Protocol of the Session on October 23, 2019

Bürgerinnen und Bürger können von ihrem Staat zu Recht erwarten, dass alle Institutionen und Behörden ein Angebot vorhalten, das auf der Höhe der Zeit ist. Mit diesem Gesetz schaffen wir die Grundlagen dafür. Eine funktionsfähige digitale Verwaltung hat nicht zuletzt mit Blick auf die notwendige Barrierefreiheit enorm an Bedeutung gewonnen. Jetzt können wir vielen Menschen, die darauf angewiesen sind, den direkten Zugang zu Informationen und Dienstleistungen unserer Verwaltung geben und so ein Mehr an Teilhabe ermöglichen.

Stichwort „Teilhabe“: Wir wissen nur zu gut, wie umständlich es in unserem Flächenland mitunter ist, seine Behörde zu erreichen. Das gilt nicht nur im ländlichen Bereich. Dafür müssen manchmal ganze Tagesreisen in Kauf genommen werden. Mit diesem Gesetz schaffen wir endlich die Voraussetzungen dafür, dass sich Oma Lochte aus dem Weserbergland nicht extra in den Bus nach Hameln setzen muss, nur um ihren Jagdschein verlängern lassen zu können.

(Dr. Marco Genthe [FDP]: Oma hat einen Jagdschein?)

Und um einmal dem Klischee der Schwerfälligkeit von Behörden etwas entgegenzusetzen: Selbstverständlich sollen im Zuge der zunehmenden Digitalisierung zukünftig auch bei internen Abläufen in und zwischen den Ämtern und Behörden möglichst viele Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Das erleichtert die Arbeit nicht nur an beiden Schreibtischen, sondern es sorgt vor allem auch für Zufriedenheit unter allen Beteiligten.

Die immensen Vorteile der digitalen Verwaltung liegen auf der Hand. Dafür müssen jedoch erst die Grundlagen geschaffen werden, und das machen wir jetzt mit diesem Gesetz. Viele Zahnräder müssen ineinandergreifen, damit die Digitalisierung am Ende wirklich spürbar und verlässlich für alle funktioniert. Wie die Erfahrungen beispielsweise mit BAföG 21 zeigen, ist die Einführung einer digitalen Verwaltung absolut kein Selbstläufer.

Von außerordentlicher Wichtigkeit ist in diesem Zusammenhang die Datensicherheit; der Minister hat vorhin darauf hingewiesen. Noch mehr als in anderen Bereichen müssen wir in der Verwaltung den Schutz und die Sicherheit der Daten in den

Fokus nehmen. Mir persönlich ist, ehrlich gesagt, wohler, wenn ich meine Daten bei staatlichen Behörden mit parlamentarischer Kontrolle hinterlege als auf Servern von sogenannten sozialen Netzwerken irgendwo am Pazifik.

Mit den hier vorliegenden Regelungen für eine beständige, qualitativ hochwertige und stets aktualisierte Informationssicherheit nimmt Niedersachsen bundesweit eine Vorreiterrolle ein. Kritikern, die behaupten, dass dieses Gesetz einer gigantischen Vorratsdatenspeicherung gleichkomme,

muss ich die Frage stellen, wie wenig Vertrauen sie tatsächlich in die staatlichen Behörden und unsere Verwaltungen haben. Sie sind an der Kontrolle dieser Behörden beteiligt, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Niemand gibt den Ämtern mit diesem Gesetz den Auftrag, Bürgerinnen und Bürger auszuspionieren. Andersherum wird ein Schuh daraus: Durch die verlängerte Datenspeicherung wird es erst jetzt möglich, sensible Daten zu schützen und sie im schlimmsten Fall wieder dorthin zurückzuholen, wo sie hingehören. Die Expertenanhörung hat eindeutig ergeben, dass eine geringere Datensicherung nur denen nutzt, die wirklich Kriminelles im Schilde führen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Sie wittern die Bösen wirklich auf der falschen Seite! Wir bekommen eines der besten und modernsten Gesetze für eine digitale Verwaltung. Ich finde, darauf können wir stolz sein. Im Namen meiner Fraktion danke ich deshalb allen, die an diesem Gesetz mitgearbeitet haben, insbesondere auch dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, für die gute Zusammenarbeit.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf treiben wir die Digitalisierung unserer Verwaltungen und Behörden auf Landes- und auch auf kommunaler Ebene nachhaltig voran. Wir sorgen dafür, dass die Digitalisierung qualitativ hochwertig und nach den höchsten, modernsten Sicherheitsstandards abläuft. Damit steigern wir die Effizienz unserer Behörden, verbessern den Service für Bürgerinnen und Bürger erheblich und sparen im besten Fall allen Beteiligten viel Zeit und Nerven.

