Protocol of the Session on November 20, 2019

- Das ist nicht bekannt.

Herzlichen Dank, Herr Minister.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu Zusatzfragen liegen nicht vor. Ich sehe auch keinen weiteren Bedarf. Dann ist die Behandlung der Dringlichen Anfragen damit beendet.

Meine Damen und Herren, uns wurde mitgeteilt, dass die Fraktionen übereingekommen sind, die Tagesordnungspunkte 23 und 24, die ja gemeinsam beraten werden sollen, noch vor die Mittagspause zu ziehen. - Dagegen sehe ich auch keinen Widerspruch.

Ich rufe also zur gemeinsamen Beratung auf

Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung: Entwurf eines Niedersächsischen Normenkontrollratsgesetzes - NdsNKRG - Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drs. 18/5067

Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung: Bürokratieabbau voranbringen: Folgen besser abschätzen, Kosten deutlicher benennen, Ablaufdatum festlegen, Sachverhalte eindeutig und rechtssicher formulieren und das „One in, two out“-Prinzip einführen! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/5063

Zur Begründung hat Herr Kollege Bode das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Die Anfänge von bürokratischen Regelungen sind meistens gut gemeint. Aber zu dem Zeitpunkt wird ihre Wirkung meistens noch nicht in Gänze durchschaut. Man überblickt nicht, was sie für die Verwaltung in der Ausführung, für die Wirtschaft in der Abarbeitung oder für den Bürger tatsächlich bedeuten. Sie werden beschlossen und führen am Ende zu einer Belastung, über die früher oder später der Bürger, Handwerker oder Unternehmer klagt, der darunter bis zu einem Punkt leiden muss, an dem es nicht mehr geht.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, nun könnte man sagen, wir als Gesetzgeber sind alle Täter, was diese Probleme angeht. Ich glaube auch, dass niemand von uns hier im Saal frei von der Schuld ist, irgendwann einmal eine bürokratische Regelung mitverantwortet zu haben. Aber es ist ja auch nicht so, dass jede bürokratische Regelung per se

schlecht wäre. Es gibt durchaus sinnvolle Regelungen, sinnvolle Kontrollen und auch sinnvolle Dokumentationen. Man muss sich nur immer wieder vor Augen führen, welche Regelungen man braucht, was diese auslösen und ob man die Wirtschaft mit der Ausführung überfordert.

Wir haben im Jahr 2017 rund 8 Milliarden Euro Bürokratiekosten gehabt. Das ist ein erschreckend hoher Betrag, von dem wir, auch wenn auf Bundesebene gerade ein Bürokratieentlastungsgesetz III beschlossen worden ist, nicht so leicht wegkommen.

Noch deutlicher wird das Problem, wenn man sich vor Augen führt, was das für Regelungen sind, die da zum Teil zusammenkommen. Da muss man sich schon allen Ernstes fragen, ob man sie dauerhaft bestehen lassen will.

Sie alle haben wahrscheinlich die Demonstration der Bäckerinnen und Bäcker heute Morgen vor dem Landtag erlebt und hoffentlich auch die Brötchen, die in einer Tüte überbracht worden sind, genossen. Ich finde es dankenswert, dass die Bäcker einmal das gemacht haben, was eigentlich unsere Aufgabe gewesen wäre, nämlich zu dokumentieren, wie viel Zeit die Umsetzung der einzelnen Regelung kostet. Wenn Sie sich das mit der Tüte überreichte Dokumentationsmaterial an

schauen, werden Sie feststellen, dass eine durchschnittliche Bäckerei mit einem kleinen Filialbetrieb allein für die Dokumentation der Reinigungsarbeiten - nicht für die Reinigung an sich, sondern nur für die Dokumentation der Reinigungsarbeiten - im Jahr 2 131 Stunden aufbringt. Das entspricht einer Vollzeitkraft.

Auslöser der Demonstration war die letzte Regelung, die in Berlin im Jahr 2017 in Kraft gesetzt worden ist und nach der jede Bäckerei verpflichtet wird, dem Kunden, der ein Brötchen kauft, den ausgedruckten Kassenbon mitzugeben. Das geschieht also nicht nur, wenn der Kunde es braucht, weil er vielleicht im Büro abrechnen muss, sondern jeder muss ihn mitnehmen, ob er es will oder nicht. Das hat für das Finanzministerium keinerlei Mehrwert, weil man die Belege ja nicht bei den Kunden einliest. Für den Kunden hat es auch keinen Mehrwert, weil er ja wohl nicht nach zwei Jahren die Brötchen reklamieren wird. Es ist schlicht und ergreifend ein unnötiger bürokratischer Aufwand: Man tut es, weil man es tun muss.

