Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um gleich eines vorwegzunehmen: Angst muss hier wirklich niemand haben. Das, lieber Herr Kollege Bäumer, möchte ich vorab gesagt haben. Ich denke, ich spreche für alle Mitglieder des Ausschusses, wenn ich sage, dass wir ausdrücklich bedauern, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu diesem fürchterlichen Unglück leider immer noch nicht abgeschlossen sind. Es steht tatsächlich auch noch ein Gutachten aus, auf dessen Auswertung hin durchaus noch weitere Zeugenvernehmungen folgen könnten, wie uns in der Unterrichtung mitgeteilt worden ist.
Zu den unstreitigen und fürchterlichen Lehren aus der Katastrophe gehören unbedingt auch kontrollierende Maßnahmen. Diese sind mittlerweile aber angeschoben und umgesetzt worden. Einige Beispiele will ich hier einmal nennen: Überwachungspläne, das Anlegen von Katastern, das Vieraugenprinzip bei der Prüfung von Anlagenänderungen, die Stärkung des gewerblichen Aufsichtssystems, die Prüfung des Systems der Fremdüberwachung, die Prüfung der bauaufsichtlichen Kontrolle usw. - ein ganzer Strauß von Maßnahmen, die das Ministerium und die Landesregierung kurzfristig umgesetzt haben.
Der Antrag - das muss ich an dieser Stelle auch einmal sagen - ist in der Tat schon ein bisschen älter. Ich glaube, er hat zwei Jahre auf dem Buckel und kam im Fachausschuss mehrmals auf die Tagesordnung. Die Landesregierung hat dazu mehrfach unterrichtet. An dieser Stelle füge ich hinzu: immer einvernehmlich. - Niemand hat sich an irgendeiner Stelle geweigert oder verweigert. Niemand kann hier unterstellen, dass der Antrag in irgendeiner Weise nicht sachlich und nicht mit der notwendigen Sorgfalt beraten worden wäre.
In dem Antrag wird eine gutachterliche Feststellung gefordert, ob die Anlage in Ritterhude eigentlich nach den Vorgaben der Störfallverordnung hätte behandelt werden müssen. Dazu hat die Landesregierung mehrfach dargelegt, dass das für die Anlage in Ritterhude nicht zutrifft, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das kann man - dafür habe ich auch Verständnis - durchaus auch kritisch sehen, weil die Störfallverordnung eventuell ein Instrument gewesen wäre, um den negativen Entwicklungen frühzeitig vorzubeugen. Die dortige Anlage aber hat nachvollziehbar nicht der Störfallverordnung unterlegen. Insofern hat sich auch dieser Punkt des Antrags erledigt.
Aufgrund der Sachlage - weil die Akten auch vorgelegt worden sind - hätte die CDU-Fraktion ihren Antrag im Grunde genommen zurückziehen müssen; denn die darin enthaltenen Forderungen haben sich erledigt. Die grundsätzlich wichtige Frage der Explosionsursache ist jedoch noch nicht abschließend geklärt. Das aber ist auch nicht Inhalt des Antrags. Auch das gehört an dieser Stelle zur Wahrheit mit dazu.
Sicherlich kann der Umweltausschuss das Gutachten einsehen. Das kann er jederzeit. Das Gutachten steht aber noch aus. Ich und wir denken, dass sich das Gutachten mit der Gesamtsituation befassen wird, nicht aber mit der Detailfrage, ob das Unternehmen in die Störfallverordnung hätte aufgenommen werden müssen. Mit dieser Frage wird sich das Gutachten mit Sicherheit nicht auseinandersetzen. Auch nach mehrfachen Unterrichtungen durch die Landesregierung haben sich keine neuen Erkenntnisse mehr ergeben, die für den Antrag oder das Antragsbegehren bedeutsam sein könnten.
Ein Weiteres muss ich auch noch sagen: Neue Punkte hat die CDU als Antragstellerin auch nicht vorgebracht. Im Übrigen besteht die Möglichkeit, jederzeit eine Unterrichtung zu beantragen und diesen Themenkomplex wieder aufzugreifen. Es geht - auch davon bin ich überzeugt - der Opposition an dieser Stelle nicht um Sachpolitik, sondern mehr um großes Wahlkampfgetöse. Mit sachlicher Politik hat das alles nichts mehr, aber auch wirklich gar nichts mehr zu tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Zustimmung bei der SPD - Jörg Hill- mer [CDU]: Dass Sie Ihre Versäum- nisse aus dem Wahlkampf heraushal- ten wollen, kann doch nicht Ihr Ernst sein!)
