Protocol of the Session on August 23, 2018

Um es plastisch darzustellen: Gehen wir mal davon aus, dass in der Wesermarsch mit 30 % Ernteausfall zu rechnen ist! Dann fehlt einem Landwirt mit 100 Kühen das Futter für 30 Tiere. Der Betrieb geht weiter. Die Tiere benötigen ihre Tagesrationen. Der Landwirt hat jetzt verschiedene Möglichkeiten. Er könnte z. B 30 Kühe vorzeitig verkaufen oder zum Schlachter bringen. Er kann Futter zukaufen, wovon es allerdings gerade - das erwähnten Sie, Frau Guth - wenig gibt, wodurch es preisanfällig ist und mehr kostet. Er kann anfangen, Stroh zuzufüttern, muss dann aber mehr Kraftfutter zukaufen. Egal, wie er es macht, für unseren Wesermarsch-Landwirt wird es ein teures Jahr. Er muss mit einem Ausfall von 130 bis 140 Euro/ha rechnen, egal, wie er es anstellt.

Dazu kommt, dass er mit der Misere nicht alleine ist. In anderen Kreisen sieht es ähnlich oder sogar noch schlimmer aus. Hier müssen wir helfen. Das Landwirtschaftsministerium mit Ministerin OtteKinast an der Spitze hat schnell und der Situation entsprechend erste Schritte unternommen, um die Lage zu entschärfen.

Ich möchte an dieser Stelle nicht noch einmal die vielen Maßnahmen, die Linderung schaffen sollen, aufzählen. Das haben wir gestern im Rahmen der Regierungserklärung zur Genüge getan. Ansprechen möchte ich aber Folgendes, weil es auch Bestandteil Ihres Antrags ist: Momentan wird überlegt, ob die Futtermittel, die bisher in Biogasanlagen verwertet werden, also z. B. Mais, Grasschnitt und Ganzpflanzensilage, anteilig den Viehhaltern als Futtermittel zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Biogasanlagenbetreiber müssen dann dafür natürlich entschädigt werden. Gestern sagte Ministerin Otte-Kinast: Wo immer es geht, sollte Mais in diesem Jahr besser in den Trog als in den Biogasbehälter. - Hierzu hoffe ich auf Lösungen.

Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner hat die Dürre zu einem Witterungsereignis nationalen Ausmaßes erklärt. Den Landwirten, die durch die Trockenheit mehr als 30 % Verlust erleiden, wurden dabei Hilfen in Höhe von 340 Millionen Euro - auch das wurde schon gesagt - zugesagt. Daran beteiligen sich Bund und Land je zur Hälfte. Wichtig ist es nun, die Förderrichtlinien für diese Hilfen so zu gestalten, dass die Gelder passgenau und

transparent denjenigen zugutekommen, die die Ernteausfälle ansonsten zur Hofaufgabe zwingen würde.

An die Kolleginnen und die Kollegen der AfDFraktion gerichtet möchte ich sagen: Durch meine Ausführungen und die ausgiebige gestrige Diskussion ist deutlich erkennbar, dass viele - das haben Sie eben auch selbst gesagt, Frau Guth - Ihrer Forderungen bereits umgesetzt wurden oder in der finalen Abstimmung sind.

Abschließend möchte ich, auf Ihren Antrag Bezug nehmend, auf einen Punkt hinweisen: Was momentan stattfindet, sind keine Notschlachtungen. Vielmehr werden Tiere früher als geplant zum Schlachter gebracht, die ansonsten noch produktiv und gesund sind. Damit einher geht natürlich ein Verlust für die Landwirte. Aber eine Notschlachtung sieht anders aus. Hierbei werden Tiere geschlachtet, die sich ansonsten unnötig quälen würden. Eine vorgezogene Schlachtung erzeugt aber kein unnötiges Leid, sondern einen Verdienstausfall für die Landwirte. Das ist ein Unterschied.

Der Preisverfall bei Fleisch - auch das haben Sie angesprochen -, den Sie vermeiden möchten, ist längst Realität. Hier gilt es zu versuchen, den Preis wieder zu stabilisieren.

Eines beruhigt mich - das möchte ich ausdrücklich sagen -: Wir sind uns hier in diesem Haus - so habe ich jedenfalls die gestrige Diskussion verstanden - einig darüber, dass wir die Erzeuger unserer Nahrungsmittel nicht mit der momentanen Situation alleinlassen.

