Protocol of the Session on October 7, 2010

Wir führen seit dem 30. August auf meine Bitte hin Schulleiterdienstbesprechungen mit allen Schulformen - bis auf die Grundschulen - durch und fragen die Schulen: Wie sieht bei euch der Umgang mit den Kerncurricula aus? Wo sind Probleme bei der Umsetzung? Wo seid ihr unsicher? Wie können wir euch helfen? Für einige Fächer werden wir den Lehrern weitere Handreichungen geben, so wie wir sie im Fach Englisch bereits haben, um sie in dieser Frage neben Fortbildung, Multiplikatorenfortbildung usw. noch weiter zu unterstützen.

Ich halte das für den richtigen Weg. Deswegen sage ich: An dieser Stelle werden wir uns mit den Bildungsverbänden, die die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren fordern, mit Sicherheit nicht einig

werden, was aber nicht ausschließt, die schulstrukturelle Debatte über die Frage, welches System das überlegene ist, auf ein vernünftiges Maß der Vertretbarkeit zurückzuschrauben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Meyer!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Ausführungen von Herrn Minister Althusmann, dass er mit Bedingungen in die Gespräche gehen möchte, also dass z. B. das Turboabitur auch an Gesamtschulen auf jeden Fall erhalten bleiben soll, frage ich die Landesregierung, ob sie einen Kompromiss oder Konsens zwischen den Fraktionen hier im Hause anstrebt, so wie es in Hamburg und Bremen erfolgt ist, wo von der CDU bis zu den Linken ein sogenannter Schulfrieden für die Planungssicherheit der Kommunen erzielt wurde, oder ob sie dies nicht ernsthaft vorhat? Wie stellen Sie sich den Prozess vor? Sollen wir nur noch die Vorschläge absegnen, die sich die Mehrheitsfraktionen bei dem Schulgipfel ausgedacht haben?

(Beifall bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Was wollen die Grünen denn einbringen?)

Für die Landesregierung Herr Minister Althusmann, bitte schön!

Lieber Herr Abgeordneter Meyer, sorgfältiger als wir es bisher getan haben, können wir bei einer solch wichtigen politischen Frage in Sachen Schulstrukturen überhaupt nicht vorgehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben uns selbst unter dem Vorwurf der Öffentlichkeit, wir würden angeblich nichts tun, warten, quasi nicht aus der Reserve kommen oder hier kein Konzept vorlegen, überhaupt nicht irritieren lassen. Wir haben alle denkbaren Vorschläge aufgegriffen. Wir haben die Presseinformationen der SPD-Fraktion, deren Wünsche usw. zur Kenntnis genommen

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Unsere Gesetzesinitiative!)

und auch, dass zumindest die vorderen Bereiche der SPD-Fraktion, die das nach außen präsentieren, zum Teil auch in den kommunalen Spitzenverbänden, sagen: Wir erkennen an, auch nach dem Hamburger Volksentscheid, dass es in Deutschland eine Diskussion über das Gymnasium im Sinne von „Ersatz durch Einheitsschule“ gibt. Jeder, egal ob SPD, Grüne, Linke oder wer auch immer - - - Die CDU würde das nie infrage stellen. Na gut, es gibt vielleicht hanseatische Ausnahmen, aber sei es drum.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der LINKEN)

Selbst die Grünen haben das in ihrem neuen Grundsatzpapier anerkannt, auch wenn sie von einer Übergangsphase sprechen. Ihr langfristiges Ziel scheint immer noch zu sein: Unter dem Deckmantel einer Schule für alle brauchen wir eigentlich alles, und jeder wird binnendifferenziert schon irgendwie zu einem höchstmöglichen Abschluss gebracht.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wir haben den freien Elternwillen, der entscheidet!)

- Den freien Elternwillen stellen wir dabei überhaupt nicht zur Debatte. Die Frage lautet letztendlich, ob es am Ende nicht sinnvoll ist, sich als Landesregierung jeden einzelnen Vorschlag aus den politischen Fraktionen und aus den Bildungsverbänden zunächst einmal anzuhören und daraus eigene Vorstellungen zu konzipieren. Das haben wir getan, und wir sind dabei, es zu tun. Unser Vorschlag beruht auf der Basis unserer Berechnungen der Schülerzahlen, unserer Berechnungen in den Landkreisen, der Unterschiedlichkeit der Schulträgerschaften in Niedersachsen. Ich will darauf aufmerksam machen, dass einige Landkreise die Trägerschaft für alle Schulformen haben, andere Landkreise haben die Trägerschaft für ihre Gemeinden - Einheitsgemeinden, Samtgemeinden - übertragen. Das führt zu einem riesigen Wettbewerb zwischen den Bürgermeistern der Gemeinden um eine wohnortnahe Schulversorgung. Sehr oft sagen dann Bürgermeister - unabhängig von Fraktionen und Parteien -: Wir wollen eine wohnortnahe Schulversorgung; wenn wir sie mit der IGS oder wie auch immer erreichen können, dann würden wir sogar in den sauren Apfel beißen und das machen, auch wenn wir inhaltlich nicht zwingend davon überzeugt sind.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Süßer Apfel, Herr Dr. Althusmann!)

Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass diese Debatte so vielschichtig ist, so viele Probleme gleichzeitig beachtet werden müssen, dass es das gute Recht und auch die Pflicht der Landesregierung ist, alle Vorschläge auszuwerten, alle denkbaren Optionen für Niedersachsen vorzulegen und durchzuspielen: Was führt für die nächsten zehn Jahre zu welchem Ergebnis? Genau das haben wir getan, wir sind auch noch dabei. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Sie bis Ende Oktober, bis wir dazu einladen werden, darauf warten müssen. Dann können wir Ihnen ein aus unserer Sicht durchdachtes, durchgerechnetes Konzept vorlegen. Das können Sie am Ende in der Luft zerreißen, es würde aber ganz guttun, wenn die Eltern in Niedersachsen spüren würden, dass wieder eine gewisse Ernsthaftigkeit in die Schulpolitik eingekehrt ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass wir im zeitlichen Verzug sind und mir weitere zehn Meldungen zu Zusatzfragen vorliegen. Das nur zu Ihrer Kenntnis.

Frau Kollegin Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sie stellen die nächste Zusatzfrage.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Kultusminister, Sie haben zu Beginn ausgeführt, dass der Schülerrückgang in den Regionen sehr unterschiedlich sein wird. Das lässt mich befürchten, dass wir vielleicht keine landesweit einheitlichen Regelungen bekommen werden, was z. B. die Frage der Zügigkeit angeht. Ist das so? Muss immer erst vor Ort „die Hütte brennen“, die Angelegenheit von Ihnen dann zur Chefsache erklärt werden und Sie in persona als der große Retter auftreten?

Herr Minister Althusmann, bitte schön!

Nein, das ist natürlich nicht so. Träger der Schulentwicklungsplanung sind die Kommunen. Verantwortliche Träger der Schulentwicklungsplanung bleiben die Kommunen. Wir werden lediglich da beratend und unterstützend zur Seite stehen, wo sie Hilfe benötigen.

Ich will dabei auf einen Aspekt aufmerksam machen: Im Bereich der Grundschulen werden wir erleben - das habe ich schon einmal gesagt -, dass die Schülerzahlen innerhalb weniger Jahre deutlich zurückgehen. Wir haben auch im Primarbereich erhebliche Probleme bei der Besetzung von Schulleiterstellen. Wir werden uns darüber unterhalten müssen, wie wir diese Strukturen und die Lehrerressourcen in den nächsten Jahren bei bestimmten pädagogischen Ansprüchen richtig und zielgerichtet einsetzen. Die Kernfrage der Kommunen, die wir in den nächsten Jahren beratend und unterstützend begleiten, ist: Wie entwickelt ihr den Primarbereich weiter? - Die Landesregierung wird keine einzige Grundschule schließen oder auflösen. Es geht im Kern darum, dass die kommunalen Schulträger ein Angebot an Schulformen erhalten, daraus ihre Schulstruktur entwickeln und letztendlich vor Ort entscheiden, welches vernünftige Schulorganisationsangebot sie brauchen.

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD])

Insofern, Frau Staudte, beantworte ich Ihre Anfrage dahin gehend: Wir schaffen - ich meine, ich hätte es vorhin gesagt - tragfähige Schulstrukturen. Bei anderer Gelegenheit habe ich schon einmal darauf hingewiesen, dass landesweit nur noch eine einzige Hauptschule vierzügig arbeitet. Wir versuchen, einen landesweit einheitlichen Standard vorzugeben, präsentieren aber keine landesweit einheitliche Lösung. Denn es gilt aus meiner Sicht, sehr behutsam die regionalen Besonderheiten und Unterschiedlichkeiten des Harzes, des Nordostens Niedersachsens, des Emslandes oder anderer Regionen zu erhalten und anzuerkennen. Warum sollte die Landesregierung da, wo Hauptschule oder Realschule gut funktioniert, die bewährten Strukturen unnötigerweise zerschlagen? Das hielte ich für unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Kollegin Reichwaldt. Ihre erste Zusatzfrage. Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, ich würde gern zwei Fragen stellen, - - -

Gerne.

