Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niedersachsen ist das Windenergieland Nummer eins. Das ist gut so, und das soll auch so bleiben.
Mit über 8 600 MW stellt Niedersachsen etwa ein Fünftel der in der Bundesrepublik installierten Leistungen. Als Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende unterstützt die SPD-Fraktion deshalb glasklar den weiteren Ausbau der Windenergie.
Der Ausbau ist aber auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll. In der niedersächsischen Windenergiebranche sind mittlerweile über 30 000 Menschen beschäftigt. 2013 wurden alleine in Niedersachsen 500 Millionen Euro in neue Windparkprojekte investiert. In der Windenergiebranche in Niedersachsen und Bremen entsteht - zusammengerechnet - eine jährliche Bruttowertschöpfung von 3,4 Milliarden Euro.
Wir als Niedersachsen haben also allen Grund, uns für norddeutsche Interessen einzusetzen und die Windenergie unter Klimaschutzgesichtspunkten, aber auch unter den gerade genannten wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten weiter voranzutreiben.
Ich bedanke mich auch ausdrücklich bei unserem Ministerpräsidenten Stephan Weil und unserem Umweltminister Stefan Wenzel.
Die beiden haben sich nämlich in sehr vorbildlicher und in intensiver Art und Weise dafür eingesetzt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht ausgebremst wird.
Dennoch - so muss ich leider sagen - können wir mit den vorläufigen Ergebnissen der Bund-LänderGespräche aus niedersächsischer Sicht nicht ganz zufrieden sein. Bis 2025 sollen zwischen 40 und 45 % des Stromverbrauchs über Ökostrom gedeckt werden. Vor dem Hintergrund, dass der Stromanteil aus erneuerbaren Energien bereits heute ein Drittel beträgt, ist diese Zielsetzung zumindest aus niedersächsischer Perspektive nicht besonders ambitioniert.
Deshalb fordern wir in unserem Entschließungsantrag, dass das Ausbauziel für erneuerbare Energien von 45 % ausdrücklich keine Obergrenze sein darf und noch ausbaufähig ist.
In Berlin hat man sich nun darauf verständigt, für die Windenergie an Land einen Zubau von 2 800 MW brutto jährlich festzulegen. Das entspricht in etwa einer Menge von rund 1 000 Windrädern. Bisher waren es 2 500 MW netto. Die Einigung sieht leider auch vor, den Ersatz alter durch neue Anlagen, sogenannte Repowering-Projekte, dabei mit anzurechnen. Um eine gute Netzauslastung zu gewährleisten, dürfen höchstens 60 % des durchschnittlichen Neubaus der letzten Jahre in Norddeutschland sein.
Damit können wir aus niedersächsischer Perspektive nicht zufrieden sein. Wir bleiben deshalb bei der Forderung in unserem Entschließungsantrag, dass der Ausbaupfad für die Onshorewindenergie mit 2 500 MW netto erhalten bleibt und dass das sogenannte Repowering auch weiterhin nicht auf den Zubau angerechnet wird.
Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sieht überdies vor, dass neue Windkraftanlagen nur noch gefördert werden, wenn sie erfolgreich an Ausschreibungen teilnehmen. Nach Ansicht der SPD-Fraktion ist es ein grundsätzlich richtiger Ansatz, auszuschreiben, um Kosten zu senken. Das vorgesehene Verfahren allerdings führt zu einer massiven Marktverzerrung zulasten mittelständischer und vor allem kommunaler Unternehmen.
Ich habe nichts gegen ein effizientes Ausschreibungsverfahren, das die zukünftigen Umlagebelastungen vor allem für die Bürgerinnen und Bürger so gering wie möglich hält. Das Verfahren muss aber so ausgestaltet sein, dass Chancengleichheit für alle Anbieter besteht.
Die derzeitigen Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums würden insbesondere die kommunalen Stadtwerke stark benachteiligen. Das Risiko, keine Förderzusage zu erhalten, können große Energiekonzerne und internationale Investmentgesellschaften auf viele Kleinprojekte verteilen. Kleinere Windkraftprojektierer wie beispielsweise die Stadtwerke Osnabrück als kommunales Unternehmen können das gerade nicht. Je nach Windprojekt bewegen sich die notwendigen finanziellen Vorleistungen im sechs- bis siebenstelligen Euro-Bereich. Eine solche Summe werden örtliche und regionale Akteure nicht investieren wollen, wenn völlig offen ist, ob sich diese Vorarbeiten überhaupt rentieren.
Für Bürgerenergiegesellschaften sieht der Gesetzentwurf zwar eine Ausnahmeregelung vor, dies gilt aber gerade nicht für kommunale Unternehmen, und das ist das Problem. Die Folge: Viele investitionswillige Stadtwerke werden sich zurückziehen, wenn sie zunächst große finanzielle Vorleistungen erbringen müssen, ohne zu wissen, ob sie eine Förderung bekommen.
Ich zitiere: „Ohne Verlässlichkeit keine Investitionen - dieses Risiko gehen wir als kommunales Unternehmen nicht ein“, betonte der Osnabrücker Stadtwerkechef Manfred Hülsmann dieser Tage vor der örtlichen Presse.
