Ich setze darüber hinaus auch weiterhin große Hoffnungen in unsere Aussteigerprogramme und die Umsetzung unserer Strategie gegen rechts. Die Nachbarin und der Nachbar aber, die sich von uns abgewandt haben, dürfen wir um der Demokratie willen nicht verloren geben. Gesprächen mit ihnen haben wir uns zu stellen. Dabei hilft es nicht, ihre politischen Führer zu diskreditieren. Wir müssen ihre Inhalte auseinandernehmen.
Im Übrigen: Inhaltliche Konzessionen an die Rechten führen in der Regel dazu, dass die Menschen das Original wählen.
Es kann nicht unsere Aufgabe sein, sie am Ende tatsächlich zu AfD-lern oder zu noch Schlimmerem zu machen.
Ich hoffe, das kann ein Konsens unter uns sein. Ich verbinde diese Hoffnung mit einer Bitte an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, eine Erika-Steinbach-Debatte hinsichtlich der Koalitionsmöglichkeiten mit der AfD an keiner Stelle in Niedersachsen zuzulassen.
Vielen Dank, Herr Höntsch. - Es hat sich zu Wort gemeldet: Rita Lorberg, CDU-Fraktion. Bitte schön, Frau Lorberg.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe kürzlich einen Roman gelesen, der sich um die menschenverachtenden Machenschaften einer rechtsradikalen Gruppierung rankt. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich Passagen las, in denen diese schreckliche und perfide Denk- und Handlungsstruktur dieser Gruppierung dargestellt wurde. Dieser Roman basiert auf tatsächlichen Begebenheiten; Sie können sich vorstellen, dass mein Eindruck umso schlimmer war.
Aber auch schon vor dieser Lektüre ist meine tiefe Überzeugung gewesen, dass ich kompromisslos gegen rechts bin.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, und doch muss ich an dieser Stelle anmerken, dass ich jede Form von Extremismus ablehne und zutiefst verabscheue. Wir haben uns hier im Landtag schon oft dazu eingelassen. Und ja, man kann es natürlich nicht oft genug tun: Rechtsextremismus, Linksextremismus, aber auch religiös bedingter Extremismus dürfen in keinem Falle toleriert werden.
Erst im Februar haben wir, alle Fraktionen im Niedersächsischen Landtag, einen Antrag zum Landesprogramm gegen Rechtsextremismus verabschiedet. Auch das war ein deutliches und gemeinsames und gutes Signal gegen rechts.
Im September 2015 haben alle Fraktionen nach dem Brandanschlag in Salzhemmendorf nach unserem Vorschlag eine gemeinsame Resolution gegen Fremdenfeindlichkeit verabschiedet.
Doch bei aller Übereinstimmung, die wir zum Thema rechts hier im Hause haben, möchte ich zwei Aspekte ansprechen, die mir sehr am Herzen liegen. Zum einen haben wir eine große Verantwortung, wenn wir hier Anträge ins Parlament einbringen, die auch nur den Schein einer Pauschalverurteilung erwecken könnten, wie gestern die Beratung zu dem Antrag „Diskriminierung in Sicherheitsbehörden“ gezeigt hat. Auch Berufsgruppen wie die Polizei dürfen nicht durch unbedachte oder
Meine Damen und Herren, ich erwarte hier mehr Sorgfalt, weniger Aktionismus und erste recht keine Diskriminierung gegenüber unseren Polizeibeamtinnen und -beamten.
Meine Damen und Herren, zum anderen müssen wir alle sehr sensibel sein, wenn es um die augenblickliche Situation der Flüchtlinge geht. Wir haben eine schwierige Situation. Die ruft natürlich auch in breiten Teilen der Bevölkerung Ängste und Sorgen hervor. Es muss möglich sein, dass Menschen, die aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen und der sich daraus ergebenden Probleme sorgenvoll in die Zukunft blicken, angehört werden. Es gibt bei manchem die Neigung, auf diese Sorgen mit Vorwürfen zu reagieren. Das überzeugt nicht, und das ist falsch. Wenn die Menschen das Gefühl haben, ihre Sorgen nicht äußern zu dürfen, werden sie hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen. Das führt dazu, dass diese Angst, diese Sorge sich nur noch verstärkt zu Wut, zu Enttäuschung und zu Misstrauen in den Staat führt. Das kann nicht unser Ziel sein, meine Damen und Herren.
