Protocol of the Session on September 12, 2019

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf „Berücksichtigung“ vor. Wer möchte diesem folgen? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag wurde abgelehnt.

Wir stimmen über die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab. Sie lautet auf „Sach- und Rechtslage“. Wer möchte dem folgen? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Ausschussempfehlung wurde gefolgt.

Damit wären wir zumindest nach meinen Unterlagen durch. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 33: Große Anfrage: Welche Unterrichtsversorgung ist notwendig für eine gute Qualität der Schulen? - Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/2438 - Antwort der Landesregierung - Drs. 18/3870

Wir kommen zur Besprechung.

(Unruhe)

- Ich möchte den nicht interessierten Kollegen erst einmal die Gelegenheit geben, den Saal zu verlassen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Die gibt es doch gar nicht, Herr Präsident! - Helge Limburg [GRÜNE]: Das sind die, die trotz großen Interesses leider keine Zeit haben!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie denn so nett sein wollen, Platz zu nehmen oder diesen Saal zu verlassen! Herr Kollege Nacke, das wäre sehr freundlich.

(Jens Nacke [CDU] spricht mit Chris- toph Eilers [CDU])

- Herr Nacke, wir würden jetzt gern beginnen.

(Jens Nacke [CDU]: Von mir aus gern!)

- Das glaube ich Ihnen.

(Heiterkeit)

Ich habe diese Antwort fast erwartet. Trotzdem wäre es nett, wenn alle der Aufforderung nachkommen würden, sich hinzusetzen und die Gespräche einzustellen. Denn dann könnte Frau Kollegin Hamburg, die noch gar nicht aufgerufen ist, aber schon hier vorn steht, irgendwann sogar das Wort bekommen.

(Jörg Bode [FDP]: Das ist hier ja Chaos!)

- Ich habe das Chaos aber im Griff, Herr Kollege Bode. Da können Sie ganz sicher sein.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns zügig und geordnet weitermachen.

Nach § 45 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung wird zu Beginn der Besprechung einer der Fragestellerinnen oder einem der Fragesteller das Wort erteilt. Dann erhält es die Landesregierung.

Für die Fraktion, die die Anfrage gestellt hat, nämlich Bündnis 90/Die Grünen, liegt mir eine Wortmeldung der Kollegin Julia Willie Hamburg vor. Jetzt schalte ich das Mikrofon an, und es kann losgehen. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorweg ein großes Dankeschön an das Kultusministerium aussprechen für die Beantwortung dieser Frage, die durchaus umfangreich war. Wir alle wissen, dass die Kolleginnen und Kollegen im Ministerium sehr beschäftigt sind, gerade im Bereich der Sicherung der Unterrichtsversorgung. Vor diesem Hintergrund an dieser Stelle herzlichen Dank!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Dennoch möchte ich auch gleich eine Frage damit verbinden, weil ich nicht verstehe, warum Ministerien oft die Angewohnheit haben, Probleme, die es gibt und die bei der Beantwortung einer Anfrage potenziell zu Tage treten könnten, zu verstecken.

Ich möchte ein Beispiel nennen. Zu Frage 22 wird der Sollbedarf an pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genannt, und dann wird nicht etwa die Anzahl der Vollzeiteinheiten, also der wirklich real besetzen Vollzeitstellen, gegenübergestellt, sondern die der eingestellten Personen. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann ich nicht vergleichen, und das ärgert mich als Politikerin. Denn unsere Aufgabe ist es doch, Missstände zu identifizieren und als Haushaltsgesetzgeber Ihnen die Chance zu geben, diese Missstände zu beheben. Also sagen Sie uns doch, wo die Probleme sind, und machen Sie das auch deutlich sichtbar in den Antworten auf solche Anfragen! Das würde unsere Arbeit deutlich erleichtern.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Die Antwort auf die Anfrage - das ist wahrscheinlich auch keine Überraschung - macht vieles von dem deutlich, was wir ohnehin schon wissen und worüber wir hier in der Politik und im Landtag auch schon häufig diskutiert haben. Das Stadt-LandGefälle wird sehr deutlich. Das wissen wir ja auch. Deutlich wird auch, dass insbesondere Sek-ISchulen die Schulen sind, die die größte Belastung haben und die größten Probleme mit der Unterrichtsversorgung aufzeigen.

