Die Möglichkeit, dass Effekte - besonders nach einer Exposition in sensitiven Lebensphasen - zeitverzögert auftreten und eventuell erst bei Nachfolgegenerationen sichtbar werden, erschwert die Untersuchung - genauso wie die oftmals sehr niedrigen wirksamen Konzentrationen bekannter endokriner Disruptoren. So reichen z. B. wenige Mikrogramm pro Liter Nonylphenol aus, damit im Labor
Hinzu kommt, dass die Möglichkeit additiver Effekte mit einer Vielzahl bereits in der Umwelt vorhandener endokrin aktiver Chemikalien vorherrschen kann.
Aktuell schlägt das Bundesinstitut für Risikoforschung - BfR - erweiterte EU-Kriterien zur Identifizierung endokriner Disruptoren vor. In diesem Zusammenhang hat die EU-Kommission Ende 2014 die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit beauftragt, Kriterien für die Identifizierung dieser Substanzen abschließend zu definieren, damit diese künftig im europäischen Pflanzenschutz- und Biozidrecht angewandt werden können. Eine Einteilung allein nach deren Wirkstärke ist nach Ansicht des BfR nicht ausreichend; vielmehr müssen sich diese u. a. auch an der Reversibilität der gesundheitlichen Schäden orientieren. Dieser Meinung schließen wir uns an.
Bisher zeigte leider auch die EU-Kommission bei diesem Thema wenig bis keine Aktivität, um auf die Tube zu drücken - auch nicht nach erfolgreicher Klageeinreichung durch Schweden im vergangenen Jahr.
Für uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist wichtig, dass es eine klare Regulierung - keine Überregulierung - auf europäischer Ebene gibt. Es ist notwendig, dass wir dies aus Niedersachsen fordern und fördern, damit auf europäischer Ebene vernünftige Regelungen getroffen werden.
Wir wollen die EU-Forschungsförderung in diesem Bereich gestärkt wissen, um Wirkmechanismen besser verstehen zu können und eine klare Abgrenzung zwischen endokrinen Disruptoren und endokrin wirksamen Substanzen herstellen zu können. Denn, wie eingangs erwähnt - das haben wir inzwischen alle gelernt -, gibt es auch endokrine Substanzen, die positive Wirkung zeigen können.
Ich freue mich auf die Diskussion dieses Themas im Fachausschuss. Wir können dann sicherlich, Herr Kollege, auch noch einmal über die Spermienzahl diskutieren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Gibt es für das Thema eine Zuständigkeit in der Landesregierung? Kein Minister ist da!)
Vielen Dank, Herr Dr. Saipa, für die sehr aufschlussreichen Ausführungen. - Jetzt hat für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Große Macke das Wort. Bitte!
Danke, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Chemiker schon eine Vorlesung hält, dann sagt der Bauer: Dass die Antibabypille auch schon von Männern genommen wird, ist ihm bislang unbekannt gewesen.
Aber Sie haben recht mit Ihrem Antrag, meine Damen und Herren: Hormonstörende Stoffe gehören nicht ins Grundwasser. - So steht es im Antrag. Für die CDU sage ich: Aber sie gehören auch nicht ins Trinkwasser oder in Nahrungsmittel. Deswegen begrüße ich ausdrücklich diese Diskussion. Ich denke, sie wird dem Thema auch gerecht werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die EU-Kommission hat schon im Juni 2014 für diesen Themenkomplex eine Roadmap veröffentlicht. Bis zum 16. Januar 2015 lief das öffentliche Konsultationsverfahren und bis Ende 2015 die Bewertungsphase. Auf Basis dieser Ergebnisse und weiterer Diskussionen werden in diesem Jahr von der Kommission konkrete Vorschläge für Kriterien vorgelegt werden.
Vor diesem Hintergrund frage ich mich, wenn ich den Antrag lese: Wie hat diese Landesregierung von 2014 bis heute auf den Meinungsbildungsprozess der EU Einfluss genommen?
Zweitens frage ich mich: Welche Forschungsprojekte hat sie in Niedersachsen denn initiiert, um die Wirkungsmechanismen besser zu verstehen?
Und drittens: Warum kommt der Antrag so verspätet? Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, Verbraucherinnen und Verbraucher können zu Recht von den Regierungsfraktionen mehr erwarten, als dass sie nur die Landesregierung bitten, die Bundesregierung zu bitten, die europäische Ebene zu bitten, etwas zu tun, was auf europäischer Ebene schon vor zwei Jahren in Angriff genommen wurde.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher können doch zu Recht von den Regierungsfraktionen mehr erwarten als einen Placebo-Antrag zu einem Thema, das am Dienstag schon auf der Tagesordnung in Brüssel stehen wird. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich das BfR erwähnen, dessen Vorschläge zur Identifizierung endokriner Disruptoren in Brüssel breite Unterstützung fanden. - Übrigens steht BfR für Bundesinstitut für Risikobewertung, nicht für Risikoforschung, wie es im Antrag heißt. Ich bitte, das zu korrigieren.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusammen: Das Thema ist wichtig. Es gibt in vielen Punkten Übereinstimmung. Die Forderungen im Antrag betrachte ich als erledigt. Auch ich freue mich auf die Ausschussberatungen.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Auf Ihren Beitrag liegt der Wunsch zu einer Kurzintervention des Kollegen Dr. Saipa, SPD-Fraktion, vor. Bitte!
Ich habe ganz kurz überlegt, ob ich eine Persönliche Bemerkung mache, aber das Thema möchte ich nicht dem Kollegen Winkelmann wegnehmen.
