Protocol of the Session on February 26, 2020

(Unterbrechung der Sitzung von 13.45 Uhr bis 15.17 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich darf die Nachmittagssitzung eröffnen und Sie hierzu willkommen heißen.

Direkt im Anschluss an die Mittagspause und noch vor Tagesordnungspunkt 19 ist angesagt

Außerhalb der Tagesordnung: Unterrichtung durch die Sozialministerin zum aktuellen Sachstand der Entwicklungen zum Coronavirus

Das wurde bereits heute Morgen mitgeteilt.

Ich möchte Frau Ministerin Dr. Reimann bitten, die angekündigte Unterrichtung vor dem Parlament abzugeben. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der Entwicklungen in Bezug auf das Coronavirus möchte ich auch Sie hier im Parlament über die aktuelle Lage und den Stand der Vorbereitungen in Niedersachsen unterrichten. Vielen Dank, dass Sie mir die Möglichkeit dazu eingeräumt haben.

Die wichtigste Botschaft vorweg lautet: Das Coronavirus zirkuliert in Niedersachsen weiterhin nicht. Stand jetzt gibt es in Niedersachsen auch noch keinen bestätigten Fall einer Infektion.

Dennoch sehen wir die aktuelle Entwicklung in unseren Nachbarländern mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Wachsamkeit. Neben der ausgesprochen dynamischen Entwicklung in Italien haben wir gestern die Meldung über bestätigte Fälle in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen erhalten.

Angesichts der Tatsache, dass es in Italien offenbar nicht gelungen ist, die Infektionskette trotz der eingeleiteten rigorosen Maßnahmen zu durchbrechen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Virus auch über den ausgewiesenen Risikobereich hinaus zirkuliert. Das sind bislang die Provinz Lodi in der Region Lombardei und die Stadt Vo in der Provinz Padua in der Region Venetien. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens

in Deutschland. Wir müssen auch in Niedersachsen mit ersten Fällen rechnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung, die Gesundheitsbehörden und die Akteurinnen und Akteure im Gesundheitssystem in Niedersachsen sind gut vorbereitet. Niedersachsen war eines der ersten Länder, das die Diagnostik des Virus vor Ort im Landesgesundheitsamt vornehmen kann. Das ist auch der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen dort zu verdanken.

Wir haben außerdem ein Überwachungssystem für akute Atemwegserkrankungen: die sogenannte ARE-Surveillance. Dieses Programm dehnen wir nun auf das Coronavirus aus. Seit Beginn des Ausbruchs finden regelmäßig Telefonkonferenzen auf unterschiedlichen Ebenen zwischen Bund und Ländern zur Abstimmung der Maßnahmen statt. Ich komme gerade aus einer Telefonkonferenz, die der Bundesgesundheitsminister einberufen hat, um sich mit den Ländern auf der Spitzenebene zu koordinieren.

Die Kommunen und deren Gesundheitsämter werden über das Landesgesundheitsamt laufend über die Lage und die Maßnahmen unterrichtet und im konkreten Einzelfall unterstützt. Das Zentrum für Gesundheit und Infektionsschutz hat hierfür im Landesgesundheitsamt eine ständige Rufbereitschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, angesichts der geschilderten Lage bereiten wir uns in Niedersachsen auf verschiedene Szenarien vor. Zur Stunde tagt ein von mir einberufener Kreis von Expertinnen und Experten aus allen Bereichen der Landesregierung, der Kommunen und des Gesundheitssystems, um die Information der Öffentlichkeit und alle mit dem Infektionsgeschehen verbundenen Verfahren zu koordinieren. Diese Koordinierungsgruppe wird für die erforderlichen Maßnahmen sorgen.

Wie eingangs erläutert, beobachten wir noch keine Zirkulation des Virus und müssen uns noch nicht mit den entsprechenden Krankheitsfällen auseinandersetzen. Mit diesem Instrument können wir aber frühzeitig auf Herausforderungen wie die Behandlung und die Ausbreitung von bestätigten Coronainfektionen reagieren und uns abstimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach allem, was wir heute über das Coronavirus wissen, sind leichte Krankheitsverläufe die Regel. Das erschwert zwar einerseits das Erkennen von Infektionsfällen. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass

die allermeisten Betroffenen eine mögliche Erkrankung zu Hause auskurieren können, ohne in einem Krankenhaus behandelt zu werden. Für schwere Krankheitsverläufe verfügt jedes Krankenhaus in Niedersachsen über das notwendige medizinische Know-how, um eine gute medizinische Versorgung der betroffenen Patientinnen und Patienten sicherzustellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es mag banal klingen, aber wie für Influenza und für grippeähnliche Erkrankungen gilt auch für das neue Coronavirus, die klassischen, ganz normalen Hygienemaßnahmen konsequent durchzuführen:

Waschen Sie häufig Ihre Hände! Husten und niesen Sie in die Armbeuge und nicht in die Hände! Verzichten Sie zur Begrüßung im Zweifel auf Umarmungen und Händedruck - auch wenn es schwerfällt.

(Heiterkeit und Zurufe)

- Das gilt für alle, auch für Umweltminister und andere Minister.

(Heiterkeit und Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, falls Patientinnen und Patienten den begründeten Verdacht haben, sich mit dem Coronavirus angesteckt zu haben und erkrankt zu sein, sollen diese bitte telefonisch Kontakt mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt aufnehmen. Diese werden dann alles Weitere veranlassen und organisieren und den Verdacht mit dem zuständigen Gesundheitsamt abklären.

