Darüber hinaus sind die Studienkapazitäten für Förderschullehrkräfte verdoppelt worden. Auch das war ein wichtiger Schritt. Aber auch da sind wir noch lange nicht am Ende. Auch da brauchen wir weitere Kapazitäten, weil wir diese Kräfte dringend benötigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Inklusionsquote in Niedersachsen liegt bei rund 65 %. Auch das zeigt, dass es ein Zurück zur Schule von gestern nicht geben wird und nicht geben kann.
Nun könnte man sagen: Jetzt ist alles gut im Bereich der Inklusion. - Das ist natürlich nicht der Fall. Es muss aber gut werden, wenn Inklusion gelingen soll.
Deshalb ist es richtig, dass sich die Fraktionen, die sich - trotz mitunter unterschiedlicher Vorstellungen von der Umsetzung der Inklusion - grundsätzlich zur Inklusion bekennen - das sind die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP -, aktuell an einem möglichen gemeinsamen Antrag versuchen. Ich weiß, dass die Beratungen schwierig und langwierig sind und wir in den Vorstellungen an der einen oder anderen Stelle doch noch deutlich auseinanderliegen. Die Größe und Komplexität der Aufgabe der Inklusion ist es aber wert, dass sowohl regierungstragende Fraktionen als auch Oppositionsfraktionen an der einen oder anderen
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, viele von Ihnen - nicht nur die Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker, sondern auch viele andere hier im Hause - sind in Ihren Wahlkreisen häufig in Schulen unterwegs und unterhalten sich mit Eltern, unterhalten sich mit Lehrkräften, unterhalten sich hin und wieder auch mit Schülerinnen und Schülern und unterhalten sich vor allen Dingen auch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Verbände. Dabei wird natürlich eines deutlich: Alle wünschen sich mehr Unterstützung, aber alle können auch auf dauernde kleinteilige Ressourcendebatten seitens der Politik verzichten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie wünschen sich, dass das, was sie brauchen, zur Umsetzung kommt, und sie wünschen sich, dass das pragmatisch passiert und dass es nicht in ideologischen Debatten zerredet wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Besonders verzichten können die Betroffenen auf sogenannte ritualisierte Debatten, die wir ja auch häufig hier im Landtag führen, bei denen sich die regierungstragenden Fraktionen möglicherweise dafür abfeiern, wie viele Mittel sie ins System geben, und die Opposition Zerrbilder vom Scheitern der Inklusion zeichnet. Das brauchen wir nicht. Von daher war ich etwas irritiert, dass die Pressemitteilung der Grünen auf die Große Anfrage schon fertig war, bevor wir hier überhaupt in die Debatte eingestiegen sind.
Aber sei es drum, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es geht darum, hier von diesem Hause ein Signal auszusenden, dass wir alle die Bereitschaft und den Willen haben, Inklusion zum Gelingen zu bringen. Denn es nützt nichts, wenn wir vor Ort die reine Lehre der Inklusion erklären, aber die Verhältnisse ganz andere sind.
Das meine ich, noch bezogen auf einen Aspekt, der hier immer wieder in unterschiedlicher Gewichtung genannt wurde, nämlich das Verlängern der Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen. In der vergangenen Legislaturperiode war ich auch ein Gegner davon. Ich finde aber, dass das, was wir jetzt gemacht haben, durchaus richtig ist. Ich hatte
viele Gespräche vor Ort im Wahlkreis mit den Eltern, mit der Schulleitung, die selber ihre Schule für ein Auslaufmodell hält, aber gesagt hat, noch Zeit zu brauchen, aber auch mit Schülerinnen und Schülern. Ich glaube, die Ermöglichung, vor Ort zu entscheiden, ob diese Schulform noch einige Jahre weitergeführt wird oder nicht, war im Endeffekt die richtige; denn, wie gesagt, es nützt nichts, die reine Lehre zu erklären, wenn die Verhältnisse ganz andere sind. Wir müssen die Verhältnisse zur Kenntnis nehmen, und wir müssen im Gespräch mit den Betroffenen vor Ort immer wieder abwägen, was es braucht, was realistisch ist, wenn wir wollen, dass inklusive Schule gelingt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, an die Adresse der Opposition von Grünen und FDP: Bleiben Sie kritisch - das ist Ihre Aufgabe als Opposition -, aber seien Sie auch konstruktiv im Sinne der Weiterentwicklung der Inklusion.
