Protocol of the Session on March 9, 2016

(Christian Dürr [FDP]: Ich finde sie auch interessant, Herr Präsident!)

Das mache ich gerne, Herr Präsident, und ich freue mich auch über die ungeteilte Aufmerksamkeit des Hohen Hauses.

Wir müssen gucken, dass wir in den Debatten die Rechtspopulisten mit Argumenten stellen. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir in der Politik ehrlich mit Situationen umgehen. Wenn ich mir die Debatten, die wir hier vor ein paar Wochen zu dem Thema Ausländerkriminalität hatten, noch einmal vor Augen führe, dann muss man feststellen: Ja, man kann auch sagen, Ausländer haben eine höhere Kriminalität als der Rest der Bevölkerung, aber das hat auch Gründe. - Das kann man auch erklären, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Deswegen bin ich der Auffassung, dass wir Politik ohne Scheuklappen machen müssen. Wir müssen auch schwierige Themen benennen und sie mit Argumenten unterfüttern,

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Björn Thümler [CDU])

damit die Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten nachher gelingt und wir es schaffen können, ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Wir haben hier im Parlament in der Frage des Zusammenstehens gegen rechts, gegen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten, eine Tradition der Demokraten, die ich als sehr, sehr positiv und sehr angenehm empfinde. Ich will aber auch nicht verschweigen, dass ich darauf warte, dass diese Landesregierung endlich das Programm gegen rechts vorlegt, nach dem gehandelt werden kann.

(Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Die Präventionsstrategie dieser Landesregierung bleibt immer noch im Unklaren, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Abschließend möchte ich bemerken, dass wir uns in der Sache einig sind. Aus meiner Sicht geht es aber darum, dass wir die Prävention nach vorne stellen, auch die Schulen mitnehmen, wenn es darum geht, rechte Parolen in Schulen zu identifi

zieren und, sofern es Tendenzen in diese Richtung gibt, diese klar zu benennen. Es geht darum, dass wir die Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten in der inhaltlichen Debatte suchen, ihre Argumente entlarven. Denn dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir als Demokraten gemeinsam gegen rechts obsiegen. Aber das funktioniert am Ende nur, wenn wir ihnen dadurch den Wind aus den Segeln nehmen, dass wir die besseren Argumente auf unserer Seite haben. Und die haben wir, wir müssen sie nur laut und deutlich sagen!

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Oetjen. - Jetzt hat sich Julia Willie Hamburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 489 - in Niedersachsen wurden alleine im letzten Quartal 2015 489 rechtsextreme Straftaten verübt. Das hat unsere regelmäßige Anfrage der Landtagsfraktion der Grünen ergeben. Die Tendenz ist hier deutlich steigend. Das ist auch nur die offizielle Zahl der Behörden. Es sind also nur die Fälle, die zur Anzeige gebracht wurden. Über die Dunkelziffer können wir nur spekulieren; denn das reale Ausmaß rechter Hetze und Gewalt ist schwer zu erfassen. Dieser Hass ist mit Zahlen nicht zu beschreiben.

Diese Zahlen sind uns eine Mahnung. Jetzt gilt es, unsere weltoffene Gesellschaft zu verteidigen. Ohne Unterlass wird sie momentan von rechts - wir haben es hier mehrfach gehört - in die Zange genommen.

Ideengeschichtlich wird unser demokratisches System als streitbar und wehrhaft charakterisiert. Darunter wird die Entschlossenheit verstanden, die hier auch deutlich geworden ist, aktiv gegen politische Kräfte vorzugehen, die das demokratische System bedrohen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Ein Mittel dafür ist sicherlich ein Parteienverbot. Das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht aus den letzten Wochen ist ein

Beispiel dafür. Das Verbot entzieht den Nazis die finanziellen und materiellen Ressourcen. Das ist ein richtiges Argument für ein Verbot der NPD.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Staatliches Handeln ist ebenfalls im Feld der Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit für ein Verlassen der Naziszene gut und sinnvoll. Doch gerade ein Blick nach Sachsen zeigt uns, dass es mehr braucht im Kampf gegen rechts als den starken Staat. Wer heute Demokratieförderung als Alimentierungsprogramm für sogenannte Linksextreme diffamiert, zivilgesellschaftliche Initiativen gegen rechts kriminalisiert und die schwierigen Rollen der eigenen Sicherheitsbehörden ignoriert, hat morgen ein Problem mit Menschenfeindlichkeit und Rassismus in der Mitte der Gesellschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Ich möchte auf den stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Dulig aus Sachsen eingehen, der zu Recht von einem Pegida-Problem bei der Polizei in einem Interview mit der Zeit am 3. März 2016 gesprochen hat. Ich möchte hier mit Erlaubnis des Präsidenten Herrn Dulig zitieren. Er hat gesagt:

„Es ist ja ehrenhaft, sich schützend vor seine Beamten zu stellen. Das darf aber nicht dazu führen, dass Kritik tabuisiert wird und nach Fehlern nie Konsequenzen gezogen werden.“

Hier kann man Beamte der Polizei beliebig durch andere Akteure staatlicher Institutionen ersetzen. Denn eine Gesellschaft, in der 10 % der Menschen AfD wählen, hat auch in ihren Institutionen einen erheblichen Anteil an Rassisten. Das ist gefährlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Rassismus ist ein Problem der Gesamtgesellschaft und mitnichten ein Rand- oder Jugendproblem. Es gibt menschenfeindliche Einstellungen in allen Bereichen unserer Gesellschaft, folgerichtig auch in den Institutionen unserer Gesellschaft. Das ist keine grüne Misstrauenskultur, nein, das ist traurige Realität.

