Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Aufnahme von Flüchtlingen ist nicht dazu da, unser Land bunter zu machen oder kulturell zu öffnen. Sie ist nicht dazu da, Arbeitsmarktprobleme zu lösen oder fehlende Kinder zu ersetzen. Dafür müssen wir über vernünftige Zuwanderung und über ein Zuwanderungsgesetz diskutieren.
Flüchtlingspolitik ist ein humanitärer Akt. Der entspricht dem christlichen Menschenbild und der Aufgabe der Barmherzigkeit. Wir können aber nicht die sozialen Probleme Europas mit dem deutschen Asylrecht klären. Solange Sie das nicht begreifen, verweigern Sie sich einer Lösung der Fragestellung.
Ganz entscheidend ist - ich sehe das ja schon jetzt -: Sie sind unterwegs und sagen: Das sind keine Fremden. Wenn die dann bei uns leben und unsere Nachbarn sind, dann dürfen wir sie schon nicht mehr „Fremde“ nennen. Deshalb darf es bei Ihnen auch Fremdenfeindlichkeit und Fremdenhass und all diese Dinge nicht geben. - So haben Sie hier gestern doch wieder argumentiert.
(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das ist doch gar nicht der Grund! Ich habe es Ihnen per E-Mail erklärt, Herr Na- cke! Lesen Sie meine E-Mail!)
Das führt dazu, dass sie im Wesentlichen keine Integrationsbemühungen vornehmen werden. Wir haben das alles bereits einmal erlebt. Björn Thümler hat es vorhin noch einmal sehr deutlich gesagt.
sind, die Zuwanderer, die wir eine Zeit lang als „Gastarbeiter“ bezeichnet haben, und jene, die nach der Öffnung des Ostblocks als Spätaussiedler zu uns gekommen sind, waren immer dankbar für die Aufnahme und haben das akzeptiert. Aber die zweite Generation fühlte sich entwurzelt. Die zweite Generation fühlte sich ungerecht behandelt. Man hat es dann erlebt: hohe Arbeitslosigkeit, hoher Drogenmissbrauch, hohe Kriminalität. Das alles haben wir erlebt. Das lässt sich nachlesen. Bitte helfen Sie mit, dass dies zumindest diesmal verhindert wird, und verweigern Sie sich dem nicht wieder!
(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Unglaublich! Das sind Entgleisungen! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die SPDFraktion spricht jetzt der Abgeordnete Ulrich Watermann. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland hat gestern in ihrer Regierungserklärung auf die Anwürfe des Oppositionsführers Gysi gesagt: Es ist jetzt nicht die Zeit der gegenseitigen Vorwürfe, sondern es ist die Zeit, anzupacken. - Dies gilt, und dies gilt auch im Niedersächsischen Landtag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Nacke, glauben Sie denn wirklich ernsthaft, dass eine Rede so, wie Sie sie hier gehalten haben, am Ende dazu führt, dass man sich gemeinsam einer Aufgabe stellt, die so gewaltig ist wie schon lange keine Aufgabe mehr?
Glauben Sie denn ernsthaft, dass das Herauskegeln, wer wen wann, wo und wie für sein Engagement gelobt hat, nach außen hin ein Zeichen dafür ist, dass die Demokraten hier im Niedersächsischen Landtag gemeinsam Seit‘ an Seit‘ stehen und dafür kämpfen, dass wir die Aufgabe erfüllen und das, was sich rechts abspielt, abwehren?
Glauben Sie das wirklich ernsthaft? - Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute das getan hätten, was einige der Redner von CDU und FDP angekündigt haben, dass wir nämlich analysiert hätten, dass wir - der eine eher, der andere weniger eher - von denen überrascht waren, die zu uns kommen.
Ich hätte mir gewünscht, dass wir auch festgestellt hätten, dass das, was jetzt kommt, genau aus den Kriegsgebieten kommt und nicht das Problem des Balkans ist. Das gibt es auch. Aber die, um die es jetzt Tag für Tag geht, sind die, die über München kommen.
