich Ihrem Antrag also sogar einmal freudig zustimmen.
Leider ist Bescheidenheit nicht Ihre Stärke, und wir müssen uns im x-ten Aufguss mit den wenigen bildungspolitischen Themen der Grünen beschäftigen. Dieses Mal ist eben der sogenannte Bildungsgipfel für Sie der Aufhänger.
Selbstverständlich ist Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Natürlich müssen alle staatlichen Ebenen, sei es die Bundesebene, die Landesebene oder die kommunale, im Rahmen ihrer rechtlichen Kompetenzen die Anstrengungen zur stetigen und konsequenten Verbesserung der Bildung verstärken.
Hierzu bedarf es jedoch nicht automatisch einer Mischfinanzierung oder einer Überschneidung der Kompetenzen. Dass eine gute und mit hohen Investitionen verbundene Bildungspolitik im Rahmen der föderalen Zuständigkeiten möglich ist, zeigt nicht zuletzt Nordrhein-Westfalen. Wir stemmen mit einem gewaltigen Kraftakt einen grandiosen Bildungshaushalt. – Ihre finanziellen Hinterlassenschaften muss ich Ihnen nicht erklären. – Alleine für den Bereich Schule und Weiterbildung steigt der Etat im Jahre 2009 in Nordrhein-Westfalen um 5,5 % an.
Die bei Ihnen unterschwellig mitschwingende Behauptung, Landespolitikern könnte der nötige Weitblick in die Notwendigkeit von Zukunftsinvestitionen in die Bildung fehlen, trifft auf die Koalition in Nordrhein-Westfalen definitiv nicht zu.
Meine Damen und Herren, das zeigt sich auch beim massiven Ausbau der Betreuungsplätze in der frühkindlichen Förderung. Bereits in diesem Jahr wurde die Anzahl der Betreuungsplätze für unter Dreijährige mit 44.600 und sogar mit 58.750 inklusive der Kindertagespflege gegenüber 2005 um ein Vielfaches erhöht. Im Haushalt 2009 stehen dafür 1,135 Milliarden € zur Verfügung – so viel wie niemals zuvor.
Dass die FDP-Forderung nach einer verbesserten Ausbildung für das Personal in Kindertageseinrichtungen jetzt von den Grünen ebenfalls aufgegriffen
wird, möchte ich hier einmal als durchaus erfreulich bezeichnen. Bekanntermaßen ist ja Kopieren durchaus ein Kompliment.
Meine Damen und Herren, dass die Grünen bezüglich des Ganztagsausbaus in Nordrhein-Westfalen offenbar nicht fähig oder willens sind, die Dimension dieser Programme in angemessener Weise zu erfassen und zu würdigen, ist bedauerlich. Alleine im Rahmen der Ganztagsoffensive werden wir in den nächsten zwei Jahren 175 Millionen € in den Ausbau von Realschulen und Gymnasien und in die Übermittagsbetreuung investieren.
Dass wir an den Grund-, Haupt- und Förderschulen bereits gewaltige Erfolge zu verzeichnen haben, dürfte Ihnen nicht entgangen sein, Frau Beer, aber darüber reden Sie nicht gerne. Dass das Programm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ einen Beitrag geleistet hat, ist offenkundig. Dass aber die politischen und finanziellen Entscheidungen in NordrheinWestfalen getroffen werden, zu denen Sie übrigens in der Vergangenheit nie fähig und willens waren, dürfte wohl ebenso wenig in Abrede gestellt werden.
Wenn die Grünen nun behaupten, dass nur mit Unterstützung des Bundes zusätzliche Studienplätze zu schaffen sind, dann ist das schlicht falsch. Bereits jetzt sind in Nordrhein-Westfalen die Planungen für einen massiven Ausbau der Studienplätze weit vorangeschritten. Durch den Ausbau der Fachhochschullandschaft werden in den kommenden Jahren dauerhaft 11.000 zusätzliche Studienplätze zur Verfügung gestellt, davon 5.000 zusätzlich in den vom Rückgang des Steinkohlebergbaus betroffenen Gebieten. Dafür werden wir jährlich ca. 160 Millionen € zusätzlich investieren. Dabei haben wir den Haushalt für den Hochschulbereich bereits seit 2005 kontinuierlich erhöht; nicht erst jetzt, sondern damit haben wir gleich angefangen.
Meine Damen und Herren, diese wenigen Beispiele zeigen, dass eine verantwortliche Landespolitik zu qualitativer und zukunftsorientierter Bildungspolitik fähig ist. Wir Liberalen werden dem Bildungsgipfel mit Interesse entgegensehen und sind sicher, dass die Landesregierung das Land NRW und seine Interessen angemessen und zielorientiert vertreten wird. – Danke schön.