Einer meiner ersten Termine, als ich neu im Landtag war, führte mich nach Hildesheim zur Jugendwerkstatt KWABSOS, wo mir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eindrücklich geschildert haben, wie sie dort arbeiten. Sie haben mir auch eindrücklich geschildert, dass es Jugendliche gibt, die in die Grundsicherung fallen und ohne eine solche Jugendwerkstatt nie wieder eine Chance haben, überhaupt über ihr Leben frei zu bestimmen und es frei zu gestalten. Sie gelangen mit 21 in die Grundsicherung - und das war’s! Sie sind ansonsten chancenlos auf dem weiteren Arbeitsmarkt. - Ich fand diese Vorstellung grauenhaft.
Ich finde es sehr wertvoll, was die Jugendwerkstätten leisten. Die Förderperioden - das ist hier schon berichtet worden - waren für sie wirklich grauenhaft, weil sie dadurch einfach keine Planungssicherheit hatten. Das Land fordert diese Leistung ab und hält sie auch für wichtig. Ehrlicherweise kämpfen die Jugendwerkstätten aber jedes Mal wieder, um ihre Mittel zu bekommen. Deswegen begrüßen wir den Antrag durchaus.
Ich bin nur über einen Punkt gestolpert: Ab 2020 soll „zeitnah ein Konzept“ vorgelegt werden. Mir ist nicht so ganz klar, welcher Zeitrahmen damit gemeint ist. Es ist zwar gut und richtig, eine Übergangslösung in diesem Bereich zu schaffen. Aber ich erwarte, dass ein grundlegendes Konzept vorgelegt wird, damit wir nicht wieder von einer Förderperiode zur nächsten hampeln. Wir werden das
Ich möchte an dieser Stelle nicht nach der Herkunft der Jugendlichen differenzieren. Die Integration von Flüchtlingen findet tatsächlich auch in Jugendwerkstätten statt; denn von dort aus ist der Weg in den anderen Arbeitsmarkt offen. Das wünschen wir uns; deswegen unterstützen wir das ebenso.
Wir werden dem Antrag zustimmen. Aber wir werden im Ausschuss immer mal wieder nachhaken, wie weit das Konzept gediehen ist und in welche Richtung wir gehen. Das erwarten wir nach dem Antrag.
Danke sehr. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt die Fraktionsvorsitzende Anja Piel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will ehrlich sein. Ich bin etwas enttäuscht darüber, dass Ihren großen Ankündigungen und großen Ansagen und auch der Arbeit in dieser Arbeitsgruppe noch keine sichtbaren Taten folgen.
Mit der Jugendhilfe liegt hier ein sensibler Bereich vor. Bei der ersten Beratung im Januar bestand eine bemerkenswerte Einigkeit darüber, dass wir alle die dortige Arbeit als hervorragend gelobt haben; denn all die Einrichtungen, über die wir jetzt reden, unterstützen Jugendliche mit sehr großen Startschwierigkeiten und begleiten sie bei ihrem Einstieg ins Leben. Dabei leisten sie tolle Arbeit. Sie tun das - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - seit 30 Jahren auf Projektbasis! Eine dauerhaft verlässliche Finanzierung für ein „Projekt“, das in der Praxis längst zum Regelangebot geworden ist, ist nicht nur angebracht, sondern nach 30 Jahren eigentlich auch eine Frage des Anstands.
Ich habe mich deshalb sehr über den Antrag der Koalitionsfraktionen gefreut, der aus meiner Sicht die wichtigsten Herausforderungen beschreibt: finanzielle Planungssicherheit und eine Vereinfachung der Förderung.
dann aber Ergebnisse hervorgebracht, die zwar erst einmal mit Restmitteln bis Mitte 2022 die vorübergehende Finanzierung regeln. Aber all die anderen Aspekte wie eine Poolfinanzierung oder die Angleichung des Förderzeitraums waren da noch nicht beschlussreif.
Das, meine Damen und Herren, fällt weit hinter die zugesagte Lösung zurück und kann eigentlich weder die beteiligten Fraktionen hier im Raum noch die Einrichtungen zufriedenstellen.
Für die Planungssicherheit hier in Niedersachsen brauchen wir ein Landesprogramm für die Jugendberufshilfe. Auch darüber waren wir uns in vielen Gesprächen einig. Das erwarten die Einrichtungen zu Recht von Ihnen. Nordrhein-Westfalen hat das schon vor Jahren vorgemacht und die Förderung seiner Jugendwerkstätten aus diesem Projektstatus herausgeholt und auf eine eigene Förderung umgestellt. Mittlerweile werden mit dem Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ alle Jugendlichen erreicht, die keinen regulären Schulabschluss machen. Dort fällt niemand durchs Raster. Das gelingt im benachbarten Nordrhein-Westfalen so gut, weil die Einrichtungen dort finanziell dauerhaft abgesichert und weil sie Teil eines koordinierten Gesamtsystems sind, das benachteiligte Jugendliche am Übergang von Schule zum Beruf auffängt.
