Protocol of the Session on September 20, 2017

Einen Moment, bitte! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war klar: Es wird eine emotionale Debatte. Aber wir alle sollten einander zuhören.

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

Deshalb bitte ich um etwas mehr Ruhe, Herr Kollege Thiele.

Bitte, Herr Janßen, fahren Sie fort.

Eine Anfrage u. a. auch von Niedersachsen hat ergeben: Der Wolf ist in Deutschland weiterhin in einem schlechten Erhaltungszustand. Er bleibt also streng geschützt nach Bundesrecht und Anhang IV der FFH-Richtlinie.

(Zustimmung bei der SPD)

Zum Mitschreiben: Das ist eine Auskunft des Bundes. Da regieren CDU und SPD, und die Richtlinienkompetenz hat die Kanzlerin.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zuschauen und aussitzen, Teflonpfanne spielen - das ist alles gut und schön. Aber klare Direktiven zu erteilen, wäre ja auch einmal eine Alternative.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und wenn der Schutzstatus des Wolfes so ist, wie es uns das Bundesministerium in der Ausschusssitzung am 28. August erklärt hat, dann heißt das: Nur eine Entnahme auffälliger Tiere ist im Einzelfall möglich.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Das kann der Minister veranlassen! - Ulf Thiele [CDU]: Dann muss man das aber auch tun, Herr Janßen!)

Da muss man definieren, was denn auffällig ist. Und auch das tut Niedersachsen nicht im luftleeren Raum. Wir setzen hier nämlich Bundesrecht um, und die Vorgaben, was auffällig ist, setzt das Bundesamt für Naturschutz, eine nachgeordnete Behörde des Bundes.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Zuruf von der CDU: Frau Hendricks!)

Meine Damen und Herren, dieses Bundesamt sieht Risse ungeschützter Weidetiere als normales Verhalten des Wolfes an. Auch Rinder gehören zum Beuteschema von Wölfen.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Aha! Gut, dass das mal jemand sagt!)

Ein Wolf, der nicht hinreichend geschützte Rinder reißt, ist erst einmal - per Definition der Bundesbehörden - nicht verhaltensauffällig.

Allerdings haben wir es bei dieser Häufung von Rinderrissen mit einem neuen Phänomen zu tun. Das muss dann auch neu bewertet werden. Hier muss Niedersachsen in Abstimmung eine fachliche und rechtliche Einschätzung entwickeln, die im Einzelfall auch dazu führen kann, dass Tiere dieses Rudels entnommen werden müssen. Das kann so sein. Aber bislang gilt: Nur wenn geschützte Tiere wiederholt gerissen werden, ist von einem auffälligen Verhalten auszugehen -

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Wie viele muss die Goldenstedter Wölfin denn noch reißen?)

und dafür sind nicht die Grünen und auch nicht die Niedersächsische Landesregierung zuständig -, und auch nur dann ist der Abschuss der entsprechenden Wölfe zulässig.

Unabhängig davon, ob Wölfe aus dem Lahmsdorfer Rudel getötet werden, muss alles getan werden, um Nutztiere zu schützen. Auch diesem Rudel werden andere Tiere nachfolgen. Das A und O bleiben wolfsabwehrende Zäune. Der Mindestschutz muss erreicht werden: 90 cm mit Elektrolitze. Das verschandelt auch nicht das Landschaftsbild. Das gibt es in anderen Gegenden - ohne Wolf - genauso.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Gero Hocker [FDP]: Überall in Niedersachsen werden die- se Zäune überwunden! Sie haben keine Ahnung!)

Im Elbe-Weser-Dreieck, meine Damen und Herren, ist das nicht ausreichend geschehen. Weder die Rinderrisse noch die Schafsrisse fanden hinter wolfsabweisenden Zäunen statt.

Wir müssen Wege finden, die Nutztierhaltung und die Wolfsvorkommen miteinander in Einklang zu bringen.