Ich hoffe, dass wir mit dem Antrag zu einem guten Schluss kommen im Sinne unserer Schülerinnen und Schüler, der Eltern und der Lehrkräfte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon ein interessantes Gefühl, hier als einziger Vertreter der Opposition zu sprechen, da sich ansonsten ja hier anscheinend die GaGroKo versammelt hat.
Halt, Herr Rykena. Dieses Wort sollten Sie einfach rauslassen. Wir sind in der Besprechung einer Großen Anfrage. Und wir besprechen sie fachlichinhaltlich. Daran haben sich alle Kollegen und Kolleginnen bis dato gehalten. Da passt es einfach nicht, sich so zu äußern.
„Mehr“ schrie der kleine Häwelmann: „Ich will mehr“. Der kleine Häwelmann ist die Hauptfigur aus einem Kunstmärchen von Theodor Storm. Im Märchen kommuniziert der kleine Junge mit dem Mond und will immer nur mehr und weiter in seinem Rollbettchen gefahren werden. Er ist nie zufrieden, und immer, wenn er bekommen hat, was er lautstark eingefordert hat, schreit er weiter: „Mehr, ich will mehr!“
Was das mit Inklusion zu tun hat? Ich will es Ihnen sagen. In der Aktuellen Stunde im Februar hier im Haus habe ich Ihnen gesagt: Die Inklusion ist gescheitert, und sie wird auch weiterhin scheitern - einfach weil sie eine Utopie ist. Egal, wie viel Geld Sie in dieses Fass ohne Boden schütten, für eine funktionierende Inklusion an Regelschulen wird es nie genug sein. „Mehr, ich will mehr!“, schrie der kleine Häwelmann. Ich werde Sie bei zukünftigen Debatten genau daran erinnern; immer, wenn es in den kommenden Jahren hier im Plenum um die unzureichenden Zustände in der Inklusion gehen wird. Und diese Debatten wird es geben, da seien Sie sich sicher. Der kleine Häwelmann schrie übrigens so lange weiter, bis er schlussendlich ins Wasser gefallen war und gerettet werden musste. Da hatte es sich dann ausgefahren.
Und nun, liebe Kollegen von den Grünen, zu Ihnen: Sie haben hier diese Große Anfrage gestellt, um, wie Sie in der Begründung schreiben, eine Bestandsaufnahme zur schulischen Inklusion vorzunehmen. Ihre Bestandsaufnahme ist mit Vorsicht zu genießen; denn Ihnen ist es egal, welche Ergebnisse vorliegen. Ihre Antwort lautet immer: mehr Inklusion durch Schließung von Förderschulen. - Doch das ist eine Milchmädchenrechnung. Denn würde man die Förderschulen von jetzt auf gleich schließen, so bedeutet das zwar, dass mehr Förderschullehrkräfte in den Regelschulen zur Verfügung stünden, es würden aber auch mehr Kinder auf die Regelschulen verteilt, die eben dieser Förderung bedürfen.
Und zusätzlich würde der Bedarf nicht im gleichen Maße steigen, sondern überproportional, da durch die Streuung der förderbedürftigen Kinder auf viele Schulen und viele Klassen die Förderschullehrerstunden sonst gar nicht mehr bei ihnen ankommen. Ich habe es selbst erlebt. Ihr Vorschlag würde das Problem auf keinen Fall entschärfen. Das Gegenteil wäre der Fall.
Ein Grundproblem der Inklusion an Regelschulen ist doch, dass in den Regelklassen eine Förderschullehrkraft immer auch für „normale“ Kinder zuständig ist. Bis 2011 unterrichteten ca. 6 200 Förderschullehrer an etwa 300 Förderschulen, und zwar ausschließlich Kinder mit Förderbedarf. Heute sollen genau diese 6 200 Lehrkräfte - denn die Zahl hat sich nicht nennenswert verändert - dagegen auf 3 000 Schulen verteilt werden. Und da wundern Sie sich, dass das nicht klappen will, wenn mit der gleichen Lehrerzahl zehnmal so viele Schulen versorgt werden sollen? - Mich wundert eher, dass Ihnen das nicht auffällt.