Eine sofortige Abstimmung, Frau Guth, sehe ich nicht. Sie haben einen umfangreichen Antrag abgegeben, vor allen Dingen, was die finanzielle Ausstattung angeht. Ich glaube, dass wir die Verantwortung aufbringen müssen, damit vernünftig umzugehen, und deshalb sollten wir den Antrag zur weiteren Beratung an den Ausschuss überweisen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Logemann. - Es folgt jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Helmut Dammann-Tamke. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gestern im Rahmen der Unterrichtung bzw. der sich daraus ergebenden Debatte diesen Themenbereich in diesem Hause bereits vollumfänglich diskutiert. Deshalb werde ich mich relativ kurz fassen.

Ich beginne mit der Überschrift dieses Entschließungsantrags der AfD-Fraktion: „100 Millionen Euro Soforthilfe für die niedersächsischen Landwirte“. Diese 100 Millionen Euro sind genauso gegriffen wie die 1 Milliarde Euro, die Bauernverbandspräsident Rukwied in die Diskussion geworfen hat. Wenn man den Königsteiner Schlüssel anlegt, sind wir bei 100 Millionen Euro für Niedersachsen. Ich sehe also nicht, wie man auf diese Zahl kommt. Das ist einfach irgendeine populistisch in den Raum gestellte Forderung.

Wenn ich Ihre einzelnen Forderungen lese, stelle ich fest, dass sie alle - bis auf eine, zu der ich zum Schluss komme - im Wesentlichen abgearbeitet sind, Frau Kollegin Guth. Deshalb ist Ihr Antrag im Grunde genommen hier 24 Stunden zu spät in der Beratung. Warum wir so lange gebraucht haben, bis wir ein konkretes Hilfsprogramm in Deutschland und in Niedersachsen auf den Weg bringen konnten? - Das war dem Verfahren geschuldet. Darauf sind wir gestern ausgiebig eingegangen.

(Vizepräsidentin Petra Emmerich- Kopatsch übernimmt den Vorsitz)

Aber jetzt möchte ich Ihre einzelnen Forderungen hier ein wenig beleuchten.

Im ersten Punkt Ihres Forderungskataloges fordern Sie die Landesregierung auf, die Biogasanlagenbetreiber zu ersuchen, einen Teil ihres eingelagerten Energiemaises an die Landwirtschaftskammer Niedersachen (LWK) zu veräußern. Ich glaube, dass Biogasanlagenbetreiber, die überwiegend auch Landwirte sind, der Landesregierung sehr gerne zuhören. Aber letzten Endes ist es entscheidend, dass man im Rahmen der dörflichen Gemeinschaften in hoffentlich guter Nachbarschaft darüber redet, dass der eine, der die Biogasanlage betreibt, Vorräte hat, die der andere dringend für sein Vieh braucht. Dann einigt man sich auf einen Preis. Und ob die Landesregierung „ersucht“, das ist den beiden im Zweifel relativ egal.

Den beiden ist das auch vor dem Hintergrund egal, dass viele Biogasenergieanlagen überhaupt keine eigenen Flächengrundlagen haben. Vielmehr haben die Betreiber im Vorfeld einen Vertrag dahin

gehend abgeschlossen, dass derjenige, der den Biogasmais anbaut, diese Erntemenge zu einem gewissen Stichtag zu festen Konditionen abzuliefern hat. Da sich aufgrund der Knappheit viel am Markt getan hat, wird derjenige, der diesen Vertrag als Lieferant eingegangen ist, wohl schwerlich im Nachgang zum Vertragsabschluss einhandeln können, dass die Preise mittlerweile um 30 % gestiegen sind. Nein, auch da sind Landwirte vertragstreu. Insofern hilft ein Ersuchen der Landesregierung vor dem Hintergrund dieser vertraglichen Beziehungen relativ wenig.

Unter Ihrem zweiten Punkt fordern Sie zinsfreie Darlehen bis zu einer Gesamthöhe von 50 Millionen Euro. Auch diese Zahl ist völlig aus der Luft gegriffen. Fakt ist: Die Rentenbank stellt in solchen Situationen ständig zinsverbilligte Liquiditätsdarlehen für die Landwirtschaft zur Verfügung. Auch das ist ein Punkt, den man hier als abgearbeitet ansehen kann.

