Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon viel gesagt worden. Die Menschen, die sich Medizinprodukte einsetzen lassen oder einsetzen lassen müssen, müssen sich darauf verlassen können, dass höchste Sicherheitsstandards gesetzt sind.
Das Beispiel, das mir als Allererstes präsent war, waren die fehlerhaften Brustimplantate. Die Firma Poly Implant Prothèse hatte ihre Implantate mit billigem, nicht zugelassenem Silikon gefüllt. Hundertausende Frauen sind weltweit betroffen, in Deutschland 5 224. Der Skandal begann 2010, 2018 wurde in dem Fall das erste Mal eine Haftstrafe verhängt.
Zu der psychischen Belastung der Frauen kommt eine physische Belastung. Es besteht der Verdacht, dass der austretende Stoff Krebs verursachen kann. Mit Sicherheit weiß man das noch nicht genau. Die Zeit wird es zeigen. - Das ist nicht hinnehmbar, finden wir.
Wir haben auch bei den Punkten in diesem Antrag, die jetzt schon ganz oft angesprochen worden sind, keine inhaltlichen Differenzen. Nun werden Sie fragen: Warum enthalten Sie sich denn dann? - Die EU-Medizinprodukte-Verordnung und das dazugehörige deutsche Medizinprodukte-Anpassungsgesetz werden erst in zwei Wochen im Ausschuss des Deutschen Bundestages beraten. Das heißt, es ist noch gar nicht klar, in welche Richtung der Bundestag geht und wie die EU-Richtlinie umgesetzt wird.
Wir begrüßen erhöhte Sicherheitsstandards und stringentere Zulassungen, und Überwachungsmechanismen müssen etabliert werden. Wir halten es aber an dieser Stelle für sinnvoller, dass in zwei Wochen erst einmal der Bundestag mit den dazugehörigen Ausschüssen darüber berät und wir uns danach mit dem Thema auseinandersetzen.
Wir werden in Niedersachsen ein Umsetzungsgesetz machen müssen. Dann können wir genau definieren, was wir an der Bundesgesetzgebung
Das heißt, es ist so, wie die Kollegin Janssen-Kucz gesagt hat: Wir werden noch viel Arbeit haben. Die größte Arbeit wird jedoch kommen, wenn wir die Vorgaben in Niedersachsen umsetzen müssen.
Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht nun Frau Sozialministerin Dr. Reimann. Bitte, Frau Ministerin!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Medizinprodukte betrifft uns alle: als Gesellschaft, als potenzielle mögliche Patientinnen und Patienten und in der Verantwortung der fachlichen Aufsicht auch mein Ministerium.
Wir alle kennen jemanden in unserem sozialen Umfeld, der oder die auf ein Medizinprodukt angewiesen ist. Bei diesem Thema geht es um einen ganz sensiblen Bereich des Patientenschutzes. Behandelte müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Medizinprodukte sicher sind. Das ist der wichtigste Maßstab des Verbraucherschutzes, um das Vertrauen in die medizinische Behandlung auch zu gewährleisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Medizinprodukte reichen vom einfachen Mundspatel über Röntgen- und MRT-Geräte bis hin Herzschrittmachern, künstlichen Herzklappen und Stents. Es ist die Verantwortung der Landesregierung, des Bundes und der Europäischen Union, für eine sichere und adäquate Versorgung mit diesen Produkten zu sorgen.
Ein erster wichtiger Schritt - das ist bereits angeklungen - ist das bereits im September 2019 vom Bundestag beschlossene und gesetzlich verankerte bundesweite Implantateregister. Dafür habe ich mich persönlich viele Jahre eingesetzt, und diesen Ansatz unterstütze ich sehr.
Ab dem 26. Mai dieses Jahres muss die Europäische Medizinprodukte-Verordnung - MDR, also Medical Device Regulation - verbindlich angewandt werden. An der Zulassung durch privatwirtschaftliche Benannte Stellen wird in dieser neuen Verordnung nach wie vor festgehalten. Der vorliegende Antrag fordert hingegen, die Zulassung der Medizinprodukte in der Europäischen Union über eine zentrale behördliche Stelle analog der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA zu regeln.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bisher wurden elf Benannte Stellen nach neuem Recht zertifiziert, eine davon im Vereinigten Königreich. Diese darf nach dem Brexit aber keine Zertifikate mehr für Medizinprodukte ausstellen. Damit kann ein Engpass für Zulassungen entstehen.
Die Versorgung mit Medizinprodukten könnte mit einer zentralen europäischen Zulassungsstelle analog der EMA zukünftig schneller erfolgen. Hierzu - das will ich sehr klar sagen, denn das ist der Wehrmutstropfen - müsste allerdings die Grundsatzentscheidung der Europäischen Union aufgehoben werden, dass anders als bei Arzneimitteln die staatliche Stelle nicht bereits bei der Herstellung, sondern erst bei der Überwachung aktiv wird.
