Herr Minister, warten Sie bitte kurz! Der Applaus ist Ihrer fürs Einbringen. - Ich möchte wirklich noch einmal darum bitten, dass hier etwas mehr Ruhe einkehrt und dass Gespräche außerhalb des Plenarsaals stattfinden.
Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, die in den letzten Monaten eine wahre Herkulesaufgabe geleistet haben, insbesondere
nach den Anhörungen, als es darum ging, die Ergebnisse zusammenzuführen und ein umfangreiches Gesetzesvorhaben hier auf den Weg zu bringen. Auch dafür herzlichen Dank!
Mit der vorliegenden Novelle des Niedersächsischen Hochschulgesetzes stärken wir die Hochschulen, damit sie einer wichtigen Aufgabe noch besser nachkommen können, nämlich der akademischen Fachkräftesicherung. Die Liste der für uns alle so relevanten Aufgaben wird immer länger. Fachkräfte in Bildung, Gesundheit, Digitalisierung werden händeringend gesucht. Die fachschulischen Ausbildungen werden an die Hochschulen verlagert - Stichwort: Akademisierung nicht nur im Pflegebereich, sondern auch in vielen anderen Bereichen.
Das stellt die Hochschulen geradezu vor neue Herausforderungen ungeahnter Art. Die Hochschulen leisten auch an dieser Stelle Herausragendes und Beachtliches, und das jenseits der Pandemie. Man kann sagen: Der Laden läuft. - Dies verdient Anerkennung und Dank. Herzlichen Dank!
Es verdient aber eben auch Vertrauen und Verantwortung. Deshalb wollen wir mit dem neuen Hochschulgesetz mehr Verantwortung übertragen - nicht überhastet, nicht ohne eingehende Prüfung und so, dass die Rahmenbedingungen in den jeweiligen Hochschulen stimmen. Hierfür steht der Begriff der differenzierten Hochschulautonomie. Die Hochschulen haben bewiesen, dass sie es können. Mit den vorgeschlagenen Änderungen im Hochschulgesetz geben wir ihnen mehr Verantwortung - Verantwortung, die sie sich redlich verdient haben.
Was unsere Hochschulen hingegen nicht verdient haben, ist unqualifiziertes, uninformiertes, ungerechtfertigtes und teilweise ehrabschneidendes Misstrauen, meine Damen und Herren.
Die Pressemitteilung der Grünen vom vergangenen Dienstag war ein derartiger Akt des Misstrauens. Die darin nachzulesenden Anwürfe an unsere Hochschulen und vor allem an ihre Leitungen weise ich auf das Schärfste zurück.
(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das war doch gar nicht so! Zwischen Be- teiligung und Misstrauen besteht doch wohl ein Unterschied!)
Es zeigt sich, dass die Grünen die Novelle entweder nicht gelesen oder einfach nicht verstanden haben. Ersteres wäre bedauerlich. Zweiteres wäre mit Abhilfe zu begleiten.
Die Novelle stärkt die Präsidien und die Senate. Voraussetzung ist jedoch eine Verankerung in der Grundordnung der Hochschule. Es ist nun einmal ein Kernelement der Hochschulautonomie, dass die eine Gruppe nicht stärker als die andere ist. Beide miteinander gestalten diese Hochschule. Das ist ein gutes Grundprinzip, das wir in den letzten Jahren festgelegt haben und dementsprechend auch weiterführen müssen.
Die Novelle stärkt die Hochschulen im Berufungsrecht. Mit einer weiterentwickelten Genieklausel erleichtern die vorgeschlagenen Regelungen die Anwerbung wissenschaftlichen Personals, dessen herausragende Qualifikation nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und weltweit offenkundig ist, und erreichen damit eine Stärkung unserer Hochschulen.
Auch die Exzellenzklausel gibt Möglichkeiten, noch mehr zu wagen - aber auch das nur im gemeinsamen Einvernehmen zwischen Präsidien, Senaten und den Hochschulräten. Meine Damen und Herren, mehr Autonomie bzw. mehr Verantwortung geht an dieser Stelle nicht.
Die Vorstellung, dies würde an den Studierenden vorbeigehen, ist geradezu absurd. Gleiches gilt für die Idee, dass im Gesetz eine Verankerung des Portfolios Studium und Lehre im Präsidium zwingend erforderlich ist, um studentische Interessen zu berücksichtigen. Wenn die Hochschulen mehr Freiheiten erhalten, Präsidium und Senate zu gestalten, erübrigen sich begrenzende Vorschriften.
