Protocol of the Session on May 17, 2018

In dieser Wahlperiode haben wir leider noch keine Kommission. Ich hoffe, dass sie bald ihre Arbeit wieder aufnehmen wird und dass wir dann auch in diesem Punkt den Druck wieder erhöhen können.

Beim Familiennachzug verweist die Landesregierung auf den Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Auch das ist natürlich bequem, funktioniert aber nicht so richtig, weil auch Akteure, vor allem die beiden Herren Stephan Weil als Ministerpräsident und Boris Pistorius als Innenminister, hierbei mitverhandelt haben und damit letztlich das Ergebnis mitverfasst haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen den Familiennachzug für Syrerinnen und Syrer. In der Zeit von 2013 bis 2017 haben bundesweit 6 100 minderjährige Geflüchtete die Voraussetzungen dafür erfüllt, ihre Familien aus Syrien nachzuholen. Aber nur ungefähr die Hälfte von ihnen, ca. 3 700, hat die Familie nachholen können. Der Rest bleibt auf sich allein gestellt. Das ist eine Schande, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn das Grundrecht auf Familienleben als Menschenrecht gilt für alle Menschen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder Herkunft.

(Beifall bei den GRÜNEN - Miriam Staudte [GRÜNE]: Ganz genau!)

Für geflüchtete Syrerinnen und Syrer gilt damit auch das Recht auf Familienzusammenführung in Deutschland, wenn das Familienleben andernorts nicht möglich ist.

Wir hatten schon in den beiden vorherigen Punkten die Diskussion darum, wie es um die Situation in Syrien bestellt ist. Ich will das nicht alles wieder

holen, erinnere deshalb nur an die Situation in Nordsyrien/Idlib, die Giftgassituation in OstGhuta/Damaskus, aber auch an die Situation in der Türkei. Dass die Türkei als bisheriges Fluchtland nun selbst Akteur und Konfliktpartei ist, erschwert, glaube ich, vielen Menschen die Flucht dorthin. Ich glaube, das kann vielen Menschen einfach nicht zugemutet werden.

Gerade für Niedersachsen wird deutlich, welche Wirkungen diese Neuregelung auf Bundesebene hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen HAZ-Artikel vom 19. April verweisen. Ich lese den Titel vor: „Mutter muss in Syrien bleiben - Zehnjähriger Flüchtling bricht vor Gericht in Tränen aus“. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das heißt, diese Regelung auf Bundesebene hat ganz konkret Nachteile für Menschen auch in unserem Bundesland.

Deshalb kann die Landesregierung auch in Niedersachsen etwas für den Familiennachzug tun. Sie könnte z. B. die Ausländerbehörden dazu anhalten, beim Nachzug von Geschwisterkindern mehr Großzügigkeit an den Tag zu legen. Derzeit wird der Nachzug zu unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten systematisch über die Blockade des Nachzugs von Geschwisterkindern verhindert. Eltern erhalten Visa, minderjährige Geschwister allerdings nicht. Eine weitere Familientrennung ist dadurch die Folge. Die Landesregierung könnte über die Ausländerbehörden dafür sorgen, auf unzumutbare Anforderungen an den Nachweisen für den Lebensunterhalt, die Lebenssicherung und den Wohnraum zu verzichten.

Eine weitere Forderung in unserem Antrag ist die Errichtung eines Unterstützerfonds für Bürginnen und Bürgen. Sie alle kennen die Situation um diesen Personenkreis. Entgegen den Zusagen der Landesregierung werden die Bürginnen und Bürgen für aufgenommene syrische Flüchtlinge mit Verpflichtungen in Anspruch genommen.

Durch das inzwischen erreichte Moratorium werden die Bürginnen und Bürgen leider nur vorübergehend entlastet. Die begrüßenswerte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover vom 27. April - dass eine Verpflichtungserklärung mit Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen zwischenzeitlicher Flüchtlingsanerkennung endet -, bringt mangels Rechtskraft leider ebenfalls noch keine Rechtssicherheit, obwohl dieses Urteil zu begrüßen ist. Es geht in die richtige Richtung. Es bestätigt zumindest unsere Rechtsauffassung, dass sich die Bürginnen und Bürgen vom Empfän

gerhorizont aus auf den Erlass des Innenministeriums verlassen konnten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber das ist, wie gesagt, noch nicht rechtskräftig. Deshalb fordern wir einen Hilfsfonds,

(Glocke der Präsidentin)

damit das Land in die Verantwortung geht und die Verantwortung annimmt, die damals diese Menschen für uns übernommen haben - Menschen, die für uns in die Bresche gesprungen sind und so vielen Menschen sehenden Auges und ohne zu zögern geholfen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt viele Landkreise, die sich dazu klar geäußert haben.

