Denn die AfD hat sich ja zu diesen Instrumenten im Ausschuss enthalten. Sie hat kein Wort zur Verfassungswidrigkeit gesagt.
Herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage im Hinblick auf Ihre Bemerkung zur angeblichen Verfassungswidrigkeit zulassen.
Stimmen Sie mir zu, dass das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich erklärt hat, dass die Übergangsfristen für die Neuregelung der anlasslosen Kontrollen bis zum Ende des Jahres 2019 durchgeführt werden müssen, und halten Sie diesen Vorwurf dann trotzdem aufrecht?
Ich stelle erst einmal fest, dass Sie an Ihrem alten Gesetz, das Sie ja in einem Schnellverfahren vor einem halben Jahr beschlossen haben, jetzt schon Nachbesserungen vornehmen, u. a. aufgrund von verfassungsrechtlichen Urteilen. Aber Sie machen das ja noch nicht einmal jetzt verfassungsgemäß - ich werde dazu gleich aus der Vorlage des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes und aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zitieren -, sondern das bleibt weiterhin mangelhaft, indem Sie bei der Schleierfahndung den konsequenten Grenzbezug nicht richtig aufführen.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 entschieden, dass es diesen klaren Grenzbezug geben muss. Sie beziehen das nicht nur auf Bundesautobahnen, wie es der GBD vorgelegt hat, sondern weiten das auch auf eine Bundesstraße bei Stuhr oder bei Bad Gandersheim aus. Bad Gandersheim liegt in Südniedersachsen. Wie Sie auf dieser 13 km langen Strecke internationale Kriminalität feststellen wollen, bleibt schleierhaft. Von daher teilen wir die Kritik auch der Datenschutzbeauftragten an diesen Empfehlungen.
Sie haben übrigens auch die JI-Richtlinie der EU noch nicht umgesetzt. Beim letzten Mal haben Sie angekündigt, dass Sie das jetzt aufgreifen. Dabei geht es um den Datenschutz in der Verwaltung bei Polizei und Justiz. Das wollten Sie bei der nächsten Novelle umsetzen. Ich finde das hier aber nicht.
Wenn Sie nicht eine solche große Angst davor hätten, dass ein Gericht darüber entscheidet, dann könnten Sie uns ja jetzt endlich entweder die Unterstützungsstimmen geben oder den Anträgen von Grünen und FDP folgen, sodass wir eine Normenkontrollklage in diesem Bereich erheben könnten. Das wäre wirklich im Sinne des Rechtsstaates und der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger.
Ansonsten kommt die nächste Novelle mit Sicherheit. Das ist aber keine Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, sondern das ist ein schlechter Tag für die Bürgerrechte in Niedersachsen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer. - Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Marco Genthe. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wird vermutlich traurige Tradition werden, dass wir in diesem Niedersächsischen Landtag regelmäßig das Polizeigesetz diskutieren müssen. Das Gesetz weist derart viele Fehler auf, dass die Große Koalition gezwungen ist, ständig Reparaturmaßnahmen durchzuführen.
Meine Damen und Herren, das Polizeigesetz bleibt eine niedersächsische Großbaustelle zulasten der Bürgerrechte.
Positiv ist zunächst, dass verschiedene Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes umgesetzt werden - wenn auch nicht in letzter Konsequenz. So beinhaltet auch diese Novelle weitere verfassungsrechtliche Risiken. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat während der Ausschussberatung sowohl im Rechtsausschuss als auch im Innenausschuss ganz deutlich darauf hingewiesen, aber er wurde - übrigens genauso wie die Landesdatenschutzbeauftragte - schlicht übergangen.
Meine Damen und Herren, das betrifft insbesondere die Einbeziehung sämtlicher Bundesfernstraßen - eben wurde es schon diskutiert - in § 12 Abs. 6 des Gesetzentwurfs. Das Bundesverfassungsgericht wollte die dort geregelten Kontrollmöglichkeiten der Polizei nur auf Straßen zulassen, die tatsächlich einen Grenzbezug haben. Im Polizeigesetz sollen nun alle Bundesfernstraßen erfasst sein, egal, ob sie einen Grenzbezug haben oder nicht. Das geht schlicht über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus. Das Gericht wollte eben keine flächendeckenden Kontrollmöglichkeiten an dieser Stelle zulassen.
Meine Damen und Herren, in Niedersachsen gibt es allein 71 Bundesstraßen, teilweise rein regionaler Art, also ohne jeden Grenzbezug. Hinzu kommen 31 Bundesautobahnen bzw. Bundesautobahnabschnitte. Die Kontrollmöglichkeiten auf alle diese Straßen auszudehnen, ist schlicht und ergreifend verfassungswidrig.
Somit wird deutlich, dass auch dieser Reparaturversuch das Polizeigesetz nicht verfassungsgemäß macht. Ganz im Gegenteil: Es kommen weitere Probleme hinzu.
Mindestens zweifelhaft bleiben auch die Regelungen zur Datenerhebung und zum Datenabgleich. Hier geht es um Daten, die ursprünglich einmal zur Gefahrenabwehr erhoben wurden, dann aber zur Strafverfolgung genutzt werden. Auch insoweit wurden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes nicht übernommen. Insbesondere fehlt es an einer Beschränkung auf Straftaten mit erheblicher Bedeutung, deren Verfolgung von erheblichem öffentlichem Interesse ist.
Davon abgesehen bleibt das gesamte Gesetz - da stimme ich Herrn Kollegen Meyer völlig zu - u. a. aufgrund der Länge der Präventivhaft, des Prerecordings und der immer noch nicht vollständig umgesetzten JI-Richtlinie insgesamt verfassungswidrig bzw. europarechtswidrig.
