Protocol of the Session on June 13, 2017

Abschließend bleibt eigentlich nur festzustellen: Dieser Antrag war im Februar überflüssig, er ist es jetzt, und deswegen werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Politze. - Auf Ihre Rede hat sich mit der Bitte um eine Kurzintervention der Kollege Ulf Thiele gemeldet, dem ich für 90 Sekunden das Wort erteile.

Herzlichen Dank, Herr Präsident, auch für den Hinweis, dass meine Redezeit kürzer sein wird.

Herr Politze, mir ist ein Punkt wichtig, damit da keine Schieflage hineinkommt: Es geht nicht darum, irgendetwas zu schüren oder Ähnliches. Auch wir sind immer wieder in guten Gesprächen mit einzelnen Vertretern der DITIB.

Es geht um ein strukturelles Problem. Das Defizit, das wir sehen - das ist im Übrigen auch der Kern unseres Antrags und der Kern der gesamten Diskussion; das haben Sie leider übersehen -, ist: Es reicht nicht, eine Forderung in den Raum zu stellen, dass die DITIB Niedersachsen - die sicherlich liberaler als viele andere Landesverbände und deutlich liberaler und entfernter von der Diyanet ist, als das für den Bundesverband gilt - einen Weg finden muss, aber ihn jetzt auch beschreiben und gehen muss, wie man den Prozess des Abnabelns von der Diyanet und vom Bundesverband organisiert und vollzieht. Die Satzungsänderungen, die dafür notwendig sind, müssen auf den Tisch. Das muss endlich stattfinden. Es hilft nichts, einmal die Forderungen in den Raum zu stellen und auszusprechen und hinterher zu sagen: Wir haben es ja jetzt gefordert, jetzt ist alles gut, jetzt machen wir weiter wie bisher! - Es fehlt die Konsequenz im Handeln dieser Landesregierung und dieses Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der CDU: Genau!)

Vielen Dank, Herr Kollege Thiele. - Ich stelle fest, auf die Erwiderung wird verzichtet. Damit hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Belit Onay das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Thiele, ich möchte drei Punkte aus Ihrer Rede noch einmal herausgreifen. Die beiden Fehler, die Sie offensichtlich gemacht haben, sind zum einen, dass Sie von einem Ewigkeitsvertrag sprechen. Offensichtlich haben Sie den Vertragstext nicht gelesen. Artikel 14 sieht ausdrücklich eine Anpassungsklausel vor,

(Ulf Thiele [CDU]: Ich habe Ihre Minis- terin zitiert!)

wonach spätestens jeweils nach fünf Jahren eine Erneuerung des Vertrags auf der Grundlage der Gegebenheiten vorgenommen werden soll.

(Johanne Modder [SPD]: Wer lesen kann, ist echt im Vorteil! - Gegenruf von Jens Nacke [CDU]: Müssen deine Zwischenrufe jeden Tag dümmer werden?)

Auch der Fragenkatalog, den, wie ich meine, die FDP an den GBD gestellt hat, und die Antworten darauf beschäftigen sich mit der Frage, ob es eine Kündigungsmöglichkeit für solche Verträge gibt. Auch dazu gibt es eine eindeutige Aussage des GBD, dass dies nach geltender verfassungsrechtlicher Lage möglich ist.

Aber auch die Transparenz gerade mit diesem Vertragstext auf der Homepage, mit den Fragen und mit den Antworten des GBD, mit dem ganzen Prozess, den das Kultusministerium im Vergleich zu allen anderen Verträgen ähnlicher Art so transparent gestaltet hat, spricht für sich.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Da sind auch Ihre Unterstellungen, es seien Hinterzimmergespräche, wirklich mehr als unfair.

Aber der eigentliche Fehler - nein, es ist gar kein Fehler -, das eigentliche Problem, das in Ihrer Rede deutlich geworden ist und hier auch zum Tragen kommt, ist doch Folgendes: Wir haben bei dieser ganzen Diskussion, wenn wir über muslimische Vereine, Verbände, über muslimisches Leben in Deutschland und auch in Niedersachsen sprechen, immer diesen Ausflug in diesen außenpolitischen, in diesen weltpolitischen Kontext, obwohl es sich ja hier bei den Muslimen faktisch um Inländer und nicht um Ausländer handelt.

