Protocol of the Session on December 16, 2019

umfasst ist, verfassungswidrig ist, kann es nicht das, was umfasst ist, verfassungswidrig machen. Das ist reine Logik. Insofern ist Ihr Argument hier verfehlt.

(Unruhe - Dr. Marco Genthe [FDP]: Es verfassungswidrig zu lassen, macht es aber auch nicht besser!)

Einen Moment, Herr Abgeordneter Lechner! - Ich möchte unsere Kollegen bitten, etwas ruhiger und leiser zu sein. Ich kann manche hier oben besser verstehen als Sie. Und ich würde gern Ihrem Wortbeitrag lauschen können. - Ich denke, das funktioniert jetzt.

Bitte schön!

Wir haben damals ausdrücklich gesagt, dass die beiden Paragrafen, um die es hier geht, nicht umfasst sein werden, wir sie aber innerhalb der Frist des Bundesverfassungsgerichtes bis Ende dieses Jahres verfassungskonform aufstellen werden.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Und was ist mit der JI-Richtlinie?)

Genau das machen wir jetzt mit dieser Reform. Wir halten Wort. Wir machen das, was wir zugesagt und versprochen haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben, um das gleichzeitig zu sagen, in dem gleichen Redebeitrag - den kann man ja noch nachlesen - gesagt, dass wir die JI-Richtlinie im nächsten Jahr zusammen mit der Regelung des europäischen Datenaustausches umsetzen werden. Und wir werden das auch genauso einhalten, wie wir die Zusage zu diesem Paragrafen eingehalten haben.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wer sich auf euch verlässt, ist verlassen! - Jörg Bode [FDP]: Das kommt aber auf dem letzten Meter!)

Es stimmt eben nicht, dass das, was wir heute regeln, nicht verfassungsgemäß sei, Herr Meyer; denn das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich bejaht, dass Bundesautobahnen und Europastraßen zulässig sind. Es hat aber nicht gesagt, dass Bundesfernstraßen nicht zulässig sein könnten. Dieser Umkehrschluss ist einfach nicht zulässig.

Jetzt frage ich Sie einfach mal: Wir sind hier in dem Bereich, in dem es um Schleierfahndung, um automatische Kennzeichenlesegeräte und um

Kontrollstellen geht. Diese setzen wir ein, um erhebliche Straftaten wie internationalen Drogenschmuggel und grenzüberschreitende Schlepperei sowie Einbruchsbanden zu bekämpfen. Wenn wir das nur auf Bundesautobahnen und Europastraßen tun könnten, dann ist doch klar - in Niedersachsen gibt es viele Fernstraßen, die genau für diese Kriminalität genutzt werden -, dass das umgangen wird. Dann ist schon völlig klar, wohin die Kriminalität flieht. Diese rechtsfreien Räume wollen wir nicht dulden, und deswegen nehmen wir die Bundesfernstraßen natürlich mit hinein.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Das ist auch ausdrücklich zulässig; denn der GBD hat eben nicht davon gesprochen, dass das in irgendeiner Weise verfassungsrechtlich bedenklich oder gar verfassungswidrig sein könnte.

Das heißt, im Kern bleibt von Ihren Vorwürfen, die Sie eben schon wieder formuliert haben, nicht wirklich viel übrig. Sie haben gesagt, dass unser Polizeigesetz wegen dieser beiden Paragrafen verfassungswidrig sei.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Unter ande- rem!)

Die reformieren wir jetzt. Sie haben angedeutet, es könnte verfassungswidrig sein - Einigen wir uns darauf, Herr Birkner! - wegen der Präventivhaftlänge, obwohl wir damals auch schon mit den 14 Tagen und den 7 Tagen auf die Verfassungsgerichtsrechtsprechung abgestellt haben.

Sie haben gesagt, das Prerecording könnte verfassungswidrig sein, obwohl wir Ihnen damals schon ganz klar - auch mit Segen des GBD - nachgewiesen haben, dass das eben keine verfassungswidrige Regelung ist. Am Ende bleiben im Kern kaum - bis gar keine - Punkte übrig, die noch überprüfungsbedürftig wären.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das reicht aber nicht!)

Das Einzige, woran Sie immer herumkritisieren, ist die Onlinedurchsuchung und die Quellen-TKÜ. Die sind ganz besonders - das ist Ihre Meinung. Bis heute habe ich nicht gehört, wie Sie eigentlich diesen Kriminalitätsphänomenen und dem Umstand begegnen wollen, dass wir als Staat - wenn wir diese Instrumente nicht nutzen könnten - bei

80 % der Kommunikation, die heute unter Kriminellen stattfindet, im Grunde genommen blind wären.

Wir als CDU wollen uns diese Sicherheitslücken nicht leisten. Wir wollen, dass die Polizei und der Verfassungsschutz auch in digitalen Zeiten genauso schlagkräftig sind, wie sie es in analogen Zeiten waren. Deswegen werden wir diese Instrumente eher ausweiten, als dass wir sie einschränken werden.