Beeindruckend war die Rede unseres Bundespräsidenten zur Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit am vergangenen Sonntag. Der bemerkenswerte Satz lautet - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten -:
„Wer glaubt, das christliche Abendland mit der Herabsetzung anderer, mit Ausgrenzung Andersgläubiger, mit Hassparolen und Säuberungsfantasien verteidigen zu sollen, hat es schon verraten.“
Rechtsextremismus ist und bleibt ein Dorn im Auge unserer Demokratie. Dieser Dorn hat schon so viel Unheil angerichtet, meine Damen und Herren. Darum werden wir uns wehren und alles daran setzen, dass sich dieser Dorn nicht noch weiter in die Herzen von Menschen bohren kann, um dort jegliche Menschlichkeit zu zerstören. Es reicht aber nicht aus, wenn wir hier im Plenum Beschlüsse fassen. Deshalb haben wir im letzten Plenum darauf bestanden, dass für das dringend notwendige Landesprogramm gegen Rechtsextremismus auch ein festes Datum für dessen Start bestimmt wird.
Vielen Dank, Frau Lorberg. - Jetzt hat sich JanChristoph Oetjen für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist nicht immun gegen Rechtspopulisten. Das hat beispielsweise die Kommunalwahl jetzt in Hessen gezeigt. Ich fürchte, dass auch die Wahlen am kommenden Wochenende das zeigen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist eigentlich auch nichts Besonderes. Andere Länder in Europa haben Parteien, die 15 % bekommen oder Ähnliches, die damit leben. Bei uns ist das ein Phänomen, das erst neu entstanden ist, weil sich eine Debatte in diese Richtung in den vergangenen Monaten entwickelt hat und eine Stimmung in der Bevölkerung entstanden ist, die - da hat die Kollegin Lorberg, glaube ich, recht - von Menschenfängern aufgegriffen und für ihre politischen Ziele missbraucht wird. Dabei ist der Übergang zum Gewaltbereiten - das hat der Kollege Höntsch vorhin gesagt - zum Teil fließend. Das macht mich besorgt.
Ich möchte aber auch sagen, dass in Frankreich der Front National erst dann wirklich salonfähig geworden ist, als Bürgerliche versucht haben, diese Sprüche zu kopieren, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Deswegen müssen wir hier im Haus, alle Demokraten gemeinsam, sorgsam darauf achten, dass wir uns auf der einen Seite von denen abgrenzen, die solche Parolen verbreiten, uns aber auf der anderen Seite auch mit deren Themen oder Argumenten auseinandersetzen. Wir müssen die Auseinandersetzung mit denen suchen, die gegen Ausländer und rechtspopulistisch argumentieren.
(Christian Dürr [FDP]: Sich nicht vor TV-Debatten drücken! - Björn Thümler [CDU]: Nicht abtauchen! Wie war das in Rheinland-Pfalz?)
Das ist doch der Punkt, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Deswegen war es auch ein so fatales Signal in Rheinland-Pfalz, dass seitens der Ministerpräsidentin gesagt wurde: Nein, wenn die AfD an der Debatte teilnimmt, dann komme ich nicht. - Das ist genau falsch!
(Petra Tiemann [SPD]: Herr Grascha, was schauen Sie mich an? - Gegenruf von Christian Grascha [FDP]: Das ist schließlich Ihre Ministerpräsidentin! - Weitere Zurufe von Petra Tiemann [SPD] und Christian Grascha [FDP])
Das ist der Weg, den wir als Demokraten gemeinsam gegen die Rechtspopulisten gehen müssen. Deswegen ist es auch falsch, verehrte Kollegin Tiemann - - -
(Petra Tiemann [SPD] - zu Christian Grascha [FDP] -: Es ist schade, dass man mit Ihnen nicht diskutieren kann! - Gegenruf von Christian Grascha [FDP])
Meine Damen und Herren, Zwischenrufe sind immer gut, aber wenn man hier Extradebatten führt - ich weiß ja nicht, was Sie da gerade so besprechen -, stört das den Redner, wie Sie gerade bemerkt haben. Und dann ist es auch noch Ihr Parteifreund!
Herr Oetjen, ich finde Ihre Ausführungen außerordentlich interessant und möchte Sie bitten, einfach fortzufahren.