An der Realität vor Ort, meine Damen und Herren, wird das nichts ändern. Auch künftig wird jede Hochschule das Portfolio Studium und Lehre im Präsidium vertreten sehen. Warum? Aus eigenem Interesse heraus, aus der Überzeugung heraus, dass eine Hochschule nur funktioniert, wenn alle Teile dieser Hochschule miteinander agieren. Dazu gehören natürlich auch die Studierenden, weil: ohne Studierende keine Hochschule.
Es ist eben kein Selbstzweck. Dementsprechend ist es falsch, zu behaupten, dass die Studierenden hier zurückgesetzt würden. Ganz im Gegenteil: Sie stehen im Fokus dieses Unternehmens, meine Damen und Herren.
Was mich besonders nachdenklich stimmt, ist der Vorwurf autoritären Verhaltens. Mit dieser Grenzüberschreitung machen es die Grünen denjenigen leichter, die bewusst Grenzen überschreiten, um unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu schaden. Unzufriedenheit darüber, in welcher Form die hochschulinterne Demokratie gestärkt wird, rechtfertigt diese Wortwahl nicht.
Eine sorgfältige Lektüre der vorgeschlagenen Novelle hätte auch weitere erfreuliche Punkte zutage gefördert, die unseren Hochschulen helfen und dort sehr willkommen sein dürften.
Die Novelle trägt mit mehreren kleinen Änderungen Erfahrungen aus hochschulinternen Diskussionen zur Verwendung von Studienqualitätsmitteln Rechnung.
Die Novelle schafft eine Rechtsgrundlage für die Online-Prüfungen sowie die Lehrveranstaltungen und Prüfungen in Fremdsprachen.
Die Novelle stellt sicher, dass Inhaberinnen und Inhaber einer W-2-Professur mit Tenure-Track nach einer negativen Evaluierung nicht automatisch vor dem Nichts stehen.
Zudem werden die Universität Oldenburg und die Jade-Hochschule aus einem Korsett entlassen, das ihnen nach der Defusion der sogenannten Fachhochschule O/O/W auferlegt worden war. Der § 54 a besagte nämlich, dass beide zusammen Gremien bilden sollten, um enger zusammenzuwachsen. Nach einer Evaluierung dieses Ganzen durch die Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen lautete das niederschmetternde Ergebnis: Es hat sich überlebt und wird nicht gebraucht. Deswegen kann es gestrichen werden.
Zudem wird die Universitätsmedizin in Oldenburg gestärkt. Vorbehaltlich der Zustimmung der Universität Oldenburg kann künftig einem kooperierenden Krankenhaus der Titel „Universitätsklinikum“ übertragen werden. Dies ist nicht nur eine Würdigung der Leistung derer, die die EMS in Oldenburg aufgebaut haben, sondern würdigt auch die Entwicklung am Standort Oldenburg insgesamt, meine Damen und Herren, und verschafft der EMS im Konzert der Universitätsmedizin in Deutschland den Rang, den sie haben muss, um auf dieser Ebene auch mitspielen zu können.
Daher mahne ich zu einer bedachten Wortwahl und einer gern kritischen und konstruktiven Begleitung der Novelle in den Ausschüssen. Dies sind wir den Hochschulen, den Lehrenden, aber auch
Vielen Dank, Herr Minister. - Nach der Einbringung kommen wir jetzt zur Beratung. Für die FDPFraktion hat sich der Abgeordnete Lars Alt zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Alt!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Wesentlichen braucht es zwei Voraussetzungen, um die Hochschulen zukunftsfähig und wettbewerbsfähig aufzustellen. Die erste Voraussetzung ist, dass man die Hochschulen trotz schwieriger Haushaltslage mit finanzieller Planungssicherheit ausstattet. Die zweite ist, dass man die Hochschulen aus den piefigen Zwängen landespolitischer Bürokratie befreit und ihnen ein Maximum an Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit gibt.
Das Erste, die finanzielle Planungssicherheit, haben Sie den Hochschulen mit der globalen Minderausgabe bereits genommen. Diese ist nämlich mit einem Auslaufen von Professuren, mit einer Verkleinerung des akademischen Mittelbaus und mit einem Abbau von Studienkapazitäten verbunden.
