Meine Damen und Herren, gute und kluge Verkehrspolitik denkt Mobilität als Ganzes. Wer Radwege sicherer macht und ein eigenes und einheitliches Radwegenetz schafft, bewahrt Autofahrer davor, Radfahrer zu verletzen. In die Sicherheit von Radwegen, Radfahrerinnen und Radfahrer zu investieren, ist gleichzeitig Radpolitik, aber auch Autoverkehrspolitik. Wenn wir es schaffen, Berufspendlern das Radfahren schmackhaft zu machen, dann ist auch das Autofahrerpolitik; denn jeder Radfahrer nimmt weniger Raum im Straßenverkehr ein, als wenn er sich ins Auto gesetzt hätte. Er stößt auch weniger Schadstoffe aus.
Die positiven Folgen sind entlastete Straßen und die Verhinderung von Fahrverboten. Zum Fahrrad greift der Mensch aber erst dann, wenn die Infrastruktur stimmt und er nicht um Leib und Leben fürchten muss.
Meine Damen und Herren, es ist ein Armutszeugnis für die Verkehrspolitik in Niedersachsen, dass Sie ausgerechnet rot-grüne Programme - u. a. Radschnellwege, kommunale Mittel - einfach auslaufen lassen. Hören Sie auf, so zu tun, als sei der Bedarf nicht da! Das ist schlichtweg unseriös. Sie argumentieren hier nachweislich mit Halbwahrheiten.
Zu den Radschnellwegen will ich jetzt gar nicht weiter ausführen. Darauf kommen wir ja dann morgen noch mal.
Wir wollen den Anteil der Radfahrerinnen und Radfahrer in Niedersachsen von aktuell 15 % auf 30 % bis zum Jahr 2030 erhöhen. Wir werden niemanden dazu zwingen, auf das Rad umzusteigen. Das brauchen wir auch nicht, weil viele Menschen selbst lieber mit dem Rad fahren würden, aber sich bislang nicht trauen, weil die Verkehrswege ihnen nicht sicher und komfortabel genug sind.
Deswegen, meine Damen und Herren, wollen wir, dass bis 2025 mindestens 250 km Radschnellwege gebaut werden,
damit Radfahrerinnen und Radfahrern ein sicheres Verkehrsnetz zur Verfügung steht. Wir brauchen dafür ein dauerhaftes Landesprogramm. Wer sich auf den Weg macht, braucht ein Ziel. Sonst verliert er die Orientierung.
Von der CDU und ihrem Minister haben wir eigentlich auch nichts anderes erwartet als das, was uns jetzt vorgelegt worden ist. Aber dass Sie von der SPD sich nach nur einem knappen Jahr zum Erfüllungsgehilfen einer rückwärtsgewandten Verkehrspolitik der CDU machen,
(Dirk Toepffer [CDU]: Gestern haben Sie noch gesagt, wir seien fortschritt- lich! Jetzt sind wir rückwärtsge- wandt?)
Wer wichtige Radverkehrsprogramme ohne Ersatz auslaufen und Konzepte verstauben lässt, der hat nicht viel von Radverkehrspolitik und einer Verkehrswende verstanden. Aber Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD - der Appell geht ausdrücklich an Sie -, haben ja noch die Chance über die politische Liste auf den Weg der rot-grünen Radpolitik zurückzukehren.
Vielen Dank, Herr Schulz-Hendel. - Jetzt spricht die Landesregierung. Herr Dr. Althusmann, bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr SchulzHendel, Sie enttäuschen mich nicht.
Ich möchte Ihnen, da Sie eingangs Einstein in dem Sinne zitierten, dass man Probleme nie mit den alten Denkweisen löst, auch mit Einstein antworten: „Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.“ Das bezieht sich ganz speziell auf Ihre Einlassungen.
Es ist ausgesprochen schwierig, Sie davon zu überzeugen, dass wir uns in dem Ziel, eine bessere Verkehrspolitik und auch eine Fahrradpolitik für Niedersachsen auf den Weg zu bringen, in vielerlei Hinsicht einig sind. Wir streiten uns über den Weg. Die Wortwahl mit „Armutszeugnis“ und „Versagen“ usw. finde ich dabei allerdings unglücklich.
Ich werde Ihnen gleich auflisten, was wir alles machen. Sie hingegen wollen schlicht mehr Geld und mehr Personal. Sie werfen uns vor, dass dafür nur eine Stelle zur Verfügung steht.
(Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE]: Eine halbe! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Bei 100 zusätzlichen Stellen ist dafür doch wohl noch eine drin!)
und zwischenzeitlich gab es auch keine Veränderung. Das nur so nebenbei. Ich erinnere noch einmal an die Sache mit dem Atom.
Meine Damen und Herren, die heutige Debatte über die Große Anfrage bietet mir die Gelegenheit, gleich zu Beginn drei wesentliche Punkte festzustellen.
Erstens. Niedersachsen soll und will Fahrradland Nummer eins werden. Wir haben beste Voraussetzungen dafür.
