Die Abgeltungssteuer begünstigt die Zinserträge. Das heißt, eine Abschaffung würde insbesondere die Sparerinnen und Sparer in unserem Land treffen.
Und warum soll es ausgerechnet die Sparer treffen? Sie sind doch heute schon die Leidtragenden der EZB-Niedrigzinspolitik, meine Damen und Herren. Schon heute findet doch eine Umschuldung von privaten Vermögen hin zu den verschuldeten Staaten statt. Warum sollen die Sparerinnen und Sparer also noch zusätzlich getroffen werden? - Das betrifft Millionen Menschen in Deutschland. Eine Abschaffung der Abgeltungssteuer wäre falsch und unanständig.
Man kann sich in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen: Warum sollten Einkünfte aus Kapitalvermögen eigentlich anders besteuert werden als andere Einkünfte?
In der Wirtschaft ist es selbstverständlich so, dass Abschreibungen, beispielsweise bei einer Maschine, berücksichtigt werden. Jetzt stellen wir uns einmal den Fall vor, dass wir wieder ein normales Zinsniveau von 2 % und eine Inflationsrate von 2 % hätten: Der Staat würde trotzdem voll zuschlagen, und die Kapitalerträge müssten voll versteuert werden. Deswegen ist eine geringe Besteuerung nur gerecht - damit die Geldentwertung hier nicht voll durchschlägt und noch zusätzlich von den Sparern zu bezahlen ist.
Wir stellen fest: Die Abgeltungssteuer hat sich bewährt, und deswegen sollte sie beibehalten werden. Sie ist auch ein Beitrag zum Bürokratieabbau. Es wäre eine glatte Steuererhöhung für die Sparer, wenn man hier etwas ändern würde. Insbesondere in der Niedrigzinsphase wäre das eine zusätzliche Belastung der Sparerinnen und Sparer.
Wenn sich alle hier so einig sind, droht in der Tat Ungemach. Wir werden, meine Damen und Herren, alles dafür tun, dies zu verhindern.
Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Nun hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Heymann das Wort. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede den Finanzminister unseres Nachbarbundeslandes Nordrhein-Westfalen, Herrn Norbert WalterBorjans, zitieren, der zu einem ähnlichen Antrag - auch der FDP - in seinem Bundesland gesprochen hat:
„Es gehört mittlerweile zu den Spezialitäten der FDP, Vorschläge zu machen bzw. Anträge einzubringen, die am Ende Politik für Einkommensmillionäre sind, um dabei - und das ist die Spezialität - den Eindruck zu erwecken, das sei Politik für die kleinen Leute.“
(Beifall bei der SPD - Christian Grascha [FDP]: Der Vorwurf ist lä- cherlich! Wer hat denn die Abgel- tungssteuer eingeführt? Das war ja wohl ein Sozialdemokrat!)
Ich stelle fest, meine Damen und Herren: Das scheint nicht nur ein Phänomen der nordrheinwestfälischen FDP zu sein. Auch hier in Niedersachsen versuchen Sie dies. Ich kann Ihnen nur sagen: Das glaubt Ihnen doch keiner mehr.
Die pauschale und anonyme Besteuerung von Kapitalerträgen aus dem Jahr 2009 ist und war damals eine Notlösung, um Kapitalflucht ins Ausland zu verhindern. Wir alle wissen, dass die Ab
geltungssteuer in Höhe von 25 % der Kapitalerträge immer noch höchst umstritten ist. Aber mittlerweile sind wir soweit, dass über 70 Staaten ab dem Jahr 2017 am automatischen Austausch von Konto- bzw. Steuerdaten beteiligt sein werden. Ausländische Kapitalerträge werden somit transparent gemacht; deutsche Steuerbehörden können Einsicht nehmen.
Ich finde, dies ist ein großer und guter Fortschritt in der transnationalen Zusammenarbeit, der Anlass gibt, über die bestehende Form der Abgeltungssteuer zu diskutieren. Neben der SPD musste dies auch der Bundesfinanzminister, seines Zeichens CDU-Mitglied, zugeben. Er hat die Abgeltungssteuer als überflüssig ab 2017 bezeichnet - sicherlich auch ein Grund für die Christdemokratinnen und -demokraten in diesem Hause, den vorliegenden Antrag abzulehnen. Die FDP aber fordert nun trotz der sich verändernden Rahmenbedingungen eine schlichte Beibehaltung dieser überflüssig werdenden Steuer.
Meine Damen und Herren von der FDP, genau hier unterscheiden sich die Ansichten. Während Sie mit einem Satz im Antrag die Beibehaltung fordern und Ihre zwei Absätze umfassende Begründung zudem inhaltlich überschaubar ist, möchten wir, dass sich die Fachleute in Politik, Wirtschaft und in den Verbänden intensiv mit den Herausforderungen einer gerechten Reform beschäftigen. Der Wegfall der Abgeltungssteuer würde eine grundlegende Reform der Besteuerung von Kapitalerträgen nach sich ziehen.