Herr Kollege Onay!

Darf ich mit einem letzten Satz schließen, damit es rund ist?

Ja, so machen wir das.

Vielen Dank.

Mein letzter Satz: Es gibt eben die Landkreise - ich zähle nur beispielhaft drei auf -

(Heiterkeit)

Lüchow-Dannenberg, Nienburg (Weser), HamelnPyrmont, die sich ebenfalls klar mit Beschlüssen für die Flüchtlingsaufnahme ausgesprochen haben. Also brauchen wir auch ein klares Signal von hier.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Onay. - Für die SPD-Fraktion hat sich nun Frau Kollegin Schröder-Köpf gemeldet. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! „Wir haben unsere Waffen vervollkommnet,

unser Gewissen ist eingeschlafen, und wir haben ausgeklügeltere Begründungen gefunden, um uns zu rechtfertigen.“ - Mit diesen Worten forderte Papst Franziskus vor wenigen Wochen in Rom ein Ende der Kriegsgewalt in Syrien. Seine Worte spiegeln leider auch die Unfähigkeit der internationalen Staatengemeinschaft wider, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, die darin besteht, das millionenfache Leid der syrischen Zivilbevölkerung zu beenden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die humanitäre Situation der Menschen in Syrien, aber auch derjenigen, die in die Anrainerstaaten geflohen sind, ist katastrophal. Der Krieg wütet seit nunmehr sieben Jahren, hat Abertausende Tote gefordert, hat Familien getrennt und eine ganze Generation junger Syrerinnen und Syrer zu einer verlorenen Generation gemacht. Etwa die Hälfte der syrischen Bevölkerung ist laut dem UNHCR geflüchtet. Allein zwischen Januar und April dieses Jahres haben mehr als 700 000 Menschen ihr Zuhause verloren. 69 % der Syrerinnen und Syrer leben in extremer Armut, mehr als 2,3 Millionen Menschen unter gefährlichsten Bedingungen in schwer erreichbaren und belagerten Gebieten. Das stellte kürzlich der Geschäftsführer der UNOFlüchtlingshilfe Peter Ruhenstroth-Bauer verbittert fest.

Sehr geehrte Damen und Herren, der evangelische Landesbischof Ralf Meister hat sich vor wenigen Wochen selbst ein Bild von der Lage im syrischen Homs gemacht. Seine Erkenntnis: „Die Hoffnungslosigkeit braucht konkrete Handlungsschritte und Optionen der Hoffnung.“ - So Ralf Meister zum Evangelischen Pressedienst.

Einen solchen konkreten Handlungsschritt hat die Bundesregierung kürzlich getan. Denn während bei der Syrien-Geberkonferenz in Brüssel nur ein Bruchteil der notwendigen Hilfsgelder zugesagt wurde, kündigte der Bundesaußenminister an, den deutschen Beitrag bis 2020 um eine weitere Milliarde zu erhöhen. Deutschland ist damit der größte Einzelspender in der Syrienkrise. Schon deshalb ist es falsch und auch verletzend, wenn Sie der Bundesregierung vorwerfen, ihre Syrienstrategie basiere - ich zitiere aus Ihrem Antrag - „vor allem auf der Abwehr Geflüchteter und der militärischen Beteiligung an einem Luftkrieg über Syrien“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit komme ich zu den Forderungen in Ihrem Antrag.

Sie verlangen beispielsweise, dass wir uns auf Bundesebene für die Wiederzulassung des Famili

ennachzugs auch für die Gruppe der subsidiär Geschützten einsetzen. Dabei wissen Sie doch, dass die Möglichkeiten der Familienzusammenführung für die genannte Personengruppe erst kürzlich neu geregelt wurden. Ab 1. August gibt es ein monatliches Kontingent von bundesweit 1 000 Personen, die nach Ermessen aus humanitären Gründen ein Visum erhalten können. Dabei werden etwa die Dauer der familiären Trennung, das Alter der Kinder oder schwere Erkrankungen der Betroffenen berücksichtigt.