Das Zweite, mehr Autonomie, adressieren Sie mit dieser Novelle des Hochschulgesetzes natürlich auch. Aber eigentlich passen Sie die Rechtslage nur der rechtlichen Situation in anderen Ländern an, die dort schon deutlich weiter sind.
Es bleibt also dabei: Im bundesweiten Vergleich schöpfen die Hochschulen in Niedersachsen ihr Potenzial nicht aus, weil sie vom Land weder wissenschaftspolitisch noch finanzpolitisch dazu in die Lage versetzt werden. An diesem Grundproblem ändert leider auch die vorliegende Novelle nichts.
Der Gesetzentwurf, der ja immerhin über das gesamte NHG hinweg vorgibt, die differenzierte Hochschulautonomie zu gewährleisten, ist also kein Geniestreich. Viele Passagen sind sprachliche Anpassungen und Klarstellungen. Sie werden aber auch von kleineren positiven Änderungen begleitet, und diese, Herr Minister, will ich auch einmal wertschätzend ansprechen.
Zuschnitt der Hochschulpräsidien, und dazu zählt auch die Schaffung eines landesgesetzlichen Rahmens für digitale Prüfung und für die Aufzeichnung von Vorlesungen, weil damit auch landesgesetzlich klar wird, dass die Hochschule nach der Pandemie eine andere ist als vorher. Das sind wichtige hochschulrechtliche Anpassungen.
Im Übrigen wird die Novelle Ihrem Anspruch aber nicht gerecht. Wichtige Stellschrauben fassen Sie zwar an, regeln es aber nicht konsequent zu Ende. Das will ich auch an einigen Beispielen festmachen:
So bleibt Ihre eigenständige Regelung des Berufungsrechts, das sie vom Land auf die Hochschulen übertragen, dann aber nur auf Widerruf regeln, hinsichtlich der Berufungsfreiheit gegenüber anderen Bundesländern zurück. Selbiges gilt auch für die Ausgestaltung des Tenure-Tracks.
Auch die flexible Nutzung der Studienqualitätsmittel darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie den Hochschulen mit dem letzten Haushalt den finanziellen Boden unter den Füßen weggerissen haben. Gegen diese Haushaltsplanung haben Hunderte Studierende in den letzten Wochen und Monaten in Göttingen und Hannover protestiert. Als Oppositionsfraktion stellen wir uns an deren Seite, weil wir als FDP-Fraktion nicht nur den finanziellen Rahmen, sondern auch den gesetzlichen Rahmen für mehr Autonomie für die Hochschulen schaffen wollen.
Genau an diesem Punkt offenbart sich auch ein Denkfehler in der Novelle. Es gibt nämlich ein Konnex zwischen Hochschulfinanzierung und
Hochschulautonomie. Eine Geltendmachung der Hochschulautonomie in Form von echter Entscheidungsfreiheit von Hochschulen ist nämlich nur bei einer soliden finanziellen Absicherung der Hochschulen möglich. Andersherum verhindert die Überregulierung des Hochschulwesens in Niedersachsen auch einen effektiven Einsatz der finanziellen Mittel.
Um diese Überregulierung abzubauen, braucht es auch ein anderes Rollenverständnis des Staates - das andere Bundesländer in der Vergangenheit auch schon gezeigt haben. Wir brauchen einen Staat, der sich zurücknimmt, der den Hochschulen etwas zutraut und der sein Steuerungsprimat vor allen Dingen über die Zielvereinbarung ausübt. Erfolgreiche Bildungsinstitutionen haben jede
Diese Novelle versucht also eher, den Rückstand zu anderen Bundesländern aufzuholen, anstatt eigene Akzente zu setzen. Deutlich unabhängiger, profilierter und wettbewerbsfähiger werden die Hochschulen dadurch wahrscheinlich nicht.
Ich wiederhole mich: Sie verdienen sich mit dieser Hochschulgesetznovelle in dieser Wahlperiode vielleicht ein Fleißsternchen, aber die Hochschulen bleiben überreguliert und unterfinanziert zurück, und das wird sich auch mit dieser Novelle leider nicht ändern. Aber wir lassen uns in der Ausschussberatung natürlich gerne eines Besseren belehren.