Wenn die Polizei sicher davon ausgeht, dass Personen so gefährlich sind, dass sie jeden Tag einen Anschlag begehen könnten - und das ist hier ja der Fall -, aber die Staatsanwaltschaft gleichzeitig die Botschaft aussendet, dass man derzeit nicht gegen sie vorgehen kann, weil sie sich nicht strafbar gemacht haben, dann gibt es mit Blick auf deutsche Staatsbürger eine Lücke.
Also: Sagen Sie doch bitte, was Sie wollen! Wenn Ihre Antwort ist, dass Sie solche Gefährder zukünftig jeden Tag auf Schritt und Tritt von zwei Polizeibeamten begleiten lassen wollen, dann sagen Sie das den Menschen und den Polizeibeamten auch bitte!
Herr Becker weiß, dass das die Konsequenz seiner Politik ist. Aber er ist nicht bereit, das hier auszuführen; denn natürlich würde niemand so etwas für sinnvoll halten.
Das war es auch bei Ihnen. Vielen Dank. - Damit sind die Kurzinterventionen und die Erwiderung abgeschlossen.
Mir liegt jetzt noch die Wortmeldung der Landesregierung vor. Das Wort hat Herr Innenminister Pistorius. Bitte!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ereignisse in den vergangenen Monaten - nicht zuletzt der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt - haben dem Thema Sicherheit und Schutz vor islamistisch motiviertem Terrorismus eine neue, traurige Aktualität gegeben, die die Sicherheitsbehörden und Gesetzgebungsorgane deutschlandweit intensiv beschäftigt.
Es ist Pflicht und Aufgabe der Politik, sich ständig zu hinterfragen, ob unsere derzeitigen rechtlichen Instrumente ausreichen, um die Menschen vor Gefahren dieser Art so weit wie möglich zu schützen. Es ist eine berechtigte Erwartung der Bürgerinnen und Bürger, dass wir unsere Gesetze und Bestimmungen an die Sicherheitserfordernisse anpassen. Und genau das, meine Damen und Herren, haben wir als Niedersächsische Landesregierung getan.
Wir haben Ende Januar ein Maßnahmen- und Sicherheitspaket zur präventiven Bekämpfung und Abwehr des islamistisch motivierten Terrorismus vorgestellt, das direkt in den Entwurf zum Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz eingebracht werden soll.
Ein Kernpunkt dieser Maßnahmen ist die Möglichkeit einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung, der sogenannten elektronischen Fußfessel, die vor
allem bei sogenannten Gefährdern eingesetzt werden soll. - Übrigens haben wir all das lange vor Ihrem sogenannten Sicherheitspaket vorgestellt.
Eine wichtige Neuerung ist auch die Einführung des Begriffs der terroristischen Straftat - das wurde hier gefordert, aber offenbar hat das niemand gelesen -, die es bundesweit erstmals ermöglicht, den Begriff des Gefährders einzugrenzen. Meine Damen und Herren, das ist ein ganz neuer, wichtiger Schritt. Und ich habe mich dafür eingesetzt, damit diese und andere Instrumente effektiv wirken können, dass sie möglichst länderübergreifend einheitliche Regelungen erfahren. Das habe ich bei dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz angeregt, und ich habe mich dafür eingesetzt, dass die Arbeitskreise der IMK kurzfristig zusammenkommen und die Arbeit dazu aufnehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bereits vor der Vorstellung dieses Maßnahmenpakets hatten wir als Landesregierung im November in dem genannten Gesetzentwurf auf die verschärfte Sicherheitslage reagiert. Wir haben beschlossen, dass verdachts- und ereignisunabhängige Kontrollen nach § 12 Abs. 6 auch weiterhin unmittelbar möglich sind, wenn erhebliche Straftaten mit internationalem Bezug drohen.
Daran wird deutlich, meine Damen und Herren: Wir halten eben nicht halsstarrig an einem Erstentwurf fest. Vielmehr sind wir angesichts der sich verändernden Realität in einen Diskurs mit Vertretern und Vertreterinnen der Sicherheitsbehörden eingetreten und haben dann aus unserer Überzeugung heraus den Entwurf angepasst.
Mit dem sich in den Ausschussberatungen befindlichen Entwurf zum Gefahrenabwehrgesetz und dem Maßnahmen- und Sicherheitspaket - also der Kombination aus beidem - versetzen wir die Polizeikräfte zum einen in die Lage, konsequent gegen Straftäter und Gefährder vorzugehen. Zum anderen wahren wir damit aber auch die im Grundgesetz verankerten Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger.
Und genau hier, meine Damen und Herren, liegt der entscheidende Unterschied zu dem Antrag und dem Gesetzentwurf der CDU, die hier heute zur Beratung vorliegen. Wir schaffen einen gesunden, von Vernunft und Augenmaß bestimmten Mittelweg, während viele Ihrer Forderungen zum Teil - jedenfalls auf den ersten Blick - nicht mit verfassungsrechtlichen Maßstäben in Einklang zu bringen sind. Sie wollen mit Ihren Maßnahmen in
Dazu gehört etwa, dass Sie - nicht hinreichend rechtsstaatlich abgesichert - den Unterbindungsgewahrsam auf 18 Monate erhöhen möchten. Vermutlich haben Sie sich bei der Formulierung dieser Forderung auf die Schulter geklopft und gedacht, ein extremeres und repressiveres Vorgehen gegen Gefährder, das noch stärker in die Grundrechte eingreift, traut sich niemand sonst zu äußern. Aber da haben Sie sich getäuscht, wie wir seit vorgestern wissen. Den Vorstoß aus Bayern hatten Sie nicht im Kalkül: Dort möchte die Regierung den Unterbindungsgewahrsam zeitlich gar nicht mehr begrenzen.
