(Beifall bei der AfD - Jörg Bode [FDP]: Hauptsache, Sie wissen das! Das wä- re gut! - Heiterkeit bei der FDP und bei den GRÜNEN)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich diesen Antrag anschaut und sich vor allem anschaut, von welcher Seite er kommt, dann entbehrt das nicht einer gewissen Ironie.
Ausgerechnet die Partei, deren Jugendorganisation sich hier in Niedersachsen aufgelöst hat, nachdem sie vom niedersächsischen Verfassungsschutz zum Beobachtungsobjekt bestimmt wurde, ausgerechnet die Partei, deren extremistischer Arm „Der Flügel“ vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsobjekt eingestuft wird, ausgerechnet die Partei, deren Vorsitzender in Thüringen, Björn Höcke, sogar nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen als Faschist bezeichnet werden durfte, ausgerechnet diese Partei
Es überrascht deshalb kaum, meine Damen und Herren: Der vorliegende Entwurf ist fachlich in jeder Hinsicht völlig ungeeignet. Wesentliches Ziel ist die Ausgliederung der Verfassungsschutzabteilung in ein neu zu gründendes Landesamt für Verfassungsschutz. Sie versuchen mit diesem Antrag einmal mehr - das ist ja in Ihrer politischen DNA so angelegt -, die Uhren weit zurückzudrehen. Schon 2007 wurden die Aufgaben des Verfassungsschutzes von einem Landesamt in eine Abteilung des Innenministeriums integriert. Das geschah aus gutem Grund, und das hat sich längst bewährt. Im Übrigen an Ihre Adresse: Sie haben das Bundesamt und seinen neuen Präsidenten kritisiert. Wenn ich richtig informiert bin, ist das Bundesamt ein selbstständiges Amt. Das hat nicht verhindert, was Sie kritisiert haben. Das alles ist schon sehr merkwürdig.
Durch die Integration des Verfassungsschutzes in das Innenministerium konnten nämlich - das war der Erfolg - Schnittstellenprobleme in der Zusammenarbeit mit der Fachaufsicht erfolgreich beseitigt werden. Die Arbeit wurde erheblich verbessert. Informationswege wurden deutlich verkürzt. Eine erneute Ausgliederung des Verfassungsschutzes und eine Wiedereinführung der Fachaufsicht würden diese Verbesserungen und Synergieeffekte wieder zunichtemachen. Das würde, um es ganz klar zu sagen, den Verfassungsschutz schwächen. Und das ist das Letzte, was wir in dieser Zeit brauchen. Aber vielleicht ist das ja auch Ihre Absicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die Forderung nach mehr Verwaltungskontrolle ist nicht nachvollziehbar. Der Verfassungsschutz
handelt nicht im rechtsfreien Raum. Er ist wie der Rest der Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden und hält sich daran. Er kommt seinem klar definierten und beschriebenen gesetzlichen Auftrag nach. Dabei unterliegt er natürlich einer umfassenden Kontrolle - nicht nur durch den Landtag und seine Ausschüsse, sondern auch durch die Landesbeauftragte für den Datenschutz, die Gerichte und den Landesrechnungshof.
Zusätzlich wird er - Herr Dr. Birkner hat zu Recht darauf hingewiesen - durch die Presse und auch durch die Bürgerinnen und Bürger des Landes Niedersachsen kontrolliert. Und ja, man kann - - - Nein, das schenke ich mir.
Weder ein dem Innenministerium nachgeordnetes Landesamt noch ein parteiloser Volljurist als Behördenleiter würden in irgendeiner Form zu einer besseren Kontrolle beitragen können, meine Damen und Herren.
Auch die besondere Betonung des Trennungsgebotes zwischen Polizei und Verfassungsschutz im vorliegenden Antrag ist überflüssig, weil es längst Praxis und geltende Rechtslage ist. Das Innenministerium hat für den Verfassungsschutz eine gesonderte Abteilung eingerichtet und entspricht damit bereits voll und ganz dem gesetzlich verankerten Trennungsgebot.
Um meine Redezeit hier nicht überzustrapazieren, kann ich leider nicht auf alle weiteren Fehler, Ungenauigkeiten und Unzulänglichkeiten des vorliegenden Entwurfs eingehen. Nur so viel: Die Oberflächlichkeit des Entwurfs wird an vielen Stellen deutlich, an einer aber ganz besonders: In keiner Weise haben Sie sich mit den Folgen einer Neuorganisation auseinandergesetzt, weder in finanzieller Hinsicht noch in Bezug auf die einzurichtende Fachaufsicht oder die weiteren notwendigen organisatorischen und beamtenrechtlichen Veränderungen. Es ging offenbar nur darum, wieder mal eine Duftmarke zu setzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren der AfDFraktion, die finanziellen und personellen Ressourcen des Verfassungsschutzes sollten dann doch lieber in die tatsächliche Beobachtung und Aufklärung extremistischer Bestrebungen gesteckt werden. Das ist mehr denn je nötig.
Wie wichtig das ist, haben uns erst in diesem Jahr der Mordfall Lübcke oder der perfide Anschlag von Halle schmerzlich vor Augen geführt. Wir brauchen gerade jetzt einen starken, modernen, effektiven und gut arbeitenden Verfassungsschutz.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD in der Drucksache 18/4821 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Damit ist er mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Tagesordnungspunkt 11: Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/4852 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 18/5342 - Schriftlicher Bericht - Drs. 18/5415
Wir beginnen mit der Beratung. Für die SPDFraktion hat sich der Abgeordnete Karsten Becker zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Am 14. Mai dieses Jahres haben wir in diesem Haus ein Gefahrenabwehrgesetz verabschiedet, das den Belangen einer freiheitlichen Gesellschaft ebenso Rechnung trägt wie den Anforderungen einer deutlich veränderten Sicherheitslage.