Meine Damen und Herren, es wäre wünschenswert, solche Gesetze würden handwerklich vernünftig vorbereitet, damit man nicht im Nachhinein versuchen muss, durch immer neue Änderungen Verbesserungen herbeizuführen. Gerade bei solch wichtigen Gesetzen wie einem Polizeigesetz haben die Bürger und übrigens auch die Polizisten unseres Landes mehr Professionalität verdient.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Genthe. - Für die AfD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Christopher Emden zu Wort gemeldet. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Teil 1 dessen, was vorhersehbar war! Wir dürfen jetzt wahrscheinlich in aller Regelmäßigkeit immer wieder Nachbesserungen vornehmen an einem Gesetz, das in hohem Maße verfassungswidrig ist. Genau das war zu erwarten.
Eines verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht: Wir haben im Mai dieses Jahres die Gesetzesnovelle verabschiedet. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes, die jetzt Eingang gefunden haben und Auslöser dafür waren, dass wir erneut darüber sprechen bzw. eine Gesetzesänderung vornehmen müssen, wurden im Februar dieses Jahres veröffentlicht. Das heißt, man hätte durchaus noch die Zeit gehabt, sie schon einzuarbeiten. Nicht einmal das hat man getan, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das ist ein Beispiel dafür, wie Politik nicht laufen sollte. Ich erinnere auch noch einmal an die Ausschussberatungen und daran, in welch unglaublicher Vielzahl der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst darauf aufmerksam gemacht hat, dass Verfassungswidrigkeiten in diesem Gesetzentwurf vorhanden sind. Es wurde einfach darüber hinweggegangen; das wurde schlicht nicht umgesetzt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Hauptantrieb für mich, in die Politik zu gehen, war die Wahrung und der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Verfassung. Insofern tut es mir wirklich weh, wenn ich sehen muss, dass hier ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz nicht entsprechend nach Bückeburg getragen wird, dass man also - trotz der Lippenbekenntnisse, die wir von FDP und Grünen immer wieder hören dürfen - nicht bereit ist, zu sagen: Ja, wir als Opposition arbeiten zusammen. Was soll man als Opposition auch sonst machen - gerade wenn man einer Großen Koalition gegenübersteht? Wir arbeiten zusammen, und wir lassen dieses Gesetz gemeinsam überprüfen. - Und dass dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Begründung noch so fadenscheinig und wirklich absurd daherkommt nach dem Motto „Mit denen arbeiten wir nicht zusammen, die sind verfassungsfeindlich unterwegs“, ist wirklich unfassbar.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eines muss man sich einmal überlegen: Wer, bitte, tritt denn hier die Verfassung mit Füßen? - Doch nicht derjenige, der sagt: „Wir lassen das überprüfen, weil es verfassungswidrig ist“, sondern diejenigen, die sagen: „Nein, wir wollen mit gewissen Leuten nicht zusammenarbeiten, und deshalb lassen wir es eben nicht überprüfen, sondern tun schlicht gar nichts“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier sieht man doch ganz eindeutig, wer sich als Verteidiger der Verfassung und als Verteidiger des Rechtsstaates einsetzt, nämlich unsere Fraktion hier, und wer genau das Gegenteil tut und es bei Lippenbekenntnissen belässt, nämlich die FDP und die Grünen. Stattdessen sollten Sie endlich sagen: Wir treten hier zusammen auf und führen diese Verfassungsklage bzw. diesen Normenkontrollantrag - um den geht es ja faktisch - in Bückeburg zum Erfolg. - Denn das könnten wir. Wir alle wissen doch ganz genau, dass das, was wir hier heute beraten, nur ein Teilaspekt der Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes ist.
Eines kommt erschwerend hinzu, meine sehr verehrten Damen und Herren - das wurde von meinen Vorrednern auch schon angesprochen -: Die Große Koalition hat es noch nicht einmal vermocht, diese erste Änderung des niedersächsischen Polizeigesetzes verfassungskonform zu gestalten. Denn in der Tat, wenn man sich die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes durchliest, stellt man fest: Die wollten etwas ganz anderes, was die Kontrollen auf den Fernstraßen anbetrifft. Es fehlt am Grenzbezug, und der ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes elementar notwendig.
Das heißt also, nicht einmal diese Novelle, über die wir hier heute abstimmen, wird aller Wahrscheinlichkeit nach verfassungsrechtlich halten können. Das Ganze hier ist eine einzige Katastrophe. Jeder, der sich in diesem Land für die Verfassung und die Menschenrechte einsetzt, dem blutet in Anbetracht dessen, was hier mit diesem niedersächsischen Polizeigesetz passiert, das Herz.
Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Sebastian Lechner. Bitte schön, Herr Lechner!
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Mai dieses Jahres eine gute, eine wegweisende, eine die Sicherheit dieses Landes erhöhende und eine verfassungsgemäße Polizeireform erlassen.
(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der FDP und bei den GRÜNEN - Christian Meyer [GRÜNE]: Das glau- ben Sie doch wohl selbst nicht!)
dass wir eine verfassungswidrige Polizeigesetzreform erlassen haben. Denn die von Ihnen angesprochenen Paragrafen, um die es heute geht, wurden ausdrücklich von der Polizeigesetzreform im Mai nicht umfasst. Und wenn etwas, was nicht
umfasst ist, verfassungswidrig ist, kann es nicht das, was umfasst ist, verfassungswidrig machen. Das ist reine Logik. Insofern ist Ihr Argument hier verfehlt.