Protocol of the Session on April 7, 2017

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Santjer. Das waren Kurzintervention und Erwiderung. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Redezeiten sind auch erschöpft.

Wir kommen daher zur Ausschussüberweisung.

Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, mit diesem Entschließungsantrag den Kultusausschuss federführend und den Ausschuss für Haushalt und Finanzen mitberatend zu befassen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich jetzt um Zustimmung. - Dafür gab es eine ausreichende Unterstützung. Dafür sind ja, wie Sie wissen, immer 30 Stimmen erforderlich. Es waren deutlich mehr. Damit ist der Antrag an die Ausschüsse überwiesen.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 39: Erste Beratung: Sparkassen in Niedersachsen - eine Erfolgsgeschichte mit kommunaler Beteiligung erhalten -

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/7682

Zur Einbringung hat das Wort für die SPD-Fraktion der Kollege Dr. Alexander Saipa.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die kommunale Trägerschaft der Sparkassen wird derzeit von der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde infrage gestellt. Die von EZB und EBA vorgelegten Leitlinienvorschläge im Bereich Corporate Governance unterstellen kommunalen Vertretern in Aufsichtsorganen von Kreditinstituten einen generellen Interessenkonflikt.

Kommunale Vertreter sprechen bereits offen von einem Verlust von Demokratie. Und sie haben recht mit ihren geäußerten Befürchtungen. Die europäische Bankenaufsicht hat neue Leitlinien zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und der persönlichen Zuverlässigkeit in bestimmten Schlüsselfunktionen vorgelegt. Konkret geht es da auch um Mitglieder in Aufsichtsräten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die europäische Bankenaufsicht Sorgen darum macht, Bürgermeister, Kommunalpolitiker oder Landräte im Verwaltungsrat der Sparkassen könnten einen Interessenkonflikt haben.

Befürchtet wird in dem Leitfadenentwurf eine von politischen Zielen geprägte Einflussnahme, die mit den der Sparkasse eigenen Interessen im Konflikt stehen können. Es werden in dem Leitfaden Bürgermeister, Regierungsmitglieder, Beschäftigte im öffentlichen Dienst oder auch Kommunalpolitiker als risikobehaftet genannt. Bei Inkrafttreten hätte das die Auswirkung, dass die Sparkassen die Situation neu beurteilen und angemessene Maßnahmen ergreifen müssen - so in dem Leitfaden.

Die Vorschläge von EZB und EBA entsprechen nicht den Besonderheiten der öffentlich-rechtlichen Banken in Deutschland. Das gibt es aber nun mal so in dieser Form nur bei uns. Der EU bzw. manchen Mitgliedsstaaten ist das ja schon lange ein Dorn im Auge. Die Vermutung, politische Vertreter in Aufsichtsgremien von Sparkassen und Landesbanken würden grundsätzlich Interessenkonflikten unterliegen, ist falsch.

Die Anwesenheit von kommunalen Vertretern - also von Bürgermeistern oder Mitgliedern kommunaler Vertretungen wie Räten oder Kreistagen in

den Verwaltungsräten - ist vielmehr die Voraussetzung für eine demokratische Kontrolle der kommunal getragenen Sparkassen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie garantiert, dass die Sparkassen ihren öffentlichen Auftrag erfüllen. Die in Deutschland sehr erfolgreiche Sparkassenstruktur hat sich bewährt. Sie hat dafür gesorgt, dass Sparkassen nicht nur entscheidende Partner der regionalen Wirtschaftsentwicklung sind, sondern auch Stabilitätsfaktor für die deutsche Wirtschaft insgesamt. So kann man das sehen.

Es waren nun wirklich nicht die Sparkassen, die die Finanzkrise vor bald zehn Jahren ausgelöst haben. Die Sparkassen sind eine Erfolgsgeschichte. Und das wollen wir nicht gefährdet wissen. Wir stehen auf der Seite unserer Sparkassen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und ich denke, dass dies auch Konsens hier im Haus ist. So sind doch insgesamt mehr als 40 Kolleginnen und Kollegen hier aus dem Hause aus allen Fraktionen engagiert als Kommunalpolitiker in ihren jeweiligen regionalen Sparkassen. Das ist gut, das ist gelebte Demokratie, das ist richtig so für unser öffentlich-rechtliches Sparkassensystem.

Die persönliche Eignung der Verwaltungsratsmitglieder sowie das Nichtvorliegen von Interessenkonflikten werden nach den Maßgaben des Kreditwesengesetzes und entsprechender Bestimmungen der BaFin bereits heute vorausgesetzt und geprüft. Es gibt also keinen Grund, dies jetzt bei bestimmten Funktionen im Haupt- oder Ehrenamt noch einmal zu verschärfen. Das ist purer Aktionismus, den die Menschen meiner Meinung nach auch nicht verstehen.