Ich bitte um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Lynack. - Jetzt spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Christian Meyer. Herr Meyer, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass der Innenminister sozusagen in die Vorwärtsverteidigung geht und nicht am Ende, sondern zu Beginn der abschließenden Debatte spricht. Aber vielleicht will er zum Schluss ja noch auf die Kritik der Opposition eingehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Landesregierung schafft mit diesem Gesetz die Rechtsgrundlage für ein massives Überwachungsinstrumentarium, das zu Einschränkungen des Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 GG und zur Einschränkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung führt. Daher müssen die Maßstäbe an die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen besonders hoch angelegt werden. - Das sage nicht ich, sondern das hat der Vertreter der Landesdatenschutzbeauftragten in der Anhörung gesagt. Denn mit diesem Gesetz werden alle Daten, die die Bürger an die Kommunen geben - z. B. zur Erhebung der Hundesteuer -, die sie an ihr Sozialamt oder an ihr Jugendamt geben, unter dem Deckmäntelchen der Cybersicherheit an externe Behörden, an Bundesbehörden zur Auswertung weitergeleitet.

Ich habe mir noch einmal die Stellungnahme des GBD angesehen und darin 45-mal das Wort „Verfassungsrecht“ gefunden - ganz oft als Bestandteil von „verfassungsrechtlichen Bedenken“, ganz oft als Bestandteil von „erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken“.

(Sebastian Lechner [CDU]: Aber keinmal „verfassungswidrig“!)

In seiner Vorlage 18 zu diesem Gesetz hat der GBD das Bundesverfassungsgericht zitiert. Darin heißt es:

„Die Persönlichkeitsrelevanz der Auswertung von Telekommunikations-Verkehrsdaten wird vom BVerfG grundsätzlich als hoch eingeschätzt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG lassen sich aus Verkehrsdaten - abhängig von dem jeweiligen Nutzungsverhalten - ‚tiefe Einblicke in das soziale Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden

Bürgers gewinnen‘; es könnten ‚bei umfassender und automatisierter Auswertung bis in die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüsse‘ gezogen werden

(BVerfGE 125, 260, 319, Rn. 211).“ Und Sie gehen ja auch davon aus, dass diese Daten genutzt werden. (Sebastian Lechner [CDU]: Wir wollen sogar, dass sie genutzt werden!)

Wenn es z. B. darum geht, eine Behördenkommunikation zur Auswertung an externe Stellen weiterzuleiten, argumentieren Sie damit, dass die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern einer Behörde in der Regel dienstlicher Natur sei. Der GBD hingegen hat darauf hingewiesen, dass in einer Behördenkommunikation auch private Angelegenheiten zur Sprache kommen könnten, etwa in einer Kommunikation mit dem Personalrat oder dem Suchtbeauftragten einer Behörde, und dass nach dem Gesetzentwurf auch diese Kommunikation von Externen auswertet werden könnte.

