Protocol of the Session on March 28, 2019

Wenn wir jetzt all die Arbeit, die Landkreise und Kreistage schon geleistet haben, wieder auf null setzen und in die Tonne treten würden, würde das vor Ort doch nicht zur Verbesserung der Akzeptanz führen! Die Idee, so spannend wie sie ist, lieber Herr Dr. Birkner, sollten wir, glaube ich, in die Tonne werfen. Deswegen müssen wir den Antrag ablehnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Nun haben Sie vorhin versucht, uns zu erklären, dass die Bayern das besser machen würden. Wenn Sie das Schreiben der EU-Kommission mit seinen über 50 Seiten lesen würden, würden Sie feststellen: Dabei kommen sie alle schlecht bei weg: Bayern, Baden-Württemberg, MecklenburgVorpommern, Hessen und Niedersachsen - keiner hat es geschafft, keinem ist es gelungen, die FFHRichtlinie vernünftig umzusetzen; denn alle haben systematisch Mängel eingebaut. Da müssen wir uns schon an die eigene Nase fassen.

Ich bin gemeinsam mit dem Kollegen Calderone und dem Kollegen Lammerskitten mit meiner CDUKreistagsfraktion Ende Februar in Brüssel bei der EU-Kommission gewesen. Das Gespräch mit den Experten der Kommission für Deutschland zum Thema FFH war ernüchternd. Vieles von dem, was wir machen, meine sehr geehrten Damen und Herren, machen wir, glaube ich, systematisch anders als andere Länder der Europäischen Union. Vermutlich machen wir es in Teilen auch typisch deutsch, nämlich in gewissen Dingen viel zu genau. Und trotzdem erreichen wir unsere Ziele nicht!

Bezeichnend war - da gebe ich Ihnen ausdrücklich recht, lieber Kollege Dr. Birkner -, dass wir manchmal in der Naturschutzverwaltung über das Ziel hinausschießen. Wenn es darum geht, ein bestimmtes Erhaltungsziel zu erreichen und eine bestimmte Art von Bäumen zu schützen, dann gibt es in diesem Land Naturschutzverwaltungen, die sagen: Dieser Wald darf von Hunden nicht mehr betreten werden.

Daraufhin hat der Experte von der EU-Kommission gesagt: Schätzen Sie doch bitte einmal selber ein, welchen Einfluss das Herumlaufen eines Hundes auf einen Baum hat. - Wir waren uns alle einig: keinen. - Sehen Sie, hat er gesagt, so können Sie das einfach lösen. Überlegen Sie, was das Schutzziel ist, erfüllen Sie das, und den gesamten anderen Quatsch, den viele Verwaltungen in solche Verordnungen hineinschreiben, weil sie bei der Gelegenheit sagen, das machen wir jetzt einmal, müssen die Kreistage sehr genau prüfen.

Es kommt wirklich darauf an, dass man das vor Ort vernünftig und in Akzeptanz mit den Grundeigentümern macht. Ich will den früheren Umweltminister Hans-Heinrich Sander ausdrücklich zitieren: Wenn wir Naturschutz nicht mit den Menschen machen, sondern gegen die Menschen, wird es keine Akzeptanz geben. Dann werden wir unser Ziel nicht erreichen.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von der FDP: Richtig!)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, glaube ich, dass nichts anderes helfen wird, als dass wir diesen Weg, den wir eingeschlagen haben - auch wenn er vor Ort für viel Stress sorgt und er uns manchmal etwas komisch vorkommt - weitergehen. Wir müssen unsere Arbeit besonders an einer Stelle gut und noch viel besser machen: Wir müssen die Erhaltungsziele quantifizieren und messbar machen. Das ist genau das, was die EU-Kommission rügt.

Unsere niedersächsischen Verwaltungen haben in den Verordnungen nicht beschrieben, wie wir das Ziel erreichen wollen, die Natur zu erhalten, und wie wir das messen wollen. Zu diesem Thema leistet der vorliegende Antrag der FDP-Fraktion leider keinen nennenswerten Beitrag. Er suggeriert, man könne etwas anders machen. Die Zeit dafür ist aber abgelaufen.