Wir bitten also die Landesregierung in unserem vorliegenden Antrag, sich dafür einzusetzen, dass unser bewährtes kommunales Aufsichtssystem und der öffentliche Auftrag der Sparkassen nicht dadurch gefährdet werden, dass an die Sparkassen die Maßstäbe angelegt werden, die der neue EZB-Entwurf des „Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit“ für „bedeutende“ Kreditinstitute formuliert. - Ich wollte wenigstens einmal den kompletten Titel genannt haben.

Der Leitfadenentwurf geht weit über das hinaus, was die BaFin als nationale Bankenaufsicht von

Sparkassen derzeit verlangt. Gerade für Sparkassen würde die neue Regel nicht nur zu einem deutlich höheren Mehraufwand insgesamt führen, sondern auch die Vielfalt der kommunalen Vertreterinnen und Vertreter in den Verwaltungsräten einschränken. Es kann unserer Meinung nach aber so bleiben, wie es ist; denn das ist gut so.

Ich gebe zu: Da Freitagnachmittag ist, habe ich ein paar Passagen meiner Rede zusammengekürzt. Ich hätte zehn Minuten reden können; mache ich jetzt aber nicht. Ich will aber zum Ende kommen.

Ich wünsche mir eine schnelle und zielführende Beratung dieses Antrags. Und um ehrlich zu sein: Ich wünsche mir, dass wir über alle Fraktionen geeint deutlich machen, dass wir das so nicht akzeptieren werden. Wir wollen unsere Sparkassen mit kommunaler Beteiligung. So nämlich bleiben die Sparkassen verlässliche Partner für die Bürgerinnen und Bürger und den Mittelstand, die ihren jeweiligen Sparkassen und deren öffentlichrechtlichen Trägern vertrauen.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Saipa. - Es hat jetzt für die CDU-Fraktion das Wort Herr Kollege Adrian Mohr.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Saipa, ich denke, wir sind inhaltlich in der Tat sehr dicht beieinander. Das wird auch durch den Redebeitrag deutlich.

In der Folge der weltweiten Banken- und Finanzkrise, die auch in Europa massive wirtschaftliche, finanzwirtschaftliche und soziale Folgen hatte, wurden auch die Anforderungen an die Aufsichtsgremien von Banken in der EU durch die Europäische Union, durch die EZB und durch die zuständige europäische Bankenaufsicht verschärft.

2012 wurden dazu neue Leitlinien erlassen. Diese Leitlinien zur Eignung sollen nun durch neue Leitlinien ersetzt werden. Darauf setzt die EZB jetzt auf und hat den Entwurf eines neuen Leitfadens herausgegeben, dessen Titel der Kollege Dr. Saipa eben wunderschön und fehlerfrei vorgetragen hat, sodass ich mir die drei Zeilen in meinem Manuskript sparen kann.

(Dr. Alexander Saipa [SPD]: Oh, dan- ke!)

Dieser Entwurf geht deutlich über das hinaus, was bewährte Praxis der deutschen Bankenaufsicht ist. Es zielt nicht nur auf die systemrelevanten großen Institute, wo man es verstehen kann, sondern auch auf die regional tätigen öffentlich-rechtlichen Sparkassen.

Verschärfungen im Bereich der Regulierung und erhöhte Eigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute, vor allem für solche, deren wirtschaftliche Bedeutung so groß ist, dass sie im Falle einer Krise ganze Länder und Wirtschaftssysteme mit herunterreißen können, waren und sind in den letzten Jahren richtig und wichtig.

Regional aufgestellte Sparkassen waren in der Finanzmarktkrise - das hat Herr Dr. Saipa zu Recht angesprochen - auch durch die Tätigkeit ihrer Verwaltungsräte zweifelsfrei ein Stabilitätsanker im deutschen und europäischen Bankensystem.

Ich finde auch, dass die mit hoch qualifizierten Finanzexperten besetzten Aufsichtsräte großer europäischer Banken im letzten Jahrzehnt nicht unbedingt immer besser funktioniert haben als die Verwaltungsräte unserer regionalen Sparkassen, auch wenn man natürlich Unterschiede im Risiko- und Geschäftsmodell beachten muss.

Mir jedenfalls ist es durchaus recht, wenn ein vor Ort verantwortlicher Landwirt, ein gewählter, demokratisch legitimierter Landrat oder ein vor Ort erfahrener Gebäudeschätzer im Aufsichtsgremium einer Sparkasse mitwirkt, zumindest manchmal lieber als ein versierter Finanzexperte, der dann qualifiziert zuschaut, wie große Banken wirtschaftlich gegen die Wand gefahren werden und Milliarden-Bürgschaften brauchen.