Und Sie rechnen ja sogar selbst damit, dass es einen Missbrauch gibt. In dem Gesetzentwurf ist nämlich geregelt, dass, wenn mithilfe der Auswertung von E-Mails eine schwere Straftat aufgedeckt wird, diese selbstverständlich anzuzeigen ist. Aber für den Fall, dass Mitarbeiter nur - ich sage einmal - über den Behördenchef lästern, ist geregelt, dass diese Daten nicht für Disziplinarverfahren genutzt werden dürfen. Das heißt, Sie gehen selbst davon aus, dass jemand sozusagen als Beifang eine E-Mail finden könnte, in der sich z. B. jemand gegenüber einer Kollegin über seinen Chef beschwert. Kommunale Daten gehen an Landesbehörden; Daten von Landesbehörden gehen an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) - das ist ein massiver Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Das ist auch anders als beim Polizeigesetz; denn dort braucht man wenigstens einen Verdächtigen, wenn man Daten speichert. Hier jedoch liegt auch nach Aussage der Datenschützer eine unkontrollierte Vorratsdatenspeicherung vor, die durch den Antrag von SPD und CDU sogar noch von sieben auf 30 Tage ausgeweitet wurde. Das ist ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das hat Ihnen der GBD auch mehrfach aufgeschrieben, und auch die Datenschutzbeauftragte hat das mehrfach gesagt. In der GBD-Stellungnahme wird darauf hingewiesen, dass es nicht nur um die dienstliche Kommunikation geht - die ist schon besonders geschützt -, son

dern dass auch eine private Kommunikation betroffen sein kann. Es sind also verschiedene Konstellationen denkbar, dass die Auswertung der Kommunikation die Intimsphäre der Betroffenen tangiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kommunen lehnen das Ganze übrigens ab. Darauf ist der Herr Innenminister aber überhaupt nicht eingegangen.

Der Innenminister hat für die Digitalisierung der Verwaltung von Land und Kommunen - die wir ausdrücklich begrüßen - 183 Millionen Euro aus dem Sondervermögen über alle Ressorts verteilt. In der Begründung des Gesetzentwurfs, den wir hier beschließen sollen, heißt es, dass - obwohl die Kommunen auch eine Umstellung vornehmen müssen -, keine Konnexitätsrelevanz gegeben ist. Es wird sogar gesagt, dass die Kommunen ja Personal einsparen könnten - dann hätten sie eine Kosteneinsparung.

Ich habe den Innenminister im Ausschuss gefragt, ob er genug Geld für die Digitalisierung bekommen habe. Das hat er bejaht. Dann habe ich ihn gefragt, wo er als Erfolg der Digitalisierung Personal einspart. Da konnte er nichts nennen, hat aber noch einmal bestätigt, dass das Gesetz aus seiner Sicht nicht konnexitätsrelevant sei.

Ich stelle fest: Das Land plant für Digitalisierung auf Landesebene 183 Millionen Euro Mehrausgaben ein. Die Kommunen haben bei den Haushaltsberatungen mindestens dieselbe Summe gefordert. Und da die Bürgerinnen und Bürger bekanntlich mehr mit ihrer Kommune als mit dem Land kommunizieren - z. B. bei einem Antrag auf eine Baugenehmigung usw. -, ist die Aussage, dass das Gesetz nicht konnexitätsrelevant ist und Sie die Kommunen bei der Digitalisierung nicht im Regen stehen lassen, denke ich, zu hinterfragen.

Wir lehnen den Gesetzentwurf ab: wegen des massiven Eingriffs in die Bürgerrechte und weil Sie den Kommunen bei der notwendigen Digitalisierung nicht helfen.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung von Sylvia Bruns [FDP])

Vielen Dank, Herr Meyer. - Für die FDP-Fraktion folgt jetzt der Kollege Dr. Marco Genthe. Bitte sehr, Herr Dr. Genthe!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Aufbau einer digitalen Verwaltung fordert die FDPFraktion schon seit vielen Jahren. Dabei handelt es sich um eine absolut notwendige Modernisierung, die, wie der Innenminister eben auch gesagt hat, von den Bürgern inzwischen als selbstverständlich angesehen und eingefordert wird.

Nun sind gerade bei der öffentlichen Verwaltung Aspekte der Sicherheit und des Datenschutzes von entscheidender Bedeutung. Und genau da, meine Damen und Herren, fangen die Probleme dieses Gesetzentwurfs an.