Hier in Niedersachsen tut sich die Landesregierung insgesamt offenbar schwer damit, das langfristig anzuschieben. Das läuft der Ankündigung im Koalitionsvertrag zuwider. Sehr geehrte Frau Reimann, sehr geehrter Herr Finanzminister Hilbers - er ist gerade nicht da, aber ihn betrifft das; denn da er heute von einem wetterfesten Haushalt gesprochen hat, sollte ihm besonders daran gelegen sein, gerade diesen Jugendlichen, die es schwer haben, ihre Helfer über eine verlässliche Finanzierung zu garantieren -,
auch für die Jugendwerkstätten gilt, was auch für viele andere Bereiche auch gilt: Nichts zu tun, heißt, teurere Lösungen suchen zu müssen.
Gerade bei Jugendlichen ist jeder Euro, glaube ich, den wir darauf verwenden, ihnen beim Start ins Leben zu helfen, gut angelegt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung den gemeinsamen Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU angenommen hat.
Als jugendpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion habe ich in den vergangenen zwei Jahren bereits einige Jugendwerkstätten und Pro-Aktiv-Centren besuchen dürfen. Ich traf stets auf äußerst engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch auf viele dankbare Jugendliche. So war ich nicht nur in meiner Heimatstadt Diepholz in der Jugendwerkstatt zu Gast, sondern habe auch mit meinem Kollegen Volker Meyer die Einrichtung in der Gemeinde Weyhe besucht. Im Zusammenhang mit ihrem landesweiten Aktionstag war ich mit mehreren Kolleginnen und Kollegen aus diesem Hause auch in Lüneburg vor Ort.
Alle drei Werkstätten haben mir ihre unterschiedlichen Konzepte erläutert. In allen drei Werkstätten wurde mir die Wichtigkeit dieser Einrichtungen nicht nur durch die überdurchschnittliche Motivation des Personals deutlich.
Ich bin daher mehr denn je davon überzeugt, dass zu viel auf dem Spiel steht, wenn wir als Land Niedersachsen in Brüssel nicht mit aller Entschlossenheit die benötigten Mittel einfordern,
denn durch den sich immer länger hinziehenden Brexit verzögert sich auch die Verabschiedung des neuen mehrjährigen Finanzrahmens der EU immer weiter.
Die Europäische Kommission hat in einer Pressemitteilung vom 13. Juni dieses Jahres an die europäischen Staats- und Regierungschefs appelliert, einen Fahrplan aufzustellen, damit im Herbst dieses Jahres endlich ein neuer EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 verabschiedet werden kann. Gestern hat unsere neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die neuen EU-Kommissare benannt, die nun noch vom EU-Parlament bestätigt werden müssen, bevor sie ihre Arbeit aufnehmen können. Die Aufstellung des neuen EU-Haushalts kann sich so noch weiter verzögern.
Auch die bisherige EU-Kommission macht sich ernsthaft Sorgen um den Fortbestand erfolgreicher EU-Programme. Die Pressemitteilung ist ein öffentlicher Hilferuf, der den Verantwortlichen und allen Bürgern aufzeigen soll, wie wichtig die rechtzeitige Verabschiedung des EU-Haushaltsplans für die Europäische Union mit ihren über 500 Millionen Einwohnern ist.
Weitere Verzögerungen in der Aufstellung und Verabschiedung des Haushalts hätten folgenschwere Auswirkungen für alle, die von den EUGeldern profitieren, u. a. Studierende, Landwirte, Forschende, aber auch unsere Jugendwerkstätten. Erfolgreiche Programme müssten bei weiteren Verzögerungen auf Eis gelegt werden und drohen zum Spielball europäischer Politik im Zuge des Brexit zu werden.
Mit unserem Antrag, meine verehrten Kollegen, möchten wir sicherstellen, dass die Jugendwerkstätten in Niedersachsen nicht zum Spielball der EU-Politik werden. Wir wollen Verantwortung dafür übernehmen, dass junge Menschen auch weiter fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden, sie bei vielfältigen persönlichen Problemen Unterstützung erhalten und zusätzlich auch die erfolgreiche Integrationsarbeit fortgeführt werden kann. Denn eines ist uns allen bewusst: Wir wollen und können auf keinen von ihnen verzichten. Jeder dieser Jugendlichen mit ihren unterschiedlichen Lebensläufen ist es uns wert, uns für eine nachhaltige Finanzierung stark zu machen.
