Protocol of the Session on January 22, 2016

Vielen Dank. - Ich kann die Beratungen schließen und zur Ausschussüberweisung kommen.

Federführend soll der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Regionalentwicklung sein.

Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das haben Sie so mit Mehrheit beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 38: Erste Beratung: Europäische Stahlindustrie - vor unlauterem Wettbewerb schützen und für faire Handelsbedingungen im internationalen Stahlmarkt sor

gen! - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/4972

Zur Einbringung erteile ich dem Kollegen Klein von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte!

(Unruhe)

- Einen Moment, bitte, Herr Klein! Bevor Sie starten, darf ich Sie alle um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Es wäre auch hilfreich, wenn die Gespräche eingestellt werden könnten. Vielen Dank. Bitte!

Herzlichen Dank,. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Deutschland, der Verlierer im globalen Stahlkrieg“, „Europas Stahlindustrie schlägt Alarm“, „Billige Importe setzen der Branche zu“ - das sind einige Schlagzeilen der letzten Wochen und Monate zu diesem Thema.

Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen beobachten die dahinterstehende Entwicklung mit großer Sorge und sind nun mittels dieses Antrages aufgrund von vielen Gesprächen im Vorfeld initiativ geworden. Im Kern geht es bei unserem Antrag um nicht weniger als um die Sicherung des Stahlstandortes Deutschland und damit auch um Beschäftigung in den niedersächsischen Stahlwerken. Wir haben in Deutschland - speziell in Niedersachsen in Lingen, in Georgsmarienhütte, in Peine und natürlich auch am größten Standort Niedersachsens in Salzgitter - eine funktionierende Stahlindustrie und leistungsfähige Unternehmen. Das, meine Damen und Herren, soll auch so bleiben!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im Detail befasst sich unser Antrag vor allem mit den handelspolitischen Schutzinstrumenten der Europäischen Union. Hier erwarten wir, dass sich die Bundesregierung in Europa bei der EU-Kommission für die konsequente und für eine beschleunigte Nutzung der Schutzinstrumente einsetzt.

Die Landesregierung ihrerseits muss ihre Möglichkeiten auch gegenüber der Bundesregierung ausschöpfen und für Arbeitsplätze und Standorte, wie in der Vergangenheit auch, eintreten. Der Hintergrund sind die Veränderung im Wettbewerb in der Stahlindustrie und der immer tiefer fallende Verkaufspreis vom chinesischen Stahl unter die europäischen Produktionskosten, der sogar unterhalb der chinesischen variablen Kosten liegt.

Einen Moment, bitte, Herr Kollege. Da jetzt offenbar die gesamte Regierungsbank mit Beratungen beansprucht wird, sollten wir diese abwarten oder auch beenden, selbst das ist möglich. - Vielen Dank, Herr Kollege Bosse. - Ich bitte auch, die sonstigen Beratungen einzustellen.

Vielen Dank.

Die Preise für den chinesischen Stahl sind in den vergangenen zwölf Monaten um bis zu 45 % gefallen. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und deutschen Stahlindustrie steht auf dem Spiel, meine Damen und Herren - einer Industrie, die sowohl hinsichtlich der Effizienz als auch bezüglich der Reduktion von CO2-Emissionen vorbildlich agiert.

134 Millionen t Stahl hat China in 2015 exportiert. Die insgesamt durch China erzeugten Überkapazitäten belaufen sich aktuell auf etwa 400 Millionen t. Gleichwohl wird die Produktion in China nicht gedrosselt, wie man meinen könnte, sondern das Gegenteil ist der Fall: Dort wird fleißig weiterproduziert. Es ist also zu befürchten, dass weitere Mengen auf den Weltmarkt und damit auch nach Europa kommen. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2014 insgesamt gut 40 Millionen t Rohstahl produziert.

Unsere deutschen und die europäischen Stahlproduzenten befinden sich in einem - so kann man das sagen - ungleichen Wettstreit. In China sind die Bedingungen, wie wir wissen, völlig andere als hier. Nach Angaben des Stahlinstituts VDEh in Düsseldorf hat der chinesische Staat allein zwischen 2000 und 2009 rund 210 Milliarden Euro in die heimische Stahlindustrie gepumpt. Dieses Handeln dürfte auch heute noch mindestens ansatzweise Realität sein.