Ich muss Ihnen deutlich sagen - das wird auch aus der Antwort auf diese Anfrage deutlich -: Modellschulen oder Modellprojekte helfen an dieser Stelle überhaupt nicht weiter, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir brauchen endlich strukturelle Antworten. Denn dieses Defizit wird bleiben, und wir lösen das nicht über Modellprojekte. Im Gegenteil. Wir belasten die Sek-I-Schulen an dieser Stelle noch mehr, denn sie müssen die Modellprojekte umsetzen und wissen: Hinterher, nach zwei Jahren, fallen alle Ressourcen wieder weg.

So helfen wir nicht. Wir müssen endlich konkrete Antworten finden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wir haben ja auch schon strukturelle Lösungen angeboten, die FDP ebenso. Ein Sozialindex, liebe Kolleginnen und Kollegen, würde genau das Phänomen beheben, was wir auch aus der Antwort auf

diese Anfrage ablesen können. Beispielsweise betragen die Zusatzbedarfe an Gymnasien 8,6 %, an Hauptschulen sind es 30,2 %. Daran können wir sehen, dass die Belastungen und die Bedarfe an bestimmten Schulformen besonders groß sind. Lassen Sie uns diesen Schulen über soziale Indikatoren den Rücken stärken, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und auch eine andere Maßnahme würde helfen. Wenn wir die Besoldung endlich auf A 13 anheben würden, würden sich potenziell auch Gymnasiallehrkräfte, die wir derzeit ja reichlich auf dem Markt haben, jedenfalls in größerer Zahl als andere Lehrkräfte, überlegen, sich an anderen Schulformen zu bewerben. Denn derzeit ist es für sie schlichtweg finanziell nicht attraktiv, und sie wollen lieber warten, bis sie eine Stelle an einem Gymnasium zugewiesen bekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die Flächenprämie, die Sie hier als Modellprojekt planen, wird überhaupt nicht helfen. Denn wenn die Decke zu kurz ist und Sie an der einen Stelle ziehen, treten die Probleme an einer anderen Stelle zu Tage. Wenn Sie jetzt einzelne Regionen bevorzugen und dort eine Flächenprämie einführen - abgesehen davon, dass Sie dann die Kolleginnen und Kollegen, die bereits an den Schulen sind, total frustrieren, deren Arbeitsmoral zu Recht sinkt und sie sich fragen, ob der Minister ihre Problemlagen eigentlich wahrnimmt -, sorgen Sie auch dafür, dass andere Landkreise noch stärker leerlaufen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Fehler. Packen Sie bitte strukturell an!