- - - die sich beide auf Antworten beziehen, die Herr Minister Althusmann schon gegeben hat. Muss ich aus Ihrer Antwort, es sei unredlich, Eltern zu versprechen, an Integrierten Gesamtschulen könne auch das Abitur gemacht werden, schließen, dass tatsächlich solche Überlegungen bestehen? Sie haben gesagt, dass Sie den bisher neu genehmigten Gesamtschulen keine Oberstufe genehmigt haben und dass Überlegungen bestehen, diese Schulform nur bis Klasse 10 zuzulassen. - Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage steht im Zusammenhang mit Ihren Äußerungen - die ich durchaus teile -, wie wichtig Schulqualität ist, nämlich vor folgendem Hintergrund: Bildung ist sicherlich ein wichtiger Schlüssel für sozial - - -

Jetzt sind Sie wieder dabei, Eingangsbemerkungen zu machen, Frau Kollegin Reichwaldt. Die zweite Frage, ganz einfach und präzise!

Ich muss trotzdem eine Zahl vorausschicken.

Das ist aber leider nicht möglich. „Vor dem Hintergrund“ - - -

Vor dem Hintergrund, dass die soziale Schere in unserem Schulsystem immer weiter auseinanderklafft und dass das kein Zeichen für Qualität ist - 28 % Hartz-IV-Kinder an Hauptschulen, aber nur 4 % an Gymnasien -, frage ich die Landesregierung, welche Konsequenzen sie aus dieser Tatsache für eine zukünftige Schulstruktur ziehen wird.

Herzlichen Dank. - Vor dem Hintergrund, Frau Kollegin Reichwaldt - das wollte ich Ihnen erklären -, dass ich mich an die Geschäftsordnung zu halten habe, die Sie alle mir gegeben haben,

(Zuruf von der SPD: Mit Mehrheit!)

danke ich Ihnen, dass Sie die Frage präzisiert haben. - Herr Minister Althusmann!

Frau Präsidentin! Zur ersten Frage, ob es Überlegungen gibt, Integrierten Gesamtschulen keine

Oberstufen zu genehmigen: Nein, diese Überlegungen existieren nicht. Wenn die dafür notwendigen Schülerzahlen gegeben sind, also ausreichend sind, werden sie, wie übrigens auch in der Vergangenheit, genehmigt.

Zur zweiten Frage, zur sozialen Schere, den sozialen Problemen: Alle Bundesländer haben in der Regel einen Anteil zwischen 10 % und 20 % der Schülerinnen und Schülern, die nicht ausreichend zu einem Bildungserfolg gebracht werden können. Dies bestätigen uns die verschiedensten Untersuchungen seit 2001; damals gab es den ersten PISA-Schock.

Diese Landesregierung wird mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen versuchen, insbesondere mit Blick auf die Kinder, die aus Migrationsfamilien stammen - das sind bei den unter Sechsjährigen in Niedersachsen bereits fast 30 % -, gezielte Konzepte zu entwickeln. Diese beginnen bei der Frage der Sprachförderung. Dafür geben wir in Niedersachsen bereits 52 Millionen Euro aus, außerdem 6 Millionen Euro für den frühkindlichen Bereich, und haben über 10 000 Unterrichtsstunden für die Sprachförderung an den weiterführenden Schulen. Die Konzepte reichen bis hin zur Frage, ob es uns in den nächsten Jahren gelingen kann, gerade mit Blick auf diese Kinder aus Migrationsfamilien verstärkt auch Migranten als Lehrer zu gewinnen. Wir werden am 9. November, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, in Oldenburg den Auftakt zu einer Veranstaltung haben, mit der wir gezielt Oberstufenschüler mit Migrationshintergrund ansprechen wollen, um diese für den Lehrerberuf zu gewinnen; denn aus der Wissenschaft liegen genügend Hinweise darauf vor, dass Lehrer mit Migrationshintergrund, die über bestimmte kulturelle Hintergründe verfügen, einen schnelleren Zugang zu diesen Kindern haben als andere.

An diesen wenigen Maßnahmen mögen Sie sehen - ich könnte das ausweiten, will mich aber mit Blick auf die Zeit nicht tun -, dass wir genau diesen Punkt bereits erkannt haben. Es ist nicht vertretbar, dass die Schulabbrecherquote, die diese Landesregierung von 10,3 % auf 6,3 % aller Schulabgänger im Jahr 2009 hat senken können,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

bei den Schulabgängern mit Migrationshintergrund überproportional hoch ist. Diese Quote müssen wir deutlich senken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Brammer das Wort zu einer Zusatzfrage.