Protocol of the Session on December 16, 2019

Zu Wort gemeldet hat sich Innenminister Boris Pistorius. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als wir im Mai dieses Jahres das Niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz verabschiedet haben, habe ich hier gesagt: Das ist ein guter Tag für die Sicherheit in Niedersachsen. - Ich habe auch gesagt: Das ist ein guter Tag für die Wahrung von Freiheit und die gleichzeitige Gewährleistung von Sicherheit. - Meine Damen und Herren, um nicht weniger geht es auch heute.

Anlass für den vorliegenden Gesetzentwurf ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die im Februar dieses Jahres veröffentlicht wurde. Zu diesem Zeitpunkt war unsere NPOG-Novelle schon in vollem Gange. Wir wollten sie verabschieden, Herr Emden, und das für die Sicherheit der Menschen in unserem Land so wichtige Gesetzesvorhaben nicht noch weiter verzögern. Aber wir haben von Anfang an versprochen: Noch in diesem Jahr werden wir eine Novelle verabschieden, in der die neue Rechtsprechung des Bundes

verfassungsgerichts berücksichtigt wird. - Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf halten wir natürlich Wort.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Die Normen zur verdachtsunabhängigen Kontrolle und zum Einsatz automatisierter Kennzeichenlesesysteme sind nun rechtssicher. Das ist ganz sicher kein Skandal, und es geht auch nicht darum, irgendwelche Fehler zu korrigieren. Das ist Handeln im Sinne der Gewaltenteilung, und daran halten wir uns, meine Damen und Herren.

Grundsätzlich ist klar: Sowohl die Schleierfahndung als auch der Einsatz von automatisierten Kennzeichenlesegeräten können wichtige Maßnahmen sein, um Straftätern das Handwerk zu legen. Klar ist aber auch: Sie müssen rechtssicher sein.

Bei einigen Kritikpunkten, meine Damen und Herren, die wir heute und bereits im Vorfeld dieser Sitzung zu hören bekommen haben, habe ich mich aber schon gefragt, ob diejenigen, von denen diese Kritik kommt, den vorliegenden Entwurf überhaupt gelesen oder an den Ausschusssitzungen teilgenommen haben. Um es ganz klar zu sagen: Es geht in dem vorliegenden Gesetzentwurf ausdrücklich nicht darum, die Befugnisse der Polizei weiter auszubauen, und es geht auch nicht um eine Verschärfung des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes. Ganz im Gegenteil: Es geht hier um strenge rechtliche Regelungen, die genau festlegen, wann automatische Kennzeichenlesegeräte eingesetzt werden dürfen und wann nicht.

Lassen Sie mich einige Beispiele nennen.

Erstens. Zur Gefahrenabwehr dürfen Kennzeichenlesegeräte nur noch bei einer sogenannten erheblichen Gefahr eingesetzt werden. Das heißt, es geht beispielsweise um Fälle, in denen Leib, Leben oder Freiheit gefährdet sind.

Zweitens. Der Einsatz von Kennzeichenlesegeräten wird örtlich klar begrenzt. Sie können eben nicht einfach überall in Niedersachsen genutzt werden. Im Fokus steht die grenzüberschreitende Kriminalität. Das haben wir jetzt mehrfach gehört. Das heißt konkret, diese Technik kann nur in einem Radius von 30 km ab der Landesgrenze sowie auf Bundesfernstraßen, Europastraßen oder im Umfeld von Flughäfen und Bahnhöfen genutzt werden.

Drittens. Es ist ausdrücklich verboten, die Geräte flächendeckend und zeitlich unbefristet einzusetzen.

Viertens. Die erfassten Daten dürfen nicht einfach mit jeder vorhandenen Datenbank der Sicherheitsbehörden abgeglichen werden. Auch hier muss streng zweckbezogen vorgegangen werden.

Fünftens. Der Einsatz des Kennzeichenlesegerätes muss in Zukunft schriftlich angeordnet werden. Durch eine umfassende Dokumentationspflicht wird sichergestellt: Es kann auch im Nachhinein transparent geprüft werden, ob der Einsatz rechtmäßig war.

Meine Damen und Herren, ich denke, an allen diesen Beispielen wird deutlich - die Beispiele sprechen für sich -: Wir haben ein rechtsstaatlich sicheres Verfahren erarbeitet, das praxisgerecht ist und gleichzeitig den hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird. Das muss unser Anspruch sein.

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Birkner zu?

Aber gern.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass der Kollege Lechner eben ausgeführt hat, dass er angesichts sich wandelnder technischer Anforderungen einen permanenten Nachbesserungsbedarf beim Polizeigesetz sieht, möchte ich Sie fragen, ob Sie diese Auffassung teilen und ob wir jetzt damit rechnen müssen, dass Sie in regelmäßigen Abständen mit Novellen zum Polizeigesetz kommen werden?