Die Europäische Union definiert eine „Marktwirtschaft“ durch fünf Kriterien, die ich jetzt nicht einzeln aufzählen will. Alle diese fünf Kriterien müssen erfüllt sein, um als Marktwirtschaft anerkannt zu werden. China erfüllt im Grunde kaum eines dieser Kriterien. Aus diesem Grund steht dieser Staat in der Europäischen Union auf der Liste der Länder, die keine Marktwirtschaft haben. Die Bedingungen im Vergleich zu den deutschen Produzenten sind zu unterschiedlich, um von „Konkurrenz unter ähnlichen Bedingungen“ und von „fairem Handel“ sprechen zu können.

Ich sprach anfangs von den Arbeitsplätzen. Die Konsequenzen sind bereits spürbar. In Großbritannien sind schon einige Tausend Arbeitsplätze gestrichen worden. Die Salzgitter AG hat in Peine etwa 350 Arbeitsplätze abgebaut. Das wohl größte Stahlwerk in Europa, in Italien, steht zum Verkauf.

Nun besteht bei Importen nach Europa die Möglichkeit, ein Antidumpingverfahren einzuleiten. Voraussetzung ist eine eingereichte Klage, in der eine Schädigung oder mindestens eine drohende Schädigung nachgewiesen werden muss. Das heißt, man muss eine gewisse Zeit abwarten, bis in der Regel eine Schädigung eingetreten ist. Danach hat die Europäische Kommission 45 Tage Zeit zu entscheiden, ob sie das Verfahren einleitet, und dann muss sie innerhalb von neun Monaten darüber entscheiden, ob sie einen provisorischen Zoll erhebt oder einführt.

Rechnet man dies zusammen, dauert es, wenn es normal läuft, mindestens 20 Monate, bis das Verfahren abgewickelt ist und ein Schutzmechanismus eintritt. Aber bei diesen Preisunterschieden kann die Schädigung in diesem Zeitraum schon so gravierend sein, dass eine nachhaltige Schwächung des Unternehmens nicht mehr zu verhindern ist.

Daher ist es zwingend geboten, dass die Antidumpingverfahren gestrafft werden, dass eine schnellere Festsetzung von Strafzöllen erfolgt und dass die Zölle nach fünf Jahren nicht automatisch auslaufen, sondern weiterlaufen, bis die Schädigung in einem weiteren Verfahren widerlegt wird. Zum Vergleich: In den USA werden Zölle nach etwa neun Monaten festgesetzt. Das, meine Damen und Herren, muss auch in Europa zum Schutz der europäischen Produzenten möglich sein. Es ist auch absolut notwendig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In diesem Jahr steht zur Prüfung an, ob China als Marktwirtschaft anerkannt wird. Es gibt von chinesischer und europäischer Seite unterschiedliche Auffassungen, ob das automatisch passiert oder ob es dazu einen Beschluss geben muss. China ist vor etwa 15 Jahren der WTO beigetreten. Dazu gab es diverse Vereinbarungen. Nichtsdestotrotz: Die Europäische Union hat eine Liste, von der sie China nehmen müsste, wenn China einen Marktwirtschaftsstatus erhält.

Was hätte es für Folgen, wenn China als Marktwirtschaft anerkannt würde? - Dann würde der Exportpreis des chinesischen Stahls nicht, wie es

aktuell der Fall ist, mit dem Inlandspreis eines anderen marktwirtschaftlichen Staats verglichen werden - z. B. Kanadas; aus der Differenz ergibt sich dann der Antidumpingzoll -, sondern dann würde der Exportpreis Chinas mit dem Preis im chinesischen Binnenmarkt verglichen werden. Das heißt, der Zoll wäre deutlich niedriger - wenn er überhaupt noch erhoben werden könnte. Damit wäre der Schutzmechanismus gegenüber chinesischen Exporten größtenteils dahin, mit dementsprechend massiven negativen Folgen für die europäischen, die deutschen und die niedersächsischen Unternehmen.

Dies gilt übrigens nicht nur für die Stahlindustrie, sondern auch für andere Grundstoffindustrien. Es gibt eine ganze Reihe von Verfahren im Bereich Keramik, Aluminium, Silicium und Glas. Alle diese Industrien sind von dieser Thematik betroffen, nicht nur die Stahlindustrie.