Diese Regelung ist ein Ergebnis der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene. Für eine Änderung sehe ich derzeit jedenfalls keinen politischen Spielraum. Innenminister Pistorius hat bereits im März betont, Koalitionsverträge seien wie andere Verträge. Sie seien geschlossen, um eingehalten zu werden - auch wenn es darum geht, einen Kompromiss einzuhalten, der uns nicht gefällt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese 1 000 Menschen pro Monat, die jetzt zu ihren Liebsten kommen dürfen, sind weit weniger, als ich mir gewünscht habe. Aber wir dürfen auch nicht übersehen, was unser Bundesland - Herr Onay hat schon etwas aufgezählt -, was unsere mitfühlenden Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Jahren geleistet haben. Niedersachsen hat sich maßgeblich an dem humanitären Aufnahmeprogramm des Bundes beteiligt, z. B. durch die zentrale Erstaufnahme der Resettlement-Flüchtlinge am Standort Grenzdurchgangslager Friedland. Darüber hinaus - Herr Onay hat das auch schon gesagt - unterhält Niedersachsen ein eigenes Landesaufnahmeprogramm, von dem mehr als 5 300 Menschen profitierten. Wir sprechen davon, dass diese Menschen zusätzlich zu den anderen zu uns gekommen sind.

Gestatten Sie mir, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass auch Baden-Württemberg und Hessen - wohlgemerkt: das eine ist ein Bundesland mit einem grünen Ministerpräsidenten, und das andere ist ein Bundesland mit einem stellvertretenden grünen Ministerpräsidenten - ausgelaufene humanitäre Landesaufnahmeprogramme bislang nicht neu auflegen. Das meldet jedenfalls PRO ASYL auf ihrer Website. Kann es denn sein, dass da, wo die Grünen regieren, jene Forderungen nicht erhoben werden, die Sie hier als Oppositionspartei zum Ausdruck bringen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht haben aber auch Ihre Parteifreundinnen und Parteifreunde in Baden-Württemberg und in Hessen wie wir festgestellt, dass sich eben die Rahmenbedingun

gen verändert haben. Heute sind wir um einige Erkenntnisse und Lehren reicher, was den langen Weg der beruflichen und sozialen Integration angeht. Heute müssen wir noch stärker die vielfältigen Herausforderungen im Blick behalten, die besonders die Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Schutzsuchenden zu bewältigen haben. Einige Städte wie Salzgitter, Delmenhorst und Wilhelmshaven sind an ihre Grenzen gestoßen. Wir haben darauf reagiert.

(Glocke der Präsidentin)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich muss es jetzt leider kürzer machen.

In der Frage, in welcher Form den Menschen geholfen werden kann, die sich im Rahmen des damaligen Aufnahmeprogramms zur Übernahme von Kosten der öffentlichen Hand verpflichtet haben, lässt eine dauerhafte, tragfähige Lösung leider immer noch auf sich warten. Am einfachsten wäre es tatsächlich, den entsprechenden § 68 im Aufenthaltsgesetz zu ändern. Genau das diskutiert die Landesregierung mit der Bundesregierung. Ein Einvernehmen steht aber noch aus. Allerdings haben Sie unser Wort, dass sich die Landesbeauftragte, aber vor allem auch unser Innenminister weiterhin dafür einsetzen, dass Menschen, die aus vollem Herzen gegeben haben, nicht irgendwann mit leeren Händen dastehen werden. Niedersachsen wird sich jedenfalls auch künftig weiterhin dafür starkmachen.

(Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich habe meine Rede mit einem Zitat von Papst Franziskus begonnen. Beenden möchte ich sie im Hinblick auf das Regierungshandeln von Grünen in anderen Bundesländern mit einem berühmten Bibelvers - Matthäus 7 Vers 3 -: Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge siehst du nicht?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Schröder-Köpf. - Für die CDUFraktion hat sich der Kollege André Bock gemeldet.

(Beifall bei der CDU)