Protocol of the Session on December 11, 2018

Wir kommen jetzt zu den Wortmeldungen. Zunächst erhält das Wort Kollegin Julia Willie Hamburg von Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 560 Millionen Euro mehr sind im Haushalt für Bildungsangelegenheiten. Jetzt kann man sich fragen: Was passiert denn eigentlich mit dem Geld? Wozu wird das führen? Wird das etwa zu mehr Qualität an unseren Schulen führen?

(Zurufe von der CDU: Genau!)

Ich kann Ihnen sagen: Leider nein! Denn anstatt mehr Qualität im Bildungsbereich an den Schulen voranzubringen, gibt es diverse Kürzungen, um die Unterrichtsversorgungsstatistik unter der Hand zu verbessern.

Da werden dann einfach ein paar Zusatzbedarfe gestrichen, ein paar Sprachförderstunden nicht erteilt und - zack! - ist die Unterrichtsversorgung nicht mehr bei 97 %, sondern vielleicht bei 98,5 %, und der Minister kann sagen: Wunderbar, wir ha

ben eine bessere Unterrichtsversorgung. - Ob das zu mehr Qualität an den Schulen führt? - Das ist in der Regel leider nicht der Fall.

Allein die Verlagerung der Sprachförderung von den Grundschulen an die Kitas - ein großes Unterrichtsversorgungstrickprojekt des Ministers - hat nicht wirklich dazu geführt, dass sich die Unterrichtsversorgung an den Grundschulen signifikant verbessert hat. Das zeigt: Hier wird Qualität abgebaut, ohne dadurch mehr an den Schulen zu erreichen. Das ist ein falsches Signal und absolut ungenügend, Herr Minister.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wird dieses Geld vielleicht zu mehr sozialer Gerechtigkeit an Niedersachsens Schulen führen? - Leider nein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Brennpunktschulen werden lediglich mit einem Modellprojekt an 20 Schulen vorangebracht. An diesen 20 Schulen führen die zusätzlichen Mittel noch nicht einmal dazu, dass die Schulen 100 % Unterrichtsversorgung haben. Sie bleiben weit unter diesem statistischen Wert. Anstatt sich hier an grundlegende Fragen zu trauen und einen Sozialindex einzuführen, guckt die Große Koalition hier lieber weg und nimmt sich der Probleme nicht an.

Auch das Thema Sprachförderung ist so ein Beispiel. Von überall schreiben uns Schulen, dass Sprachförderkurse nicht mehr genehmigt werden, der Bedarf angeblich nicht mehr vorhanden sei, obwohl sie über die Schülerinnen und Schüler verfügen. Bereits 2017 wurden sie dazu aufgefordert, die Bedarfe für 2018 zu nennen. Die Schülerinnen und Schüler, die jetzt in den Klassen sitzen, werden also nicht mit gerechnet. Das ist ungenügend, Herr Minister. So funktioniert Sprachförderung nicht, und diese ist eine wichtige Investition in die Zukunft, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Und selbst bei der schulischen Sozialarbeit, die ja im Koalitionsvertrag steht, bleiben Sie hinter den Ankündigungen aus Ihrem Koalitionsvertrag zurück. Hier konnten Sie über die politische Liste noch die ausstehenden Stellen retten.

(Ulf Thiele [CDU]: Wir fangen doch gerade erst an! Geben Sie uns doch ein bisschen Zeit!)

Und dazu, Herr Thiele: Auch die politische Liste ist an dieser Stelle unausgegoren. Sie haben für ein Jahr Gelder für Stellen zur Verfügung gestellt. Das haben Sie vorhin bei uns getadelt. Sie haben es selber so gemacht. Keine nachhaltige Finanzierung der Schulsozialarbeit. Ein Jahr Projektstatus - zumindest ist das hier der Stand. Ungenügend, Herr Minister!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wird etwa die Inklusion in Niedersachsen durch diese 560 Millionen Euro verbessert? Das werden sich jetzt einige fragen. Irgendetwas wird es ja sein. Ich muss Ihnen sagen: Leider nein! Es gibt immer noch keine Richtung für die Inklusion. Es gibt immer noch keine grundständigen Entscheidungen zur Verbesserung der Inklusion an den Schulen. Stattdessen haben Sie das Auslaufen der Förderschulen Lernen verzögert. Das heißt, es wird sie länger geben, und an der inklusiven Schule fehlen die wichtigen Ressourcen, es fehlen die wichtigen Fachkräfte. Und sogar die Mittel für die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Rot-Grün damals noch auf den Weg gebracht hat, haben Sie gekürzt. Hier fallen Sie weit hinter Ihrem Koalitionsvertrag zurück, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Auch die Evaluation haben Sie gestrichen. Das dürfte hier aber auch niemanden wundern. Wer will sich angucken, was passiert, wenn man nichts tut? Das will sich niemand auf die eigene Fahne schreiben lassen. Also streichen Sie hier die Evaluation, damit wenigstens niemand mehr hinguckt, was in der Inklusion passiert. Auch das ist ungenügend, Herr Minister.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt könnte man meinen - wir haben ja vor Kurzem einen Bericht der Arbeitszeitkommission erhalten -, dass die 560 Millionen Euro für die Entlastung von Lehrkräften an Schulen aufgewendet werden. Leider nein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Das Kultusministerium und dieser Haushalt sehen ganze null Euro für das Thema „Arbeitsentlastung von Lehrkräften“ vor. Sie haben also nicht vor, grundlegende Umsetzungen voranzubringen und die Kolleginnen und Kollegen zu entlasten. Aussitzen ist hier das Motto. Ein paar Handreichungen schreiben ist hier das Motto. Das ist ungenügend, und Sie werden auch die nächsten Klagen in Lüneburg oder vor anderen Gerichten verlieren, denn die Lehrkräfte sind überlastet, und Sie als Arbeit

