Meine Damen und Herren, es gibt kein, aber auch gar kein Argument dafür, dass sich Erwachsene an dem Körper oder der Seele der Schwächsten unserer Gesellschaft vergreifen. Es scheint aber zuweilen einen gesellschaftlichen Reflex dahin gehend zu geben, die Ohren und die Augen beim Thema sexuelle Gewalt zu verschließen.
Aus diesem Grund bin ich überzeugt, dass über die Bestrafung von Mitwissern gesprochen werden muss. Der Gedanke verfängt vor allem in größeren Organisationseinheiten, wie wir es beispielsweise in den Kirchen wahrnehmen mussten, oder bei aufgedeckten pädophilen Netzwerkstrukturen.
Es gibt Menschen, die schon länger ein komisches Gefühl hatten, die wussten, dass sich da irgendwas tut, dass es irgendwie komisch ist. Das Gefühl, sich nicht einmischen zu wollen, wegsehen zu dürfen, die Angst, etwas falsch wahrgenommen zu haben, führt dann aber doch zum Schweigen. Und hier setzt diese Strafbarkeit an, und die schafft Rückhalt.
Diesen Ansatz nur auf die Beratungsstellen herunterzubrechen, einen dortigen Vertrauensverlust zu thematisieren und damit komplett zu verneinen, kann nicht Ende dieses Themas sein. Das Opfer möchte seine Situation aktiv ändern. Wir haben bereits in anderen Bereichen Ausnahmen, beispielsweise für Berufsgeheimnisträger, die im Bundesgesetz vorgesehen werden können. Der Gedanke bleibt daher richtig; über die Ausgestaltung wird man dann im Bund noch zu reden haben.
Meine Damen und Herren, zur Abschaffung der Verjährung hat sich die Haltung meiner Fraktion nicht geändert. Für die Opfer verjähren die körperlichen und seelischen Folgen nie. Die Opfer haben lebenslänglich und sind traumatisiert. Das sichere Wissen, dass Täter in Sicherheit und mit Sicherheit weitermachen können, liegt vor.
Auch mit der jetzigen Verjährung gibt es Unsicherheiten bei der Spurensicherung, und es kann potenzielle Erinnerungslücken geben. Das haben wir aber auch im Bereich Mord. Trotzdem wird bei Mord ermittelt, und trotzdem verjährt Mord nicht. Es gibt keine Rechtssicherheit im Bereich von Triebtätern, meine Damen und Herren.
Fehlurteile, Erinnerungslücken, Probleme bei der Spurensicherung kann es jederzeit und bei jedem Delikt geben. Und trotzdem werden unsere Strafverfolgungsbehörden tätig. Das ist in unserem System richtig so. Wir haben den Grundsatz „im
Die Opfer realisieren allerdings erst sehr spät, was ihnen angetan worden ist, und empfinden es dann als belastend, nicht mehr gehört zu werden. Und wenn sie gehört werden, dann können sie auch weitere Übergriffe auf weitere Generationen verhindern.
Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass heute ein deutliches Signal der regierungstragenden Fraktionen von CDU und SPD für den Kinderschutz aus dem Niedersächsischen Landtag gesendet wird. - Wie gesagt: Wer will, sucht Wege.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Osigus. - Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Volker Meyer zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Kollege Meyer!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der erschütternden Missbrauchsfälle in Lüdge, Bergisch Gladbach und Münster ist es aus unserer Sicht notwendig, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen gerade jetzt noch konsequenter und effektiver bekämpft wird.
Kinder als schwächstes Glied unserer Gesellschaft bedürfen unserer besonderen Fürsorge. Alles für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch und Gewalt zu tun, sollte für uns alle eine Selbstverständlichkeit sein.