Auch das Thema Greening-Flächen ist durch. Es gibt eine klare Regelung, wie mit GreeningFlächen zu verfahren ist. Sie sind aufgrund dieser besonderen Situation abzuernten. Wir alle können nur hoffen und vielleicht am Sonntag zur Kirche gehen und beten, dass ein wenig Regen fällt. Denn Greening-Flächen, die jetzt eingesät werden und auf die nicht ein Mindestmaß an Niederschlag fällt, damit die Samen überhaupt keimen, werden keinen Ertrag bringen. Auch wenn wir uns heute noch wie im Hochsommer fühlen, werden die Tage kürzer, die Vegetationszeit geht ihrem Ende zu. Diese Greening-Flächen werden, wenn nicht schnellstens eingesät wird und Regen kommt, überhaupt keinen Ertrag bringen können.

Sie fordern eine unbürokratische Genehmigung des Grünlandumbruchs. - Grünland kann umgebrochen werden, aber in Schutzgebieten, also Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebieten, gibt es natürlich erhebliche Einschränkungen. Diese Einschränkungen sind naturschutzfachlich bedingt. Die kann man nicht mal eben aushebeln. Sonst ist der Grünlandumbruch selbstverständlich möglich und unterliegt keinem bürokratischen Verfahren.

Die EU-Direktzahlungen sollen vorzeitig ausgezahlt werden. - Wir wissen: Auch da ist Niedersachsen dran. Das konnte man den Medien entnehmen. Die Landwirtschaftsministerien wie auch viele Ihrer Kollegen in den Ländern haben die entsprechenden Genehmigungsvoraussetzungen auf den Weg gebracht, damit die Prämien so früh, wie

irgendwie zu rechtfertigen ist, ausgezahlt werden können.

Steuerforderungen sollen möglichst zinsfrei ausgesetzt werden. - Auch das läuft. Wenn es besondere Krisen gibt, werden seitens der Finanzbehörden Stundungen zugelassen. Das ist ein Verfahren, das wir kennen. Das ist nicht landwirtschaftsspezifisch. Dieser Punkt ist ebenfalls abgearbeitet.

Die Termine für Auszahlung der Dieselrückvergütung unterliegen einem klar geregelten Verfahren.

(Glocke der Präsidentin)

Das ist beim Bund angesiedelt. Darauf haben wir als Landesgesetzgeber überhaupt keinen Einfluss.

Es bleibt ein Punkt Ihres Entschließungsantrages übrig, und über diesen einen Punkt würde ich gern im Fachausschuss beraten. Dafür brauchen wir insbesondere die Zuarbeit aus dem MU; denn da geht es um die Nutzung der Wasserkontingente. Wir reden hier über die Lüneburger Heide, eine klassische Beregnungsregion, in der im letzten Jahr fast nicht beregnet werden musste. Es gibt ein Kontingent, das auf einen Betrachtungszeitraum von zehn Jahren ausgelegt ist. In der Lüneburger Heide macht man sich Sorgen, dass es massive, negative Auswirkungen haben könnte, wenn das vergangene Jahr mit einem Minimum an Entnahme und jetzt dieses Extremjahr als letztes Jahr des Betrachtungshorizonts von zehn Jahren aus der Statistik fallen.

(Glocke der Präsidentin)

Darum muss sich verantwortungsvolle Politik kümmern. Ausreichende Beregnung muss auch weiter möglich sein. Insofern haben wir einen Punkt Ihres Antrages, der für uns im Fachausschuss zu beraten ist.

Letzter Satz, Herr Kollege Dammann-Tamke!

Alles andere ist abgearbeitet.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dammann-Tamke. - Jetzt spricht die Kollegin Miriam Staudte für Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist tatsächlich schon sehr viel zu dem Antrag gesagt worden. Ich kann in vielen Punkten zustimmen. Etliches, was in dem Antrag vorgeschlagen wird, ist abgearbeitet worden.

Ich möchte einmal für uns Grüne deutlich machen, worum es uns bei der ganzen Debatte um Landwirtschaft und Dürre geht. Ich glaube, wir brauchen einen Dreiklang - einen Dreiklang aus den Sofortmaßnahmen, aus der Klimaanpassung für die Landwirtschaft - das ist sozusagen etwas Mittelfristiges - und langfristig einen sehr viel radikaleren und engagierteren Klimaschutz. Nur wenn diese drei Komponenten ineinandergreifen, helfen wir der Landwirtschaft wirklich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr Antrag, der sich auf Sofortmaßnahmen fokussiert, bleibt aus unserer Sicht sehr eindimensional.