Die Süddeutsche Zeitung sprach passenderweise schon von dem „Guantanamo-Prinzip“, das damit eingeführt werde, meine Damen und Herren.
Es scheint bei Ihnen in der CDU/CSU also gerade in Mode zu sein, wie auf einem Basar, wenn es um Sicherheit geht, Freiheitsrechte und rechtsstaatliche Prinzipien dem Ausverkauf anheimzustellen.
Mit vernünftiger Sicherheitspolitik hat das jedenfalls nichts zu tun. Angesichts Ihrer Umfragetrends scheint das eher eine Panikreaktion zu sein.
Und bevor Sie jetzt wieder aufgeregt mit den Flügeln schlagen und unseren Entwurf zum Gefahrenabwehrgesetz als angeblich zu lasch oder ideologisch gefärbt kritisieren, kann ich Ihnen auch noch sagen: Wenn Sie unser Maßnahmen- und Sicherheitspaket, das wir derzeit finalisieren, kennen würden, dann wüssten Sie, dass bei der Gefahr einer terroristischen Straftat der Unterbindungsgewahrsams auch im neuen Polizeigesetz bei zehn Tagen bleiben wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei einigen Punkten, die die Gefahrenabwehr betreffen, liegen wir inhaltlich gar nicht so weit auseinander,
wie das Beispiel der elektronischen Aufenthaltsüberwachung zeigt. Daher appelliere ich auch an Sie als Abgeordnete der Opposition, in einigen Bereichen der Sicherheitspolitik nicht mit unzweckmäßigen oder verfassungswidrigen Forderungen um sich zu werfen. Das ist weder sachgerecht noch ehrlich den Bürgern gegenüber. Es gibt keinen absoluten Schutz, und wir sollten gegenüber den Menschen auch nicht diesen Eindruck erwecken.
Meine Damen und Herren, auch anhand der jüngsten Festnahmen von Terrorverdächtigen in Göttingen und Northeim ist deutlich geworden: Die Sicherheitsbehörden in Niedersachsen sind äußerst wachsam. Sie arbeiten bei der Terror- und Kriminalitätsbekämpfung hervorragend zusammen. Für diese Ermittlungserfolge möchte ich ausdrücklich allen daran beteiligten Beamtinnen und Beamten meinen herzlichen Dank aussprechen.
Meine Damen und Herren, mit dem neuen Gefahrenabwehrgesetz werden wir die Grundlage schaffen, damit die Polizei auch weiterhin konsequent und bürgernah ihren Aufgaben gerecht werden kann. Dieses Gesetz wird nicht nur die Polizei, sondern gleichzeitig auch die Bürgerinnen und Bürger stärken. Mit unserer Neufassung des Gesetzes gelingt der oft schwierige Spagat zwischen der Gewährleistung der Handlungsfähigkeit der Polizei und einer angemessenen Transparenz der Sicherheitsbehörden bzw. der Wahrung von Freiheits- und Bürgerrechten.
Und um noch auf die Schlussbemerkung eines Redebeitrags von der CDU vorhin einzugehen - ein Angebot, wir mögen doch die CDU fragen, wenn es um Sicherheitsfragen geht -:
Ganz ehrlich, wir reden mit vielen Menschen, und wir lassen uns beraten von Menschen, die etwas von Sicherheitspolitik verstehen. Was wir nicht brauchen und wen wir nicht fragen werden, ist eine Partei, deren Spitzenkandidat vermeintlich geheime Informationen aus der Polizei in einer Pressekonferenz ausplaudert, dann peinlich berührt und blamiert zurückrudern muss und schließlich sich
Vielen Dank, Herr Minister. - Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Daher schließe ich sowohl die erste Beratung zum Gesetzentwurf als auch die zweite Beratung zum Entschließungsantrag.
Wir kommen zunächst zur Ausschussüberweisung zu Tagesordnungspunkt 7. Das ist der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion. Damit sollen sich federführend der Ausschuss für Inneres und Sport und mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen befassen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit wurde das mehr als ausreichende Quorum für einen solchen Überweisungsbeschluss erreicht.
Wir kommen dann zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 8. Hierzu liegt, wie gesagt, die Beschlussempfehlung des Ausschusses vor. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in Drucksache 17/6238 ablehnen will, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Ich frage nach Gegenstimmen. - Ich frage nach Enthaltungen. - Das Erste war die Mehrheit. Sie sind der Ausschussempfehlung gefolgt.
Tagesordnungspunkt 9: Abschließende Beratung: Erinnerung und Gedenken wahren - StasiUnterlagen als nationales Kulturgut sichern und zugänglich machen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/6896 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 17/7369
- Bei aller Emotionalität, die wir bei der vorherigen Debatte hatten: Bei diesem Thema ist es in besonderem Maße angebracht, es ruhig zu beraten. Ich
bitte diejenigen, die an dieser Beratung nicht teilnehmen wollen, den Plenarsaal zu verlassen, damit die Debatte in aller Würde ablaufen kann.