Österreich hat den Bahnverkehr gestoppt. Dänemark hat den Bahnverkehr gestoppt. Wir stehen vor einer Herausforderung, die es erforderlich macht, zu schauen, wie wir dieser Aufgabe gerecht werden können, wie wir allen danken können, der Polizei und allen Organisationen - ich zähle sie an dieser Stelle nicht einzeln auf; denn ich könnte eine vergessen -, den Bürgern, die nirgends organisiert sind, aber trotzdem kommen, dem Oberbürgermeister von Hameln und dem Landrat, die die Linsingenkaserne zur Verfügung gestellt haben - obwohl sie das erst gar nicht wollten und gewartet haben, sich dann aber doch zusammengerauft haben -, vor der Busse vorfahren, aus denen die Menschen nicht aussteigen wollen, weil sie vor Situationen Angst haben, die sie in Ungarn erlebt haben. Das muss man nicht nach außen stellen. Man muss keine weißen Fahnen aus Rathäusern oder Kreishäusern hängen, sondern man muss handeln. Man muss in diesen Fragen die Gemeinsamkeit suchen und gucken, wie man das in den Griff kriegt.
Ich finde, man kann darüber streiten, eine Sondersitzung durchzuführen. Aber wenn sie als Ergebnis hat, dass wir Ergebnisse zusammenschreiben, bei denen wir einig sind - - - In der letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause haben wir gemeinsam Punkte festgestellt, die jetzt wieder in den Anträgen stehen - man kann sie ja von mir aus wiederholen -, dass Dublin gescheitert ist. Wir bemühen uns im Innenbereich nach schweren Auseinandersetzungen, aufeinander zuzugehen. Ich zähle zu denen, die in der Debatte manchmal sehr deutlich sind. Aber ich bemühe mich auch, Gemeinsamkeiten zu finden, damit wir Signale senden. Die Bürgerinnen und Bürger draußen in Hameln und überall im Lande wollen nicht dieses Filetieren von Meinungen, wann einer schon etwas richtig wusste. Die wollen, dass wir zusammenstehen und dass wir Antworten auf das geben, was auf uns zukommt,
Natürlich ist es unbefriedigend, wenn so viele zusammen sind. Gut ist, dass es viele öffnen, und es ist gut, wenn wir möglichst schnell von Zeltsituationen und anderen Situationen wegkommen. Aber dafür müssen wir handeln und Signale setzen.
Ich war dankbar, dass Sie alle in Ihren Pressemitteilungen nach den Ereignissen in Salzhemmendorf zusammengestanden haben, und ich war denen dankbar, die danach begriffen haben, dass Liegenschaften zur Verfügung stehen müssen, die vorher nicht zur Verfügung gestanden haben.
Das hervorzuheben und nicht zu filetieren und auszugrenzen, wäre eigentlich der richtige Weg. Das ist übrigens in Teilen in Ihrem Antrag drin. Das sollten Sie vielleicht gelegentlich nachlesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass es richtig ist, dass wir uns mit der Frage auseinandersetzen, ob das richtige Herkunftsland der richtige Weg ist, ja oder nein. Ich respektiere, dass es dazu unterschiedliche Einschätzungen gibt. Am Ende muss man es gemeinsam überlegen.
Richtig ist, dass wir uns im Innenausschuss darüber haben unterrichtet lassen, was man tun muss und was man vielleicht noch fordern muss, um Zugänge über das System Arbeit, Arbeitsvermittlung in den Balkanstaaten zu ermöglichen. Ich weiß, dass in der Bundesregierung darüber nachgedacht wird. Die stehen zusammen und überlegen, wie sie das hinkriegen.
Wir müssen auch gegenüber den Kommunen signalisieren: Ja, wir wollen das im Aufnahmegesetz verstetigen, weil wir gemeinsam durchgesetzt haben - und zwar alle demokratischen Kräfte -, dass Bund und Länder hier einsteigen. Wir machen das in einem geordneten Gesetzesverfahren. Aber wir setzen Signale.