(Anja Piel [GRÜNE]: Genau!)

Zugegebenermaßen - ich glaube, da sind wir wieder zusammen - liefert gerade die DITIB mit ihrer Struktur viel Munition für diese Vorwürfe. Das ist eben ihre Abhängigkeit von der Türkei. Ich habe ja in meiner Einbringungsrede damals darauf hingewiesen, wie das zustande gekommen ist. Damals, in der Wirklichkeit der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, hat man genau diese Strukturen festgeklopft.

Zu Recht fordern die islamischen Verbände auch eine Anerkennung. Das steht ihnen qua Verfassung unbenommen auch zu. Aber ich glaube - das möchte ich ausdrücklich betonen -, dass es auch für die islamischen Verbände falsch ist, sich nur auf rechtliche Statusfragen und Anerkennungsfragen zu kaprizieren und zu fokussieren. Ich glaube, es geht um mehr. Da muss ich auch sagen, dass mich das Krisenmanagement gerade des Bundesverbandes der DITIB wirklich verzweifeln lässt. Ich frage mich, ob man dort die Tragweite dieser Krise wirklich erkannt hat. Bei dieser aktuellen Krise geht es nämlich nicht nur um rechtliche Statusfragen oder Vertragsfragen, sondern um die Glaubwür

digkeit sowohl der DITIB als auch der islamischen Religionsgemeinschaften. Spätestens mit dem Rücktritt des frustrierten Vorstands der DITIB-Jugend wird klar, dass man hier die Zukunft der eigenen Jugend verspielt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen sehen wir doch, was das eigentlich für das muslimische Leben in der Fläche bedeutet.

Gerade jetzt aktuell, im Ramadan, sind sicherlich viele Kolleginnen und Kollegen zum Fastenbrechen vor Ort eingeladen. Sie hören die Diskussionen. Sie sehen, was in den Gemeinden vor Ort gemacht wird. Sie sehen das ehrenamtliche Engagement, das wir auch bei der Flüchtlingsthematik beobachten konnten. Da zeigt sich, dass es in der Fläche nicht um Innen-, Außen- oder Weltpolitik geht, sondern um konkrete Fragen, um eine Ausgestaltung des Zusammenlebens.

Da stellt sich gerade für die muslimische Jugend natürlich nicht gar mehr die Frage der Zugehörigkeit zu Deutschland. Es geht vielmehr darum, diese Zugehörigkeit mit Handeln, mit Visionen, mit Leben zu füllen. Und da liefert die DITIB-Zentrale zurzeit leider keine Antworten.

Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass wir hier in Niedersachsen mit der DITIB und dem Landesvorsitzenden eine etwas andere Situation haben. Ich habe mich sehr über die kritischen - selbstkritischen - Einlassungen und Aussagen des Landesvorsitzenden, Yilmaz Kiliç, sowohl zu den Spionagevorwürfen als auch bei anderen Gelegenheiten gefreut. Ich glaube, damit hat er vielen Menschen aus der Seele gesprochen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb war es auch wichtig, dass die Landesregierung den Dialog, den schon die Vorgängerregierungen - egal welcher Couleur - geführt haben, fortgesetzt hat, dass sie ihn vertieft hat und weiterhin versucht, mit einem Dialog aus dieser Sackgasse herauszukommen.

Wer übrigens eine Positionierung des Ministerpräsidenten Stephan Weil haben möchte, den möchte ich gerne auf die wirklich bemerkenswerte Rede hinweisen, die er beim Fastenbrechen bei der Schura gehalten hat. Das war, glaube ich, eine sehr gute Beschreibung der aktuellen Situation: des strukturellen Problems der Verbände, das ich

gerade beschrieben habe, aber auch der großen Skepsis, mit der die Mehrheitsbevölkerung auf Islam und Muslime hier in Deutschland schaut. Die Umfragen sehen da ein wirklich schwieriges Selbstbild, ein verzerrtes Selbstbild:

(Glocke des Präsidenten)

Obwohl 90 % der Bevölkerung ein liberales Selbstbild von Religion und von anderen religiösen Gruppen pflegen und möchten, stimmen doch knapp 50 % der Aussage zu, dass die Ausübung des islamischen Glaubens stark eingeschränkt werden sollte.

Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns aktuell in der Politik, aber auch in der Gesellschaft bewegen. Darauf muss es natürlich Antworten geben, -

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

- im Dialog mit den Religionsgemeinschaften.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank. - Ich wollte gerade feststellen, dass keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Aber die Kultusministerin hat sich zu Wort gemeldet. Dass Sie zu Wort kommen, bevor alle Fraktionen gesprochen haben, ist zulässig, Frau Ministerin. Es liegt keine andere Wortmeldung als Ihre vor.

Für die Landesregierung hat Frau Kultusministerin Heiligenstadt das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus Respekt vor den parlamentarischen Gepflogenheiten habe ich natürlich normalerweise gerne den Vertreterinnen und Vertretern der Fraktionen den Vortritt gelassen, Herr Dr. Birkner.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist nett! Danke! Ich verzichte gerne! - Jens Nacke [CDU]: Wir werden beizeiten darauf zurückkommen!)

Aber ich kann auch gerne jetzt meine Ausführungen dazu machen.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident Weil hat

sich bereits im März hier im Landtag zu diesem Entschließungsantrag geäußert. Er hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass das Land Niedersachsen in den zurückliegenden Jahren unter unterschiedlicher politischer Regierungsverantwortung auf vielen Feldern vertrauensvoll und erfolgreich mit DITIB Niedersachsen zusammengearbeitet hat, obwohl durchaus bekannt war, dass es schon immer eine besondere Beziehung zwischen DITIB und dem türkischen Staat gab.

Herr Ministerpräsident Weil hat ferner auf die aktuellen Veränderungen in der politischen Ausrichtung der Türkei hingewiesen und darauf, dass das Land Niedersachsen das Verhältnis zu DITIB vor diesem Hintergrund neu definieren müsse. Dabei hat er aber betont, dass vor allem DITIB selbst ihr Verhältnis zur Türkei neu definieren muss.

Eine entsprechende Diskussion muss zunächst innerhalb der DITIB geführt werden. Da nutzt es nichts, sehr geehrter Herr Thiele, dass Sie die Landesregierung auffordern, dass die DITIBSatzung geändert werden müsse. Nein, die DITIB muss ihre Satzung selbst ändern.

(Ulf Thiele [CDU]: Aber Sie müssen Konsequenzen ziehen, wenn sie es nicht tut!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch ich habe vor wenigen Wochen an dieser Stelle bereits zu DITIB gesprochen und möchte hier noch einmal folgenden Aspekt, der aus meiner Sicht in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist, betonen: Es entzieht sich dem Einflussbereich der Landesregierung, die Unabhängigkeit von Verbänden bzw. Vereinen ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger von ihren Herkunftsstaaten, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, zu gewährleisten.

Die innere Organisation und Verfasstheit ist zunächst allein Angelegenheit des jeweiligen Verbandes. Gleichwohl besteht die Möglichkeit, bestimmte Bestrebungen zu unterstützen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Landesregierung hat gemeinsam mit den Verhandlungspartnern Schura und DITIB im Januar die Entscheidung getroffen, die Verhandlungen über die eben angesprochene Vereinbarung bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode auszusetzen. Die Landesregierung hat in diesem Zusammenhang aber auch immer wieder deutlich gemacht, dass ihr an einer Fortsetzung der bisherigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Verbänden weiterhin sehr gelegen ist. Es ist deshalb das gemeinsame

Ziel der Landesregierung und des DITIB-Landesverbandes, die offenen Fragen im Hinblick auf dessen Unabhängigkeit vom türkischen Staat zu klären.