Insofern, meine sehr geehrten Damen und Herren, schließe ich mich den Ausführungen meines Kollegen Brammer an: Dieser Antrag ist abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Herr Dr. Birkner von der FDP-Fraktion hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bäumer, wenn Sie davon sprechen, dass die Zeit abgelaufen sei oder zu weit fortgeschritten sei, um jetzt noch etwas zu ändern, dann liegt das ganz maßgeblich in Ihrer Verantwortung.

Ich mag daran erinnern, womit Sie in den Wahlkampf gestartet sind. Sie haben gesagt: Der Weg, den Rot-Grün eingeschlagen hat, ist der falsche Weg. Sie haben vollmundig angekündigt, Sie würden die ganze Schutzgebietsverordnung aufheben. Davon werde nichts mehr übrig bleiben, weil sie nicht die Akzeptanz der Menschen vor Ort finde.

Sie sagen jetzt: Wir sind für Akzeptanz. - Sie haben aber in der Sache nicht wirklich etwas bewegt, sondern sind den von Rot-Grün eingeschlagenen Weg einfach weitergegangen. Jetzt hier zu sagen, jetzt sei die Zeit zu weit, ist wirklich etwas widersprüchlich und steht im Gegensatz zu dem, was Sie ansonsten gesagt haben.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben es in diesen Jahren, in denen Sie regieren, nicht geschafft, die Akzeptanz zu erhöhen. Rot-Grün hat es vorher auch nicht geschafft. Es ist genau richtig: Naturschutz ist nur mit den Menschen zu erreichen, aber das Gegenteil ist bisher bewirkt worden.

Sie sagten, der Besuch bei der EU-Kommission sei ernüchternd gewesen. Das ist genau das, was ich sage. Die Kommission bestätigt Ihnen: Ihre Politik ist gescheitert. Sie erzielen nämlich mit diesem aufwendigen Weg der Grundschutzverordnungen keine Akzeptanz. Im Übrigen genügen sie nicht den Anforderungen der Kommission und haben die Menschen gegen sich aufgebracht. Herzlichen Glückwunsch! Wo ist denn bitte die Umweltpolitik der CDU, die wirklich noch auf die Menschen vor Ort eingeht?

Zum Abschluss, meine Damen und Herren: Sie sagen, das müsse vor Ort entschieden werden. Da machen Sie es sich viel zu einfach! Im Naturschutz wird im übertragenen Wirkungskreis gehandelt. Es liegt natürlich in der Hand des Ministers, deutlich zu machen, dass das mildeste Mittel der Maßstab ist. Aber das macht keiner. Den unteren Natur

schutzbehörden wird freie Hand gelassen, dann greifen die immer voll in die Tasten und holen die schärfsten Mittel heraus - und der Minister guckt zu und lässt gewähren.

(Zuruf von der FDP: So ist es!)

Da fehlt eine klare Führung durch die Landesregierung! In dieser Frage ist auch die CDU, mit Verlaub, ein Totalausfall.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Birkner. - Der Kollege Bäumer möchte erwidern. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin schon ein wenig verwundert, wie ein früherer Umweltminister hier vorn am Mikrofon agiert, lieber Kollege Birkner. Dieses Engagement, vielleicht vor zehn Jahren an den Tag gelegt, hätte uns wahrscheinlich weitergebracht.

(Beifall bei der CDU)

Sie wissen, lieber Kollege: Es gibt Wahlprogramme, dann gibt es Regierungsprogramme und dann gibt es Kompromisse. Natürlich hätten wir gerne etwas geändert. Dazu muss man aber den passenden Koalitionspartner haben. Wir sind an der Stelle leider ausgefallen und haben keine Mehrheit bilden können. Vielleicht hätten wir es mit Ihnen anders machen können - war aber nicht.

Ich bin trotzdem froh und zufrieden, dass es gelungen ist, in Verhandlungen mit der SPD-Fraktion einen Erschwernisausgleich für Waldbesitzer durchzusetzen, der zukünftig gezahlt wird. Insofern haben wir einen Teil unseres Wahlprogramms umsetzen können.