Seit dem Jahr 2012 sind bereits 1,8 Milliarden Euro, und zwar zusätzlich zu den normalen Ausgaben, allein für die Inklusion in das System Schule investiert worden. Die Ausgabe weiterer zusätzlicher Milliarden soll heute hier vorbereitet werden.
Nun bitte ich Sie einmal, sich Folgendes bildlich vorzustellen. Wenn wir nur die Hälfte dieser 1,8 Milliarden Euro genommen und in das gut funktionierende und für die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf maßgeschneiderte System der Förderschulen investiert hätten,
was hätte man dort nicht alles damit erreichen können? - Die Hälfte, 900 Millionen Euro, allein für die Förderschulen, und zwar zusätzlich zu dem, was sie bisher hatten! Damit wären dort paradiesische Zustände möglich gewesen. Die Ausstattung der Förderschulen wäre auf einem vorbildlichen Stand. Dazu wäre eine Unterrichtsversorgung vielleicht von 120 % möglich, Vertretung und Unterrichtsausfall wären also kein Problem mehr an den Förderschulen. Weitere Unterstützungskräfte hätte man dort einsetzen können. Ja, vielleicht hätte man sogar so viele Förderschullehrkräfte frei und finanzierbar, dass es für Doppelbesetzungen in den ohnehin kleineren Klassen gereicht hätte. All das hätte man umsetzen können mit der Hälfte der Mittel, die Sie jetzt bereits vergeblich für das zum Scheitern verurteilte Projekt der Inklusion an Regelschulen ausgegeben haben.
Was haben wir stattdessen? - Eine chronisch unterfinanzierte Inklusion, überforderte Lehrkräfte, gestresste Regel- wie auch Förderschüler, einen Einsatz knapper Förderschulpädagogen nach dem Gießkannenprinzip, einen riesengroßen Abstimmungsbedarf zwischen den Förderschulkräften und den Regelschullehrern und einen wachsenden Widerstand aus der Elternschaft.
Machen Sie sich das bitte noch einmal klar. Paradiesische Zustände an den Förderschulen wären möglich gewesen, stattdessen haben wir unerfüllbare Träume von Inklusion. Vernünftige Schulpolitik sieht anders aus.
Herr Rykena, auf Ihren Wortbeitrag liegt eine Kurzintervention des Abgeordneten Björn Försterling, FDP-Fraktion, vor. Bitte schön, Herr Försterling!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die FDP-Fraktion sagt, ja, wir wollen es Eltern und Schülern ermöglichen, sich für eine Förderschule zu entscheiden. Aber das, was wir immer abgelehnt haben, ist, dass das eine gegen das andere ausgespielt wird, so wie Sie, Herr Rykena, es gerade getan haben. Lassen Sie mich Ihnen zwei Dinge mit auf den Weg geben. Bildungspolitik ist immer ein Stück mehr als nur Finanzpolitik.
In meiner Rede eben habe ich davon gesprochen, dass Inklusion gelingen kann, wenn man mit offenem Herzen auf andere Menschen zugeht. Deswegen möchte ich Ihrer Rede erwidern mit einem Zitat vom kleinen Prinzen:
Wir fahren in der Rednerliste fort. Für die CDUFraktion hat sich der Abgeordnete Kai Seefried zu Wort gemeldet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es war der 20. März 2012 - also vor knapp über sieben Jahren -, als wir im Niedersächsischen Landtag mit großer breiter politischer Mehrheit das Niedersächsische Schulgesetz geändert haben.
Bei allen kontroversen, schwierigen und auch herausfordernden Punkten, die wir gerade angesprochen haben, dürfen wir heute feststellen: Das, was wir damals 2012 im Niedersächsischen Landtag - wie gesagt - mit breiter politischer Mehrheit auf den Weg gebracht haben, war wohl bis zu diesem Zeitpunkt mit der größte Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik Niedersachsens.