Der zweite Punkt: Sie wollen abwarten, bis das höchste Gericht entschieden hat. - Sich vom Gestalten und vom Reagieren auf gesellschaftliche Problemlagen zu verabschieden und immer nur zu sagen: „Wir warten ab, was ein Gericht sagt“, ist - tut mir leid - eine falsche Auffassung von Politik. Wir haben hier einen Auftrag und sind nicht nur Ausführenden, die abwarten, bis alles über lange juristische Wege geklärt ist.
Verehrte Kollegin Staudte, Ihre Mutmaßungen über das Verhältnis der Koalitionsfraktionen und über die Arbeit innerhalb der Großen Koalition basieren offenbar auf der Vermutung, dass es weiter so läuft, wie es sich am Ende der rot-grünen Mehrheit hier im Niedersächsischen Landtag zugetragen hat.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Dann ist es noch schlimmer, als wir gedacht ha- ben! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Dann ist es doch eine Arbeitsverweigerung! - Glocke des Präsidenten)
Ich kann Ihnen wirklich versichern - ich glaube, ich genieße in diesem Hause eine relativ große Glaubwürdigkeit -, dass insbesondere bei dieser Thematik zwischen die Fraktionen der Großen Koalition kein Blatt Papier passt.
Ihre Einschätzung, dass man nicht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts warten sollte, lässt mich sorgenvoll für den Fall in die Zukunft blicken, dass die Grünen hier in Deutschland mehr zu sagen bekommen. Denn wir leben in einer freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung. Das Verfassungsgericht sollte hier Maßstab dessen sein, was geht und was nicht geht.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Dammann-Tamke. - Damit beenden wir die Beratung und kommen zur Abstimmung.
(Jens Nacke [CDU]: Was die Kollegen von den Grünen da vertreten, ist juris- tisch nicht nachvollziehbar!)
- Herr Kollege Nacke, Sie haben da ein Problem bei sich in der ersten Reihe. Ich kann das nachvollziehen. Aber ich habe auch ein Problem. Ich möchte nämlich gerne abstimmen lassen. Vielleicht können wir erst mein Problem lösen und dann Ihres.
- Ganz schnell machen wir das. Das machen wir alles genau so, wie Sie das möchten, zumindest in diesem Fall.
Meine Damen und Herren, wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/2896 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Beschlussempfehlung ist mit großer Mehrheit gefolgt worden. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist damit abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 30: Abschließende Beratung: Chiplesegeräte flächendeckend einführen - Identifizierung aufgefundener Haustiere ermöglichen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/3607 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drs. 18/5088
Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich dazu die Kollegin Staudte, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte sehr!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Antrag direkt in den Ausschuss eingebracht, der zum Inhalt hat, dass Polizeidienststellen und Straßenmeistereien Chiplesegeräte zur Verfügung gestellt werden sollen, mithilfe derer sie die Chips von Hunden und auch von den vielen gechippten Katzen auslesen können.
Uns ging es dabei um zwei Aspekte, beispielsweise dass Halter von überfahrenen Tieren, die von den Straßenmeistereien am Straßenrand eingesammelt oder von der Fahrbahn entfernt werden, informiert werden können.
Das ist wirklich eine sehr geringe Investition. Es würde den Halterinnen und Haltern wahnsinnig viel bedeuten - das kann sich doch jeder hier vorstellen -, wenn sie einen Anruf bekommen: Ihr Kater ist leider überfahren worden. Wir haben ihn mitgenommen, bzw. er ist da oder dort begraben worden. - Aber diese Information wird jetzt verweigert.
Sie alle kennen doch auch die Suchanzeigen in den Anzeigenblättchen mit Fotos von Haustieren, in denen über Monate hinweg immer wieder inseriert wird, weil die Leute mit dieser Ungewissheit einfach nicht klarkommen.
Dann geht es natürlich auch um die entlaufenen, lebendigen Tiere. Die werden meistens von der Polizei aufgegriffen. Also: Irgendwo ist ein streunendes Tier. Die Polizei wird angerufen. Sie greift das Tier auf. Dann ruft sie im Regelfall den Tierschutzverein an. Da müssen dann die Ehrenamtlichen hinkommen - egal, ob es Wochenende oder Abend ist -, weil die nun einmal die Einzigen sind, die ein Chiplesegerät haben, um den Chip auszulesen. Es kann auch nicht sein, dass wir die Ehrenamtlichen mit dieser Zusatzarbeit belasten.