Diese staatliche Regelung könnte insgesamt teurer werden. Dafür bietet sie aber zudem die Chance für eine bessere Produktsicherheit. In Bezug auf diese Änderung des europäischen Rechts stehen wir noch ganz am Anfang der Diskussion in Deutschland und auch in Europa. Ich finde, wir sollten diese konzentriert miteinander führen und genau prüfen, ob ein staatliches System hier nicht bessere Ergebnisse bringt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Aussprache schließen kann. Ich komme zur Abstimmung.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU in der Drucksache 18/3941 unverändert annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde mit Mehrheit gefolgt.
Tagesordnungspunkt 11: Abschließende Beratung: Für eine Jugendhilfe, die Leistung nicht bestraft - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/4307 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - Drs. 18/5804
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die FDPFraktion hat Frau Kollegin Bruns. Bitte, Frau Kollegin!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Pflegekinder treibt mich schon lange um. Zum Beispiel suchen viele Kommunen Pflegefamilien.
Die Probleme sind vielfältig. Es gibt hier aus unserer Perspektive eine große Ungerechtigkeit, die Pflegekinder trifft. Nach § 94 Abs. 6 SGB VIII wird festgelegt, dass Pflegekinder einen finanziellen Beitrag dafür erbringen müssen, dass sie eine vollstationäre Betreuung durch eine Pflegefamilie oder einer Pflegeeinrichtung in Anspruch nehmen. Demnach werden Jugendliche als Leistungsempfänger behandelt und müssen 75 % - ja, Sie haben richtig gehört: 75 % - ihres Nettoeinkommens, welches sie im Rahmen ihrer Ausbildung oder eines Nebenjobs verdienen, an das Jugendamt bezahlen.
An dieser Stelle ein paar praktische Beispiele. Ich zitiere aus dem Deutschlandfunk vom 4. August 2019 mit dem Titel „Ein Euro für mich, drei fürs Jugendamt“:
„Ich hatte eine Ausbildung als Köchin begonnen, und da fand ich das ziemlich blöd, die 75 % abgeben zu müssen, weil es ja mein erstes Geld war, mein eigenes verdientes Geld, und ich dann davon gar nichts hatte. Somit habe ich dann die Ausbildung abgebrochen, weil ich es nicht eingesehen habe, so viel ans Jugendamt abzugeben.“
so? Ja, was haben wir denn getan, dass wir 75 % abgeben müssen? Ich verstehe es nicht. Ich sehe einfach auf dem Konto die ganze Zeit null, null, null.“
Für uns Freie Demokraten ist wichtig: Das Elternhaus oder die Lebenssituation von jungen Menschen darf keinesfalls darüber entscheiden, welche Chancen ein Mensch hat.
Die bisherige Regelung setzt nicht nur völlig falsche Anreize, sondern ist mit viel unnötiger Bürokratie verbunden. Wir alle wollen doch die Eigeninitiative fördern! Wir wollen sie doch auf dem Weg zum Erwachsenwerden unterstützen, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen! Die jungen Menschen, die aus solchen Lebenssituationen kommen, haben einen enorm schwierigen Weg hinter sich und verdienen unsere Hochachtung und uneingeschränkte Hilfe, damit sie ihr Leben eigenverantwortlich führen können.
Wir möchten sie doch auf jeden Fall auf dem Weg, den sie gehen, bestärken und ihnen nicht weitere Steine in den Weg legen. Deswegen ist es dringend geboten, diese Regelung abzuschaffen und sich auch in einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen.
Ich freue mich sehr über die kollegialen Beratungen im Ausschuss. Danke an die SPD, die CDU und die Grünen, dass sie diesem Antrag der Freien Demokraten zustimmen! Auch die Diskussion im Ausschuss hat gezeigt, dass es hier keine zwei Meinungen geben kann und darf.
Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bruns hat eingangs schon berichtet, wie es bei diesem Personenkreis zu der Kostenbeteiligung kommt. Ich möchte noch einmal ein paar Zahlen sagen.
Es handelt sich um 80 000 Pflegekinder, die in Familien groß werden, und weitere 100 000 Kinder leben in Heimen oder Betreuungseinrichtungen. In diesem Falle können wir den Pflegeeltern und den pädagogischen Fachkräften nicht genügend dafür danken, dass sie den Kindern Wärme, Sicherheit und Orientierung für ihr weiteres Leben geben. Sie leisten einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft. An dieser Stelle möchte ich ihnen herzlich dafür danken.