Die Lösung ist aber nicht der Ein-Satz-Antrag der FDP, mit dem Sie auch zukünftig Kapitalerträge geringer besteuern als beispielsweise Einkommen aus Arbeit.
Apropos Arbeit: Die Privilegierung von Kapitalerträgen gegenüber Arbeit muss doch auch einmal langsam zu Ende gehen, damit wieder eine gerechte Steuerpolitik Einzug hält, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Gehen Sie auch auf meine Argumen- tation ein, oder lesen Sie nur Ihre vor- bereitete Rede vor?)
Es muss wieder gerecht zugehen, indem Einkommensteuer und eine Steuer auf Kapitalerträge zumindest vergleichbar werden. Ich sehe auch keinen Grund, dass Geldverdienen mit Hilfe von Kapital geringer besteuert wird als die Arbeit von Zigtausenden Niedersachsen, die täglich dazu beitragen, Wohlstand in unserem Land zu sichern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei einem zu versteuernden Einkommen von 46 600 Euro jährlich beträgt der individuelle Steuersatz ziemlich genau 25 %. Was will ich damit sagen? - Alle Menschen, die mehr als 46 600 Euro jährlich versteuern müssen, haben durch die Abgeltungssteuer einen Vorteil. Und das bedeutet logischerweise, dass die Reichen noch reicher werden, während die mittleren und niedrigen Einkommensschichten im Verhältnis stärker belastet werden.
(Beifall bei der SPD - Christian Grascha [FDP]: Was ist eigentlich Ihr Begriff von „reich“? Menschen, die ein Eigenheim, die ein kleines Vermögen haben?)
Herr Kollege Grascha, Sie haben noch Restredezeit; die können Sie dann hier vorn nutzen, Ihre Zwischenbemerkungen aber stören. - Danke.
Für mich und meine Partei gilt auch bei der Besteuerung nach wie vor: Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, gehen Sie doch einfach mal raus - also nicht aus diesem Hause, aber raus zu den Menschen -
und versuchen Sie, dem Lkw-Fahrer, der Köchin, dem Kfz-Mechaniker oder der Bürokraft zu erklären, dass Menschen mit einem mindestens doppelt so hohen Einkommen noch bei der Besteuerung privilegiert werden.
Wenn Sie das nicht möchten, sprechen Sie doch einmal mit den Menschen, die aus ihrer Arbeit 46 600 Euro oder mehr erwirtschaften, und erklären ihnen bitte, warum Kapital nur mit knapp dem halben Steuersatzes besteuert wird. - Das können Sie nicht erklären, meine Damen und Herren!
Eine Reform ist sicherlich notwendig. Bei der Umsetzung einer solchen - gerechteren - Steuerpolitik ist es wichtig, dass die Details gut ausgearbeitet werden. Ich will auch nicht verschweigen, dass sich sicherlich Fragen ergeben werden wie: In welchem Umfang soll oder kann der Steuerabzug an der Quelle erhalten bleiben? Oder aber: Soll wieder ein voller Werbungskostenabzug eingeführt werden? Oder: Welche Folgerungen sind aus dem Teileinkünfteverfahren zu ziehen? - Damit müssen wir uns beschäftigen, und das tun wir als verantwortungsvolle Finanzpolitiker auch.
Von diesen Faktoren und einer soliden Berechnung aus dem Bundesfinanzministerium muss abhängig gemacht werden, wie eine solche Reform ausgestaltet wird. Dazu liegen bisher aber noch keine Konzepte vor.
Sie, liebe Mitglieder der FDP-Fraktion, fordern etwas quasi in den blauen Dunst hinein, ohne die wirklichen Alternativen und Auswirkungen analysiert zu haben. Das ist keine verantwortungsvolle Finanzpolitik, die Sie hier betreiben wollen.
Vor einer Entscheidung über ein solch hochkomplexes Thema ist es aber wichtig, dass eine neutrale und umfassende Analyse vorgenommen wird. Erst dann wird es möglich sein, eine Entscheidung zu treffen, die zu einer gerechten und auch fairen Besteuerung führt. Deshalb werden wir Ihren Antrag heute ablehnen.
Abschließen möchte ich meine Rede mit einem Zitat aus der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dort geht es um den Spitzenkandidaten der FDP in Sachsen-Anhalt. Er heißt Frank Sitta. Er sagt über den bisherigen Zustand der FDP in seinem Bundesland:
„Die FDP war Partei der Besitzstandswahrenden, die wollte, dass alles so bleibt, und das unter dem Deckmantel der Freiheit.“