Die Regierungsfraktionen sind an einer Aufklärung interessiert. Das haben wir im Ausschuss, glaube ich, mehrfach deutlich gemacht, und zwar auch durch die Ernsthaftigkeit, mit der wir mit diesem Antrag umgegangen sind. Das Thema muss mit Ernsthaftigkeit und auch mit Sorgfalt behandelt werden. Im gesamten Beratungsverfahren ist stets volle Transparenz hergestellt worden; denn niemand hat die Einsichtnahme in das Gutachten oder in irgendwelche Unterlagen verweigert.
Die CDU-Fraktion unterbreitet auch keine neuen sachlichen Vorschläge etwa zu der Frage, wie die Arbeit der Gewerbeaufsichtsämter, der Bauämter
Die Angelegenheit - auch das muss ich an dieser Stelle einmal sagen - ist viel zu ernst, als dass man hier nur mit Spekulationen und Verdächtigungen - mit „man hätte“, „man könnte“, „man sollte“, „wahrscheinlich ist“ - arbeiten könnte. Man darf hier auch - und das ist wirklich ein starkes Stück - kein Misstrauen säen hinsichtlich der Frage, wer was getan hätte oder getan haben könnte. Damit wird man der ernsten Situation hier in Ritterhude nicht gerecht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Insofern dürfen dieses Gutachten und das im Antrag geforderte Gutachten nicht gleichgesetzt werden. Nichts spricht gegen eine Auswertung des Gutachtens - das haben wir im Ausschuss auch beschlossen -, um daraus gegebenenfalls weitere Schlüsse zu ziehen. Die CDU unterbreitet aber, wie schon gesagt, keine weiteren Vorschläge, um daraus für das weitere mögliche Verwaltungshandeln Lehren zu ziehen.
Insofern können wir diesen Antrag, weil die beiden in ihm enthaltenen Punkte umgesetzt worden sind und weil der Beratungsvorgang nach fast zwei Jahren und mehrfacher Befassung im Ausschuss als erledigt erklärt werden kann, ablehnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Bosse. - Jetzt hat das Wort für die FDP-Fraktion Herr Kollege Dr. Gero Hocker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Bosse, als ich Ihre Rede gehört habe, hatte ich den Eindruck, dass Sie in einer anderen Ausschusssitzung gewesen sein mussten. Wenn ich mich daran erinnere, wie die Diskussion in der letzten Sitzung des Umweltausschusses verlaufen ist, dann hat der Kollege Bäumer den Antrag der Union begründet. Vonseiten der SPD und der Grünen aber gab es einen Vorgang, den ich in acht Jahren Parlamentstätigkeit noch nicht erlebt habe. Man hat sich einfach nicht zu Wort gemeldet. Das kann man im Protokoll nachlesen. Es ist nicht erklärt worden, warum
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass Sie an dieser Stelle gehalten wären, mehr Offenheit, Transparenz und Kommunikation auf Augenhöhe zu pflegen; denn das sind genau die Worte, die Sie in Ihrem Koalitionsvertrag ganz häufig verwendet haben. Leider scheitern Sie aber an Ihren eigenen Ansprüchen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Vielen Dank. - Herr Dr. Hocker, Sie haben gerade gesagt, dass sich im Ausschuss Grüne und Rote zu diesem Thema nicht zu Wort gemeldet hätten. Wie kommt es dann, dass in der inzwischen vorliegenden, aber noch nicht genehmigten Niederschrift der Kollege Bajus, also ich, mit vier Wortbeiträgen zu diesem Punkt protokolliert worden ist?
Vielen Dank, Herr Kollege Bajus. Ich habe an dieser Sitzung des Umweltausschusses teilgenommen. Ich kann Ihnen versichern, dass es von Ihrer Seite keine Wortmeldungen gegeben hat. Stattdessen ist über diesen Antrag abgestimmt worden, ohne dass sich von Ihrer Seite jemand zu Wort gemeldet hat.
Wir haben dort mit langen Gesichtern gesessen und haben uns darüber gewundert, warum es Ihrerseits keine Erklärungen gegeben hat, sehr geehrter Herr Kollege Bajus. So hat es sich vor einigen Wochen im Umweltausschuss dargestellt.
Herr Dr. Hocker, das können wir hier jetzt nicht klären. Aber wenn die Kollegen Zweifel daran haben, dann lesen Sie es gemeinsam nach und überzeugen Sie sich bei der Lektüre des Protokolls. Hier im Plenarsaal klären wir das jedenfalls jetzt nicht. Hier hat Herr Dr. Hocker das Wort. Bitte!