Wir in Niedersachsen wollen es anders machen als die Sachsen. Wir bauen mit einem Landesprogramm gegen Rechtsextremismus in Niedersachsen eine starke Zivilgesellschaft und eine lebendige demokratische Kultur auf.

(Präsident Bernd Busemann über- nimmt den Vorsitz)

Das haben wir gemeinsam hier im Landtag beschlossen. Dafür möchte ich Ihnen allen noch einmal herzlich danken. Das war ein starkes Signal.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zum Abschluss möchte ich wie alle Rednerinnen und Redner vor mir zur Zusammenarbeit aufrufen und hierzu den Vorsitzenden der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, den Kollegen Volkmar Zschocke, zitieren:

„Lassen Sie uns gemeinsam vor allem an einem handlungsfähigem, funktionierenden Staat arbeiten: Bürger, Initiativen und Verbände in ihrer Vielfalt, Verwaltung, Polizei und Justiz, das Parlament und die Regierung.

Wir Grüne sind dazu bereit.“

Sie alle auch. Lassen Sie uns weiter zusammenarbeiten!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Hamburg. - Meine Damen und Herren, jetzt hat die Landesregierung um das Wort gebeten. Herr Innenminister Pistorius, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehrere Ereignisse der letzten Wochen haben uns einmal mehr deutlich vor Augen geführt, wie falsch es wäre, den Rechtsextremismus auf Parteien oder organisierte Strukturen zu reduzieren. Es ist vielmehr zu beobachten, dass Rechtsextreme immer häufiger auf vereinzelte Aktivitäten und gezielte Kampagnen setzen. Ihre Hetze richtet sich insbesondere gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen, z. B. Muslime oder Flüchtlinge.

Deutschland hat hier im letzten Jahr einen wahrhaft traurigen Rekord verzeichnet. Es hat bundesweit mehr als 900 Übergriffe, darunter unzählige Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, gegeben. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres wurden bereits fast 200 Straftaten in diesem Bereich festgestellt. Das, meine Damen und Herren, ist eine furchtbare und alarmierende Entwicklung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir müssen dieser Entwicklung mit allem Nachdruck entgegenwirken. Niedersachsen war hierbei zwar insgesamt weniger betroffen. Aber dennoch hat etwa der Anschlag von Salzhemmendorf gezeigt, wie äußerst gefährlich Rechtsextremisten sein können, wenn sie zuschlagen. Ihr menschenverachtendes Gedankengut ist in der Aufarbeitung der Tat bereits zum jetzigen Zeitpunkt umfänglich dargestellt worden.

Was aber können und müssen wir tun, um entgegenzuwirken? - Natürlich gilt es, derartige Taten konsequent strafrechtlich zu verfolgen. Genauso wichtig ist aber, das dahinter stehende menschenfeindliche Gedankengut gesellschaftlich zu ächten, und zwar überall, und auch die Grautöne dabei nicht zu vergessen.

Der Staat ist dabei natürlich genauso gefordert wie die Zivilgesellschaft insgesamt. Das Bündnis gegen Rechtsextremismus in Bad Nenndorf ist hierbei seit vielen Jahren eines der leuchtenden Beispiele in diesem Land. Bad Nenndorf sollte deshalb ein Vorbild für uns alle sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch der Verfassungsschutz und die Polizei in Niedersachsen leisten seit Jahren aktive Präventionsarbeit und gehen dabei direkt auf die Menschen zu. Prävention bedeutet dabei vor allem Aufklärung. Denn wer den Rechtsextremismus bekämpfen will, der muss ihn zunächst einmal kennen: seine Erscheinungsformen, seine Taktik, seine Strategien, seine Wortwahl, seine Argumente, seine Ideologie, seine Parolen, seine Methoden und Organisationsformen, aber auch seine zunehmende Wandlungsfähigkeit, nicht zu vergessen die vielen Wölfe im Schafspelz in rechtspopulistischen Parteien.

Dazu macht beispielsweise der Verfassungsschutz zahlreiche Angebote. Er bietet u. a. Fachvorträge, Symposien, Ausstellungen und Lehrerfortbildungen an. Wir machen das sehr bewusst. Denn es ist klar: Information ist das A und O, insbesondere weil der Rechtsextremismus heute mit immer neuen Gesichtern auftritt.

Es gibt zudem zahlreiche staatliche und nicht staatliche Akteure, die sich mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus beschäftigen. Wir sehen schon heute, dass von all diesen verschiedenen Seiten großartiges Engagement geleistet wird. Das Beispiel Bad Nenndorf habe ich genannt.

Rechtsextreme versuchen gerade vor Ort anzusetzen, dort, wo man es am wenigsten erwartet, etwa in der örtlichen Nachbarschaft oder im ganz normalen Verein. Deshalb müssen wir gerade vor Ort klare Kante gegen rechts zeigen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)