Als begründet gilt das, was zuvor für China galt und nun auch für Italien gilt: Reisende, die mit einer Italien erkrankten Person einen persönlichen Kontakt hatten, sollten sich umgehend beim Gesundheitsamt melden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich werde Sie hier im Plenum und im zuständigen Fachausschuss immer über die aktuellen Entwicklungen informieren.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Ministerin Dr. Reimann, insbesondere auch für die Hinweise, die ja nicht nur für uns gelten, sondern für die ganze Bevölkerung wichtig sind.

Ich muss jetzt mit Ihnen, meine Damen und Herren, abklären, ob eine Besprechung zu dieser Unterrichtung gewünscht wird. Mindestens zehn Mitglieder des Landtages müssen das fordern. - Da die gesamte grüne Fraktion und auch andere nicken, ist dieses Erfordernis gegeben.

Ich darf festhalten: Die Ministerin hat - etwas aufgerundet - sechs Minuten lang gesprochen. Das heißt, die beiden großen Fraktionen haben eine Redezeit von jeweils sechs Minuten, die drei nicht ganz so großen Fraktionen der Opposition haben eine Redezeit von jeweils vier Minuten, also die Redezeit der beiden großen Fraktionen, geteilt durch drei.

Ich darf um Wortmeldungen bitten. - Frau JanssenKucz, just zu diesem Punkt. Bitte sehr!

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Ich wollte noch meinen Zettel abgeben!)

- Wir haben Ihre Wortmeldung schon telepathisch erkannt. Bitte sehr, Frau Janssen-Kucz!

Danke schön. - Herr Präsident! Erst einmal vielen Dank für diese Unterrichtung. Die Entwicklung in Italien zeigt, dass sich das Coronavirus in Europa ausbreitet. Wenn man die Datenentwicklung verfolgt, erkennt man, dass es erstmals mehr Neuinfektionen außerhalb Chinas als in China gibt. Das muss wirklich Anlass zur Sorge geben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir haben mit Stand von heute Mittag 19 Fälle von Menschen, die mit dem Covid-19-Virus infiziert sind. Das heißt, wir haben eine neue Lage, die sich täglich, die sich letztendlich auch stündlich ändern kann. Das war sogar in unserer Mittagspause so. Noch können wir Risikogebiete ziemlich konkret benennen. Wir können auch Infektionsketten und Infektionscluster benennen.

Solange es bei Einzelfällen bleibt, funktioniert das bisherige System, die Einzelfälle zu isolieren und die Ansteckungsketten zu unterbrechen. Ich bin aber der Meinung, dass weitere, neue Maßnahmen notwendig sind. Sie haben beschrieben, dass es einen Expertenkreis gibt. Aber es ist eine solche Dynamik festzustellen, dass wir es für notwendig halten - so wie andere Bundesländer, beispielsweise Bremen, es auch tun -, über einen Krisenstab, der sehr schnell handlungsfähig ist, nachzudenken.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der AfD)

Ich gehe davon aus - dazu haben Sie nichts gesagt -, dass der bestehende Pandemieplan ergänzt, überarbeitet und aktualisiert wird, damit wir ihn im Falle eines Falles auf Landes- und Landkreisebene sofort umsetzen und letztlich auch den Katastrophenschutz mit einbinden können. Denn das Wichtigste ist, dass man das Land und die Kommunen, aber auch die Krankenhäuser und Arztpraxen nicht alleinlassen darf.

Deshalb begrüße ich es, Frau Ministerin, dass das Landesgesundheitsamt die aus den Arztpraxen eingeschickten Proben von Patienten mit CoronaVerdacht umgehend testet, damit schnell Klarheit darüber besteht, welche Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet werden müssen. Es geht um Vorsorge, um im Fall eines Falles belastbare, schnell funktionierende, effiziente Strukturen für die jeweiligen Regionen zu haben.

Ich betone aber auch, dass wir aufpassen müssen, nicht in Panik zu verfallen, sondern vor allem ganz konsequent Hygienemaßnahmen anzuwenden.

Das gilt insbesondere für Gemeinschaftsunterkünfte - von Kitas über Schulen, Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen bis hin zu Kasernen.

Ich teile die Ansicht des Robert Koch-Instituts, dass es aktuell nicht zielführend ist, ganze Städte abzuriegeln. Wir sollten wirklich aufpassen, wie wir hinsichtlich dieses Aspektes agieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wichtiger ist es, den Kontakt zwischen Kranken und Gesunden zu unterbinden, um Infektionsketten zu durchbrechen. Infizierte sollten deshalb isoliert und mögliche Kontaktpersonen engmaschig betreut werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein kurzer Exkurs zum Thema Hannover-Messe. Ich weiß nicht, wie das mit dem Fiebermessen funktionieren soll. Wenn jemand mit Fieber zu einer Messe kommt, ist er oder sie schon krank. Wir wissen viel zu wenig über die Inkubationszeit. Deshalb muss man gerade bei Großereignissen sehr genau abwägen. Im Zweifelsfall geht die Sicherheit der Bevölkerung vor wirtschaftliche Interessen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Ich bitte darum, dass es ab sofort einen ständigen Tagesordnungspunkt zur Unterrichtung über die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Coronavirus im Sozial- und Gesundheitsausschuss gibt.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Richtig!)