Bereits während der damaligen Ausschussberatungen war klar, dass auch die Ermächtigungsnormen zum Einsatz automatisierter Kennzeichenlesegeräte angepasst werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht hatte mit zwei, allerdings erst im Februar 2019 veröffentlichten Entscheidungen Teile der polizeilichen Regelungen in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen für nicht mit der Verfassung übereinstimmend erklärt. Wie andere Landesgefahrenabwehrgesetze weist auch die niedersächsische Regelung Parallelen zu den bayerischen, hessischen und baden-württem
Darüber hinaus haben wir auch die grundsätzlichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von verdachts- und ereignisunabhängigen polizeilichen Kontrollen berücksichtigt.
Meine Damen und Herren, gerade in einem europäischen Transitland im Herzen Europas sind diese Kontrollen insbesondere nach dem Fortfall der intereuropäischen Grenzkontrollen eine wichtige taktische Maßnahme, um der grenzüberschreitenden Kriminalität, wie Menschenhandel, Kraftfahrzeugdiebstahl, Einbruchskriminalität und internationaler Terrorismus, wirksame Schranken entgegenzustellen.
Meine Damen und Herren, im Kern geht es also darum, die Kontrollbefugnisse verfassungskonform auszugestalten, ohne die kriminalpräventiven Aspekte substanziell zu schwächen. Dazu werden wir die Örtlichkeiten, an denen diese Kontrollen durchgeführt werden dürfen, an einen konkreten Grenzbezug binden, etwa durch Festschreibung einer räumlichen Tiefe von 30 km zur Landesgrenze oder durch eine Beschränkung auf Bundesfernstraßen.
Darüber hinaus wird sowohl für die Durchführung ereignis- und verdachtsunabhängiger Kontrollen als auch den Ansatz des automatisierten Kennzeichenlesegerätes eine Dokumentationspflicht eingeführt, in der Art bzw. Zweck, Ort, Umfang und die Dauer der Maßnahmen sowie die wesentlichen Gründe für die Installierung dieser Maßnahmen einschließlich der zugrunde liegenden Lageerkenntnisse schriftlich aufzuführen sind. Das, meine Damen und Herren, stärkt auch die Transparenz und Akzeptanz polizeilicher Maßnahmen im Land.
Meine Damen und Herren, wir meinen, dass die Einschränkung polizeilicher Kontrollmöglichkeiten gerechtfertigt ist, da naturgemäß verdachtsunabhängige Kontrollen in der Mehrzahl Menschen betreffen, die durch ihr Verhalten keinen Anlass für diese Kontrollen gegeben haben. Insofern ist es auch durchaus angemessen, diese Kontrollen sowohl räumlich als auch auf jene Fälle zu beschränken, in denen konkrete Lageerkenntnisse bestehen.
Meine Damen und Herren, ein letzter Aspekt: Im Hinblick auf die Gegenstimmen der Oppositionsparteien im Ausschuss greife ich einen Gesichtspunkt auf, den wir im Ausschuss uneinheitlich ab
gewogen haben, nämlich die Frage der konkreten räumlichen Beschränkung der ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen auf Bundesfernstraßen, also auf Autobahnen und Bundesstraßen.
Meine Damen und Herren, eine Beschränkung der Kontrollen auf Autobahnen reicht nach unserer Überzeugung ausdrücklich nicht aus. Zum einen ließen sich autobahngebundene Kontrollen über gut ausgebaute Bundesstraßen zu leicht umgehen. Zum anderen sind in etlichen von grenzüberschreitender Kriminalität betroffenen Gebieten in unserem Bundesland überhaupt keine Autobahnen vorhanden. Es wäre ja schlechterdings nicht akzeptabel, wenn die Wirksamkeit polizeilicher Kriminalprävention in einem überwiegend ländlich geprägten Bundesland wie Niedersachsen vom Vorhandensein einer herausgehoben leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur abhängig wäre. Entscheidend muss vielmehr sein, ob tatsächlich grenzüberschreitender Verkehr stattfindet.
Meine Damen und Herren, nach unserer festen Überzeugung reichen die installierten Ermächtigungsschranken im Gesetz vollkommen aus, um willkürliche Kontrollen zu verhindern. Unter den Voraussetzungen, dass es sich um erhebliche Kriminalität mit Grenzbezug handeln muss, dass entsprechend konkrete Lageerkenntnisse vorliegen müssen und dass diese Voraussetzungen schriftlich zu dokumentieren sind, ist sichergestellt, dass keine willkürlichen Kontrollen stattfinden können.
Meine Damen und Herren, diese Gesetzesnovelle ist ein gelungener Kompromiss, den wir mit voller Überzeugung Ihrer Zustimmung empfehlen.
Vielen Dank, Herr Kollege Becker. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Christian Meyer das Wort. Bitte, Herr Meyer!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Endlich räumt die GroKo ein, dass ihr Polizeigesetz verfassungswidrig ist - das haben wir hier als Opposition immer gesagt -,
setzentwurf vornehmen: bei der Schleierfahndung und automatisierten Kennzeichenerfassung. Bei der Präventivhaft und beim Staatstrojaner machen Sie das aber nicht. Umso wichtiger wird es sein, dass wir da endlich zu einer verfassungsrechtlichen Überprüfung kommen.
Ich kann an dieser Stelle nur noch einmal an SPD und CDU appellieren, die Oppositionsrechte z. B. durch eine Senkung der Schwellen für eine Normenkontrollklage zu stärken.
Denn die AfD hat sich ja zu diesen Instrumenten im Ausschuss enthalten. Sie hat kein Wort zur Verfassungswidrigkeit gesagt.