Im September 2014 ist in Ritterhude eine Chemiefabrik explodiert, Menschen sind zu Tode gekommen, sind schwer verletzt worden, Eigentum ist zerstört worden. Ich glaube, dass es unsere Aufgabe auch in diesem Hohen Hause wäre, alles dafür zu tun, dass sich ein solcher Vorfall wie in Ritterhude weder in Niedersachsen noch irgendwo in Deutschland wiederholen kann, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wenn die Union dann die Offenlegung der als vertraulich gestempelten Lieferlisten - natürlich unter Wahrung der Interessen Dritter - und die Beauftragung eines Gutachters fordert, ob und ab wann der Betrieb in Ritterhude unter die Störfallverordnung gefallen wäre, dann wären Sie gut beraten gewesen, wenn Sie diesem Antrag zugestimmt hätten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Im Ausschuss haben Sie dieses nachvollziehbare Ansinnen abgelehnt. Ihr Verhalten, Herr Kollege Bajus, hat nichts, aber wirklich gar nichts mit den Ansprüchen zu tun, die Sie in Ihrem Koalitionsvertrag formuliert haben: Transparenz, Kommunikation auf Augenhöhe. - Das ist in diesem Ausschuss nicht passiert, meine Damen und Herren.
Ich sage Ihnen eines: So leichtfertig sagen normalerweise noch nicht einmal Sie sich von dem los, was Sie einmal gemeinsam aufgeschrieben haben. Deswegen liegt der Verdacht nahe, dass Sie hierfür handfeste Motive haben könnten - vielleicht weil die Offenlegung dieser benannten Lieferlisten einzelnen Mitgliedern der Landesregierung zum Problem werden könnte. Verlassen Sie sich darauf, dass wir Ihnen das nicht durchgehen lassen!
Vielen Dank, Herr Dr. Hocker. - Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Volker Bajus das Wort.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat, 2014 erschütterte eine schwere Explosion Ritterhude. Ein Mitarbeiter der Chemiefabrik Organo-Fluid kam dabei ums Leben. Wie durch ein Wunder wurde sonst niemand schwer verletzt, obwohl über 40 Wohnhäuser zum Teil total zerstört wurden. Die Ursachen sind bis heute nicht geklärt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die lange Dauer des Verfahrens ist zweifelsohne bedauerlich und insbesondere für die Betroffenen kaum nachvollziehbar. Öffentlichkeit und Politik wollen Aufklärung und erwarten, dass hier mit Nachdruck und hohem Einsatz ermittelt wird und die Ursachen hoffentlich bald aufgeklärt sind.
Meine Damen und Herren, um Aufklärung geht es in dem vorliegenden CDU-Antrag von 2015 leider nicht. Das Anliegen hatte sich nämlich bereits kurz nach der Antragstellung komplett erledigt. Die geforderten Lieferlisten liegen doch längst vor. Und ob das Unternehmen der Seveso-II-Richtlinie unterlegen hat, wurde geklärt. Die deklarierten Mengen waren dafür zu gering. Das hat eigentlich Herr Bäumer selbst gerade so vorgetragen.
Ob bei den Mengenangaben allerdings betrogen wurde, ist Gegenstand des Ermittlungsverfahrens. Da hilft dieser Antrag kein Jota weiter. Darüber, warum die CDU ihn dennoch aufrechterhält, können wir hier ein wenig spekulieren. - Womöglich, weil - wie Herr Bäumer im Ausschuss mitgeteilt hat - demnächst der dritte - wie er gesagt hat - Jahrestag der Explosion ansteht und daher eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit bestünde. - Meine Damen und Herren, wer so etwas sagt, muss sich doch nicht wundern, wenn ihm vorgeworfen wird, dass die tragischen Geschehnisse für parteipolitische Interessen missbraucht werden.
Nicht nur ich frage mich, zu welcher neuen Erkenntnis eigentlich der Klamauk, den der Kollege hier regelmäßig zum Thema veranstaltet, letztlich geführt hat. - Doch zu keiner einzigen Erkenntnis! Das ist doch die Wahrheit, meine Damen und Herren. Dagegen hat unsere Landesregierung, hat das Umweltministerium das Thema sehr ernst aufgenommen und die Arbeit der Gewerbeaufsicht weiterentwickelt, u. a. das Gewerbeaufsichtsamt personell gestärkt und gezielte Fortbildungen organisiert. Ich bin Herrn Bosse sehr dankbar. Er hat einige Dinge aufgezählt; die brauche ich hier nicht zu wiederholen.
Ein wichtiger Punkt allerdings war zudem die Weiterentwicklung der Überwachungskultur. Da lag bekanntermaßen 2013 einiges im Argen. So gab es wohl jahrelang eine von oben verordnete Dominanz des Dienstleistungsgedankens, ja wenn nicht sogar eine Kultur des Wegschauens.
Meine Damen und Herren, das geht gar nicht. Und Sie, Herr Birkner, müssen sich anhören: Wenn es um die Sicherheit, um die Gesundheit und um die Umwelt geht, darf es keine Nachlässigkeiten geben.