Daher hat unsere Justizministerin Barbara Havliza in den vergangenen Wochen wiederholt die Anhebung der Mindeststrafe in § 176 Abs. 1 StGB gefordert. Damit würde der sexuelle Missbrauch von Kindern künftig mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr belegt. Denn sexueller Missbrauch ist kein Vergehen, er ist ein Verbrechen. Das sollte uns allen klar sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Forderung unserer Justizministerin findet sich im veröffentlichten Gesetzentwurf des Bundes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder wieder. Neben der Einführung des Begriffs „sexualisierte Gewalt gegen Kinder“, der das Unrecht der Täter klar be
schreibt, wird der Grundtatbestand der sexuellen Gewalt gegen Kinder künftig ein Verbrechen sein und mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe belegt.
Weitere Strafverschärfungen sind für die Verbreitung, den Besitz und die Besitzverschaffung von Kinderpornografie, das gewerbs- und bandenmäßige Verbreiten von Materialien und für Taten mit oder von Dritten vorgesehen.
Bei der Herstellung kinderpornografischer Inhalte, die ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, wird zukünftig die Verjährungsfrist erst mit Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers beginnen. Das ist aus unserer Sicht ein wesentlicher Schritt.
Vorsicht geboten ist hingegen bei der grundsätzlichen isolierten Abschaffung der Verjährung nur in Fällen des Kindesmissbrauchs. Deswegen halten wir es für richtig, dass die Bundesjustizministerin der SPD diesen Punkt nicht in ihren Referentenentwurf aufgenommen hat.
Das Verjährungsrecht des deutschen Strafrechts muss als Ganzes betrachtet werden. Deswegen kommt für uns eine grundsätzliche Änderung der Verjährungsfrist im Kindesmissbrauchsrecht auch nur nach einer grundsätzlichen Überprüfung aller Verjährungsfristen infrage. Unreflektierte und sich lediglich zu einer Medienkampagne eignende Forderungen machen wir jedenfalls in dieser Frage nicht mit.
Meine Damen und Herren, eine hohe Strafe und eine unvermeidbare Gerichtsverhandlung können ihre abschreckende Wirkung jedoch nur unter einer Voraussetzung entfalten, nämlich nur dann, wenn der Täter ernsthaft damit rechnen muss, erwischt zu werden.
Daher bedarf es umfassender Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden. Dies gilt im besonderen Maße für die Verfolgung von Kinderpornografie im Internet und im Darknet. Auch hier sieht der Gesetzentwurf mit Erleichterungen der Anforderungen an die Untersuchungshaft sowie erweiterten Möglichkeiten für die Telekommunikationsüberwachung und Onlinedurchsuchung neue, gute Möglichkeiten vor.
Im Übrigen brauchen die Sicherheitsbehörden nicht nur im Bereich des Kindesmissbrauchs, sondern grundsätzlich bessere Möglichkeiten der Telekommunikationsüberwachung und der Onlinedurchsuchung.
Auch in Niedersachsen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sich in den vergangenen Monaten einiges getan. Als ein Beispiel möchte ich die im Februar 2019 auf Anregung der Justizministerin Barbara Havliza eingesetzte Kommission zur Prävention von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen unter Leitung der Vorsitzenden des Landespräventionsrates, Frau Professor
Diese Präventionskommission hat im März 2020 ihren Bilanzbericht vorgelegt und damit ihre Arbeit beendet. Ihr nachgefolgt ist eine sogenannte Monitoring-Arbeitsgruppe. Diese Arbeitsgruppe möchte das Thema beim Landespräventionsrat verstetigen, ihre fachliche Expertise zur Verfügung stellen und die 13 Empfehlungen aus dem Bericht in Politik und Praxis einbringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein besserer Schutz von Kindern lässt sich nur erreichen durch einen klugen Mix aus schärferen Strafen, einer noch effektiveren Strafverfolgung, Prävention und Qualifizierung der Justiz.
Zu diesem klugen Mix gehört auch die Anzeigepflicht eines geplanten sexuellen Missbrauchs von Kindern - eine Forderung des Entschließungsantrags -, die sicherlich sinnvoller und wirkungsvoller ist als akademische Debatten über eine Verjährung.
