Protocol of the Session on May 17, 2018

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Rich- tig!)

- Ja, das soll damit bewirkt werden. Tatsächlich passiert jedoch etwas anderes.

Die Bedingungen, unter denen Lehrer heute arbeiten, haben sich in den letzten 20 bis 30 Jahren stark verändert. Der schwindende Einfluss des Elternhauses, die Instabilität der Familienverhältnisse - darüber haben wir gestern gesprochen -, das Abnehmen des Ansehens von Lehrern bei Schülern sowie die Einschränkung der Disziplinierungsmöglichkeiten durch die Lehrer sind nur einige Einflussfaktoren, die sich negativ auf die Leistungsfähigkeit von Schülern auswirken.

Hinzu kommt die Freigabe des Elternwillens bei der Schulformwahl, was z. B. an Gymnasien zu einer ganzen Reihe von Schülern führt, die früher eine andere Schule besucht hätten und die oftmals die nötigen Voraussetzungen nicht mitbringen. All das hat Folgen:

Erstens. Das Niveau in der Klasse sinkt.

Zweitens. Lässt man unter diesen Voraussetzungen Klassenarbeiten schreiben, die früher die deutlich leistungsstärkere Klasse ohne Probleme hätte bewältigen können, so würde es heute Fünfen und Sechsen hageln. Und genau dann schlägt der 30-Prozent-Erlass zu.

Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung verraten: Das will kein Lehrer.

(Zuruf von Julia Willie Hamburg [GRÜNE])

Klassenarbeiten mit einem entsprechenden Durchschnitt möchte auch kein Schulleiter absegnen oder gegenüber verärgerten Eltern vertreten.

Ergo: Um dem zu entgehen, nivelliert man die Anforderungen von Jahr zu Jahr weiter nach unten. Das Ganze ist ein schleichender Prozess. Auf das Ergebnis habe ich zu Beginn meines Vortrags hingewiesen. Wir müssen schnellstens eine Umkehr einleiten.

Es fehlt denjenigen Lehrern, die sich mit dem seit Jahrzehnten stattfindenden Niveauverfall an unseren Schulen nicht abfinden wollen, schlicht an Rückendeckung durch die Schulbehörde.

(Zuruf von Julia Willie Hamburg [GRÜNE])

Ausdruck dieser fehlenden Rückendeckung ist in diesem Fall eben der 30-Prozent-Erlass.

Wir wollen den Lehrern da mehr Luft verschaffen. Wir wollen ihnen die Freiheit geben, auf bewährten und jahrelang erprobten Anforderungen bestehen zu können, ohne dafür mit Zusatzarbeit und Konfrontation mit unangenehmen Fragen bestraft zu werden. Wir wollen, dass das ehemals international anerkannte Niveau deutscher Schulen nicht völlig ruiniert wird.

An die FDP: Ob dafür eine Anhebung der Grenzen im Erlass auf 50 % ausreicht oder ob wir eine andere, weitergehende Lösung finden müssen, mögen die Beratungen im Ausschuss ergeben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Wir kommen jetzt zum Beitrag von Lasse Weritz von der CDU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD - Julia Willie Hamburg [GRÜNE] spricht mit anderen Abge- ordneten)

- Frau Hamburg, es wäre schön, wenn Sie sich nicht mehr unterhalten würden. - Vielen Dank.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kolle

gen! Frau Hamburg, es freut mich sehr und überrascht mich ein bisschen; aber ich finde es gut.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Die AfD-Fraktion versucht heute mit dem Antrag, glaube ich, ein bisschen ihre wahre Intention zu verschleiern.

Ich habe sehr interessiert die Berichterstattung gelesen, z. B. die Nordwest-Zeitung vom 14. Mai 2018:

„‘Die Umsetzung der Inklusion an Regelschulen, die Freigabe des Elternwillens bei der Schulformwahl, die Förderung der Gesamtschulen und das Anwachsen der Zahl von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund würden den Trend verschärfen‘“, dass mehr Schülerinnen und Schüler durch die Klassenarbeiten fallen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Ja, das schreiben sie!)

Nun ja, gucken wir uns das mal an!

