Jetzt hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Johann-Heinrich Ahlers das Wort. Bitte, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP-Fraktion beschäftigt sich mit einem der wichtigsten Themen der Gegenwart. Die Integration - oder Nichtintegration - von Zuwanderern und insbesondere von anerkannten Flüchtlingen bestimmt ganz wesentlich, was für eine Gesellschaft wir in der Zukunft sein werden.
Lieber Kollege Jan-Christoph Oetjen, grundsätzlich findet Ihr Antrag natürlich unsere Zustimmung. Dennoch einige Gedanken zu ihm:
Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren kamen jährlich über 100 000 Menschen mehr nach Deutschland, als Deutschland verlassen haben. Die Flüchtlingswelle von Ende 2015 und Anfang 2016 mit ungefähr 900 000 Asylbewerbern war da ein Ausreißer, der uns aufweckte. Wir müssen aber auch an die Zuwanderung aus anderen Gründen - etwa aus beruflichen Gründen, zur Ausbildung oder zur Familienzusammenführung - denken.
Der Antrag untertreibt, wenn er von „Hunderttausenden Menschen“ spricht, die „in den vergangenen Jahren vor Krieg und Folter geflohen“ seien. Laut UNO-Flüchtlingshilfe waren Ende 2016 tatsächlich 65,6 Millionen Menschen auf der Flucht. Jeden Tag ziehen laut UNO-Flüchtlingshilfe 28 300 Menschen auf die Flucht aus ihrer Heimat.
(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Jan-Christoph Oetjen [FDP])
Das geschieht auf vielfältige Weise, z. B. ganz erheblich durch die Finanzierung der Flüchtlingshilfe der UNO.
(Filiz Polat [GRÜNE]: Der UNO ist lei- der das Geld ausgegangen, Herr Ah- lers, weil Wohlstandsstaaten nicht or- dentlich gezahlt haben!)
In den letzten Jahren ist aber auch die Zahl der in Deutschland angekommenen Flüchtlinge deutlich gestiegen. Das stellt uns vor große Herausforderungen. Zunächst muss geprüft und entschieden werden, ob die Asylbewerber jeweils tatsächlich
Meine Damen und Herren, grundsätzlich ist anzunehmen, dass Flüchtlinge später in ihre Heimat zurückkehren wollen. Dies ist teilweise leider nicht möglich, oder sie wollen das nach einer gewissen Zeit nicht mehr. Unabhängig davon, ob Flüchtlinge später in ihre Heimat zurückkehren, sollten wir gegenwärtig davon ausgehen, dass sie bleiben werden. Wir sollten uns von Beginn an für die Integration in unsere Gesellschaft einsetzen.
Bei Asylbewerbern, bei denen keine Asylgründe vorliegen, müssen wir hingegen schneller für eine Heimkehr sorgen.
Die Hauptarbeit bei der Integration erfolgt in den Kommunen, in den Vierteln und in den Ortsteilen der Kommunen. Das, was die kommunalen Spitzenverbände auf ihren Tagungen gefordert haben, ist richtig. Deshalb sagen wir: Die Kommunen müssen wir bei der Integration unbedingt besser unterstützen.
Hier hat die Landesregierung aus falsch verstandener Toleranz nicht gehandelt. Der Schaden liegt jetzt bei den Städten, wie z. B. Salzgitter. Die Hilferufe von Salzgitter an die noch amtierende Landesregierung hatten ja leider keine Wirkung. Deshalb haben wir einen Entschließungsantrag zur Wohnsitzauflage gestellt.
Meine Damen und Herren, der Entschließungsantrag der FDP-Fraktion sieht 2 000 Euro pro Flüchtling ab dem 1. Januar 2018 vor. Er hätte natürlich gravierende finanzielle Folgen. Bei 30 000 anerkannten Asylbewerbern in Niedersachsen - das ist eine zurückhaltende Schätzung - reden wir von Ausgaben in Höhe von 60 Millionen Euro pro Jahr. Das wäre gut investiertes Geld. Diese Ausgabe kann aber nicht mit einem Entschließungsantrag beschlossen werden. Dazu bedarf es grundsätzlich eines entsprechenden Haushaltstitels und weiterer gesetzlicher Regelungen, etwa in einem Integrationsgesetz.
Der Antrag richtet den Blick also auf ein wichtiges Thema. Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass dieses Thema in der nächsten Wahlperiode mit einer CDU-geführten Landesregierung endlich die Aufmerksamkeit bekommen wird, die es verdient.
Vielen Dank, Herr Kollege Ahlers. - Für die SPDFraktion hat jetzt Herr Kollege Michael Höntsch das Wort.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich als Abgeordneter der SPD-Fraktion kann nicht erkennen, dass wir eine Integrationspauschale auf den Weg bringen müssten. Dieser Antrag suggeriert, es gebe bis heute kaum eine oder keine finanzielle Unterstützung seitens des Landes für die Integration Geflüchteter in den Städten und Gemeinden. Gleich mehrere Fakten sprechen gegen die von der Fraktion der FDP beantragte Integrationspauschale:
Der Landtag hat mit den Stimmen von SPD und Grünen im Dezember 2016 einen Nachtragshaushalt beschlossen, mit dem den Kommunen schon im vergangenen Jahr und in den Jahren 2017 und 2018 zusammen 1 Milliarde Euro zusätzlich gewährt worden ist, um die großen Herausforderungen bei der Aufnahme, Unterbringung und schließlich auch Integration von Flüchtlingen bewältigen zu können.