Wenn man sich die Punkte anguckt, die Sie aufgeschrieben haben, dann kann man bei vielen aus meiner Sicht sagen: Sie sind in Bearbeitung im Bund und im Land. Sie sind auf dem richtigen Weg. Es gibt auch eine ganze Menge Punkte, über die man noch reden muss und bei denen man schauen muss: Was kann man mit ihnen eigentlich
Herr Kollege Oetjen, ich will das nur sagen: Nachdem Sie mich am Dienstag angeschrieben haben, habe ich signalisiert, dass ich zu einem Gespräch bereit bin. Wir haben gestern zusammengesessen. - Ich habe kein Signal gehört! Ich war nicht dran, eines zu geben. Ich hatte eines gegeben. Ich wollte es eigentlich vermeiden, solche SchwarzerPeter-Spiele zu machen. Aber auch das gehört zur Wahrheit dazu.
Zur Wahrheit gehört auch, dass man, wo man zu Hause politisch aktiv war, wo man gesehen hat, dass sich das Innenministerium wirklich kräftig bemüht hat, zu gucken, was man akquirieren und erledigen kann, das auch sagt. Gelegentlich möchte ich denen Danke sagen, die das gemacht haben, und zwar sowohl den Freiwilligen als auch den Organisationen, aber auch den Mitarbeitern in den Ministerien. Die haben zusammengestanden und haben sich bemüht. Auch dafür sage ich Dankeschön, weil das eine besondere Herausforderung ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Ich habe bei den Ereignissen in Ungarn ein ganz zwiespältiges Gefühl, Herr Toepffer. Ich gebe Ihnen recht, das mit Spanien ist genauso dramatisch. Ich finde das alles entsetzlich. Aber ich kann mich erinnern, wie damals der Außenminister Horn mit Bundesaußenminister Genscher den Zaun, der diejenigen eingesperrt hat, die aus der DDR geflohen waren, geöffnet hat, indem er ihn durchgeschnitten hat. Als er wieder aufgebaut wurde, kamen auch viele zu uns. - Übrigens haben wir da auch eine Welle von Menschen aufgenommen. Bei uns stand gerade ein Krankenhaus leer. Da war die ganze Stadt auf einmal voller Trabis. Auch dabei haben wir gezeigt, dass wir das hinkriegen können. Aber dann muss man doch sagen: Europa muss mehr sein, als sich gegenseitig abzuschotten. Das muss doch eine Gesamtverantwortung sein. Ich persönlich empfinde es als dramatisch, wenn wir das aufs Spiel setzen, weil wir damit Europa schwer schaden und auch das System Europa aufs Spiel setzen. Das haben wir hier gemeinsam festgestellt.
Es ist doch richtig, dass wir hier Bürgerkriegsflüchtlinge haben. Aber sie sind im Moment hier. Sie kommen zu uns. Wenn sie hier bleiben - das ist sehr wahrscheinlich -, dann werden sie unser de
mografisches Problem mit lösen können. Das ist aber nicht die Zielsetzung. Das ist eigentlich die Arbeitsaufnahme. Aber auch das gehört dazu, dass wir das schnell bewerkstelligen. Die Kanzlerin hat gerade bei der Besichtigung einer Einrichtung gesagt, sie will jetzt alles daransetzen, dass die Arbeitsvermittlung schneller geht und besser wird.
Auch da sind Systeme, die nicht von heute auf morgen umgestellt werden können. Das wissen Sie, und das weiß ich. Ich sage Ihnen auch: Das Bundesamt war ja ein schrumpfendes Amt, weil wir alle nach dem Arabischen Frühling und nach den vielen anderen Ereignissen geglaubt haben, dass wir das gar nicht mehr erleben müssen. Was ist vom Arabischen Frühling geblieben? - Wir hatten geglaubt, die Netzwerke bringen Demokratie. Jetzt erleben wir, wie Netzwerke zwar Flüchtlingen helfen herzukommen. Aber wir erleben auch, dass auch die Rechten und viele andere die dunklen Seiten dieser Netzwerke organisieren. Deshalb sind sie für mich schwer schilderbar. Das sind doch die Auseinandersetzungen, die wir führen!