Ich möchte mich, sehr geehrter Herr Abgeordneter, sehr geehrte Damen und Herren, zunächst einmal sehr herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, dem Wirtschaftsministerium, sowie aller beteiligten Behörden, die an der Beantwortung dieser sehr umfangreichen Großen Anfrage mitgewirkt haben, bedanken. Die Ausführungen zu den 158 Fragen ergeben auf 57 eng beschriebenen Seiten der Landtagsdrucksache ein sehr umfassendes Bild über das Fahrradland Niedersachsen. Sie finden dort jetzt alle Details und Daten über das Fahrradland Niedersachsen, die
Sie schon immer einmal wissen wollten. Ich will darauf nicht eingehen. Ich danke den fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums für die herausragend gute Arbeit, die sie geleistet haben.
Ein paar Werte vorab: In unserem Bundesland gibt es in Privathaushalten knapp 8 Millionen Fahrräder. Das sind fast so viele Fahrräder wie Einwohner. Demnach hat rein rechnerisch fast jeder Einwohner eins.
Wir haben in Niedersachsen einen Radverkehrsanteil von 15 %. Das heißt, dass 15 % aller Wege mit dem Rad zurückgelegt werden. Das ist ein Spitzenwert unter allen Flächenländern in Deutschland. Mehr noch, das ist ein Wert, der sonst nur in Metropolen wie Berlin oder Hamburg erreicht wird. Wir wollen uns auf dem bisher Erreichten aber nicht ausruhen. Planung, Neubau, Ausbau, Sanierung von Radwegen - das wird auch in den nächsten Jahren weitergehen.
Was das konkret heißt, werde ich Ihnen nun an einigen wenigen Punkten erläutern. Sieben Punkte möchte ich Ihnen nennen:
Erstens: Radwege an Bundesstraßen. In diesem Jahr haben wir etwa 14,5 Millionen Euro - einschließlich sehr erfolgreich eingeworbener zusätzliche Mittel vom Bund - für Investitionen in Radwege an Bundesstraßen zur Verfügung. Dort sind wir gut ausgestattet.
Zweitens: Radwege an Landesstraßen. Für die Radwege an Landesstraßen stehen jährlich 10 Millionen Euro bereit, davon 5 Millionen Euro für den Erhalt und 5 Millionen Euro für den Neubau. Nun hat sich der Zustand der Radwege an Landesstraßen zwischen 2010 und 2015 - da nehme ich keine Landesregierung aus - leider nicht wesentlich verbessert, sodass wir in den kommenden Jahren hier merklich gegensteuern wollen. Dazu haben wir zunächst einmalig für den Haushalt des kommenden Jahres 2019 zusätzlich 5 Millionen Euro für die Radwegesanierung an unseren Landesstraßen vorgesehen.
Drittens: kommunale Radwege. Beim kommunalen Straßenbau bekommen wir kein vollständiges Bild, da wir von den Radwegen nur dann erfahren, wenn beim Land eine Förderung beantragt wird, also meistens bei Kreisstraßen oder bedeutsamen
Hauptstraßen der Gemeinden. In den Kommunen passiert also noch weitaus mehr, als wir als Land mit der vorliegenden Antwort darstellen können. Unsere Botschaft ist: Wir werden die Kommunen dabei besonders unterstützen. Die Landesregierung aus SPD und CDU stellt statt 123,5 Millionen Euro jetzt 150 Millionen Euro pro Jahr aus den Mitteln des Niedersächsischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes zur Verfügung. Das sind über 20 % mehr als bisher.
Davon entfallen auf den Straßenbau - dazu gehört auch der Radwegebau - 75 Millionen Euro jährlich. Bisher waren dies knapp 50 Millionen Euro. Das bedeutet ganz konkret, Herr Abgeordneter: Die deutliche Erhöhung der Mittel ermöglicht jetzt auch ein Mehr an kommunalen Projekten, die wir berücksichtigen werden.
Viertens: Radschnellwege. Sie haben dort den Begriff „Armutszeugnis“ gewählt und gesagt, wir würden durch die Streichung von Haushaltsmitteln den Weg nicht fortsetzen. - Unabhängig von der Frage, wie die Fraktionen, die ja Haushaltsgesetzgeber sind, sich dort entscheiden werden, will ich Ihnen nur sagen: In den Jahren 2016/2017 sind dafür 6,2 Millionen Euro jährlich von der Vorgängerlandesregierung zur Verfügung gestellt worden, also mehr als 12,3 Millionen Euro. Aber wir haben bis heute keinen einzigen Euro davon ausgeben, weil die Förderanträge, die dafür vorliegen müssen, von den Regionen bis heute nicht gestellt worden sind und von daher auch noch kein Geld abfließen konnte. Aber es bleibt dabei, dass dieses Geld übertragbar ist. Das heißt, die 12,3 Millionen Euro bleiben auch im kommenden Jahr und in den Jahren danach als übertragbare Mittel für den Radschnellwegeausbau zur Verfügung.