(Jörg Hillmer [CDU]: Das sagen Sie seit fünf Jahren, und es passiert nichts!)

Da müssen alle Beteiligten noch besser werden. Anträge auf Mittel für Zäune müssen schnell bewilligt werden. Die Anträge müssen von den Weidehaltern aber auch gestellt werden. Auch das ist nicht immer der Fall.

(Jörg Hillmer [CDU]: Warum denn, wenn al- les abgelehnt wird?)

Risse sind schnellstmöglich zu entschädigen. Aus meiner Sicht müssen auch Mittel für die Arbeit am Zaunbau bereitgestellt werden, entweder individuell nach Aufwand oder in Form einer „Weideprämie plus“, die Mehraufwendungen für den Wolf pauschal abgleicht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Unnötige Leiden der Nutztiere wollen wir genauso wie Sie vermeiden. Auch hier brauchen wir unkomplizierte Regelungen, die das ermöglichen. Daran müssen wir weiter arbeiten.

(Ulf Thiele [CDU]: Wäre irgendjemand von uns auf die Idee gekommen, die gesamte niedersächsische Land- schaft mit 2 m hohen Zäunen zu durchziehen, Sie wären im Quadrat gesprungen, und das zu Recht!)

Aber wir haben nicht vor, Wölfe danach zum Abschuss frei zu geben, ob sie tierschutzgerecht töten oder nicht. Das Tierschutzgesetz soll Tiere vor menschlichem Übergriff schützen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob denn der Habicht immer tierschutzgerecht mit einem Huhn umgeht. Das haben wir nicht zu bewerten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU, Herr Oesterhelweg, wenn Sie hier sagen: „Wenn wir regieren, werden wir die Wölfe in Niedersachsen

nachhaltig dezimieren; wir werden sie auf Truppenübungsplätze und ähnliche Flächen beschränken“, dann glauben ich Ihnen das nicht. Denn auch Sie werden nicht dauerhaft vorsätzlich gegen EURecht verstoßen. In keinem Bundesland wird der Wolf bejagt.

Sie betreiben hier vor der Wahl blanken Populismus. Damit helfen Sie den Betroffenen nicht. Wir arbeiten mit den Fachleuten zusammen. Daran werden wir auch in der nächsten Wahlperiode weiterarbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Schwacher Applaus beim großen Koalitions- partner!)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort für die FDPFraktion hat nun Herr Kollege Birkner.

(Unruhe)

- Auch für Herrn Birkner bitte ich Sie um Ihre Aufmerksamkeit. Wir beginnen erst, wenn hier Ruhe eingekehrt ist. - Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Janßen, es ist schon sehr bemerkenswert, was Sie hier machen. Sie versuchen nämlich abzulenken. Sie verweisen auf den Bund, und Sie verstecken sich hinter dem Bund. Aber Sie stehen hier in der politischen Verantwortung und müssen in Niedersachsen Antworten für die Menschen bringen, die sich hier diesen Entwicklungen ausgesetzt sehen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Widerspruch bei den GRÜNEN - Glocke der Präsidentin)

Sie erzählen hier, Mittel müssten zur Verfügung gestellt werden, die Entschädigungszahlungen müssten leichter gehen, der wolfssichere Zaun müsse kommen.

Aber sprechen Sie doch einmal mit den Betroffenen vor Ort!

(Anja Piel [GRÜNE]: Das machen wir doch, Herr Birkner!)

Die beantragen das schon nicht mehr, weil sie von Ihrer Bürokratie völlig abgenervt sind. Die sagen:

Ich lasse mir doch nicht im Detail nachweisen, dass mein Zaun 5 cm zu niedrig war.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Da wird überhaupt nicht mehr beantragt, weil die Leute sich frustriert zurückziehen und sich von Ihnen und Minister Wenzel völlig im Stich gelassen sehen - und von dieser Landesregierung, die tatenlos zuguckt.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Es ist sehr wohl eine politische Grundentscheidung, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Aber die wollen Sie nicht treffen.