(Beifall bei der CDU - Jörg Bode [FDP]: Auch wenn es verfassungswid- rig wäre?)

Sie können uns gerne ominöse Briefe schreiben, in denen Sie uns verleiten wollen, unser eigenes Reformgesetz vor dem Staatsgerichtshof überprüfen zu lassen.

(Jörg Bode [FDP]: Das habe ich gar nicht geschrieben!)

Ich kann Ihnen aber sagen: Wir investieren hier sehr viel Zeit. Die Mitarbeiter des MI investieren sehr viel Zeit. Der Innenminister investiert sehr viel Zeit. Wir machen eine aus meiner Sicht solide, sehr gute Arbeit, die verfassungskonform ist, die durchdacht ist, und genauso werden wir sie weitermachen. Das ist ein guter weiterer Schritt für ein gutes Polizeirecht in Niedersachsen, und weitere werden folgen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lechner. - Auf Ihren Redebeitrag gibt es jetzt eine Kurzintervention des Abgeordneten Christian Meyer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Sebastian Lechner [CDU]: Das kann ja wohl nicht wahr sein!)

Frau Präsidentin! Herr Kollege Lechner, Sie haben eben behauptet, der GBD habe keine Anmerkungen gemacht und keine verfassungsrechtlichen Bedenken gehabt. Deshalb lese ich Ihnen etwas zu dem Punkt Schleierfahndung vor; da haben Sie ja die Bundesfernstraßen aufgenommen. Der GBD schreibt:

„In der Einbeziehung sämtlicher Bundesfernstraßen liegt ein verfassungsrechtliches Risiko. Das BVerfG fordert die Sicherstel

lung, dass nur Orte mit ‚klarem Grenzbezug‘ für die Kontrollen in Betracht kommen. Es hat diesen Bezug ausdrücklich nur für Bundesautobahnen … und Europastraßen anerkannt … Es ist sehr zweifelhaft, ob darüber hinaus auch sämtliche Bundesstraßen mit den Ortsdurchfahrten … diesen Anforderungen genügen. Nach hiesigen Erkenntnissen gibt es in Niedersachsen 71 Bundesstraßen teilweise rein regionaler Art. So ist z. B. die B 445 rund um Bad Gandersheim gerade mal 13 km lang, die B 332 bei Stuhr ist sogar nur 6 km lang.“

- Das kennt Herr Genthe.

„Hinzu kommt, dass es in Niedersachsen ohnehin bereits 31 Bundesautobahnen bzw. Autobahnabschnitte gibt. Es spricht viel dafür, dass das BVerfG derart flächendeckende Kontrollmöglichkeiten gerade nicht für zulässig erachtet … Wir empfehlen deshalb die Beschränkung auf Bundesautobahnen entsprechend dem Klammerzusatz.“

Sie setzen sich über die Stellungnahme des GBD hinweg und gehen damit ein erhebliches verfassungsrechtliches Risiko ein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Abgeordnete Lechner möchte erwidern. Bitte schön!

Herr Meyer, wortwörtlich stand da drin: „verfassungsrechtliches Risiko“.

(Christian Meyer [GRÜNE]: „Es spricht viel dafür“!)

- Genau: „Es spricht viel dafür“, steht da drin.

Wir haben das im Ausschuss sehr intensiv diskutiert. Ich komme noch einmal darauf zurück: Es steht dort nicht drin, dass das Bundesverfassungsgericht Bundesfernstraßen für unzulässig erklären würde. Und wir haben den Grenzbezug. Es ist eine Mär, wenn hier vorgetragen wird, dass es keinen Grenzbezug gebe.

Herr Meyer, wenn man das im Zusammenhang auch mit dem ersten Absatz liest, wo es darum geht, dass das insgesamt nur anwendbar ist für Straftaten mit Grenzbezug von erheblicher Bedeutung, bedeutet das im Zusammenhang mit dieser Nummer, dass es nur auf Bundesfernstraßen an

gewendet werden darf, wo auch Straftaten mit erheblicher Bedeutung mit Grenzbezug vollzogen werden. Das ist eine Einschränkung, und das sind eben nicht alle Bundesfernstraßen. Deswegen folgen wir hier der Rechtsprechung und sind aus unserer Sicht auf verfassungsgemäßem Boden unterwegs.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Insofern, Herr Meyer: Ich würde mir wünschen, Sie machten Ihren Frieden mit unserer gelungenen Polizeirechtsreform und gäben uns die Chance, miteinander die nächsten Schritte der Polizeirechtsreform zu gehen und intensiv darüber zu debattieren. Denn wir werden dieses Polizeirecht - auch in den nächsten Jahren - immer wieder ändern müssen, weil wir in einer Welt leben, in der allein die Technik dafür sorgt, dass unser Polizeirecht ständig reformiert werden muss.

Insofern sehen wir uns nächstes Jahr wieder, und dann freue ich mich auf eine gute Einbringung durch Sie und Ihre Fraktion.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Zu Wort gemeldet hat sich Innenminister Boris Pistorius. Bitte!