Dabei sind die lokalen Akteure und insbesondere die kommunalen Stadtwerke ein wichtiger Motor und Treiber der Energiewende. Viele kommunale Klimaschutzprogramme wären gefährdet, wenn die kommunalen Stadtwerke oder regionale Initiativen nicht mehr wie bisher in regenerative Projekte investieren könnten. Wir dürfen den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht ausschließlich den großen internationalen Investmentgesellschaften überlassen und die Energiewende sofort ausbremsen, sondern müssen weiterhin auch kommunal gestalten und den kommunalen Unternehmen eine Chance geben.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein wesentlicher Anteil des weiteren Ausbaus der Windenergieerzeugung muss durch das sogenannte Repowering bewerkstelligt werden. Im Gegensatz zu der Auffassung von Herrn Dr. Hocker wird es dadurch nicht zu mehr Standor
Repowering ist wünschenswert, weil durch die Effizienzgewinne beim Ersatz von Altanlagen die Gesamtzahl der Anlagen deutlich reduziert werden kann. Außerdem können Anlagen, die bisher an eher ungeeigneten Standorten stehen, abgebaut und an anderen, besseren, neuen Standorten gebündelt errichtet werden, sodass sie das Landschaftsbild insgesamt weniger verspargeln.
Auch unter Akzeptanzgesichtspunkten macht Repowering Sinn, nicht zuletzt, weil neue Anlagen leiser laufen, niedrigere Rotordrehzahlen aufweisen und damit in der Bevölkerung auch weit weniger störend wahrgenommen werden.
Dies alles sind gute Gründe, um ein neues Repowering-Modell zu entwickeln, das auch unter der Regie eines Ausschreibungsmodells, wie vorgesehen, Anreize für eine vorzeitige Erneuerung von Altanlagen bieten muss.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz zum FDP-Antrag sagen, den wir natürlich nicht unterstützen werden. Entgegen Ihrer Behauptung ist der Windenergieerlass keine verbindliche Rechtsgrundlage, sondern allenfalls eine Interpretations- und Orientierungshilfe zur Abwägung bei der kommunalen und regionalen Planung. Dementsprechend sind die Regelungen des Windenergieerlasses eben auch nicht ausdrücklich Bestandteil des Landes-Raumordnungsprogramms. Die konkreten Abstandsregeln ergeben sich auch nicht aus dem Windenergieerlass, sondern sie ergeben sich aus naturschutzrechtlichen Bestimmungen, vor allen Dingen aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und natürlich aus dem Baugesetzbuch. Das war vorher so, und das wird auch in Zukunft so sein. Das alles sind bundesrechtliche Regelungen. Wir geben also mit dem Windenergieerlass lediglich eine Hilfestellung bei der kommunalen Planung.
Ihr Antrag liegt neben der Sache und - das haben Sie hier sehr deutlich ausgeführt, Herr Dr. Hocker - dient lediglich populistischem Wahlkampfgetöse, und auf das werden wir nicht weiter eingehen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus den heutigen Pressemitteilungen und aus dem Pressedienst des Bundesenergieministeriums, in dem Herr Gabriel ja Chef ist, kann man Folgendes zitieren:
„Boom beim Ökostrom - ja, aber so, dass er bezahlbar bleibt und bei Verbrauchern ankommt: Dafür sorgt das EEG 2016.“
Herr Henning und Herr Bajus, Sie haben zwar viel erzählt, aber wenig gesagt. Zu den Stromkosten haben Sie gar nichts gesagt. Es ist Ihnen anscheinend ganz egal, in welche Richtung sich der Strompreis entwickelt.
Sie haben auch überhaupt nichts zum Netzausbau gesagt, der nötig ist, damit der Strom, den Sie über Windkraftanlagen erzeugen wollen, auch zum Verbraucher kommt.
Sie haben auch nichts zu den Themenbereichen der Versorgungssicherheit und Akzeptanz gesagt. Lesen Sie einmal die aktuelle Ausgabe der Neue Energie! Dort ist die Rede vom Ausbaufaktor Akzeptanz. Sie sollten einmal hineinschauen, bevor Sie sich hier hinstellen und schöne Worte finden.
Diese Information bekommen Sie garantiert auch: In der AKTIV, der Zeitung des Instituts der deutschen Wirtschaft, vom März 26. März 2016 wird aufgezeigt, wie sich der Strompreis für die Privathaushalte von 2007 bis 2015 entwickelt hat. Er stieg um fast 50 %.
Auch das ist Ihnen wahrscheinlich entgangen. Im aktuellen Magazin des Cicero - Ausgabe Juni 2016 - heißt es, um 33 % sei der Strom für deutsche Privathaushalte im Schnitt teurer als im Rest der Europäischen Union.
Abschließend darf ich den IW-Dienst des Instituts der deutschen Wirtschaft zitieren. In der Ausgabe vom 7. April heißt es, auch beim Ausbau der Netze sei Deutschland noch weit von den selbst gesteck
ten Zielen entfernt. Zudem habe sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft aufgrund der gestiegenen Stromkosten seit dem Jahr 2000 spürbar verschlechtert.
Das alles sind Hinweise darauf, dass es nötig ist, über das EEG 2016 nachzusteuern, um den Wirtschaftsstandort Deutschland und damit auch das Industrieland Niedersachsen weiterhin attraktiv zu halten.
Zu all dem sagen Sie gar nichts. Den Bereich des Netzausbaus habe ich bereits angesprochen. Wir können heute lesen - - -
(Volker Bajus [GRÜNE]: Was sagen Sie denn, Herr Miesner? Haben Sie auch eine Meinung? - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)
Die Hoheit liegt ganz allein beim Land Niedersachsen. Hier passiert aber gar nichts. Sie sorgen letztendlich dafür, dass die Energiewende ausgebremst wird, nämlich dadurch, dass der Strom gar nicht dort ankommt, wohin er soll: zum Verbraucher.