geber haben die Verpflichtung, hier zu reagieren, und zwar heute und nicht erst in drei Jahren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man könnte jetzt meinen, Sie tun vielleicht etwas gegen den Fachkräftemangel - auch das wäre eine naheliegende Überlegung - und Sie geben dieses Geld dafür aus, etwa A 13, Ihr Wahlversprechen, umzusetzen und hierfür einen Stufenplan auf den Weg zu bringen. Aber auch das ist nicht der Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auch das sitzen Sie aus. Auch hier sehen Sie kein Geld vor - noch nicht einmal für eine erste Stufe -, sondern auch hier sagen Sie: Wir prüfen, wir sitzen aus, wir reagieren später, alles ist so kompliziert. - Nichts ist kompliziert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Fachkräftemangel braucht Antworten, und A 13 haben Sie versprochen. Ich erinnere mich noch, wie der Kollege Seefried auf jedem Podium, das Gott werden ließ, sagte: Mit uns in der Regierung wird es A 13 für jede Lehrkraft in Niedersachsen geben.

(Zurufe von der CDU)

Nichts ist daraus geworden, Herr Seefried. Das ist enttäuschend.

(Beifall bei den GRÜNEN - Anja Piel [GRÜNE]: Ich habe es auch gehört!)

Aber wohin fließt nun der Großteil dieser Mittel, die ja als Aufwuchs für Bildungsgerechtigkeit gesehen werden? - In eine verkorkste Umsetzung der KitaBeitragsfreiheit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es klingt nach viel, aber es ist nicht auskömmlich finanziert. Nein, derzeit zahlen die Kommunen die Kosten für ein Wahlversprechen, das die Große Koalition umgesetzt hat. Das heißt, es ist noch nicht einmal so, dass Sie sie selber tragen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Hier wird nach dem Bund geschielt. Hier wird auf die Kommunen geschaut. Wenn man dann fragt, wie sich das auswirkt, wird gesagt: Das ist kommunale Angelegenheit. Da haben wir keine Ahnung. - Gesetze machen und andere zahlen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist unseriös, und das werden wir Ihnen hier jedes Mal wieder vorhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist ja nicht so, als wenn es nur die Kommunen wären, die das zahlen. Nein, wir kriegen auch regelmäßig Petitionen von Eltern in diesen Landtag, die uns sagen, dass sie jetzt individuell mehr zahlen. Trotz Beitragsfreiheit sind Geschwisterboni

und andere Entlastungen weggefallen. Die Kosten für Essen steigen, und plötzlich zahlen Eltern mit vielen Kindern im Haushalt mehr, als sie vor der Einführung dieses Bildungsgerechtigkeitspaketes gezahlt haben.

(Unruhe)

Einen Moment, Frau Hamburg! - Ich glaube, es müsste etwas ruhiger werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz besonders an der Regierungsbank.

Dass die Landesregierung das nicht hören will, kann ich irgendwie verstehen. Das würde ich auch nicht wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann doch nicht sein, dass Sie sagen, Sie wollen Eltern entlasten, und wir kriegen jetzt Zuschriften, dass sich Eltern sogar überlastet sehen und am Ende mehr bezahlen. Das ist ungenügend, Herr Kollege.