(Beifall bei der CDU sowie Zustim- mung von Christian Grascha [FDP] und Gerald Heere [GRÜNE] - Jörg Bode [FDP]: Richtig!)

Liebe Kollegen und liebe Kolleginnen, Sparkassen sind öffentliche Einrichtungen der Kommunen und erfüllen den in den Sparkassengesetzen geregelten und auf das kommunale Geschäftsgebiet bezogenen öffentlichen Auftrag. Die Erfüllung dieses Auftrages wird durch die Verwaltungsräte begleitet und kontrolliert. Dort sitzen in der Regel der Bürgermeister oder der Landrat an der Spitze, die demokratisch legitimiert sind.

Diesen Verwaltungsratmitgliedern pauschal Interessenkonflikte zu unterstellen, wie es die neue Leitlinie der EZB tut, halten wir für verkehrt. Das formulieren auch die antragstellenden Fraktionen von SPD und Grünen erfreulich klar, deutlich und zustimmungsfähig.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung von Gerald Heere [GRÜNE])

Was wir indes nicht teilen, ist die Feststellung in dem Antrag von Rot-Grün, wonach die besonders hohen Anforderungen, die sich an verschiedenen Stellen gegenüber Sparkassen ergeben, eine Offenlegung der Vorstandsvergütung erforderlich machen. Die Gewährträgerhaftung der kommunalen Träger ist vor zehn Jahren entfallen. Die bewährten Bestimmungen des Handelsgesetzbuches und der Schutz von Persönlichkeitsrechten stehen dieser Offenlegung entgegen.

Es ist bereits Gegenstand laufender Beratungen zu anderen Punkten, die wir hier im Niedersächsischen Landtag auch inhaltlich bearbeiten und begleiten. Eine Anhörung läuft dazu. Wenn wir bei diesem Entschließungsantrag zu einem einvernehmlichen Ergebnis kommen wollen - in der Tat sollten wir das anstreben, weil alles andere nicht zweckmäßig ist -, dann sollten wir uns gemeinsam in den zuständigen Ausschüssen überlegen, ob dieser Punkt wirklich zwingend notwendig ist. Wir halten ihn für die wichtigen und richtigen inhaltlichen Feststellungen und Forderungen nicht für entscheidend und sollten uns zu diesem Kritikpunkt auch an anderer Stelle auseinandersetzen - dort, wo es hingehört.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, laut dem Vertrag der EU über die Arbeitsweise der Europäischen Union obliegt die Entscheidung, in welcher Rechtsform und in welchem Rahmen die Mitgliedstaaten die wirtschaftliche Betätigung in ihren Ländern organisieren, allein den Mitgliedstaaten. Das gilt auch für die Organisation der Strukturen im Sparkassenwesen.

Bisher konnten Bund und Länder auf europäischer Ebene diese Strukturen stets verteidigen. So erkannte auch der EU-Richtliniengeber die Notwendigkeit an, die Mitgliedschaft von staatlichen Vertretern in Aufsichtsgremien zuzulassen.

Es ist für uns als CDU-Fraktion nicht hinnehmbar, dass nun unterhalb dieser Richtlinie, unterhalb dieses Rechtsaktes stehende Verwaltungsrichtlinien diesen anerkannten Grundsatz untergraben.

Ich sage das ganz deutlich: Das ist ein Angriff auf bewährte und substanzielle Grundlagen der kommunalen Trägerschaft unserer Sparkassen. Dem müssen und dem wollen wir uns gemeinsam in aller Deutlichkeit entgegenstellen.

(Lebhafter Beifall der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung von Gerald Heere [GRÜNE])

Bei allem Verständnis zumindest für das meiste, was an zusätzlicher Regulatorik in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf die Kreditwirtschaft zugekommen ist: Das Augenmerk der Aufsicht, das Augenmerk der EZB muss doch insbesondere den system- und risikorelevanten Instituten gelten. Das ist die Lehre der Finanz- und Wirtschaftskrise. Denn die Sparkassen mit ihren Verwaltungsräten haben nun wirklich wenig mit der Krise und den Problemen in der Finanzbranche zu tun. Sie haben die Folgen zu spüren bekommen. Aber sie haben null systematische Verantwortung an der Auslösung dieser Krise.

Diese inhaltliche Ergänzung als kleine Konkretisierung des vorgelegten Entschließungsantrags wollen wir anregen. Vielleicht kann man diesen einen Punkt noch einbauen. Dann bin ich zusammen mit dem Kollegen Dr. Saipa auch der Auffassung, dass wir uns als Niedersächsischer Landtag gemeinsam und geschlossen verhalten sollten, weil es das gemeinsame Interesse aller Fraktionen ist, hier im Interesse unserer kommunalen Sparkassen in Niedersachsen deutlich Flagge zu zeigen.

Vielen Dank.