Bei der Lektüre der heutigen Presse ist mir aufgefallen, dass es doch auch noch einige andere gibt, die ein Chiplesegerät haben, nämlich Tierärzte. Die Tierärztekammer hat sich ja gegen unseren Antrag ausgesprochen. Der Geschäftsführer sagt, der Aufwand stehe nicht in Relation zu dem, was man damit bezwecken möchte. Ich habe mich schon ein bisschen gewundert, dass er sich wegen 60 bis 70 Euro pro Chiplesegerät Sorgen um den Landeshaushalt macht. Dazu muss man natürlich
wissen, dass die Tierärzte das Auschippen abrechnen können. Ich bitte Sie, das mit zu berücksichtigen, falls Sie jetzt leider weiter beabsichtigen, unseren Antrag abzulehnen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Für die Fraktion der SPD hat sich gemeldet die Kollegin Kerstin Liebelt. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bündnis 90/Die Grünen fordern mit ihrem Antrag, jede Straßenmeisterei und Polizeidienststelle in Niedersachsen mit mindestens einem Haustierchiplesegerät auszustatten. In Ihrer Begründung gehen Sie u. a. darauf ein, dass die Ungewissheit über den Verbleib eines Haustiers für Menschen sehr belastend sein kann. Rein emotional betrachtet, kann ich Ihnen hier durchaus zustimmen. Ich habe das selbst einmal mitgemacht, dass wir vier Tage lang nicht wussten, wohin unser Hund verschwunden war. Er ist zum Glück gefunden worden. Das ist quasi ein Familienmitglied, auf das man wartet.
Aber wir sind hier im Landtag. Wir sind nicht dabei, rein emotionale Entscheidungen zu treffen, sondern unsere Entscheidungen sollen auch aufgrund von Fakten, Gesetzen und Rechtsverordnungen gelten.
Die Landesregierung hat uns zu der flächendeckenden Einführung von Chiplesegeräten, zu den geltenden Gesetzen und Vorschriften sowohl zur Kennzeichnungspflicht von Hunden und Katzen als auch über den Umgang mit lebenden und toten Fundtieren ausführlich informiert.
Die Kennzeichnung von Transpondern, das sogenannte Chippen der Hunde über sechs Monate, und die Registrierung sind in Niedersachsen nach dem speziellen Gefahrenabwehrrecht, dem
NHundG, dem Niedersächsischen Gesetz über das Halten von Hunden, Pflicht. Die Zuständigkeit für die Kontrolle liegt hier bei den zuständigen Gemeinden. Damit die Kontrolle durchgeführt werden kann, müssen natürlich Lesegeräte vor Ort sein.
Für Katzen gibt es eine solche landesweite Vorgabe nicht. Allerdings können Gemeinden eine Verpflichtung zur Kennzeichnung und Registrierung
erlassen. Sofern sie dies erlassen haben, liegt auch hier die Pflicht der Überwachung wieder bei den Gemeinden.
Wenn Hunde und Katzen lebend als Fundtiere bei der zuständigen Gemeinde gemeldet oder abgegeben werden, liegt das schnelle Auffinden der Tierhalterinnen und Tierhalter auch aus Kostengründen in ihrem Interesse. Die Gemeinden, die dafür keine Lesegeräte vorhalten, beauftragen in der Regel Tierschutzvereine, Tierheime oder auch Tierärzte, die diese Tiere gegebenenfalls auch behandeln und aufbewahren.
Beim Auffinden von toten Hunden und Katzen haben wir wieder eine andere Rechtsgrundlage. Weder aus dem NHundG noch aus dem Tierschutzgesetz ergibt sich eine Rechtsgrundlage für die verpflichtende Kontrolle einer Kennzeichnung der aufgefundenen Tierkadaver. Die Beseitigung ist durch das Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz - ich weiß, das hört sich furchtbar an; aber das ist nun einmal so - geregelt. Hier sind die Straßenbaubehörden in der Pflicht, also die Landkreise und die kreisfreien Städte, und auch wieder nicht das Land Niedersachsen.
Wie schon zu Anfang meiner Rede gesagt: Rein emotional gesehen, könnte man schon geneigt sein, diesem Antrag zuzustimmen. Fakt ist aber, dass wir nicht zuständig sind und uns hier auch nicht in die Zuständigkeit der Kreise und der Gemeinden einmischen werden.
Des Weiteren gibt es neben den nicht registrierten Hauskatzen in Niedersachsen schätzungsweise 200 000 verwilderte Hauskatzen. Dort unterstützt das Land Niedersachsen auch in diesem Jahr ein Programm, bei dem wild lebende Katzen von Tierärzten kastriert und mit einem Chip gekennzeichnet und registriert werden.