Eine Bäckerei aus dem Bremer Raum hat einmal modellhaft nachgemessen. Ein normaler Kunde bekommt einen Schnipsel von ein bis zwei Zenti

metern Thermopapier. Das ist also auch noch ökologisch fragwürdig. Mit den Schnipseln eines Jahres hätte allein diese eine Filiale die Strecke von Bremen nach Hamburg pflastern können. Das ist die Dimension, über die wir hier reden. Deshalb müssen wir gemeinsam an das Problem herangehen und Wege finden, es zu lösen.

Wir fordern deshalb, dass sich die Landesregierung das Thema Bürokratieabbau ernsthaft vornimmt und neue Regeln einführt, damit es vorangeht.

(Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE]: Der Minister hört gar nicht zu!)

- Minister Althusmann wird unseren Antrag ja lesen und ihn dann auch ernsthaft prüfen und umsetzen.

Meistens sind die die Bürokratie auslösenden Regeln nicht die, die das Parlament beschließt, sondern jene, die die Verwaltung, die Exekutive, danach, auf der Grundlage dieser Gesetze zusätzlich aufstellt. Daher sollte man, bevor man eine Regel einführt, erst einmal zwei andere Regeln abschaffen. Das ist ein System aus Großbritannien und heißt „One in, two out“. Die Bäcker haben übrigens heute Morgen gesagt, „one in, two out“ reiche nicht aus, es müsste eigentlich „one in, five out“ heißen, damit Bürokratie tatsächlich abgebaut wird.

(Beifall bei der FDP)

Man sollte sich also, ähnlich wie bei der Digitalisierung, ein wirklich anspruchsvolles Ziel setzen.

Um den Wust, der sich aufgebaut hat, wieder abzubauen, müsste man eine digitale Plattform errichten, über die Beamte oder auch Verbände melden können, welche Regeln wir uns anschauen sollten, sodass wir diese dann auch tatsächlich angehen.

Wir wollen aber auch Gültigkeitsfristen bei Gesetzen und Regelungen, indem man nach einer gewissen Zeit, vielleicht nach fünf Jahren, prüft, ob sie sinnvoll waren oder ob sie nicht vielleicht gestrichen werden können. Damit wäre es leichter, sie automatisch außer Kraft zu setzen. Denn dass wir uns selbst aufmachen und Dinge abschaffen, geschieht, wenn wir ehrlich sind, in der Regel nicht. Wir schauen es uns nur noch einmal an, wenn wir es uns anschauen müssen. Deshalb müssen wir uns im Hinblick auf den Bürokratieabbau durch Ablauffristen ernsthaft in die Pflicht nehmen, meine sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ein solches Instrument brauchen wir nach meiner Ansicht dringend. Wir brauchen wie auf Bundesebene und in anderen Bundesländern, beispielsweise in Baden-Württemberg, wo die Grünen mitregieren, in Bayern, in Sachsen - es sind alle Koalitionen dabei -, einen Normenkontrollrat, der uns das Ganze sozusagen von außen in die Bücher schreibt. Denn es ist natürlich ein Schritt, eine Regelung, die man einmal eingeführt hat, wieder abzuschaffen.

Deshalb brauchen wir eine externe, neutrale Expertise, die uns sagt, woran wir denken müssen, bevor eine Regel eingeführt wird, und an welche Auswirkungen wir denken müssen, wenn sie schon eingeführt ist. Sie muss uns - anders als die Normenkontrollräte auf anderer Ebene - eine Handlungsmaxime, eine echte Waffe und kein stumpfes Schwert, an die Hand geben, sodass eine Verwaltung, wenn eine Handlungsempfehlung kommt, diese zumindest nicht mehr einfach weglegen und das Kabinett in der Tat sagen kann, ob die Regelung bleiben soll.

Wir möchten, da es mit der Clearingstelle und anderem nicht vorangeht, diese Diskussion ins Parlament holen. Wir wollen hier im Parlament mit Ihnen offen über alle möglichen Instrumente zum Bürokratieabbau diskutieren; denn Bürokratieabbau ist nicht schwarz oder weiß, er geht uns alle an. Daher lade ich Sie ein, gemeinsam mit uns an daran zu arbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die CDUFraktion hat nun Frau Kollegin Gerda Hövel das Wort. Bitte sehr!

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die Bürokratie ist es, an der wir alle kranken.“ Dies beklagte schon Otto von Bismarck im Jahr 1891, und das hat bis heute Gültigkeit, ja mehr noch: Das Thema entwickelt sich mit zunehmender Brisanz. Wir haben es in der vergangenen Plenarwoche bei der Demonstration der Landwirte erlebt, und heute Morgen bei der Demonstration der Bäckerinnen und Bäcker wurde dies erneut eindrucksvoll dargestellt. Herr Kollege Bode hat dies gerade gut beschrieben.

Der Abbau von kostenintensiver Bürokratie ist eine der drängendsten Herausforderungen, um Unternehmen zu entlasten, ihnen damit Wettbewerbsfähigkeit zu ermöglichen und um auch Arbeitsplätze zu sichern. Er ist also Mittelstandspolitik im besten Sinne und ist in weiteren Bereichen von großer Bedeutung, z. B. um unsere Bürgerinnen und Bürger im Ehrenamt zu entlasten.

Deshalb stimme ich Ihnen, der FDP, ausdrücklich zu, wenn Sie fordern, den Bürokratieabbau voranzubringen, die Folgen besser abzuschätzen, die Kosten deutlicher zu benennen, ein Ablaufdatum festzulegen, Sachverhalte eindeutig und rechtssicher zu formulieren und das „One in, two out“Prinzip einzuführen.

Diesbezüglich ist eine Erweiterung denkbar. Die Verständlichkeit von Gesetzen für die Adressaten zu verbessern, ist ebenfalls ein wichtiges Thema; denn in der Regel sind das nicht alles Juristen, sondern Laien.

(Zustimmung von Mareike Wulf [CDU] und Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, bei jedem Besuch eines Unternehmens, immer häufiger auch bei Veranstaltungen, die ehrenamtlich getragen werden, ist die zunehmend belastende Bürokratie ein Thema. Ich will die Bedeutung, die es hat, Folgen besser abzuschätzen, mit einer Aussage aus einem Schreiben untermauern, das ich vor wenigen Wochen von einem empörten Unternehmer in meinem Wahlkreis erhalten habe. Dieser Unternehmer war überaus entnervt von überbordender Bürokratie und nicht mehr willens, weiteres Verständnis für permanente Abfragen aufzubringen. Dieses Mal ging es um Erhebungen zu statistischen Zwecken. Dieses Mal war Niedersachsen nur ausführende Behörde. Das Ganze ging von der EU-Ebene aus. Aber das interessiert die Bürger mittlerweile nicht mehr. Dieser Unternehmer forderte: „Bitte verschonen Sie uns von weiteren Papieren, und bitte nutzen Sie die Kapazitäten in den niedersächsischen Behörden für wichtige Dinge!“

Die Stimmungslage ist deutlich schlecht. Bürokratieabbau muss schnellstens an Fahrt aufnehmen. Wir müssen den überbordenden Berichts-, Informations- und Nachweispflichten auf allen Ebenen entgegenwirken.

(Zustimmung bei der CDU und Beifall bei der FDP)

In unserer Koalitionsvereinbarung haben wir als CDU und SPD unser klares Bekenntnis zum Bürokratieabbau deutlich gemacht. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Plenarsitzung im Juni dieses Jahres, in der unser Wirtschaftsminister Dr. Althusmann nicht nur die Herausforderungen in den unterschiedlichen Bereichen sehr detailliert dargestellt hat, sondern daraus folgend auch beispielhaft bereits umgesetzte und im laufenden Prozess befindliche Maßnahmen.

Der Stabsstelle Bürokratieabbau kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Sie koordiniert Anregungen aus Mittelstand und Handwerk. Landes-, bundes- und europarechtliche Regelungen werden auf Möglichkeiten zur Bürokratieentlastung untersucht. Die Auftaktveranstaltung zum Dialog Entbürokratisierung fand auf Einladung des Ministers im Juni statt und wird fortgesetzt.

In unterschiedlichen Bereichen wurden bereits bürokratische Hemmnisse abgebaut, so z. B. bei der Verpflichtung von Unternehmen, ihre emissionsschutzrechtlichen Genehmigungen im Internet zu veröffentlichen. Das wurde zurückgenommen. Das Hafenplanungsbeschleunigungsgesetz wurde auf den Weg gebracht. Ich denke auch an unser gemeinsames Ansinnen, beim A1-Verfahren einen Bürokratieabbau auf den Weg zu bringen.

In Ihrem Antrag beschreiben Sie, die FDP, eine Situation, die sich immer mehr zum Standortnachteil für Wirtschaftsunternehmen in Niedersachsen und unserer gesamten Republik entwickelt, und Sie schlagen Maßnahmen zur Lösung des Problems vor. Ihre Vorschläge sind ja schon zum Teil im Handlungskonzept des Wirtschaftsministers enthalten. Zum Teil geben Sie neue Anregungen, z. B. den Entwurf für ein Niedersächsisches Normenkontrollratsgesetz. Ich denke, dies ist als Alternative zur Clearingstelle des Wirtschaftsministers gedacht, die sich gerade im Aufbau befindet.

Nach meiner Kenntnis wurden bislang in zwei Bundesländern, in Sachsen und Baden-Württemberg, Normenkontrollräte eingesetzt. Andere Bundesländer, z. B. Nordrhein-Westfalen und das Saarland, arbeiten erfolgreich mit Clearingstellen, um den Bürokratieabbau anzugehen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir eine spannende, eine interessante Beratung im Ausschuss haben werden, und danke für Ihr Angebot. Sie haben es eben ausgesprochen.

Ich hoffe, dass uns eines eint: schnellstmöglicher und umfassender Bürokratieabbau, möglicherweise sogar mit „one in, two out“.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP - Christian Grascha [FDP]: Das wäre mal was!)