Die Landesregierung und auch die Fraktionen von SPD und Grünen mahnen von jeher an, unsere Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie in der Lage sind, alle ihnen übertragenen Aufgaben zu bewältigen. Dazu gehört auch das Thema der Integration von zu uns geflüchteten Menschen. Da sind wir uns sehr einig, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Auch das Land muss - das habe ich erwähnt - seinen Beitrag leisten, allerdings nicht alleine. Auch der Bund ist gefragt und muss zu seiner Verantwortung stehen.
Verantwortung. Denn dort wird über die Aufnahme und die Verteilung auf die Länder - und damit indirekt auch auf die Kommunen - entschieden. Von „Wir schaffen das“ hin zu einem „Die schaffen das schon“ - das ist leider die jüngste Entwicklung.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür werben, die Einwanderung endlich auf sichere Füße zu stellen, wie es die Bundesratsinitiative zu Beginn des Jahres vergeblich gefordert hat! Themen wie Migration und Flucht sind in unserer Bevölkerung mit Ängsten verbunden. Wir wissen das. Mit diesen Ängsten spielt man aber nicht.
Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das die Integration in unsere Gesellschaft regelt. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz losgelöst von unserem Asylrecht.
Schon heute leben viele hoch qualifizierte Menschen unter uns, die aus der Sicht der Wirtschaft dringend benötigt werden. Leider werden uns viele davon wieder verlassen müssen, weil sie nach dem bestehenden Asylrecht keine Bleibeperspektive haben. Das Nein des Bundesrates hat Zukunftschancen nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für unsere Gesellschaft verwirkt.
Und noch eines: Die Landesregierung steht zu ihrer Verantwortung für die Kommunen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung hat Rot-Grün die Kommunen in der Vergangenheit unterstützt und wird dies auch in der Zukunft tun, gerade auch diejenigen, die aktuell unter ganz besonderem Druck standen und stehen. Da sind wir verlässlich.
Erlauben Sie mir nun am Ende meiner Ausführungen, ein paar Worte des Dankes und des Abschiedes loszuwerden. Ich stehe hier zum letzten Mal. Ich werde dem kommenden Landtag - nach fünf Jahren engagierter Arbeit im Parlament und im Wahlkreis - nicht mehr angehören. Es war eine spannende und eine schöne Zeit, sozusagen die Hoch-Zeit meines Berufslebens.
Ich kann nicht verhehlen, dass es mich geschmerzt hat, nicht wieder dabei sein zu können. Das war eine schwere, eine bittere politische Niederlage. Ich habe aber die Kraft gefunden, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Das ist, glaube ich, ganz gut so.
Ich erinnere mich noch gut an die Ansprache unseres verehrten Präsidenten, Herrn Busemann, der davon sprach, welch große Ehre es sei, diesem Parlament angehören zu dürfen. Sie werden sich erinnern. Auch mich hat es mit Stolz erfüllt, die Treppe zum Portikus emporsteigen zu dürfen.
Ich habe hier in diesem Parlament Freunde und darüber hinaus angenehme menschliche Kontakte gefunden - natürlich auch zu beiden Oppositionsparteien -, an die ich mich gerne erinnern werde.
Ich habe zeit meines politischen Lebens meist frank und frei meine Meinung gesagt. Das war auf meinen Wegen nicht immer hilfreich und hat mir oft Schwierigkeiten bereitet, aber es ging nicht anders. Schon mein Vater kritisierte das einst heftig an mir. Ich denke mir, er wäre heute trotzdem stolz.
Meine lieben Kolleginnen und meine lieben Kollegen, ich möchte Sie heute an unser Versprechen erinnern: Wir wollen uns für unsere freiheitliche Demokratie stark machen. Wir wollen der Jugend, aber auch allen anderen ein Vorbild sein.
Mir wurde immer gesagt, der parlamentarische Streit und auch die Polemik seien das Salz in der Suppe. Mir persönlich war diese Suppe hier mitunter versalzen. Ich mag die Hoffnung aber nicht aufgeben, dass wir - ich muss jetzt sagen: dass Sie - da besser werden können.
Auch mein Herzensanliegen möchte ich heute hier allen Fraktionen im Hause noch einmal darlegen: Bitte nehmen Sie das Problem des Antisemitismus ernst! Denn es ist ernst. Wir haben hier immer viel über Gewalt gesprochen. Ich kann die Auseinandersetzungen eigentlich kaum zählen, in denen wir uns um rechte wie linke Gewalt gestritten haben. Diese Debatten sind sicherlich wichtig und auch nötig. Bei allem Dissens aber sollte uns die Solidarität mit unseren jüdischen Mitbürgern immer einen.
Das muss immer Konsens sein, und das muss immer Konsens bleiben. Ich sage mit dem nötigen Selbstbewusstsein: Wir sind besser als jedes andere Land in der Erinnerungskultur aufgestellt, gerade auch in der Landeshauptstadt Hannover
und in der Region. Unsere Gedenkstätten sind ganz wunderbare Orte, wenn ich das - ohne missverstanden zu werden - so sagen darf, ob Ahlem oder Bergen-Belsen. Diese unsere Vergangenheit muss uns anspornen, uns umso mehr auch den Lebenden zuzuwenden. Hate speech und offener Judenhass müssen unsere gemeinsame Ablehnung, unseren gemeinsamen Widerstand erfahren. Wenn dort Gesetze nicht ausreichen - das scheint so zu sein -, dann muss die Politik handeln.