Sie haben recht, dass Mahnwachen ein unerträglicher Zustand sind und dass wir das gemeinsam deutlich machen müssen. Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir z. B. jetzt nicht aus strategischen Gründen die Resolution erst um 22 Uhr oder irgendwann haben, sondern uns einen. Wir haben uns zu Bad Nenndorf geeint. Sollten wir denn nicht nach außen das Signal geben, dass wir feststellen, wo wir Unterschiede haben und dass wir demokratisch damit leben können, aber voranstellen, wo wir einig sind, nämlich dass wir wollen, dass sie hierher kommen, dass die Unterbringung möglichst schnell und gut erfolgen soll, dass wir dafür auf die volle Solidarität angewiesen sind, dass wir aber auch bei den Wohnblocks, die wir von den Engländern bekommen - wie in Hameln -, die wir für die langfristige Flüchtlingsunterbringung brauchen, aufpassen müssen, dass es nicht zu einer Gettobildung kommt, und dass wir dort alle Anstrengungen unternehmen müssen?
Vor Ort werden viele Bemühungen unternommen, die jetzt nicht alle nach außen transportiert werden, weil man das mit den Bürgern im Dialog klären muss. Denn das, was jetzt in Hameln und auch an vielen anderen Orten gekommen ist, muss man ja den Bürgern gegenüber kommunizieren. Darin liegt auch eine Gefahr, wenn man das nicht richtig organisiert. Dann ist eine solche Debatte, wie wir sie hier im Landtag haben, doch kein Signal.
Das Gegenteil davon müssten wir tun. Deshalb sage ich ganz offen: Ich streite und raufe mich manchmal auch ganz gerne. Bei diesem Thema finde ich das aber unangemessen und nicht richtig. Ich finde es richtig, dass wir feststellen, wo unseres Erachtens Fehler passiert sind. Aber wir sollten auch anerkennen, was geleistet wird. Das tue ich gegenüber dem Bund, dem Bundesamt und vielen, die vor Ort Verantwortung tragen. Ich finde, wir hätten hier heute etwas anderes hinlegen können. Vielleicht schaffen wir es noch.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Auf die Rede von Herrn Watermann gibt es die Wortmeldung von Herrn Nacke zu einer Kurzintervention. Sie haben für 90 Sekunden die Möglichkeit dazu. Herr Nacke, bitte!
(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Jetzt entschuldigt er sich! - Gegenruf von Petra Tiemann [SPD]: Das glaubst du doch wohl selbst nicht!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Watermann, wir beide sind ja Abgeordnete, die hier schon einen scharfen Austausch gepflegt haben. Auch schon miteinander haben wir das gemacht. Ich bin der festen Überzeugung, dass Parlamentarismus auch bei dieser wichtigen Aufgabe präsent sein muss, aktiv sein muss. Das machen wir mit den Anträgen, die wir eingereicht haben. Dadurch ermöglichen wir die Diskussion in den Ausschüssen. Dadurch ermöglichen wir auch Anhörungen. Ich hoffe, dass Sie sich dem nicht verweigern werden, sodass wir dann auch die Gelegenheit haben, den Austausch in den Ausschüssen zu pflegen.
Aber Sie alle kennen doch den Spruch: Politik beginnt auch mit dem Betrachten der Realitäten. - Sie tun sich keinen Gefallen damit, wenn Sie den Eindruck erwecken wollen, es sei alles unproblematisch und in Ordnung, oder wenn Sie die Probleme verschweigen wollen, obwohl sie in den Zeitungen gestanden haben, weil die Menschen dann nämlich den Eindruck haben, dass wir hier nicht
wirklich konkret an den tatsächlichen Problemen diskutieren. Deswegen bin ich der festen Überzeugung: Eine Regierung wird besser, je schärfer sie kontrolliert wird, und die Kontrolle steht diesem Parlament zu. Sie verweigern sich dem - wir werden sie wahrnehmen!