Der Antrag ist natürlich keine Beruhigungspille und auch kein Placebo. Man könnte ja auch fragen, was andere Parteien in den letzten Jahren gemacht haben; das Thema schwelt ja schon ein bisschen. Ich möchte das nicht befeuern; ich freue mich, wenn wir das im Ausschuss fachlich diskutieren.
Das Einzige, was ich richtigstellen möchte - Herr Kollege, vielleicht haben Sie ja an der Stelle nicht richtig zugehört -, ist: Ich glaube, wie ich es gesagt habe, dass auch viele Männer hier im Raum die
positive Wirkung der Antibabypille schätzen. Das heißt nicht, dass sie sie nehmen, sondern sie schätzen, dass sie genommen wird. - Das nur kurz als Erklärung.
- Vielen Dank. - Dann fahren wir in der Rednerliste fort. Nun hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Asendorf. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, dass dieses Thema für einen Freitagnachmittag wirklich schwere Kost ist. Als ich das Thema das erste Mal aufgeworfen habe, habe ich auch erst einmal Unverständnis geerntet; denn die beiden Worte „endokrine Disruptoren“ waren nicht überall en vogue. Sie wären uns im Grunde genommen auch fast durchgegangen; denn in den Mitteilungen, die wir aus Brüssel bekommen, standen lediglich die beiden Worte „endokrine Disruptoren“ - ohne eine Erklärung, ohne eine Erläuterung.
Dankenswerterweise hat Herr Saipa die wissenschaftliche Seite erläutert. Ich möchte hinzufügen, dass endokrine Disruptoren in vielen Alltagsprodukten enthalten sind, z. B. in Weichmachern - das hat er bereits gesagt - und in Pestiziden, aber auch im Feuerlöschschaum und in Frackingmitteln.
Die schädliche Wirkung endokriner Disruptoren beruht darauf, dass sie im Körper ähnlich wie Hormone wirken oder aber körpereigene Stoffe blockieren. Damit sind sie besonders in der Schwangerschaft gefährlich.
Richtig in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind sie zum ersten Mal 2009/2010, als herauskam, dass in Babyflaschen Bisphenol A gefunden wurde. Diese Chemikalie steht inzwischen in Verdacht, eine Vielzahl von negativen Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben - darunter verringerte Fruchtbarkeit, veränderte Verhaltensentwicklung, Diabetes, Herzerkrankungen sowie Fettleibigkeit.
Bisphenol-A-haltiger Kunststoff ist in Babyflaschen seit März 2011 EU-weit verboten. In Frankreich ist - das ist besonders spannend - Bisphenol A im
Weshalb sollten wir uns eigentlich mit diesem Antrag auf der Landesebene beschäftigen? Hier beginnt nun der eigentliche Krimi. Er fängt damit an, dass das Europäische Parlament am 14. März 2013 beschlossen hat, dass Vorschläge zu übergreifenden Kriterien von endokrinen Disruptoren erarbeitet werden. Als Vorlage sollte die Definition der WHO dienen. Eine Vorlage gibt es also schon. Sie beruft sich dabei - das ist für uns im Europaausschuss besonders wichtig - auf das Vorsorgeprinzip nach Artikel 191 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
Die von der Kommission dazu erstellte Roadmap - sie wurde schon erwähnt - sah die Vorlage von Vorschlägen im Juni 2014 vor. Bis Juni 2015, also letztes Jahr, sollte die EU-Kommission außerdem einen neuen Gesetzesvorschlag zur Eindämmung der endokrinen Disruptoren vorlegen. Des Weiteren sollte die Kommission endokrine Disruptoren auch als besonders besorgniserregende Stoffe unter die EU-Chemikalienverordnung REACH einstufen. Trotz Roadmap konnten sich die Generaldirektionen der EU-Kommission aber nicht einigen, und dem Parlament wurde tatsächlich gar nichts vorgelegt.
Daraufhin hat Schweden die Kommission verklagt und am 16. Dezember 2015 gewonnen. Der EuGH hat festgestellt, dass die Kommission aufgrund der Nichterfüllung des Parlamentsbeschlusses europäisches Recht gebrochen hat. Das Urteil des EuGH ist richtungsweisend, da es die Entscheidung des Parlaments und damit den Willen der Wähler und Wählerinnen stützt.
Warum verhält sich die Kommission so? Ihnen muss doch klar sein, dass sie damit europäisches Recht brechen. Wieso riskieren sie so ein unpopuläres Urteil? Warum? Zumindest haben sie Zeit gewonnen. Zeit wofür? Für TTIP!
Während in Europa das Vorsorgeprinzip gilt - ich habe es eben erwähnt -, betreiben die USA eine Risikobetrachtung. Erst wenn bewiesen wird, dass etwas schädlich ist, wird es beschränkt. Wenn die EU die endokrinen Disruptoren schon 2015 definiert hätte und sie in die REACH-Liste gekommen wären, wären sie nicht mehr verhandelbare Standards gewesen. So ist es aber nicht gekommen.
Verhandlungen im Rahmen von TTIP und endokrinen Disruptoren veröffentlicht. Sie können sie heute noch im Internet suchen - bzw. ich habe mir alles heruntergeladen und stelle es gern zur Verfügung.
Diese Ausführungen sind sehr erschreckend und aufschlussreich. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, auf das ganze Ausmaß dieses meiner Meinung nach riesigen Skandals einzugehen. Ich bin der Meinung, dass wir die Vertreter im EUParlament unterstützen und ein klares Signal in Richtung Brüssel senden müssen.