Beim Thema Fachkräftemangel - darüber reden wir hier regelmäßig - muss es doch darum gehen, Attraktivität nachhaltig zu erhöhen. Wie erreichen wir das? - Wir erreichen das zum einen durch eine bessere Bezahlung, zum anderen aber auch durch Entastungsmaßnahmen und Unterstützungsangebote. Aber was machen Sie als Große Koalition? - Sie planen laut der Antwort auf unsere Anfrage auch noch, Zusatzbedarfe zu senken und sie rigider zu verteilen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich sage Ihnen, das hilft Ihnen gar nicht, außer insofern, als Sie statistisch einen vermeintlich besseren Wert haben und sagen können, wir nähern uns der 100-%-Marke. An den Schulen führt das zu Belastungen, an den Schulen führt das zu Frustration, und es macht den Lehrerberuf schlichtweg unattraktiv, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Zusatzbedarfe haben sich laut der Antwort auf unsere Anfrage verdoppelt - das war auch absehbar -: von 9,4 auf 18,8 %. Diese Bedarfe machen mittlerweile aber Schule aus. Das ist keine freiwillige Leistung mehr. Wir können es uns nicht leisten, bei Sprachförderung zu sparen, im Ganztag zu sparen, bei der Inklusion zu sparen oder bei Entlastungsstunden zu sparen und diese nur noch nach Kassenlage zu vergeben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Schule heute lebt von genau diesen Zusatzbedarfen und mit diesen Zusatzbedarfen. Ohne diese werden sich soziale Ungleichheit und Belastung an den Schulen deutlich verschärfen. Sie werden damit nichts erreichen, liebe Kolleginnen und Kollegen, außer, den Frust an den Schulen und die Überlastung der Lehrkräfte weiter zu erhöhen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann sagen Sie, Sie wollten sich auf die Kernaufgaben fokussieren. Sie wollen insbesondere den Pflichtunterricht in den Blick nehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist fatal, und es ist ein Schlag ins Gesicht vieler Lehrkräfte, die sich derzeit bei schlechter Unterrichtsversorgung weit über das Leistbare hinaus für ihre Schulen engagieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass hier dringend Antworten gegeben werden müssen, wird nicht zuletzt auch darin deutlich, dass Frau Laura Pooth von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hier sitzt. Sie ist sicherlich ganz gespannt, welche Antworten der Kultusminister auf unsere Große Anfrage gibt und wie er gedenkt, mit diesen gravierenden Zahlen künftig umzugehen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Da sind wir gespannt!)

Ich sage Ihnen deutlich: Es wird nicht so funktionieren, wie Sie es planen. Mit Erschrecken musste ich wahrnehmen, dass Sie nicht ausschließen, bestimmte Zusatzbedarfe zu streichen, um die 100-%-Marke zu erreichen. Ich sage Ihnen: Finger weg von der Kürzung der Poolstunden! Finger weg von den Kürzungen im Ganztag! Finger weg von der Kürzung bei der sonderpädagogischen Unterstützung! Finger weg von Kürzungen bei der Sprachförderung!

(Johanne Modder [SPD]: Und Geld spielt keine Rolle!)

Finger weg von Kürzungen bei Entlastungsmaßnahmen! Ich sage Ihnen: Das System wird kollabieren, und die Lehrkräfte werden hier draußen stehen und streiken, weil sie schlichtweg nicht mehr können. Und ich kann das verstehen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Förderung von Fachkräften, zu der Fachkräftegewinnung und der Haltung von Fachkräften: Frau Wulf, Sie haben gestern von Gesundheitsmanagement und Gesundheitsförderung gesprochen. Das beste Gesundheitsmanagement hilft Ihnen nicht, wenn Sie schon strukturell Defizite haben, die dazu führen, dass das Personal auf dem Zahnfleisch geht. Sie müssen doch gerade jetzt entlasten und Ressourcen in die Hand nehmen, damit die Lehrkräfte nicht so früh aus dem Beruf ausscheiden, damit Sie keinen so hohen Krankenstand haben und damit sich Menschen überhaupt noch entscheiden, diesen Beruf zu ergreifen.

Wir müssen - das habe ich gestern schon gesagt - die Zeit nutzen und den Mangel endlich aktiv gestalten. Wir dürfen ihn nicht wegreden, sondern wir müssen sagen: Wir packen ihn an, und wir finden kreative Lösungen.

(Zuruf von der SPD: Jetzt kommen die Vorschläge!)

Das bedeutet nicht zuletzt, Freiräume an den Schulen zu schaffen, in Zeiten des Mangels damit zu arbeiten. Ich habe gestern schon gesagt, der Schulleitungsverband hat hier beispielsweise eine sehr spannende Überlegung angestellt. Er sagt: Man muss Freiräume geben, lieber qualitativ gute zwei Stunden in einem Fach, statt drei Stunden, die dann vielleicht ausfallen; lieber organisiert multiprofessionelle Teams einzubinden und diese dazu zu bringen, dass sie Schulen entlasten und Systeme besser machen, solange wir die Lehrkräfte nicht haben.