Und: Wir denken auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse sind in einem Wettbewerb um begehrte Fachkräfte ein großer Nachteil. Kommt noch Ungewissheit bezüglich der eigenen Zukunft hinzu, beispielsweise wie es nach einer Finanzierungsperiode weitergehen soll, laufen wir Gefahr, diese wichtigen, engagierten Mitarbeiter zu verlieren. Und wir werden sie nur sehr, sehr schwer zurückbekommen, wenn wir sie einmal - z. B. wegen mangelnder Finanzierung - verloren haben.
Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag setzen wir ein starkes Zeichen für die Arbeit der Jugendwerkstätten und ihrer Mitarbeiter. Lassen Sie uns die erfolgreiche Arbeit nachhaltig fortschreiben, denn - diesen Satz haben meine Vorredner bereits geprägt - kein Mensch darf verloren gehen!
Danke sehr, Kollege Scharrelmann. - Abschließend bekommt jetzt Sozialministerin Dr. Carola Reimann das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ihr Antrag zur nachhaltigen Stärkung der Jugendwerkstätten zeigt, dass Jugendwerkstätten fraktionsübergreifend hohe Wertschätzung genießen. Das liegt zum einen daran, dass wir in Niedersachsen ein nahezu flächendeckendes Netz von Einrichtungen haben. Das liegt aber vor allem daran, wie Jugendwerkstätten arbeiten und welche Zielgruppen sie erreichen.
In Jugendwerkstätten wird betriebsnahes Arbeiten mit Qualifizierung und sozialpädagogischer Begleitung sinnvoll kombiniert. Diese Kombination ist einzigartig und deswegen auch ein solches Erfolgsmodell. Mit diesem übergreifenden Ansatz eignen sich Jugendwerkstätten für alle jungen Menschen, die sonst keine oder nur schwer eine Chance auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt hätten. Diese jungen Menschen brauchen eine besondere Unterstützung und müssen deswegen auch besonders gefördert werden. Zu ihnen gehören junge Flüchtlinge und junge Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch Jugendliche, deren Familien schon immer hier leben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Jugendwerkstätten - das ist schon gesagt worden - blicken in Niedersachsen auf eine lange Tradition zurück. Mit großer Fachlichkeit haben sich die Jugendwerkstätten ständig weiterentwickelt, haben Qualitätsentwicklung betrieben und arbeiten nun auf hohem, zeitgemäßem Niveau. Die Jugendwerkstätten benötigen Planungssicherheit, um auch weiterhin so gute Arbeit leisten zu können. Sie brauchen verlässliche und aufeinander abgestimmte Finanzierungsmöglichkeiten.
Denn sieht man sich die vorhandenen Leistungen der Arbeitsagenturen, der Jobcenter, der Jugendhilfe an, dann stellt man fest, dass es eine Vielzahl an Unterstützungsleistungen gibt. Diese werden aber oft unverbunden, nebeneinander durchgeführt. Da hier insbesondere die Bundesebene gefordert ist, habe ich mich in der ASMK, also der Arbeits- und Sozialministerinnenkonferenz, dafür stark gemacht, dass diese vorhandenen Leistungen besser aufeinander abgestimmt werden. Das bedeutet konkret eine gemeinsame Planungsverantwortung von Arbeitsagenturen, Jobcentern und Jugendhilfe, rechtskreisübergreifende Leistungen in den Sozialgesetzbüchern II, III und VIII und die bisherigen Regelungen von Vorrang und Nachrang von Leistungen zugunsten rechtskreisübergreifender Angebote zu überarbeiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gegenwärtig werden die Jugendwerkstätten überwiegend aus Landesmitteln und mit Mitteln der Europäischen Union finanziert, und - das ist schon gesagt worden - die Förderung durch die EU ist bis Ende 2020 befristet. Inzwischen werden Optionen einer weiteren Finanzierung bis Mitte 2022 geprüft. Rein formal wird dazu ein Beschluss seitens der Europäischen Kommission nötig sein. Meine Kollegin, Ministerin Honé, verhandelt entsprechend in Brüssel mit der Europäischen Kommission, und nach derzeitigem Stand der Besprechungen - das kann ich sagen - sind Kollegin Honé und ich sehr zuversichtlich, dass bis Mitte 2022 Planungssicherheit bestehen wird.
Das verschafft allen Beteiligten Zeit, die Bedarfe für die nächsten Jahre zu prüfen und die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten auszuloten, wobei schon jetzt klar ist: Wir werden mit weniger EU-Mitteln rechnen müssen.
In Kürze wird die Arbeitsgruppe mit allen maßgeblichen Akteurinnen und Akteuren, über die ich in der ersten Beratung ja schon berichtet hatte, verschiedene Szenarien einer künftigen Förderung erörtern. Die Arbeitsgruppe wird auch Impulse für eine fachliche und bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Jugendwerkstätten geben.