All dies sieht unser Entschließungsantrag vor. Die weiteren vorliegenden Anträge haben sicherlich auch richtige Ansätze, greifen jedoch nur Teilaspekte auf, sodass wir sie für erledigt erklärt haben. - Daher bitten wir Sie, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer. - Für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Dr. Marco Genthe zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern gehört sicherlich zu den schwierigsten Debatten, die wir in diesem Landtag überhaupt führen müssen.
Das tun wir nicht erst seit einem Jahr, Frau Kollegin Osigus, sondern ich erinnere mich an die letzte
Legislaturperiode. Da war Herr Edathy Anlass einer solchen Diskussion. Wir diskutieren das schon viel länger. Der Antrag der FDP-Fraktion dazu, der ein umfangreiches Maßnahmenpaket beinhaltet, liegt Ihnen bereits seit Monaten vor, meine Damen und Herren. Er wurde in den zuständigen Ausschüssen auch ausgiebig diskutiert. Weitere Anträge folgten.
Ich habe in der Landtagsdebatte im Juni dieses Jahres im Rechtsausschuss und auch im Sozialausschuss angeregt, die vorliegenden Anträge gemeinsam zu beraten und dann vielleicht auch gemeinsam zu einem Beschluss zu kommen.
Dieses Thema, meine Damen und Herren, eignet sich nämlich weder für einen politischen Streit noch für die Profilierung einer Fraktion oder einer Person.
Bis vor Kurzem hatte ich die Signale aus den anderen Fraktionen auch so verstanden, dass an einem gemeinsamen Papier allseits Interesse besteht, um hierbei auch ein möglichst starkes Signal zu senden. Insoweit habe ich mich aber ganz offensichtlich geirrt.
Insbesondere die SPD-Fraktion will diesen Antrag offenbar aus politischen Gründen jetzt beschließen, obwohl verschiedene Punkte darin äußerst kontraproduktiv sind. Was z. B. die Verjährungsfristen anbelangt, kann ich den regierungstragenden Fraktionen nur dringend empfehlen, noch einmal das Gespräch mit ihrer Justizministerin zu suchen, die sie schließlich auch einmal in ihr Amt gewählt haben. Sie hat zuletzt im Juni in diesem Haus fachlich begründet, warum eine Abschaffung der Fristen hochproblematisch ist. Ich habe den Kollegen Meyer eben so verstanden, dass die CDU-Fraktion das ebenfalls so sieht. Konsequenterweise müssten Sie diesen Antrag in der jetzigen Form heute also ablehnen. Hören Sie auf Ihre Ministerin, insbesondere da sie ja auch selbst praktische Erfahrung mit solchen Prozessen hat!
Meine Damen und Herren, Ihre Forderung nach der Strafbarkeit einer Nichtanzeige ist ebenfalls ein großer Fehler. Selbst die Opferverbände haben sich entsprechend geäußert. Es wäre fatal, wenn eine verschärfte Anzeigenpflicht dazu führen würde, dass sich Opfer nicht mehr an Vertrauensper
Zudem besteht die Gefahr, dass die Opfer in Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Familien- oder Bekanntenkreis ihre Aussage unter Umständen dahin gehend verändern, dass Mitwisser ausgenommen werden. Sollten später in einem Gerichtsverfahren daraufhin Zweifel an der Belastbarkeit der Zeugenaussagen entstehen, besteht die Gefahr von unberechtigten Freisprüchen, meine Damen und Herren. Welche persönlichen Folgen dies für die Opfer hätte, muss an dieser Stelle, glaube ich, nicht weiter ausgeführt werden.
Gleiches gilt für die Auswirkungen im Jugendstrafrecht. Wenn bereits ein Zungenkuss zwischen einer 13-Jährigen und einem 14-Jährigen zwingend zu einer Gerichtsverhandlung führt, hat das mit Jugendschutz überhaupt nichts mehr zu tun, meine Damen und Herren.