(Beifall bei der FDP)

Damit müssen Sie nicht rechnen, lieber Herr Dr. Birkner. Das Polizeigesetz wird dann angepasst, wenn Anpassungen erforderlich sind, und darüber wird es politische Gespräche geben. Es wird die angekündigten Änderungen zum europäischen Datenschutz, zum Datenaustausch und zur JI-Richtlinie geben. Darüber hinaus sehe ich jedenfalls aktuell keinen weiteren Bedarf für Änderungen des Polizeigesetzes.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gehen wir sogar noch einen Schritt weiter, als es das Bundesverfassungsgericht fordert. Wir haben zusätzlich die Vorschriften zur Schleierfahndung konkretisiert. Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht mit den Voraussetzungen der Schleierfahndung gar nicht explizit beschäftigt, aus der Rechtsprechung haben wir aber grundlegende Feststellungen abgeleitet, die sich eben auch auf die Regelungen der Schleierfahndung übertragen lassen.

Wie bei der Kennzeichenlesekontrolle geht es vor allem darum, einen konkreten Rahmen für die Einsatzmöglichkeiten zu setzen. Auch bei der Schleierfahndung stehen die Orte, an denen verdachtsunabhängig kontrolliert werden darf, ausdrücklich fest. Es sind nahezu die gleichen, an denen Kennzeichenlesekontrollen stattfinden dürfen, nämlich solche mit dem genannten Grenzbezug.

Zusätzlich dürfen ausdrücklich nur noch Personen kontrolliert werden, bei denen es einen konkreten Verdacht gibt, dass sie bei grenzüberschreitender Kriminalität mitwirken.

Ich will ausdrücklich betonen, diese Einschränkungen haben längst nicht alle Länder bei der Umsetzung der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts genauso sorgfältig vorgenommen wie wir.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Entwurf machen wir das Niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz verfassungssicher. Wir haben die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit auch mit diesem Gesetz gewahrt. Deswegen ist eben auch dieser Tag ein guter Tag für die Wahrung der Freiheit und der Gewährleistung von Sicherheit sowie der Garantie von Rechtssicherheit in diesem Land. Ich bitte um Zustimmung zu dem Gesetz.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen jetzt zur Einzelberatung. Ich rufe auf:

Artikel 1. - Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer dem so zustimmen möchte, möge das Handzeichen geben. - Gegenstimmen? - Na, da sind die Hände doch etwas deutlicher oben.

(Christian Meyer [GRÜNE]: CDU höchstens drei Stimmen! CDU steht nicht hinter Polizeigesetz!)

Stimmenthaltungen? - Damit ist mehrheitlich der Änderungsempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

(Unruhe)

- Wir befinden uns in der Abstimmung!

Artikel 2. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf in der geänderten Fassung zustimmt, der möge aufstehen. - Gegenstimmen?

(Christian Meyer [GRÜNE]: Die CDU scheint das Polizeigesetz nicht so wichtig zu nehmen!)

Stimmenthaltungen? - Damit ist das mehrheitlich so beschlossen.

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, möchte ich Ihnen mitteilen, dass sich die Parlamentarischen Geschäftsführer darauf verständigt haben

(Unruhe)

- Kollege Meyer, ich habe vielleicht etwas Erfreuliches für die Gestaltung des weiteren Abends mitzuteilen; es wäre schön, wenn Sie zuhören würden -, dass die Tagesordnungspunkte 13 und 15 heute abgesetzt und im Januar-Plenum behandelt werden.

Jetzt rufe ich auf den

Tagesordnungspunkt 12: Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung schulrechtlicher Vorschriften - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 18/4471 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 18/5347 neu - Schriftlicher Bericht - Drs. 18/5416

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf mit Änderungen anzunehmen.

Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen einig, dass dieser Gesetzentwurf ohne allgemeine Absprache verabschiedet werden sollte. Im Rahmen der Umverteilung der Redezeiten haben jedoch

mehrere Fraktionen mitgeteilt, dass sie Beratungszeit in Anspruch nehmen möchten.

Wir steigen daher in die Beratung ein. Für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Björn Försterling zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Försterling!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen der ersten Beratung dieses Gesetzentwurfs habe ich deutlich gemacht, dass es möglicherweise eher ein Gesetzentwurf ist, der etwas unkritischer zu sehen ist, ja zumindest nicht ganz so schulideologisch geprägt ist wie vielleicht manch andere Änderung des Schulgesetzes.