Herr Rykena, Sie haben eben vollkommen zu Recht den Erlass zitiert, in dem es im Moment darum geht, dass, wenn eine Klassenarbeit geschrieben wird und 30 % der Schülerinnen und Schüler durchfallen, also eine Fünf oder eine Sechs schreiben, diese Arbeit nicht gewertet wird. Ob die Frage gestellt wird, ob die Klassenarbeit wiederholt wird oder nicht, entscheidet letztendlich die Schulleiterin oder der Schulleiter zusammen mit den Elternvertretern.

Gucken wir uns das einmal am Beispiel einer typischen niedersächsischen Schulklasse an. Nehmen wir einmal fiktiv, damit es ein bisschen einfacher wird, 30 Schülerinnen und Schüler. In dem Moment, in dem 10 Schülerinnen und Schüler eine Fünf oder eine Sechs schreiben, soll die Schulleitung gefragt werden: Wird wiederholt oder nicht?

Sie möchten diesen Wert in Zukunft auf 50 % anheben. Das heißt, in Ihrem Fall würde diese Frage gestellt werden, wenn 15 Schülerinnen und Schüler unserer 30er-Klasse durchfielen.

Herr Rykena, ich stelle fest: Wir haben einen grundlegend unterschiedlichen Ansatz von Pädagogik.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Herr Rykena, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es ist ein Problem, wenn ein Drittel einer Klasse durch

fällt. Schriftliche Arbeiten sind dafür da, den Leistungsstand zu bewerten, und zwar anhand des im Unterricht Erarbeiteten. Sie haben eben so schön gesagt: Arbeiten, die man früher geschrieben hätte. - Es ist in niedersächsischen Schulen überhaupt nicht zulässig, eine Arbeit, die man früher geschrieben hätte, 1 : 1 noch einmal zu schreiben. Eine Arbeit entsteht vielmehr aus dem Unterricht. So dürften keine unfairen Klassenarbeiten entstehen.

Sie können sich darin sicher sein, dass ein Großteil der niedersächsischen Lehrerinnen und Lehrer das sehr genau weiß und anhand der Kerncurricula und Vorgaben ihren Unterricht gestalten, ihren Unterricht gut machen und die Arbeiten dementsprechend schreiben lassen.

Wenn dann einmal der Fall vorkommt, dass eine Arbeit wiederholt werden muss, dann muss es doch unser Ansatz sein, die Schülerinnen und Schüler zu fördern, ihnen mehr Betreuung zu geben, ihnen Hilfe zu geben, die Arbeit zu schaffen, statt einfach nur diese Quote hochzusetzen und damit mehr Schülerinnen und Schüler in unserem System scheitern zu lassen, sie auf den schlechten Noten sitzen zu lassen und sie am Ende des Schuljahres das Klassenziel wahrscheinlich nicht erreicht haben zu lassen. Das geht unseres Erachtens gar nicht.

Ich war gar nicht so überrascht, dass diese Forderung kommt. Ich habe sie ja in Ihrem Wahlprogramm gelesen. Ich gehöre zu den armen Menschen, die es sich angetan haben, das zu lesen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wa- rum nur?)

Aber ich sage Ihnen: Wer keine Ganztagsschulen möchte, wer keine pädagogischen Hilfestellungen möchte, der wird es mit dieser Erlasslage, mit diesem höheren Anteil nicht schaffen, dass die Bildung in Niedersachsen verbessert wird. Sie wird vielmehr schlechter.

Ich war am Montag in einer Schule. Dort hat mich eine Schülerin gefragt: „Wozu reden Sie denn als Nächstes?“ Ich habe über diesen Antrag berichtet. Ihre erste Reaktion war: „Das ist Quark.“

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Zuruf von den GRÜNEN: Das war ein Zitat!)

Das war jetzt als Zitat gemeint, Herr Weritz? „Quark“ wäre jetzt nicht so schön. Es steht, glaube ich, auch in unserer Liste.

Ich werde es in der Liste notieren, Frau Präsidentin.

Das hat mich an Goethe erinnert.

(Heiterkeit)

Sie kennen das Goethe-Zitat: „Getretener Quark wird breit, nicht stark.“

(Jörg Bode [FDP]: Das ist jetzt ganz dünnes Eis!)

Meine Damen und Herren, ich warte auf die weiteren Beratungen. Ich hoffe, dass es kein Quark bleibt, dass wir vielleicht etwas Inhaltliches dazu bekommen.

Herr Weritz, vielleicht kommen wir ganz ohne das Wort aus.

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.