Dass wir wirklich alles falsch gemacht haben, lieber Kollege, kann ich nicht bestätigen. Wenn Sie sagen, vor Ort würde falsch gehandelt, vor Ort würden die Naturschutzverwaltungen Dinge reindrücken, dann mag das manchmal der Fall sein. Den Beschluss über diese Verordnungen - ob Landschaftsschutzgebiet oder Naturschutzgebiet - fällen aber jeweils die Kreistage.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Ich möchte Sie ganz herzlich bitten: Trauen Sie doch den gewählten ehrenamtlichen Politikern in den Kreistagen aller Parteien - CDU, FDP, SPD, Grüne und manchmal auch AfD - zu, dass sie ein

bisschen Ahnung von dem Thema haben und versuchen werden, nur das zu beschließen, was vernünftig ist! Ich hätte an der Stelle mehr von Ihnen erwartet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Nun hat sich Herr Minister Lies zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal herzlichen Dank, lieber Martin Bäumer. Ich glaube, gerade der Satz am Schluss ist ganz entscheidend. Wir wollen gerade die gewählten Mitglieder der Kreistage motivieren, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dann sollten wir ihnen auch zugestehen, dass sie das verantwortungsvoll machen. Vielen Dank dafür. Das war ein wichtiges Signal.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Lieber Herr Birkner, ich meine, da mussten Sie durch. Sie haben den Antrag gestellt, und dann mussten Sie natürlich auch noch einmal etwas dazu sagen. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Das verstehe ich.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Sicher, das stimmt ja auch! Es bleibt ja richtig!)

Aber es war schon erschreckend, das Signal an die Ebene der Landkreise zu senden, sie sei nicht in der Lage, zu zwei Dingen zu entscheiden, nämlich zur Frage eines Übermaßverbotes, das er einhalten muss, und zu der eines Verhältnismäßigkeitsgebotes!

(Zuruf von Dr. Stefan Birkner [FDP])

Genau das macht die untere Naturschutzbehörde mit ihrem Entwurf. Den stellt der Landkreis dann im Kreistag vor, und genau darüber beschließen die Kolleginnen und Kollegen des Kreistages.

Immerhin - ich gebe es ja zu -: Wir sind noch nicht fertig. Ich vermeide es jetzt, noch einmal zu sagen, was alle in der Vergangenheit versäumt haben. Ich bin jetzt verantwortlich, und man wird bei der Frage auf mich blicken, wie weit wir damit kommen. Deswegen ist das völlig richtig so.

83 % der Fläche sind hoheitlich gesichert. Wir sind jetzt immerhin bei 267 von 383 FFH-Gebieten, die gesichert sind. Wir hatten im letzten Jahr weit über 90 Schutzgebietsverordnungen, die neu beschlossen worden sind. Das ist erst einmal ein wichtiges Signal, dass wir vorankommen.

Umso wichtiger ist heute übrigens die Ablehnung dieses Antrages, weil der Antrag suggeriert, dass man jetzt mit der Arbeit in den Landkreisen aufhören könne. Genau das Gegenteil ist richtig. Ich ermuntere gerade die Kreistagsabgeordneten, ganz intensiv weiterzuarbeiten und die notwendigen Beschlüsse zu fassen. Es sieht danach aus, dass wir zumindest 85 weitere Schutzgebietsverordnungen noch in diesem Jahr 2019 auf den Weg bringen. Im Moment werden noch 30 genannt - ich glaube, das habe ich auch in meiner Antwort dargestellt -, die 2020 kommen. Ich glaube bzw. ich hoffe, es gelingt uns eher. Das wäre ein großer Erfolg.

Ich bin davon überzeugt, Herr Birkner, das zeugt von Akzeptanz für den Naturschutz, und Sie haben recht, darauf sollten wir allesamt auch Wert legen.

Herr Minister, entschuldigen Sie bitte! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Birkner?

Ja.

Das ist nett. Danke schön. - Bitte!