Zu dem Aspekt Finanzhilfen: Ich glaube, da muss man ein wenig weiter ausholen. Die Landwirte haben einen großen Schaden. Nun könnte man sagen: Ok, wir wollen unterstützen. Also gibt man entweder Hilfsgelder, oder man setzt sich ganz engagiert dafür ein, dass die Landwirte höhere Erzeugerpreise erzielen können. Nun ist etwas ganz Fatales eingetreten. Man hat Finanzmittel als Nothilfe zur Verfügung gestellt. Für Niedersachsen ist das Verhandlungsergebnis extrem schlecht. Wir haben ein Drittel der Schäden und bekommen aber nur einen Bruchteil der Finanzmittel. In der Öffentlichkeit ist jedoch der Eindruck erzeugt worden: Da fließen jetzt Millionen. - Die Landwirte werden also eine ganz schlechte Verhandlungsposition haben, wenn sie jetzt noch kommen und sagen: Wir brauchen höhere Erzeugerpreise. - Dazu sagen doch die Molkereien und alle anderen Verarbeiter: Wieso? Ihr habt doch schon die ganzen Nothilfen bekommen. Was wollt ihr denn noch?

Insofern ist das strategisch extrem schlecht angegangen worden, Frau Ministerin. Ich habe es gestern schon einmal gesagt: Vor zehn Tagen haben Sie gesagt, die Landwirte brauchen kein Geld, sie brauchen Regen. Wenn Sie einige Tage danach nur 5 Millionen Euro von Ihrem Finanzminister bekommen, dann dürfen Sie sich, ehrlich gesagt, nicht wundern. Das ist einfach schlecht verhandelt gewesen.

Zu den Sofortmaßnahmen gehört aber mehr als Finanzhilfen. Sofortmaßnahmen heißt auch, Energiemais in Futtermais umzuwandeln. Ich würde es unterstützen, Herr Dammann-Tamke, als Sie sagten: Appellieren nützt nicht viel. Es läuft schon einiges. Aber wenn wir vonseiten der Politik wirklich Anreize geben wollen, dann müssen wir auch konkret sagen, wie wir uns das vorstellen. Ich finde den Vorschlag der Grünen aus Bayern, dass die Biogasanlagenbetreiber eine Verlängerung ihrer Förderung von einigen Monaten oder vielleicht einem Jahr bekommen - da laufen ja viele Förderungen aus -, konkret und substanziell. Das, was in der Pressemitteilung von MU und ML verlautbart worden ist, war ja nichts anderes als ein Appell.

Dann gibt es noch einen anderen Punkt - das habe ich gestern schon angesprochen -: die Gülleproblematik. Wohin damit? - In die Biogasanlagen, das wäre natürlich das Sinnvollste. Aber wir müssen auch sozusagen auf der Nachfrageseite arbeiten. Wir müssen den Bedarf an Futter reduzieren. Das geht nur, indem die Tierbestände in Niedersachsen reduziert werden. Es müsste Geld fließen, um dort Anreize zu geben. Bei der Debatte um die Milchpreise geht es ja auch immer darum, Anreize für eine Mengenreduzierung zu geben. Das kann man doch auf die Fleischproduktion übertragen. Das wäre ein Schritt weitergedacht. Nur Geld verteilen, schlecht verhandeln und womöglich Negativeffekte erzielen, das ist wirklich zu wenig.

Zum Grünlandumbruch ist schon etwas gesagt worden. Es ist aus Klimaschutzaspekten Irrsinn, Grünland umzubrechen. Grünland hat eine CO2Speicherfunktion. Wir müssen es erhalten. Entsprechend müssen wir auch die Weidetierhaltung fördern.

Insgesamt muss man sagen: Die Situation ist in diesem Jahr für die Landwirte so schwierig, weil sie, wirtschaftlich gesehen, sowieso schon mit dem Rücken an der Wand stehen. Die Landwirtschaftspolitik der letzten Jahre hat sozusagen in eine ökologische und wirtschaftliche Sackgasse geführt.

(Jörg Hillmer [CDU]: Die Landwirt- schaftspolitik der letzten fünf Jahre! Das hat Spuren hinterlassen! Davon muss man sich erst einmal erholen!)

Daran müssen wir etwas ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)