Protocol of the Session on January 29, 2020

Man muss sich schon fragen: Wie findet man so etwas überhaupt heraus? Wie kommt man dahinter? - Wenn wir die einzelnen Worte nehmen, werden wir niemals einen Algorithmus finden, der so etwas herausbekommt. Das geht nur über die persönliche Beziehung von Lehrerinnen und Lehrern zu ihren Schülerinnen und Schülern, mit den Sozialarbeitern als Hilfe, zu den Eltern und in letzter Instanz, wenn das alles nichts nützt, auch von den Eltern zum Kultusministerium.

Damit so etwas nicht wieder vorkommt, haben wir Ihnen diesen Antrag vorgelegt, um in solchen Situationen Möglichkeiten der Hilfe zu haben.

Herr Försterling, ich bin Ihrer Fraktion sehr dankbar dafür, dass Sie den Antrag und dieses Thema hier eingebracht haben. Dankbar bin ich auch den Schülerinnen und Schülern, die es an ihrem Zukunftstag zum Thema gemacht haben. Das ist ein toller Weg der Kinder- und Jugendbeteiligung. Ich finde ihn klasse. Das sollten wir viel öfter in dieser Form machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD)

Jetzt ist aber die Frage: Wie geht man dann damit um? - Die FDP-Fraktion hat einen Antrag eingebracht. Wir haben uns dann an die SPD-Fraktion, unseren Koalitionspartner, gewandt und gefragt: Wollen wir das nicht mit denen zusammen machen? - Dann haben wir die Grünen angesprochen und gefragt: Wollen wir das nicht zusammen machen? - Am Ende haben wir, wenn auch nach einigem Hin und Her in unseren Beratungen, hier einen hervorragenden Antrag zur Hilfe vorgelegt.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben dann auch eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt.

Und jetzt komme ich zur AfD. Herr Rykena, sich hierhin zu stellen und diese Behauptungen, die Sie gerade vorgetragen haben, zu äußern, ist nicht nur frech und unverschämt. Es ist wirklich nicht zu ertragen, dass Sie sich immer in diese Opferrolle begeben.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Sie haben eben Fragen aufgeworfen. Ich sage Ihnen ganz offen: Ja, diese Fragen kann man stellen und muss man auch stellen. - Wir haben uns einige dieser Fragen auch gestellt. Dann haben wir mit dem Kultusministerium gesprochen und Antworten erhalten.

Aber warum Sie in der Anhörung, bei der das Kultusministerium vor Ort war, genau diese Fragen nicht gestellt haben,

(Wiard Siebels [SPD]: Genau!)

erschließt sich mir einfach nicht. Sich dann hierhin zu stellen und zu sagen: „Wir wurden ja wieder diskriminiert und haben mit der ganzen Sache nichts zu tun; deswegen enthalten wir uns“, ist fadenscheinig.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Wahrheit liegt wahrscheinlich woanders. Die Wahrheit konnten wir ja in der Zeitung lesen: dass die AfD die Vielfalt als Ursache für Mobbing an unseren Schulen ansieht,

(Anja Piel [GRÜNE]: Ja, genau!)

also dass in den letzten Jahren vor allen Dingen aufgrund der bösen Flüchtlingskrise Mobbing an unseren Schulen wieder vermehrt vorkommt.

(Wiard Siebels [SPD]: So ist es!)

So haben Sie es in einem Interview bei einer niedersächsischen Zeitung ja selber geäußert.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Aha!)

Und ich sage Ihnen etwas: Diese Einstellung ist genau der Grund, warum wir von den regierungstragenden Fraktionen zu unseren Kollegen der Grünen und zu unseren Kollegen der FDP gegangen sind

(Klaus Wichmann [AfD]: Ganz bestimmt!)

und gesagt haben: „Wir möchten etwas gemeinsam auf den Weg bringen“ - und nicht zu Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, deswegen bitte ich Sie: Lassen Sie uns gemeinsam diesen wichtigen Antrag für die Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen beschließen! Lassen Sie uns gemeinsam dabei helfen, dass unsere Schulen mehr Rüstzeug gegen dieses große Problem bekommen! Lassen Sie uns die Kinder in diesem Fall nicht alleine lassen! Denn Mobbing ist nun einmal - und damit schließe ich - eines der größten Probleme unserer Zeit in unseren Schulen, und wir schaffen es gemeinsam, das Leid der Kinder in diesem Fall zu erleichtern.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weritz.

Herr Kollege Wichmann, wir haben es nicht ganz genau gehört. Aber auch bei Hintergrundkommentierungen darf ich doch darum bitten, sich in der Wortwahl zurückzunehmen.

(Klaus Wichmann [AfD]: Ich wollte auf den Fraktionsbeschluss der CDU hin- weisen!)

- Das klang eben ein bisschen anders.

Jetzt ist Herr Kollege Bratmann von der SPDFraktion an der Reihe. Bitte!

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Rund jeder sechste Schüler in der Bundesrepublik Deutschland und rund 10 % der Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen geben an, schon mal Opfer von Mobbingattacken gewesen zu sein.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Kolleginnen und Kollegen: Bei mir liegt die Schulzeit schon etwas länger zurück. Ich frage mich manchmal: Wie war das damals? Gab es das damals auch schon? Der Begriff Mobbing ist ja seit ungefähr 20 Jahren geläufig. Gab es schon zu unserer Schulzeit Mobbing? - Ich glaube, dass das der Fall war. Es hieß nur anders; es wurde nur anders bezeichnet. Aber jeder, der sich an die eigene Schulzeit zurückerinnert, dürfte Erinnerungen daran haben, dass es Schülerinnen und Schüler gab, die über einen längeren Zeitraum gezielt ausgegrenzt wurden, die über einen längeren Zeitraum verächtlich gemacht und gedemütigt wurden.

Genau das bezeichnet man heute als Mobbing. Nicht jeder Konflikt ist als Mobbing einzustufen; nicht jede Auseinandersetzung in der Schule fällt darunter. Mobbing geschieht immer über einen längeren Zeitraum. Es hat immer zum Ziel, jemanden langfristig auszugrenzen, zu demütigen und verächtlich zu machen.

Das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir hier geschlossen mit diesem Antrag ein Signal senden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Wichtig und interessant ist auch, sich mit Schilderungen von Betroffenen auseinanderzusetzen.

Es hat damit angefangen, dass Mitschüler sich über mein Aussehen lustig gemacht haben. Später wurden mir die Hände festgehalten und eine Mülltonne auf dem Kopf gesetzt. - Das sagt eine Viertklässlerin aus Niedersachsen.

Eine andere Schülerin, 16 Jahre alt, sagt: Ich konnte mich nicht mehr auf die Hausaufgaben konzentrieren. Immer wieder habe ich in den WhatsApp-Kanal geklickt, immer wieder auf mein Facebook-Profil und bei Instagram geguckt, ob meine Mitschülerinnen und Mitschüler nicht schon wieder etwas Neues über mich gepostet haben.

Diese Beispiele verdeutlichen den Schaden, der besonders bei jungen Menschen entsteht, wenn sie Opfer von Mobbingattacken werden. Psychi

sche Langzeitschäden, mit denen es den Geschädigten schwerfällt, soziale Bindungen aufzubauen, sind dabei leider keine Seltenheit. Aggressives Verhalten und Selbstverletzungen, im schlimmsten Fall bis zur Selbsttötung, können das Ergebnis solcher Mobbingattacken sein.

Während Mobbing in den unteren Klassenstufen meist in einer physischen Auseinandersetzung beobachtet werden kann, gibt es bei den älteren Schülerinnen und Schülern häufig das Phänomen des sogenannten Cybermobbings zu beobachten.

Der Kollege Försterling und andere haben es hier schon angesprochen. Cybermobbing hat eine ganz andere Qualität, weil der Zugriff für die Lehrkräfte, für die Mitschülerinnen und Mitschüler und alle die, die am Prozess im Bereich der Schule beteiligt sind, natürlich viel schwieriger ist. Wir erleben häufig, dass Schülerinnen und Schüler morgens völlig aufgelöst in der Schulklasse sitzen, dass ein Konflikt entstanden ist, obwohl er in der Klasse gar nicht beobachtbar war, und dieser Konflikt hat seine Ursache in dem, was am Wochenende oder nach Schulschluss in sozialen Netzwerken stattgefunden hat.

Das zeigt, dass wir mit den üblichen Instrumenten, mit denen an Schule gearbeitet wird, dem nicht mehr gerecht werden können, dass wir neue Instrumente brauchen und dass wir vor allen Dingen - auch das ist schon gesagt worden - im Bereich der Prävention und im Bereich der Sensibilisierung noch einiges aufzuholen haben, auch wenn in diesem Zusammenhang bereits viel passiert ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Viele Eltern von betroffenen Schülern - das gilt im Übrigen auch für die Eltern der Täter - sind ratlos ob des Verhaltens, und viele Lehrkräfte sind damit häufig überfordert, weil sie nicht die Möglichkeiten haben, direkt zuzugreifen, direkt in Erfahrung zu bringen, was die Ursachen dieser Mobbingattacken sind. Von daher ist es wichtig, dass wir mit diesem gemeinsamen Entschließungsantrag jetzt Dinge auf den Weg bringen, die zwar nicht das Phänomen Mobbing beenden werden, die aber den Schülerinnen und Schülern und vor allen Dingen den Lehrkräften mehr Handwerkszeug an die Hand geben, um diesem Phänomen entgegenzutreten.

Ich finde es ganz wichtig, dass wir das in großer Geschlossenheit tun - zusammen mit unserem Koalitionspartner, der CDU, aber auch mit der Fraktion der FDP, von der der Anstoß kam, und den Grünen.

Die AfD spielt ja eine ganz besondere Rolle. Das ist ja auch von meinem Vorredner Lasse Weritz schon angesprochen worden. Wir gedenken heute Morgen, lieber Kollege Rykena, der Opfer des Holocausts. Was macht die AfD? Die Antwort der AfD ist: Sie spricht über sich selbst als Opfer.

(Klaus Wichmann [AfD]: Das war ein ganz anderer Punkt!)

Wir reden heute Abend über die Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen, die Opfer von Mobbing werden, und natürlich auch über die Täter. Und was macht die AfD? Sie spricht in erster Linie über sich selbst als Opfer. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist wirklich bezeichnend, das ist unwürdig und der Sache einfach nicht angemessen.