In Deutschland arbeiten im Stahlbereich bis zu 90 000 Menschen, in Niedersachsen über 8 500. Allein in Salzgitter, meinem Wahlkreis, sind es bis zu 7 000 Personen. Ich sage Ihnen: Wir wollen Beschäftigung in Niedersachsen und auch in Deutschland erhalten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Bode [FDP]: Wir auch! Wir wollen auch den Weltfrie- den!)

- Das hört man gerne, Herr Bode. Vielen Dank.

Herzlichen Dank an unsere Landesregierung, an Herrn Ministerpräsidenten Weil und an Herrn Wirtschaftsminister Lies für ihren stetigen Einsatz für die niedersächsische Industrie, auch für die hiesige Stahlindustrie! Die Einberufung des Stahlgipfels am 8. Februar ist richtig und wichtig und ein gutes Signal, gemeinsam Seite an Seite mit den Beschäftigten und den Arbeitgebern für die Stahlindustrie zu kämpfen. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen als Abgeordneter des Wahlkreises Salzgitter: Der ständige Kontakt zum Vorstand und zu den Betriebsräten wird vor Ort außerordentlich wertgeschätzt und wahrgenommen. Auch dafür herzlichen Dank!

Ich sage Ihnen auch: Die klare Positionierung, so auch im Rahmen des Beihilfeprüfverfahrens Ende 2014, seitens der Landesregierung in Gesprächen mit der Bundesregierung war für die Stahlindustrie

sehr hilfreich. Auch die Äußerung von Herrn Ministerpräsident Weil zu der geplanten drastischen Reduzierung der kostenfreien Emissionszertifikate hat sicherlich geholfen und wird in der Debatte sehr wohl wahrgenommen.

Meine Damen und Herren, in Sorge um die Zukunft der Unternehmen und der Arbeitsplätze haben wir diesen Antrag eingebracht. Wir hoffen auf eine konstruktive Debatte im Ausschuss und bieten Ihnen ausdrücklich unsere Gesprächsbereitschaft für eine gemeinsame Beschlussfassung an. Eine breite Zustimmung würde auch von der Belegschaft in allen Werken als klares Zeichen aufgenommen werden.

In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Beratung und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Klein. - Für die CDUFraktion hat nun Herr Kollege Toepffer das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Klein, Ihr Antrag geht ohne Zweifel in die richtige Richtung. Vielleicht kann er durch die Ausschussberatungen noch ein wenig besser werden.

Auch die CDU wendet sich gegen die Subventionierung chinesischen Billigstahls. Diese verdeckte Subventionierung schadet dem Welthandel, sie schadet der deutschen Industrie, und sie gefährdet damit niedersächsische Arbeitsplätze. Dem treten auch wir entgegen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir in der CDU-Fraktion wissen um die Bedeutung der Industrie in Deutschland, auch um die der Schwerindustrie und der Grundstoffindustrie. Wir wissen, dass zur Industrie nicht nur die Solarindustrie, sondern auch Eisenwerke, Stahlwerke, Zinkhütten, Kupferhütten und auch das eine oder andere Chemiewerk gehören. Das unterscheidet uns vielleicht von Ihnen. Das ist Teil unserer wirtschaftspolitischen DNA. Darüber muss man nicht lange reden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Anja Piel [GRÜNE]: Schön vorsichtig!)

Ich möchte die guten Argumente des Kollegen Klein nicht alle wiederholen, zumal der Wirtschaftsminister in vorauseilendem Gehorsam ja bereits tätig geworden ist, wie wir gestern im Wirtschaftsteil der HAZ lesen konnten. Ohne den Beschluss des Parlaments abzuwarten, hat er die Bitte der Antragsteller - so sie formuliert worden ist - bereits erfüllt. Aber das kann ihm auch nicht schwergefallen sein.

Dieser Antrag ist ein wenig feststellungslastig, wenn ich das so sagen darf. In 11 Absätzen und insgesamt 57 Zeilen sind irgendwelche Feststellungen formuliert. Dann folgt die Aufforderung an die Landesregierung. Aber das sind leider nur drei Zeilen, nämlich: Die Landesregierung möge die Bundesregierung auffordern, sich bei der EU-Kommission für die Grundstoffindustrie einzusetzen.

(Jörg Bode [FDP]: Wahnsinn!)

Lieber Herr Lies, auch dafür vielen Dank. Aber ich gehe davon aus, das machen Sie tagtäglich, auch ohne dass wir solche Anträge stellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ulf Thiele [CDU]: Da bin ich mir nicht so sicher!)