Und geben Sie das Geld etwa aus, um den Fachkräftemangel im Kitabereich zu beheben? - Leider auch das nicht. Es gibt überall im Land Probleme, die Kurse anzubieten. Teilweise werden Kitas geschlossen. Und der Kultusminister diskutiert - zumindest laut einem Brief der Kita-Volksinitiative - sogar noch eine Absenkung der Ausbildungsstandards. Das ist unerhört. Da fehlen mir die Worte. Es kann doch nicht Ihre Antwort auf Kita-Qualität sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir jetzt Erzieherinnen und Erzieher ausbilden, die noch nicht einmal mehr nach den Ausbildungsstandards für Erzieherinnen und Erzieher ausgebildet werden. Das ist Standardabsenkung über die Hintertür, und das werden wir nicht mitmachen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Geben Sie denn vielleicht Geld für die Kita-Qualität aus? Das ist ein Thema, bei dem sich alle Fraktionen hier im Haus eigentlich einig sein sollten, dass es wichtig wäre, dort zu investieren. Leider nein. Auch hier Fehlanzeige. Sie geben da kein Geld aus, und sogar die Bundesmittel haben Sie bereits für Ihre Beitragsfreiheit verfrühstückt. Das heißt, selbst die Mittel aus dem Gute-KiTa-Gesetz, welche ausweislich für Qualität vom Bund an die Länder gegeben werden sollen, wollen Sie zur Kompensation Ihrer überbordenden Kosten für die Bei

tragsfreiheit verwenden, und sie gehen nicht in substantielle Verbesserungen. Dabei ist doch gerade das angezeigt. Sie können sich doch nicht auf rot-grünen Erfolgen der Vergangenheit ausruhen und sagen: Die dritte Kraft in Krippen, 60 Millionen Euro QuiK-Mittel, das reicht schon irgendwo. - Das reicht nicht! Die Erzieherinnen und Erzieher gehen auf dem Zahnfleisch, und Sie in der Landesregierung müssen dafür Antworten finden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir erwarten ja noch nicht einmal, dass Sie alles auf einmal machen. Natürlich wäre es vollkommen ausreichend, wenn Sie hier mit einem Stufenplan beginnen und sagen, Sie machen die erste Stufe: alle 25er-Gruppen. Oder Sie machen die erste Stufe: Gruppenverkleinerung. Wir können ja über alles reden, aber anfangen müssen Sie doch mal, Antworten geben und ernsthaft zeigen, dass Sie Schritte gehen wollen. Das ist doch jetzt angezeigt. Aber in Ihrem Haushalt: Fehlanzeige, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist absolut ungenügend.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da kann ich dann an die FDP anschließen, die heute Vormittag gesagt hat: Viel Geld ausgeben, bedeutet noch lange keine gute Politik. - Das beweisen Sie leider hier mit diesem Bildungshaushalt ohne Frage; denn Qualität und Gerechtigkeit spielen in diesem Kultushaushalt keine Rolle. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: 2019 wird somit ein vertanes Jahr für die Bildungspolitik. Das ist schade für Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Kollegin. - Für die SPD-Fraktion hat sich zunächst der Kollege Stefan Politze gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Julia Willie Hamburg, ich greife einmal auf, was Sie am Anfang Ihrer Rede ausgeführt haben, insbesondere zum Thema Inklusion und Schulsozialarbeit. Ich vermisse genau diese Punkte, die Sie gerade kritisiert haben, in Ihren Haushaltsbegleitanträgen, die Sie gestellt haben. Ich kann darin nichts Nachhaltiges finden, das Sie genau in diesem wichtigen Bereich fortsetzen oder einsetzen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Zunächst möchte ich aber nicht versäumen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium und allen in der Bildung Tätigen dafür zu danken, dass sie in Bildung tätig sind, aber auch für uns hier im Parlament tätig sind und mitgewirkt haben, dass dieser Haushalt aufgestellt werden konnte und dass der Haushalt dann am Ende umgesetzt und mit Leben gefüllt werden kann.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Anja Piel [GRÜNE]: Jetzt wird wieder der Kultusminister heiligge- sprochen!)

In der vergangenen Wahlperiode ist der Kultusetat um 1 Milliarde Euro gesteigert worden, von 4,9 Milliarden Euro auf 5,9 Milliarden Euro. In dem Mittelfristzeitraum wird der Kultusetat auf insgesamt 7,4 Milliarden Euro ansteigen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das kann man wohl als nachhaltig beschreiben. Deswegen kann ich die Kritik an dieser Stelle nicht verstehen. Das ist ein weiterer Aufwuchs um über 25 % und der Nachweis dafür, dass Bildung auch weiterhin ein Kernstück dieser Regierungspolitik und dieses Kultusministers ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich werde mich in meinem Beitrag auf den Schulbereich beschränken, weil der Kollege Uwe Santjer den frühkindlichen Bereich abdecken wird - nicht damit man ihm wieder vorhält, er dürfe nicht reden, sondern weil er das Thema qualitativ ausfüllt, was man bei manch anderem Redner nicht sagen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren.