Protocol of the Session on November 20, 2019

Da waren Sie, Frau Kollegin, jetzt ein bisschen zu spät.

(Widerspruch von Miriam Staudte [GRÜNE])

- Doch, doch.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Weil die Rede so kurz war!)

- Ja. Das ist aber die Angelegenheit der Ministerin. Da muss man flott sein, Frau Kollegin. Nächstes Mal ein bisschen aufpassen! Dann klappt das auch. - Vielen Dank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir schließen die Beratung und kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden geänderten Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist diese Fassung mit großer Mehrheit angenommen worden.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 29: Abschließende Beratung: Lebensmittel retten - Containern und „Bändern“ entkriminalisieren - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/2896 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz -

Drs. 18/5086

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung und erteile der Kollegin Miriam Staudte, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. Dann klappt es ja doch noch.

Ich hoffe, dass die Ministerin sich dieses Mal etwas ausführlicher äußern wird als bei dem Thema, das wir gerade diskutiert haben. Denn es kommt ja selten vor, dass die Ministerin bei der ersten Beratung zu einem solch wichtigen Thema wie der Milchkrise nicht redet und bei der zweiten Beratung dann auch nur wenige Sätze sagt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das wird jetzt bei dem Thema Containern aber sicherlich anders sein.

Auch diesen Bereich haben wir hier sehr vielfältig diskutiert. Schon in der letzten Wahlperiode haben wir umfangreiche Anträge debattiert. Runde Tische wurden eingerichtet. Über die Medien wurden Appelle an die Verbraucher transportiert, man solle nun doch bitte weniger Lebensmittel verschwenden. Dann wird mal ein bisschen über das Mindesthaltbarkeitsdatum diskutiert und gesagt, dass das alles so nicht geht. Man findet es auch schlimm, dass nach den Buffets so viele Lebens

mittel weggeworfen werden müssen. Aber letztendlich wird immer nur viel beraten und eigentlich nichts beschlossen.

Wir haben hier einen Antrag mit zwei recht konkreten Punkten eingebracht. Zum einen soll das sogenannte Containern entkriminalisiert werden. Es kann nicht sein, dass wir unsere Justiz damit beschäftigen, Verfahren zu führen, die dann in der Regel alle wegen Geringfügigkeit eingestellt werden. Wenn jemand Dinge in einem Mülleimer entsorgt, hat er unserer Meinung nach sein Eigentum daran aufgegeben. Dann kann es nicht sein, dass diejenigen, die sich bei diesen Nahrungsmitteln bedienen, strafverfolgt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der andere Punkt, den wir aufgenommen haben, ist die Forderung, uns als Land Niedersachsen beim Bund dafür einzusetzen, dass Supermärkte verpflichtet werden, genusstaugliche Lebensmittel nicht wegzuwerfen, sondern karitativen Einrichtungen wie den Tafeln zur Verfügung zu stellen. Das betrifft den Schritt vor dem Containern. Die Lebensmittel sollen erst gar nicht im Container landen.

Das ist natürlich der sehr viel sinnvollere Weg. Zwar wird immer gesagt, das meiste werde doch von den Verbrauchern zu Hause weggeworfen. Prozentual gesehen, stimmt das auch. Aber bei den großen Mengen, die weggeworfen werden - in Niedersachsen entspricht das einer Anbaufläche von 75 000 ha, auf der jedes Jahr Lebensmittel produziert werden, um dann weggeworfen zu werden -, ist es auch relevant, was mit den 25 % passiert, die vom Handel weggeworfen werden, weil sie nicht mehr gekauft werden, weil das MHD abgelaufen ist usw.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Andere Länder - Frankreich, Italien, Tschechien - machen es uns vor. Sie geben den Supermärkten auch Anreize; denn sie sollen nicht draufzahlen, weil die Leute dann weniger kaufen, wenn sie es umsonst bekommen können. Die Supermärkte bekommen daher steuerliche Anreize, oder es wird anders geregelt.

Das alles wären gute Möglichkeiten gewesen, über die man im Ausschuss mal konkret hätte diskutieren können. Aber das alles hat nicht stattgefunden. Es gab immer nur allgemeine Debatten nach dem Motto: Nein, das wollen wir nicht! Das können wir nicht! Und überhaupt geben wir ja schon viel mehr

ab als die Franzosen. - Die Franzosen werfen aber sowieso nicht so viel weg.

Ich hatte damals auf konstruktive Beratungen im Ausschuss gehofft, aber es kam nichts. Ich finde, das Mindeste, was man als Opposition erwarten kann, wenn das Thema als wichtig benannt wird, der konkrete Vorschlag der Mehrheit aber nicht gefällt, ist, dass es dann wenigstens einen Änderungsvorschlag gibt. Da haben Sie wirklich die Arbeit verweigert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Für die Fraktion der SPD hat sich nun die Kollegin Glosemeyer gemeldet. Bitte sehr!

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um Lebensmittelverschwendung. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass diese wohl eines der beschämendsten Probleme unserer Wohlstandsgesellschaft ist. Während wir hier in Deutschland Millionen Tonnen an Lebensmitteln wegwerfen, leiden über 800 Millionen Menschen im Rest der Welt Hunger.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere Pflicht, uns mit allen Möglichkeiten der Reduzierung von Lebensmittelabfällen zu beschäftigen.

(Beifall bei der SPD)

Der Antrag „Lebensmittel retten - Containern und ‚Bändern‘ entkriminalisieren“ zeigt uns ein Problem auf, mit dem wir uns, wie schon eingangs gesagt, in verschiedenen Ausschüssen auseinandergesetzt haben, u. a. auch im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Da es sich hierbei um ein Verbraucherschutzanliegen handelt, das viele

komplexe Rechtsfragen aufwirft - z. B. die Haftung bei gesundheitlichen Schäden oder die Einhaltung der Kühlkette von bestimmten Lebensmitteln und die Einhaltung von Hygienestandards sowie die Eigentumsfrage -, ist es uns leider nicht gelungen, diese Fragen befriedigend zu klären. Für uns standen in der Diskussion immer die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Menschen im Vordergrund.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen das Thema Lebensmittelverschwendung an einer anderen Stelle anpacken. So, wie schon Frau Staudte sagte, gibt es jetzt eine freiwillige Spendenverpflichtung der Wirtschaft; anderswo gibt es eine verbindliche Spendenverpflichtung. Daran sollten wir weiterarbeiten und die Resultate der zurzeit noch freiwilligen Abgabe überprüfen, inwieweit diese greift.

Es gibt bereits viele Initiativen sowohl auf der Bundesebene als auch auf der Landesebene, welche gezielt der Verschwendung von Lebensmitteln entgegenwirken. Im Oktober dieses Jahres eröffnete das Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft, welches in Abstimmung mit der Bundesstrategie zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung gezielte Maßnahmen entwickeln soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen bei der ganzen Diskussion um die müllproduzierenden Lebensmittelhändler eines nicht vergessen: Auch wir Verbraucherinnen und Verbraucher sind es, die Unmengen an Müll produzieren. Deshalb müssen wir uns ganz konkret fragen, was jeder Einzelne von uns tun kann, um Müll zu vermeiden. Planen wir unseren Einkauf, und beginnen wir wieder, den Wert der Lebensmittel zu schätzen, so werden auch die Lebensmittelketten darauf reagieren. Das ist zurzeit eben nicht der Fall. Sobald ein Apfel eine kleine Delle hat, wird er nicht gekauft.

Die Verbraucherbildung wird dabei eine große Rolle spielen. Aber auch die Digitalisierung kann bei der Reduktion von Lebensmittelverschwendung helfen. Den Anbietern der App „Too Good To Go“ zufolge hat ihre App bereits 24 Millionen Mahlzeiten gerettet - eine, wie ich finde, sehr gute Initiative.

Sowohl private Initiativen als auch staatliche leisten bereits jetzt einen großen Beitrag. Wo es möglich ist, sollten wir diese Initiativen stärker fördern und Hindernisse beseitigen, um ihre Arbeit nicht zu beeinträchtigen.

Genau das ist der Punkt, an dem wir ansetzen sollten: Eine Bekämpfung der Ursachen bringt bei der Reduzierung der Lebensmittelverschwendung mehr als eine Bekämpfung der Symptome durch die Entkriminalisierung des Containerns und Bänderns. Ich bedanke mich aber trotzdem bei den Lebensmittelrettern dafür, dass sie dieses Thema noch stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bedarf keiner verfassungsrechtlich äußerst schwierigen Änderung des Gesetzes, sondern einer Stärkung der bereits existierenden Strukturen. Deshalb werden wir dem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Glosemeyer. - Für die AfD-Fraktion hat sich nun die Kollegin Guth gemeldet. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Entkriminalisieren von Containern und Bändern: Alle sind gegen Lebensmittelverschwendung. Ich glaube, jeder, der mit gesundem Menschenverstand darüber nachdenkt, kann nur dagegen sein, dass hochwertige Nahrungsmittel, die verzehrbar sind, weggeworfen werden. Allein in Deutschland fliegen pro Jahr 18 Millionen Tonnen Lebensmittel in den Müll. Das kann niemand wollen!

Wir reden über einen Tatbestand, nämlich das Containern oder das Bändern, wozu es eine Rechtslage gibt, die ganz klar sagt: Es ist strafbar. - Einerseits handelt es sich natürlich um Einbruchtatbestände, wenn Firmengelände unberechtigt betreten oder abgeschlossene Mülltonnen aufgebrochen werden. Andererseits handelt es sich um die nicht ganz rechtssicher geklärte Frage der Eigentumsaufgabe. Für eine solche Entkriminalisierung wäre eine Gesetzesänderung notwendig - genau das fordert der Antrag.

Jetzt kann man natürlich trefflich diskutieren, was man ansonsten tun kann, um die Lebensmittelverschwendung zu beenden.

(Unruhe)

Frau Kollegin, einen Augenblick bitte! - Ich bitte darum, die Gespräche an der Regierungsbank umgehend zu beenden, damit man der Kollegin folgen kann. - Vielen Dank.