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz stellte kritisch fest, dass bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs keine, wirklich keine der Anmerkungen, die sie in ihrer Stellungnahme aus dem August 2018 gemacht hat, beachtet wurde. Keiner ihrer Änderungsvorschläge findet sich in dem nunmehr vorliegenden Entwurf der Großen Koalition wieder.

Dieses Defizit, meine Damen und Herren, wiegt schwer. Ich will dies an einem Punkt festmachen, an dem dies besonders zu Tage tritt, und zwar an § 21. Dort wird bei einer weiteren Auswertung ohne Inhaltsdaten in Verdachtsfällen auf einen Richtervorbehalt verzichtet. Das hat auch der GBD massiv kritisiert - zu Recht -, und von den Grünen wurde das eben auch schon angemerkt. Dort birgt der Gesetzentwurf meines Erachtens ein deutliches verfassungsrechtliches Risiko.

(Sebastian Lechner [CDU]: Das stimmt nicht! Der GBD hält das Risiko für überschaubar!)

In Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit halten wir den Gesetzentwurf an dieser Stelle für nicht verfassungsgemäß. Darum wird die FDP-Fraktion ihn auch ablehnen.

Meine Damen und Herren, auch § 25, in dem es um die Benachrichtigung der betroffenen Personen und Behörden geht, ist uns nicht konkret genug. Der Ermessensspielraum erscheint zu groß, und es erfolgt keine richterliche Überprüfung, wenn eine Benachrichtigung, insbesondere von betroffenen Personen, nicht erfolgt, sondern unterbleibt. Wir hätten uns zudem gewünscht, dass es eine parlamentarische Unterrichtung gibt, insbesondere dann, wenn besonders schwerwiegende Fälle auftreten. Entsprechendes, meine Damen und Herren, sieht ja selbst das niedersächsische Polizeigesetz vor.

Abgesehen von diesen rechtlichen Bedenken ist uns dieser Gesetzentwurf aber auch zu unambitioniert. Viele Vorschriften, die die Umstellung auf digitale Verfahren bei den Behörden regeln, sind lediglich Sollvorschriften. Das liegt daran - so musste man zumindest das Innenministerium in der Beratung des Ausschusses verstehen -, dass gar nicht so richtig klar war, bei welcher Behörde welche Verfahren tatsächlich digitalisiert werden können. Die Vertreterin des MI im Ausschuss sagte dazu, dass die Zeit nicht ausgereicht habe, dies herauszufinden, man wolle das später noch nacharbeiten und das Gesetz ändern.

Das, meine Damen und Herren, ist Digitalisierung im Schlafwagen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Genthe. - Jetzt ist die Fraktion der AfD dran. Abgeordneter Jens Ahrends, bitte sehr! Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem hier vorliegenden Gesetzentwurf werden Daten bei dem Verdacht auf eine Gefahr für die IT-Sicherheit automatisch ausgewertet. Dies gilt gemäß § 21 des Gesetzentwurfs einerseits für sogenannte Verkehrsdaten, also gemäß § 3 Nr. 30 TKG für Daten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, z. B. ob, wann und wie oft zwischen welchen Personen kommuniziert wird, und andererseits gemäß § 22 des Entwurfs für Inhaltsdaten, also gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 des Entwurfs für Informationen, die bei einem Telekommunikationsvorgang übertragen werden und um derentwillen die Telekommunikation stattfindet und die keine Verkehrsdaten nach § 3 Nr. 30 des Telekommunikationsgesetzes sind. Dort geht es also um den konkreten Inhalt der Kommunikation.

Nach dem Gesetzentwurf ist in keinem der geregelten Auswertungsfälle ein Richtervorbehalt vorgesehen. Wir haben es eben von Dr. Genthe gehört. Daten können also nicht nur automatisiert, sondern auch manuell ausgewertet werden, und dies bedarf selbst in besonders schwerwiegenden Fällen, also etwa in solchen, in denen der konkrete Kommunikationsinhalt manuell ausgewertet wird und die daher einen besonders tiefen Eingriff in die